77. Jahrgang.

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Schwab. Landwirt-

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Nagold, Vonnertag den 29. Januar

1903.

Nene Kriegsartikel für die Marine.

Der Kaiser hat jetzt auch neue Kriegsartikel für die Marine eingeführt und aus diesem Anlaß folgenden Erlaß an den Staatssekretär deS Reichsmarineamts gerichtet:

Die Kriegsartikel für Meine Marine vom 23. Nov. 1872 hebe Ich auf und bestimme, daß an ihre Stelle die heute von Mir vollzogenen Kriegsartikcl treten. Ich be­auftrage Sie, die zu ihrer Einführung erforderlichen An­ordnungen zu treffen. Die Kriegsartikel sind auf jedem in Dienst gestellten Schiff und bei jedem Marineteil am Lande sogleich nach Eingang bei denselben, sowie späterhin all­monatlich, auch jedem neueintretenden Soldaten vor Ab­leistung des Eides langsam und deutlich vorzulesen und zu erläutern. Den der deutschen Sprache nicht kundigen Sol­daten sind die Kriegsartikel in ihrer Muttersprache vorzn- lesen und zu diesem Zweck die nötigen Uebersetzungen als­bald anzufertigen."

Die ersten beiden Artikel lauten:Kaiser und Reich zu schirmen, Deutschlands Handel und Schifffahrt auf allen Meeren zu sichern und den Deutschen im Ausland Schutz und Rückhalt zu sein, ist die hohe Aufgabe der Marine. Sie erfordert von den Soldaten volle Hingabe an seinen Beruf und treue Erfüllung aller seiner Pflichten. Der Dienst unter der Flagge und bei der Fahne ist eine Schule für den Krieg wie für das ganze Leben. Was der Sol­dat während seiner Dienstzeit gelernt hat, soll er auch fernerhin sich erhalten. Die dem Kaiser eidlich gelobte Treue unverbrüchlich zu wahren und die Ehre der Flagge und Fahne rein und fleckenlos zu erhalten, ist die vornehmste Pflicht des Soldaten. Die Erfüllung diese! Pflicht schließt die gewissenhafte und vollständige Erfüllung aller anderen Pflichten in sich. Dazu gehören: Kriegsfertigkeit, Mut bei allen Dienstobliegenheiten, Tapferkeit im Kriege, Uner­schrockenheit im Kampfe mit den Naturgewalten, Gehorsam gegen die Vorgesetzten, ehrenhafte Führung in und außer Dienst, gutes und redliches Verhalten gegen die Kameraden."

H'ol'itischs HleSer-ffcht.

Zu Kaisers Geburtstag bringt die Nordd. Allg. Ztg. an der Spitze längere Ausführungen, die nach Form und Inhalt als programmatische Kundgebung des Reichskanzlers gelten können. Nicht nur der Stil und der Schwung des Artikels sprechen für die Autorschaft des Grafen von Bülow; die Ausdehnung, womit der Polenpolitik gedacht ist be­kanntlich ein vom Grafen von Bülow vorzugsweise ge­pflegtes Gebiet weist auf ihn hin. Mit besonderer Energie wendet sich die Darlegung gegen die böswillige Entstellung, daß die deutsche Politik auf eine Politik der Eroberung ausgehe. Nicht der Schatten eines Beweises sei dafür erbracht worden. Ebensowenig diene die Fort­bildung unserer Wehrmacht zu Land, wie der Ausbau unserer Wehrmacht zur See Absichten des Angriffs. Der Satz, daß der Reichsadler seine Fittiche entfaltet und sich zur Wehr setzt, wenn die nationale Ehre angetastet wird, hat wohl die jüngsten Ereignisse der Venezuelaaktion im Auge, worüber die Amerikaner sich nicht beruhigen können. Es ist anzunehmen, oaß über das Bombardement von San Carlos und vor allem über die Gründe dieser Maß­regel demnächst ein ausführlicher amtlicher Bericht bekannt gegeben wird.

Der Antrag des Reichskanzlers auf Aenderung des Wahlreglements für den Reichstag behufs Sicherung des Wahlgeheimnisses ist dem Bundesrat zugegangen. Der An­trag lehnt sich durchwegs an den vom Reichstag ange­nommenen Antrag Rieckert an. Die Stimmzettel müssen 9 Zentimeter im Quadrat groß und von mittelstarkem weißen Schreibpapier sein und sind von dem Wähler m einem mit amtlichem Stempel versehenen Umschläge, der sonst keine Kennzeichen haben darf, abzugcben. Die Um­schläge sollen 12 Zentimeter im Quadrat groß und aus undurchsichtigem, weißem Papier hergestellt sein, sie sind am Vorstandstisch in der erforderlichen Zahl bereit zu halten und in Empfang zu nehmen. Jeder Wähler hat nach Empfangnahme des Umschlages den bereitgestellten Nebenraum zu betreten, wo er unbeobachtet den Stimm­zettel in das Kuvert legen kann. Der Wahlvorstand hat alle Stimmzettel zurückzuweisen, die nicht in dem Nebenraum in den Umschlag gelegt worden sind.

Die Maßregelungen Finnlands durch Rußland nehmen ihren Fortgang. Jetzt wird aus Helsingfors geschrieben: Vor einiger Zeit richtete der Generalgouverneur an die Gouverneure den Auftrag, Maßregeln zu ergreifen, damit das Militäraufgebot der Gestellungspflichtigen in diesem Jahr ohne die im verflossenen Jahr aufgetretenen Stö­rungen vor sich gehen könne. Darauf erklärten vier Gou­

verneure, daß sie angesichts der im Land herrschenden Stimmung es nicht für ratsam hielten, die in Aussicht ge­nommenen Maßregeln durchzuführen. Das Ausbleiben der Gestellungspflichtigen beruhe nämlich auf deren unerschütter­licher Ueberzeugung, daß das Wehrpfiichtsgesetz von 1901 verfassungswidrig sei. Diese Antworten wurden vom Generalgouverneur dem Kaiser vorgelegt, welcher den Gou­verneuren den Befehl zukommen ließ, ihren Abschied inner­halb einer Woche einzureichen, widrigenfalls sie abgesetzt werden würden. Der Gouverneur von Knopio Krogius hatte bereits vor dieser Angelegenheit seinen Abschied er­beten. Zu seinem Nachfolger wurde der Beamte des finn- ländischen Staatssekretariats in St. Petersburg, Berg, er­nannt.

Bon ehemaligen spanischen Ministern liberaler Richtung ist ein neues Parteiprogramm aufgestellt worden. Die Hauptpunkte desselben sind folgende: Freiheit des Vereins­rechts selbst für religiöse Vereinigungen. Allgemeines obli­gatorisches Wahlrecht. Unvereinbarkeit des Abgeordneten­mandats mit anderen Aemtern. Fernhaltung von euro­päischen Streitfragen. Engerknüpfung der Bande mit Por­tugal und dem spannisch redenden Amerika. Wiederher­stellung der Flotte. Maßregeln zu Gunsten der niederen Bevölkerungsklassen. Amortisierung der auswärtigen Schuld u. s. w. Die Versammlung ernannte keinen Parteiführer, sondern einen leitenden Ausschuß.

Parlamentarische Nachrichten.

r. Stuttgart, 27. Jan. Die Legitimationskommission der Abgeordnetenkammer tritt übermorgen mittag nach­mittags 3'/2 Uhr zur Prüfung der Legitimation des neuen Abgeordneten Prälaten von Wunderlich zusammen.

r. Stuttgart, 28. Januar. Am Freitag den 6. Febr. nachmittags 4 Uhr tritt die Kammer der Standesherren wieder zusammen, um über den Entwurf eines Gesetzes be­treffend die Besteuerungsrechte der Gemeinden und Amts­körperschaften zu beraten.

Gages-Werrigkeiten.

Aus Stadt Md Laut».

Nagold, 29. Januar.

Vom Rathaus. Mitgeteilt wird, daß bei dem Brenn­holz-Verkauf (Bühlkopf) ein Durchschnittserlös von 9 ^ 40 iZ für ein Rm. Brennholz und für ein Hundert Reis 12 ^ erzielt wurde. Verlesen wird ein umfassender Bericht von Ober­amtstierarzt Metzger über die Fleischbeschau pro 1902. Hie- nach wurden geschlachtet 39 Ochsen, 14 Farren, 149 Kühe und 283 Rinder. Eingeführt wurden 9848 Ic§ geschlachtetes Fleisch, davon wurden 280 beanstandet und an den Ausführort zurückbefördert. Notschlachtungen fanden 9 statt. Angeführt wurden ferner die bei den Schlachtungen vor­gekommenen Beanstandungen.Verlesen werden die Statuten des neugegründeten Bürger-Vereins; Erörterungen werden hieran nicht geknüpft. Beschlossen wird die Anschaffung von sechs weiteren Stühlen für das Rathaus, da sich ein Mangel hieran fühlbar gemacht hat. Damit ist die öffentliche Sitzung geschloffen.

Ausstellung der neuen Reform-Frauentracht. Im Feb­ruar d. I. wird in der König Karl-Halle des Landes­gewerbemuseums in Stuttgart auf die Dauer von etwa vier Wochen eine Ausstellung von Reform-Fraueutrachten statt­finden. Der Zweck der Ausstellung ist, die neuesten Be- strebungen, welche gegenwärtig zur Reform der Frauen- kl-idung gemacht werden, weiten Kreisen vor Augen zu führen und alle Berufenen zur Mitarbeit anzuregen. Die Ausstellung soll nur fertige Kleider umfassen, ist aber keines­wegs auf Gesellschaftskleider beschränkt, sondern es find praktische Haus- und Straßenkleider ganz besonders will­kommen. Näheres hierüber enthält die Nr. 4 des Gewerbe­blattes aus Württemberg.

Qberthalheim, 28. Jan. Eine Hauskollekte für die hiesige Notkirche ist in den gutsituierten katholischen Orten des Horber Oberamts für die Zeit vom 28. Jan. bis 2. Febr. genehmigt worden.

Stuttgart, 26. Januar. Gegenüber den in den Amts­blättern erschienenen Bekanntmachungen betr. das Verlags­werkDie Frau als Hausärztin" erläßt die Direktion des Süddeutschen Verlagsinstituts im Anzeigenteil der Stuttgarter Zeitungen eine Warnung vor weiterer Verbreitung dieser Be­kanntmachung.

Stuttgart, 26. Jan. (Die Viehzucht in Württemberg.) In einem im Merkur veröffentlichten landwirtschaftlichen

Jahresbericht pro 1902 faßt Landestierzuchtinspektor Oeko-

nomierat Fecht seine Wahrnehmung über die Rindviehzucht des Landes dahin zusammen, daß unsere drei Viehschläge; das Fleckvieh, das Braunvieh und das Limpurger Vieh, in den ihnen angewiesenen Zuchtgebieten sich auch im letzten Jahre wieder recht erfreulich entwickelt haben. Das von württembergischen Landwirten auf der Mannheimer Aus­stellung der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft zur Schau gestellte Braunvieh sei von Kennern als der Glanzpunkt der Viehausstellung bezeichnet worden, und auch Fleckvieh und Limpurger haben die gebührende Beachtung gefunden. Die Schafzucht habe im letzten Jahr, obwohl die Wollpreise nicht gestiegen find, wieder manche Freunde gewonnen, well die Leutenot und die teuren Arbeitskräfte es nahe legen, geringere Felder mit Schafen auszunützen, anstatt sie zu bebauen. Die Schweinezucht zeigte im letzten Jahr ein be­sonders erfreuliches Aufblühen: in manchen Gemeinden habe der Schweinebestand bis zu 25 Prozent zugenommen. Diese Vermehrung sei hauptsächlich der Zucht zu gut gekommen, wäh­rend der Schweinemastung wegen der hohen Preise der Mllch- schweine weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Ein eigent­licher Mangel an Schlachtschweinen habe sich im vergangenen Jahr nicht gezeigt, was schon daraus hervorgehe, daß die Ausfuhr von gemästeten Schweinen nach den Nachbarländern keine Unterbrechung erlitten habe. Ueöer die Geflügelzucht spricht sich Bezirksnotar Stellrecht, Vorstand des Landes­verbandes der württembergischen Geflügelzucht- und Vogel- schutzvcreine, dahin aus, daß das Interesse an der Geflügel­haltung in ländlichen Kreisen auch im letzten Jahr wieder zugenommen und die Geflügelbestände sich nach Menge und Güte verbessert haben. Wie groß die wirtschaftliche Bedeu­tung der Geflügelzucht auch in Württemberg ist, geht daraus hervor, daß der Kapitalwert des Geflügels aus ca. 5,250,000 Mark geschätzt wird, welchem eine jährliche Gesamterzeugung im Werte von 20,000,000 ^ (also rund 400 Prozent) gegenübersteht.

Stuttgart, 27. Jan. Der hiesige Gerichtsnotar Mayer ist wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit flüchtig. Die Voruntersuchung ist gegen ihn eingeleitet. Gerüchte von Unterschlagungen von Klientengeldern sind unbegründet.

r. Stuttgart, 27. Jan. Im Druck erschienen ist nun­mehr auch Heft XI des Hauptfinanzetats für 1903 und 1904. Das Heft enthält die Spezialetats über den Ertrag der Münze, den Ertrag des Staatsanzeigers und ver­schiedene unmittelbare Einnahmen bei der Staatshauptkaffe.

Heildronn, 26. Jan. (Günstiger Kauf.) Wie das D. Volksbl. vernimmt, hat seiner Zeit das hiesige Bankgeschäft Gumbel aus der Konkursmasse des ehemaligen Bankdirektors Fuchs dessen Lebensversicherungspolice, lautend auf 50,000 um den Preis von 25,000 ^ gekauft. Nachdem Fuchs im Zuchthause gestorben ist, hat die Ver­sicherungsgesellschaft dem Bankhaus Gumbel die 50,000 auszuzahlen.

r. Neckargartach, 27. Jan. Die zwei Knaben des Bäckers Bareiß im Alter von 7 und 9 Jahren brachen beim Schleifen auf dem Neckareise ein. Der ältere Knabe konnte durch einen hiesigen Bürger, welcher selbst in Lebens­gefahr geriet, gerettet werden, während der jüngere er­trank.

Vom Stromberg, 24. Jan. Nachdem gestern nach langer Pause wieder Schnee gefallen war, wurde die Jagd auf das Schwarzwild wieder ausgenommen. Gleich am ersten Tage konnten von vier in den Jagdbezirken Freudenthal und Güglingen eingekreisten Sauen 3 Stück, 1 Bache und 2 Ueberläufer, erlegt werden. Nur noch einigemal gün­stiger Spurschnee, und es wird bald das letzte Stück Schwarzwild verschwunden sein.

Göppingen, 27. Jan. Die Nationalsozialen wollen bei den bevorstehenden Reichstagswahlen in allen württem­bergischen Wahlkreisen, in denen sie einigermaßen Aussicht auf Erfolg haben, den Pfarrer a. D. Naumann als Zähl­kandidaten aufstellen. Wie die Göpp. Ztg. berichtet, ist die Aufstellung Naumanns für den 10. Reichstagswahlkreis erfolgt.

r. Ulm, 27. Jan. Vor einigen Tagen wurde unter­halb der Wilhelmshöhe aus der Donau die in Papier ein­gewickelte Leiche eines neugeborenen Kindes gefischt. Allem Anschein nach lag das Paket noch nicht lange im Wasser.

r. Ulm, 27. Jan. Redakteur R. Junge, der seit sechs Jahren die redaktionelle Leitung der Ulmer Zeitung inne hatte, siedelt izn April als Vertreter der Franks. Ztg. nach Stuttgart über.

r. Ulm, 28. Jan. Der Ertrunkene, der vor einigen Tagen aus der Donau gezogen und von dem schon mehrfach berichtet wurde, ist als der 46 Jahre alte Weingärtner Oßwald von Gaisburg bei Stuttgart erkannt worden. Er