7«. Jahrgang.
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Auflage 21V0.
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Schwäb. Landwirt.
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Nagold.
Die Ortsarmenbehörde hat beschlossen, auch Heuer wieder die
Meujaijrswunsch-
Knthebungskarten
einzuführen.
Wer eine Karte im Preis von mindestens 1 bei der Armenpflege, Stadtpfleger Lenz, entnimmt, von dem wird angenommen, daß er auf diese Weise seine Gratulation darbriugt und ebenso seinerseits auf Besuche und Kartenzusendungen verzichtet.
Wir laden zu zahlreicher Beteiligung mit dem Anfügen ein, daß die Liste der Teilnehmer noch zeitlich vor dem Jahresschluß im Gesellschafter bekannt gegeben und daß der Ertrag der Karten unter die verschämten Hausarmen verteilt wirlO Den 11. Dezember 1902.
Die Vorstände der Ortsarmenbehörde: gez. Dekan Römer. Stadtsch. Brodbeck.
Amtliches. Seine Königliche Majestät haben am 1. d. Mts. dem Wundarzt Rostert in Unterjesingen, Oberamts Herrenberg, die Verdienstmedaille des Friedrichsordens allergnädigst zu verleihen geruht.
Haitische WebevsichL.
Als Ergebnis einer vom Vorstand des deutschen Handelstages angestellten Umfrage über die Zugehörigkeit der Mitglieder der gesetzlich zur Vertretung von Industrie und Handel berufenen Körperschaften zu Industrie und Handel nach dem Stand vom 1. September d. I. wird in der Zeitschrift „Handel und Gewerbe" mitgcteilt, daß in Preußen bet 90 Handelskammern von 1959 Mitgliedern 1106 der Industrie und 853 dem Handel, im gesamten Deutschen Reich bei 149 Körperschaften von 3070 Mitgliedern 1716 der Industrie und 1354 dem Handel angehören. Hierbei wurde jedes Handelskammermitglied, auch wenn es mehrere Geschäftszweige betreibt, nur einmal gezählt, und Handelskammermitglieder, die sowohl der Industrie als auch dem Handel angehören, wurden der Gruppe zugerechnet, in der.sie vorwiegend thätig sind. Dabei ergab sich, daß von den 1716 vorwiegend Industriellen 105 gleichzeitig dem Handel unv von den 1354 vorwiegend Handeltreibenden 117 gleichzeitig der Industrie angehören. Alle bei dieser Zusammenstellung berücksichtigten Körperschaften sind Mitglieder des deutschen Handelstages, dem außerdem noch einige freie industrielle und kaufmännische Vereine angehören. Der deutsche Handelstag ist Vertreter der Jndu-
Uagold, Montag -eu 15. Dezember
strie so gut wie des Handels. Von seinen Ausschußmitgliedern gehört die Mehrzahl der Industrie an.
Die letzte Besprechung des ungarischen Ministerpräsidenten von Szell mit dem österreichischen Minister von Körber hat zu keiner Verständigung geführt. Der Pester Lloyd bringt einen hierauf bezüglichen offiziösen Artikel des Inhalts, daß Körber nur aus politisch-taktischen Motiven die Erledigung des Ausgleichs verhindere. Die handelspolitische Lage verbiete aber die Verschleppung ebenso wie die innerpolitische Lage Ungarns, wo die lokalen Kundgebungen für die wirtschaftliche Trennung von Oesterreich nicht unterschätzt werden dürften, von Szell sei bis zum äußersten in seinen Zugeständnissen gegangen. Wenn der Eindruck erzeugt wurde, daß man Ungarn über das Maß des Berechtigten und notwendigen Oesterreich tributär machen will, um ein schwächliches österreichisches Kabinettsgebilde zu stärken, werde auch in der liberalen Partei der Trennungsgedanke immer mehr Boden gewinnen.
Eine neue militärische Einrichtung soll in England ins Leben gerufen werden. Auf eine Anfrage im Unterhaus über die Zusammensetzung des von der Regierung geplanten Verteidigungsrats, der zur Erörterung und Entscheidung aller die nationale Verteidigung betreffenden Maßnahmen eingesetzt werden soll erwiderte Premierminister Balfour, der ganzen Angelegenheit sei gegenwärtig die ernste Auf-, merksamkeit der Regierung gewidmet, und er hoffe imstand zu sein, bald nach Beginn der nächsten Tagung darüber eine Erklärung abzugeben. Das Haus nahm sodann in zweiter Lesung eine Vorlage an, durch welche die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen in der Richtung abgeändert werden, daß die Regierung in den Stand gesetzt wird, den Plan der Errichtung einer schlagferügen Milizreserve durchzuführen.
Parlamentarische Nachrichten.
Württembergischer Landtag.
r. Stuttgart, 12. Dez. Die Kammer der Abgeordneten setzte die gestern abgebrochene Beratung des Berichts der Justizgesetzgebungskommission über den Gesetzentwurf betr. die Haftung für Sachschaden beim Eisenbahnbetrieb bei Art. 3 a fort, nachdem der Minister des Aeußern die Erklärung abgegeben hatte, daß auf alle seil der Publikation des Entwurfes schwebenden Fälle von Sachschaden die Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes Anwendung finden sollen. Der Art. 3 a betrifft die Frage des Ausschlusses oder der Beschränkung der Haftung des Betriebsunternehmers und lautet: „Die Haftung des Betriebsunternehmers kann durch Vertrag im voraus weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden, es sei denn, daß die Ausschließung oder Beschränkung der Haftung als Gegenleistung für eine an den anderen zu bewirkende besondere Leistung oder als Bedingung einer dem anderen gewährten besonderen Vergünstigung des Betriebsunternehmers vereinbart wird."
Dieser Artikel, dessen Juristendeutsch, wie der Ministerpräsident hervorhob, von dem Volke kaum verstanden werden kann, rief eine lebhafte Debatte hervor, an der sich namentlich die Juristen beteiligten, die bekanntlich nur darüber einig sind, daß sie nicht einig sind. Drei Anschauungen treten zu Tage, von denen Vijenige Lieschings am weitesten ging, der die Haftung des Unternehmers durch Vertrag weder ausgeschlossen noch eingeschränkt wissen will und den zweiten Teil des Artikels von den Worten an: es sei denn. . . gestrichen wissen will. Demgegenüber steht die Anschauung des Vizepräsiden-
1S08.
ten Dr. v. Kiene, der für generelle Bertragsfreiheit ist. Den
Mittelweg beschreitet der Kommisstonsantrag mit dem sich der Ministerpräsident, falls ihn die Kammer annehmen sollte, einverstanden erklärte, obwohl er von seinem juristischen Standpunktaus der Auffassung des Vizepräsidenten Dr. v. Kiene den Vorzug geben würde. Bis gegen 1 Uhr dauerte die Debatte über diesen, einzigen Artikel, der auch schließlich gemäß dem Antrag der Kommisston unter Ablehnung des Antrags Liesching angenommen wurde. Dann vertagte der Präsident die Fortsetzung der Beratung auf morgen.
Zu Beginn der Sitzung hatte man gehofft, den vorliegenden Entwurf erledigen zu können. Es wäre dann morgen die Volksschulnovelle beraten worden. Da der Referent Dr. Hieber jedoch verhindert ist und zudem morgen der Rest der heutigen Tagesordnung erledigt werden muß, hat man die Inangriffnahme der Volksschulnovelle erst für Dienstag zu erwarten.
Stuttgart, 12. Dez. Die Kammer der Standesherren setzte heute die Beratung über den Entwurf eines Gesetzes betr. die Einkommensteuer bei Art. 4 fort und erledigte die Art. 4—11 inkl. Mit ganz geringen Abweichungen wurden die Beschlüsse des andern Hauses gutgeheißen. Bei Art. 7 Ziff. 8, welche das Einkommen der Stiftungen für gottesdienstliche Zwecke steuerfrei erklärt und welche Ziffer von der 2. Kammer abgelehnt worden war. wurde die Regierungsvorlage wieder hergestellt. Zu Art. 9 l Ziff. 2a bringt Fürst Quadt zu Wykradt-Jsny einen Antrag ein, nach welchem die Ertragssteuern, welche sowohl für den Staat als auch für die Gemeinden und Amtskörperschaften erhoben werden und ferner die Einkommensteuern, welche an die Gemeinden zu entrichten sind, abzugsfähig werden sollen. Dieser von der Kommissionsmehrheit und dem Finanzminister bekämpfte Antrag wird nach lebhafter Debatte in namentlicher Abstimmung mit 12 gegen 9 Stimmen angenommen, wobei die Standesherren die Majorität bilden. Morgen Weiterberatung.
Tcrges-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Land.
Nagold, 15. Dezember.
Unglücksfall. Gestern morgen stürzte eine Schachtmauer der Kanalisation im Ortsweg zwischen der Bahnhofstraße und der Hinteren Gasse ein, wobei ein Wasserleitungsrohr gebrochen ist. Stadtbaumeister Lang war sofort herbeigeeilt um die Aufräumungsarbeiten zu leiten, als er ausrutschte und beim Fallen einen Knöchelbruch erlitt. Diese Nachricht wird allgemeine Teilnahme für diesen tüchtigen Beamten und seine Familie Hervorrufen. Es ist noch anzufügen, daß infolge des Rohrbruchs das Reservoir auslief, der Schaden aber jetzt repariert ist. Das Reservoir wird sich nun wieder füllen und somit ist für die Einwohnerschaft kein Grund zu Befürchtungen mehr vorhanden. Es wird allerdings angezeigt sein, das Wasser für die nächste Zeit mit noch größerer Sorgfalt als bisher zu sparen. Herrn Lang wünschen wir baldige Wiederherstellung.
Die Reklame. Einem Artikel über den Siegeslauf der deutschen Industrie und die Publicität entnehmen wir folgende für Geschäftsleute interessante Ausführungen:
ßin UemmimlW im WM.
Von Adalbert Stifter.
(Aus: Adalbert Stifter, Nachsommer. Eine Erzählung. 3. Aust- Leipzig 1902.)
(Fortsetzung.)
Mit großer Vorsicht suchten wir die Richtung, die uns not that, zu bestimmen. Ich zog zum Ueberfluße auch noch die Magnetnadel zu Rate. In den Niederungen und Mulden zwischen einzelnen Höhen mußten wir uns der Schneereifen bedienen. Gegen den spätem Nachmittag stiegen uns die höheren und dunkleren Zacken der Echem aus dem Schnee entgegen. Als die Sonne fast nur mehr um ihre eigene Breite von dem Rande des Gesichtskreises entfernt war, kamen wir in der Ziegenalpe an. Hier hatten wir einen eigentümlichen Anblick. Es ist da eine Stelle, von welcher aus mau nicht mehr zu dem See oder zu seiner Umgebung zurückseheu kann; dafür öffnet sich gegen Sonnenuntergang ein weiter Blick in die Lichtung des Lauterthales, besonders aber in das Echerthal, in welchem der Mann wohnt, welcher meine und Klotildens Zither gemacht hatte. In diese Ferne wollte ich noch einen Blick thun, ehe wir in die Hütte gingen. Aber ich konnte die Thäler nicht sehen. Die Wirkung, welche sich aus dem Aneinandergrenzen der oberen wärmeren Luft und der unteren kälteren ergab, war noch stärker geworden, und ein einfaches, wagerechtes, weißlichgraues Ncbelmeer war zu meinen Füßen ausgespannt. Es schien riesig groß zu sein und ich über ihm in der Luft zu schweben. Einzelne schwarze Knollen von Felsen ragten
j über dasselbe empor, dann dehnte es sich weithin, ein trübblauer Strich entfernter Gebirge zog an seinem Rande, und dann war der gesättigte, goldgelbe, ganz reine Himmel, an dem eine grelle, fast strahlenlose Sonne stand, zu ihrem Untergange bereitet. Das Bild war von unbeschreiblicher Größe. Kaspar, welcher neben mir stand, sagte: „Verehrter Herr, der Winter ist doch auch recht schön."
„Ja, Kaspar," sagte ich, „er ist schön, er ist sehr schön."
Wir blieben stehen, bis die Sonne untergegangen war. Die Farbe des Himmels wurde für einen Augenblick noch höher und flammender, dann begann alles nach und nach zu erbleichen und schmolz zuletzt in ein farbloses Ganzes zusammen. Nur die gewaltigen Erhebungen, die gegen Süden standen, und die das Eis, das wir besuchen wollten, enthielten, glommen noch von einem unsichern Lichte, während mancher Stern über ihnen erschien. Wir gingen nun in dem beinahe finster gewordenen und ziemlich unwegsamen Raume zur Hütte, um in derselben unsere Vorbereitungen zum Uebernachten zu treffen. Die Hütte war, wie es im Winter immer ist, wo sie leer steht, nicht gesperrt. Ein Holzriegel, der sehr leicht zu beseitigen war, schloß die Thür. Wir traten ein, steckten eine Kerze in unfern Handleuchter und machten Licht. Wir suchten das Gemach der Sennerinnen und ließen uns dort nieder. In den Schlafstellen war etwas Heu. Ein grober Brettertisch stand in der Mitte des Gemaches, eine Bank lief an der Wand hin und eine bewegliche stand au dem Tische. Wir hatten vor, hier erst unser eigentliches warmes Tagesmahl zu bereiten. Aber worauf wir kaum gefaßt waren: es zeigte sich nirgends
I auch nur der geringste Vorrat von Holz. Ich halte für deu Fall Weingeist bei mir, um einige Schnitten Braten in einer, flachen Pfanne rösten zu können; aber wir zogen es vorzüglich wegen der Erwärmung des Körpers vor, ein Stück Bank zu verbrennen und dem Eigentümer Ersatz zu leisten. Kaspar machte sich mit der Axt an die Arbeit, und bald loderte ein lustiges Feuer auf dem Herde. Ein Abendessen wurde bereitet, wie wir es oft bei unfern Gebirgs- arbcitern bereitet hatten; aus dem Heu der Schlafstellen, den Decken und den Pelzen wurden Betten zurechtgemacht, und nachdem ich noch meine Meßwerkzeuge, die im Freien vor der Hütte aufgehängt waren, betrachtet hatte, begaben wir uns zur Ruhe. Auch jetzt am späten Abende war bei ganz heiterem, sternenvollem Himmel eine viel mindere Kälte in dieser Höhe, als ich vermutet hatte.
Ehe der Tag graute, standen wir auf, machten Licht, kleideten uns vollständig an, richteten all unsere Dinge zurecht, bereiteten ein Frühmahl, verzehrten es und traten unfern Weg an. Die Echernspitze stand fast schwarz im Süden; wir konnten sie deutlich in die blasse Luft über dem Haustein, der uns noch unsere Eisfelder deckte, emporragen sehen. Der Tag war wieder gani heiter. Obgleich es noch nicht licht war, durften mir eim Verirrung nicht fürchten, denn wir mußten geraume Zeit zwischen Felsen emporgehen, die unsere Richtung von beiden Seiten begrenzten und uns nicht abweichen ließen. Wir legten, weil der Schnee in diesen Rinnen sich angehäuft hatte, unsere Schneereifen an und gingen in der ungewissen Dämmerung vorwärts.
(Forschung folgt.)