7«. Jahrgang.

Erscheint

Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag.

Preis vierteljährlich, hier 1 mit Träger­lohn l. 10 im Bezirks­

und 10 Km-Verkehr 1.20 im übrigen

Württemberg 1.30 M onatsabonnements nach Verhältnis.

Lmls- mi> ftr de» AdkMls-syirk NWld.

Auflage 21>5<»

Anzeigen-Gedützr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhnt. Schrift ob- deren Raum: bei 1»a Einrückung 10 4 bei mehrmaliger entsprechend Rabat:.

Gratisbeilagen: DaS Plauderstübcher und

Schwäb. Landwirt.

Fernsprecher Nr. 29.

Fernsprecher Nr. 29.

.N 183

Nagold, Donnerstag den 13. November

1902.

Amtliches. Auf Grund der Erstehung der ersten Dienst­prüfung wurde u. a. nachstehendem Kandidaten des realistischen Lehr­amts die wissenschaftliche Befähigung zu un­ständiger Verwendung zuerkannt: Gotthold Speer, Hilfs­lehrer an der Realanstalt in Cannstatt, (früher in Wildberg.)

H*oMrsche Hlebevsicht.

Gegen die an den Berliner Hochschulen studierenden Russen, die sich wiederholt Ausschreitungen in den Hörsälen zu schulden kommen ließen, sind jetzt schärfere Kontroll- maßregeln angeordnet worden. In denselben wird bestimmt, daß diejenigen Russen, die an den Berliner Hochschulen studieren wollen, von der Verwaltung dieser Hochschulen neuerdings der russischen Polizei namhaft gemacht werden und daß die Immatrikulation von der Erlaubnis der russi­schen Polizei abhängig ist. Auf eine Anfrage hat die Ver­waltung der Berliner Universität folgende Auskunft erteilt: Es ist Thatsache, daß seit einiger Zeit, und zwar feit den Polen- und Russendemonstrationen in der Vorlesung Prof. Schiemanns, im Einverständnis mit den Ministerien und der Polizei die Papiere der sich zur Immatrikulation melden­den russischen und polnischen Studenten der Polizei über­geben werden, damit diese untersuche, ob der Betreffende etwa nicht irgend welcher Umtriebe verdächtig ist; denn die Universität weiß, wie lax die Paßausstellung in Rußland betrieben wird. Sie will sich nicht von neuem einem Fall Schiemann aussetzen. Diese Anordnung gilt übrigens nicht nur für die Berliner Universität, sondern für sämtliche Hoch­schulen in Berlin und für die technische Hochschule in Char­lottenburg. Sie ist geschehen im Einverständnis mit den Hochschuloerwaltungen. Von Knebelung der freien Wissen­schaft sei keine Rede, bisher sei nur in einem Fall die Immatrikulation eines Studenten, der von der Polizei als verdächtig bezeichnet worden ist, nicht erfolgt.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Deutschen Krieger­bundes" bildet die Unterstützung hilfsbedürftiger Kameraden und Kameraden-Witwen, sowie die Fürsorge für Kameraden- Waisen. Ein aus ihm hervorgegangenes Weihnachtsksmitee, an dessen Spitze der Bundesvorsttzende, General der Infanterie z. D. v. Spitz steht, sorgt insbesondere für die Witwen und Töchter der längst verstorbenen Freiheitskämpfer von 1813/15, nachdem festgestellt ist, daß noch an 600 dieser hochbetagten, ohne Ausnahme hinfälligen und unterstützungsbedürftigen Frauen unter uns leben, meist angewiesen auf die Hilfe ihrer Nebenmenschen. Alljährlich seit einer Reihe von Jahren wird diesen ehrwürdigen Greisinnen der Weihnachts­tisch gedeckt; im Vorjahr war es möglich, an 413 Bedürftige 4630 ^ zu verteilen. Aber auch einer großen Anzahl von Bittstellerinnen, welche teilweise in recht kümmerlichen Ver­hältnissen leben, konnte diese Freude nicht zu teil werden, da die Mittel hierzu fehlten. Wiederum ist der Zeitpunkt gekommen, zu welchem das Konnte die herzliche Bitte aus- spricht:Helft uns, liebe deutsche Mitbürger, unserer Liebes- pflicht zu genügen! Sendet reichliche Geldgabe'n für unseren Zweck an das Bureau des Deutschen Kriegerbundes Berlin IV 62, Kurfürstenstraße 97. Gott wird allen edlen Gebern vergelten, was sie an unfern greisen Schützlingen thun."

ZüS Stkiilkk HWl-KelUWlMi.

Von A. Oskar Klaußmann.

Aus: A. O. Klaußmann, .Sonst und jetzt." Geb. 10. Berlin 1902.

Das Buch bringt einen ausführlichen Rückblick auf die Entwickelung der Industrie, des Verkehrs und des sozi­alen Lebens der letzten hundert Jahre. Wir erfahren aus der Feder des bekannten Schriftstellers A. Oskar Klauß­mann, wie sich die Zeiten geändert haben, welche Fort­schritte auf allen Gebieten der Technik, des Verkehrs, der Lebenshaltung, des Staats- und Familienlebens die letzten hundert Jahre gebracht haben. Damals fuhr man von Berlin nach Königsberg in Preußen mit der Post unter Beschwerden und Gefahren in einer Woche, heul mit aller Bequemlichkeit, mit der Eisenbahn, in 10 Stunden. Unsere Großmutter strickte mit ihren unermüdlichen Fingern in 30 Stunden ein Paar Strümpfe, während heut die Maschine diese Arbeit in 9 Minuten leistet.

Das frühere Tagewerk einer Spinnerin wird heut in zehn Minuten geschafft, und das Stück Gewebe, das zu seiner Herstellung früher 340 Stunden Zeit erforderte, wird heut in 3 Stunden und 5 Minuten marktfertig hergestellt. Was früher der Zuschneider in 5 Stunden fertig brachte, das hat heut die Maschine in vierzig Minuten vollendet. Die Maschine macht 20 Knopflöcher in der Zeit, in welcher die geübte Hand nur eins macht. Die Landwirtschaft leistet mit Hilfe der Maschinen heut beim Pflügen, Säen, Mähen,

Auf der Rhede vor der chinesischen Stadt Shanghai sind zahlreiche britische Kriegsschiffe angekommen. Wie Daily Mail berichtet, stehe die Anwesenheit dieser Schiffe im Zu­sammenhang mit der innerhalb 14 Tagen erwarteten Ankunft eines mächtigen russischen Geschwaders. Man sei der Ansicht, daß der Stand der politischen Fragen bezüglich Chinas die Entfaltung der britischen Flottenmacht in den nord­chinesischen Gewässern gebieterisch erheische, um den Mächten klar zu machen, daß keine Einmischung in den 8tutu8 gno geduldet werde.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 10. Nov. Die Zollberatung wird mit den Abstimmungen über Z 5 des Tarifgesetzes: zollfreie Gegen st ände nebst den Amendements fortgesetzt. Der sozialdemokratische Antrag zu Ab­satz 2, wonach die von Helgoländer Einwohnern gefangenen Fische zollfrei sind, wird in namentlicher Abstimmung mit 1^8 gegen 84 Stimmen ab gelehnt, desgleichen ein sozialdemokratisches Amende­ment zu Ziffer 3.

Es folgt hierauf namentliche Abstimmung über einen Antrag Albrecht (Soz.) zu Ziffer 4. Auch dieser Antrag wird mit 160 gegen 64 Stimmen abgelehnt. Ein weiteres sozialdemokratisches Amendement zu Ziffer 4, sowie ein sozialdemokratischer Antrag zu Ziffer 8 werden in einfacher Abstimmung abgelehnt. Ein zu Ziffer 7 gestellter Antrag Gothein (fr. Ber.) wird in einfacher Ab­stimmung ab gelehnt. Ein Antrag Albrecht (Soz.) zu dieser Ziffer wird in namentlicher Abstimmung mit 160 gegen 86 Stimmen ab­gelehnt. Außerdem wird ein sozialdemokratischer Antrag zu Ziffer 10 in einfacher Abstimmung abgelehnt. Ein sozialdemo­kratischer Antrag zu Ziffer 11, betr. die zollfreie Einfuhr von Kunst­sachen, wird mit 187 gegen 87 Stimmen abgelehnt. Ein An­trag Gothein zu derselben Ziffer wird in einfacher Abstimmung abgelehnt.

Inzwischen sind zahlreiche weitere Anträge Gothein und Al­brecht zu den folgenden Paragraphen eingegangen. Eine nament­liche Abstimmung beantragt Albrecht zu Ziffer 12 Z S, betr. die Zollfreiheit von Luxusseeschiffen. Es stellt sich die Beschluß­unfähigkeit des Hauses heraus, da nur 191 Abgeordnete stimmen.

Berlin, 11. Nov. Am Bundesratstisch: Minister Rheinbaben. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung 12 Uhr 20 Min. Die heutige Abstimmung über den sozialdemokratischen Antrag zu Ziffer 12 des ß 8 des Zolltarifgesetzes, wobei sich gestern die Be­schlußunfähigkeit herausstellte, ergibt die Ablehnung desselben nnt 193 gegen 80 Stimmen. Ein Antrag Gothein in derselben Ziffer wird in einfacher Abstimmung abgelehnt. Ein Antrag Müller- Meiningen und Müller-Sagan zu derselben Ziffer auf Zollfreiheit der Baumaterialien für Schiffe, die zur Ausübung des Fischerei­gewerbes verwendet werden, wird in namentlicher Abstimmung mit 181 gegen 70 Stimmen abgelehnt. Das Amendement Albrecht auf Einfügung einer Ziffer 12a, betreffend die Zollfreiheit von Fischerei­garneu, wird mit 184 gegen 72 Stimmen in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Nachdem nunmehr alle Amendements zu Paragraph 88 a b- gelehnt sind, wird der Paragraph in der Kommissions- sassung in einfacher Abstimmung angenommen.

In 6 besagt die Regierungsvorlage:Waren, die im Tarif nicht besonders genannt sind, auch in keiner Tarifnummer einbe­griffen sind, werden denjenigen Tarifnummern zugewiesen, wo die ihnen nach der Beschaffenheit am nächsten stehenden Waren aufgeführt sind." Die Kommission beantragt Streichung dieses Passus. Ein Antrag Wangenheim will die Regierungsfassung wiederherstellen, und ein Antrag Pachnicke will statt dessen setzen:Im Tarif nicht besonders genannte, auch in keiner Tarifnummer einbegriffene Waren sind zollfrei." Ein zweiter Antrag Pachnicke will für den Fall der Annahme des Antrags Wangenheim hinzufügen:Der

Binden und Dreschen das Zwanzigfache in einem Tage gegen früher. Der Nagelschmied machte bei großer Uebung mit der Hand in l?/-- Minuten einen Nagel. Mit drei Maschinen, die ein Arbeiter bedient, werden heut in der­selben Zeit 270 Nägel hergestellt. Stecknadeln konnte der Handarbeiter früher täglich 4800 Herstellen. Der heutige Maschinenarbeiter liefert eine Million. Beim Häuserbau hat sich die Leistung verzwanzigfacht. Die Leistung des Setzers hat sich verneunfacht, und eine Zeitungsauflage von einer halben Million, welche die Doppelrotationsmaschinen heut in 7 Stunden ausdrucken, hätte dasselbe Personal auf der alten Presse erst in 5 Monaten fertigstellen können.

Einen Ueberblick über diese Fortschritte, ihre Ent­wickelung, ihr Jneinandergreifen schildert der Inhalt des Buches. Derselbe enthält aber nicht etwa eine trockene Aufzählung, sondern ist so lebendig geschrieben, enthält so interessante Schilderungen, daß es sich wie eine spannende Erzählung liest und den Leser beständig fesselt. Eine Fülle von vortrefflichen Illustrationen macht, mit der prächtigen Ausstattung, gerade auch dieses Werk zu einem wahren Schatze für jede Familie.

Wenn man erfahren will, was augenblicklich der Tele­graphenverkehr der Welt bedeutet, muß man sich auf eine Stunde nach dem Berliner Haupttelegraphenamt begeben, um hier wirklich den Pulsschlag des Weltverkehrs deutlich zu fühlen und zu hören. In einem besonderen Saale, in dem sonst nur Morse-Apparate aufgestellt sind, befindet sich die Indo-Stelle, d. h. eine Arbeitsstation des englisch-ost- indischen Ueberlandtelegraphen, welcher es der englischen

Bundesrat übernimmt die Zuweisung der betr. Waren und hat die getroffenen Bestimmungen dem Reichstag mitzuteilen", tz 7 wurde unverändert angenommen. Ein von der Kommission eingeschalteter Z 7a führt die Ursprungszeugnisse an. Gegen diese Ursprungszeug­nisse liegen mehrere Anträge vor.

Direktor im Reichsamt des Innern Wermuth bittet in der Debatte, den Paragraphen ganz zu streichen oder wenigstens zu mildern. Er wird aber schließlich unverändert angenommen.

Hierauf folgt die Beratung des Z 8 betreffend die Retor­sionszölle. Hiezu liegen verschiedene Amendements Albrecht, Gothein und Pachnicke vor. Ein Antrag Singer und Brömel aus gesonderte Beratung der Abschnitte des Paragraphen wird ab- gelehnt.

Nachdem Pachnicke den von ihm gestellten Antrag be­gründet hat, beantragt Spahn (Ztr.) Vertagung. Der Antrag findet auf der Linken genügende Unterstützung, während die Bänke der Rechten und des Zentrums zunächst schwach besetzt sind.

Während Vizepräsident Büsing sich an die Schriftführer wendet, um ihr Urteil über die Majorität einzuholen, strömen die Abgeordneten der Rechten herbei. Unter großem Lärm und lebhaften Ohorufen links wird der Vertagungsantrag für abgelehnt erklärt. Es folgt unter der Unruhe des Hauses eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen Singer einerseits und Büsing und dem Schriftführer Paasche andererseits über diese Abstimmung.

Nunmehr erhält Abg. Stadthagen (Soz.) das Wort zur Fortsetzung der Diskussion. Er wird mit großem Lärm empfangen.

Nachdem Stadthagen kurz gesprochen hat, wird gegen 6 Uhr ein Vertagungsantrag Spahn angenommen. Der Präsident schlägt vor, die nächste Sitzung auf Mittwoch mittag 12 Uhr anzusetzen mit der Tagesordnung Fortsetzung der Beratung des Zolltarifs. Es entspinnt sich hierüber eine Geschäftsordnungsdebatte Nach er­regter Auseindersetzung wird der Vorschlag des Präsidenten, am Mittwoch die Beratung des Zolltarifs fortzusetzen, angenommen.

Tcrges-WeuigkeiLen.

Aus Stadt uud Land.

Nagold 13. November.

Vom Rathaus. Auf Antrag der Stadtförsterei wird beschlossen, 30 auswärtige Holzmacher zu den ortsüblichen Bedingungen und Löhnen einzustellen, da es nicht möglich ist, in der Stadt die erforderliche Anzahl Leute zu bekommen. Der Termin für die Langholzabfuhr war am 11. Nov. ab­gelaufen; da verschiedene Gesuche um Verlängerung des Termins eingelaufen sind, so wird beschlossen, denselben zu entsprechen und als einheitlicher aber auch letzter Termin der 15. Dez. angesetzt. Den Gesuchen von Stadtpfleger Lenz und Dr. Baumann wegen Anschlusses an die Wasser­leitung in der Calwer- und. Haiterbacherstraße wird ent­sprochen, ebenso demjenigen von Werkmeister H. Benz um unentgeltliche Ueberlassung von Steinen aus den Gräben der Bahnhofstraße, letzteres vorbehältlich der Genehmigung des Bürgerausschusses. Ein Gesuch von Josef Pfohmann wegen Errichtung eines Schuppens wird K. Oberamt empfeh­lend vorgelegt werden, ebenso ein Baugesuch von Dr. Bau­mann wegen Errichtung eines Wohnhauses in der Haiter­bacherstraße. Verlesen wird ein Schriftsatz der Metzger­innung des Inhalts, daß sie die Forderungen der Stadt bezüglich des Schlachthausbaus erfüllen werde und um Ab­schluß des Kaufvertrags bitte. Bezüglich der Einrichtung einer besonderen Stallung mit besonderem Eingang für seuchenkrankes Vieh te ilt die Innung mit, daß sie nur

Regierung in London ermöglicht, über Berlin direkte Nach­

richten bis nach Madras zu senden, ohne daß ein Umtele­graphieren oder eine Unterbrechung unterwegs stattfindet. Diese Telegraphenlinie, wohl eine der längsten der Welt, geht in Gestalt eines Kabels von London nach Emden, geht ferner von hier nach Berlin, und von hier über War­schau, Kowno, Odessa nach Teheran in Persien, von dort aus führt die Linie über Bushira am Persischen Meerbusen und Kurrachee nach Bombay und Madras, und das Ticken in dem einfachen Morseapparat, an dem wir stehen, beweist, daß augenblicklich London und Madras direkt miteinander sprechen. Wenn man zum ersten Male an diesem Apparat steht, ergreift einen wie etwas Ehrfurcht vor dem Menschen­geist, der solches geschaffen und Bewunderung über das, was in so kurzer Zeit aus den ersten Anfängen der elek­trischen Telegraphie geworden ist. Wollen wir aber sehen, was moderner telegraphischer Massenverkehr ist, so müssen wir uns in demselben Berliner Haupttelegrapyenamt eine Treppe tiefer nach dem Hughessaale begeben, in welchem hundert Beamte beschäftigt sind. Wir glauben in eine große Fabrik, in eine Spinnerei zu treten, in welcher tau­sende von Spindeln sich drehen, Räder rasseln und Ma­schinen arbeiten. Das Geräusch kommt von den einhundert- undfünfzig Hughes-Apparaten her, die dicht nebeneinander in dem riesigen Saale aufgestellt sind, und welche die direkte Verbindung mit der ganzen Welt Herstellen. Diese sogenannten Hughes-Apparate sind eigentlich elektrische Schreibmaschinen mit einer Klaviatur, auf welcher man mit den Fingern, wie bei einer Schreibmaschine arbeitet.