70. Jahrgang.
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Fernsprecher Nr. 29
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Auflage Ä«SO
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Schwab. Landwirt.
IM
Amtliches.
Bekanntmachung -er K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung von Unterrichtskurfe« im Hufbeschlag.
Um Schmieden die Vorbereitung der durch das Gesetz vom 28. April 1885, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vorgeschriebenen Prüfung behufs des Nachweises ihrer Befähigung zum Betrieb dieses Gewerbes zu ermöglichen, finden au den Lehrwerkstätten für Hufschmiede in u) Hall, d) Heilbron«, e) Reutlingen, ä) Ravensburg und «) Ulm dreimonatliche Unterrichtskurse im Hufbeschlag statt, welche am Mittwoch den 7. Januar 1SOS ihren Anfang nehmen.
Die Anmeldungen zur Aufnahme in einen dieser Kurse sind bis 0 . Dezember ds. Js. bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, vorschriftsmäßig einzureichen.
Dem Zulassungsgesuch sind in Form urkundlicher Belege auzuschließen:
1) ein Geburtszeugnis,
2) der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedhandwerk und einer zweijährigen Thätig- keit als Schmiedgeselle, wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen fein muß; die Zeugnisse hierüber müssen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt und von der Ortsbehörde beglaubigt sein;
3) wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwilligungserklärung des Vaters oder Vormunds;
4) ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung feines Unterhalts während des Unterrichtskurses zu Gebot stehen werden;
5) eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vormund Unterzeichnete Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wird, die der Staatskasse erwachsenen Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtskurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (ß 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11. Juni 1885).
Stuttgart, den 3. November 1902.
v. Ow.
UoMische Hleberflcht.
Der Bundesrat hat in seiner gestrigen Sitzung dem Gesetzentwurf wegen der Kontrolle des Reichshaushalts, des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen und des Haus-
Aie Jürstin Wismcr^ck.
(Aus Whitman, Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck.)
(Schluß.)
Etwas war an der Fürstin Bismarck, was hin und wieder den Eindruck hervorrief, daß sie nicht rein deutscher Abstammung sei, sondern daß in ihrem Blute etwas slawische Mischung sei. Bekanntlich ist das bei vielen preußischen Adelsfamilien der Fall, die vom Ostufer der Elbe stammen. Auch hat der Mädchenname der Fürstin, von Puttkamer, einen entschieden slawischen Klang. Wenn dies auch nur eine Annahme ist, so steht sie doch im Einklang mit Bismarcks öfterem Ausspruch, daß die vollkommensten Naturen diejenigen sind, welche die charakteristischen Eigenschaften von zwei Rassen in sich vereinigen, die sich mehr oder weniger ergänzen.
Es ist zweifellos, daß bei der Fürstin Bismarck die Gefühle außergewöhnlich stark entwickelt waren, sowohl Sympathien wie auch Antipathien. Liebe und Haß wurzelten tief in ihrem Herzen; sie waren so stark, daß sie selten von dem Fürsten geteilt wurden, auf den jedes zu starke Gefühl irritierend wirkte. Der verstorbene Graf Hatzfeld erzählte mir einst, daß auf dem Marsche der deutschen Heere nach Paris Bismarck in seiner Gegenwart einen Brief von seiner Gemahlin erhielt, in welchem diese die Hoffnung aussprach, daß er den Franzosen keine Gnade erweisen werde. Bismarck wandte sich an den Grafen Hatzfeld und sagte: „Meine Frau wird mich noch dazu bringen, daß ich den Franzosen Gutes thue."
Nagold, Montag den 10. November
Halts der Schutzgebiete für das Rechnungsjahr 1902 die Zustimmung erteilt. Ueber die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Bundesamts für das Heimatswesen wurde die Beschlußfassung ausgesetzt. Sodann hat der Bundesrat einer Reihe von Ausschußanträgen zugestimmt, so dem Antrag betreffend Gewährung der Zollfreiheit an die bei dem deutschen Reich beglaubigten Botschafter, Gesandten u. s. w., dem Antrag betreffend Ergänzung der Vorschriften über die Rückvergütung der Brausteuer bei der Ausfuhr von Bier, ferner dem Ausschußantrag betr. den Zoll- und Salz- steuer-Verwaltungskostenetat für Preußen und dem Antrag über denselben Gegenstand für Elsaß-Lothringen; des weiteren den Anträgen über die Vorlage vom 10. April ds. Js., betreffend die Zolltarifierung von sogenannten Luxfer-Pris- men, über das Abkommen mit Belgien, betreffend den Verkehr mit Branntwein an der deutsch-belgischen Grenze vom 1. August 1902, sowie dem Ausschußantrag, betreffend das Abkommen mit Frankreich über die gegenwärtige Behandlung der Handlungsreisenden vom 2. Juli 1902. Auch dem Ausschußantrag über den Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend Bestimmungen für den Kleinhandel mit Garn, sowie dem über den Antrag des Königreichs Sachsen, betreffend die Erweiterung der Leistungen der Landesversicherungsanstalt Königreich Sachsen gemäß 8 45 des Jnvalidenverstcherungsgesetzes wurde vom Bundesrat die Zustimmung erteilt.
Ueber die Ausbildung eines eigenen Beamtenstandes für die deutschen Kolonien war dem Kolonialrat vor einiger Zeit eine Denkschrift zugegangen. Die Kolonialverwaltung wird nun mit einem solchen Versuch beginnen; er soll sich zunächst auf Ostafrika als dasjenige Schutzgebiet erstrecken, kür das die größte Anzahl von Beamten gebraucht wird. Vorerst sollen 10 Beamte ausgebildet werden. Zu diesem Zweck soll in den nächsten Etat eine entsprechende Summe eingestellt werden. In dieser Beziehung find bereits die nötigen Schritte beim Reichsschatzamt gethan worden.
Auch in Bayern sucht man der für nächsten Winter drohenden Arbeitsnot vorzubeugen. Der Minister dcs Innern hat die Staats-, Distrikts- und Gemeinde-Behörden zur raschesten Inangriffnahme der genehmigten öffentlichen Bauten zur Milderung der winterlichen Arbeitslosigkeit aufgefordert. Es sollen vornehmlich inländische Arbeiter berücksichtigt und plötzliche Entlassungen vermieden werden.
Aus der italienischen Kolonie in Afrika ist der Italic zufolge in Rom die Nachricht eingetroffen, der tolle Mullah besitze eine Armee von 40,000 Mann und viele Kanonen. Nur von italienischem Gebiet aus sei ihm gut beizukommen.
Im ungarischen Abgeordnetenhaus hat gestern Ministerpräsident von Szell die seit langem versprochene und besonders von den Agrariern verlangte Vorlage über die Auswanderung eingebracht. Dieselbe enthält ungemein scharfe Beschränkungen und Erschwerungen der Auswanderung. Sie verpflichtet u. a. ausländische Auswanderungs- Unternehmungen, als Vertreter ungarische Staatsbürger zu halten und Kaution zu erlegen; sie giebt ferner der Regierung das Recht, die Auswanderung auf bestimmte Linien zu beschränken, was offenbar im Interesse von Fiume ge-
Einmal zeigte die Fürstin in meiner Gegenwart auf ein Bild, das im Salon hing und den „Reiterangriff bei Gravelotte" darstellte, bei welchem ihr Sohn Herbert schwer verwundet worden war. Einige verwundete Franzosen lagen im Vordergrund. In der Erinnerung an jene schwere Zeit rief die Fürstin aus: „Diese Schurken hätten beinahe meinen armen Sohn getötet!" In ihrer Stimme lag dabei etwas von unterdrücktem Seelenkampf, von Haß. Es war ein Ton leidenschaftlicher Klage eines schmerzerfüllten Herzens, so wie wir ihn in einigen melancholischen russischen Liedern wiederfinden. Aber noch bezeichnender war der Ausdruck ihres Gesichts, wenn sie abends stundenlang dasaß und ihre« lesenden Gatten beobachtete. Es lag eine Wachsamkeit in ihrem Blick, eine Aufmerksamkeit, eine Bestimmtheit, eine Energie, wie sie jene gemütstiefcn Frauen besitzen mögen, die in dem russischen Volksleben eine Rolle spielen. Alles dies lag in dem Feuergeiste dieser blassen kranken Frau, die jedes Zucken der Augenlider des von ihr angebeteten Gatten beobachtete. Wenn sich die Gelegenheit dazu geboten hätte, so wäre auch ein Hauch jenes alttestamentlichen Geistes zum Vorschein gekommen, der in den Worten webt: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir — denn ich — bin ein eifriger Gott!"
Ihr gesunder Sinn für Humor hielt in ihrem Gemüt das Gleichgewicht zwischen den Extremen der Leidenschaft und der Herzensgüte. Wenige Menschen konnten herzlicher lachen als die Fürstin Bismarck. Ihr Lächeln war von der seltenen Art, die das ganze Antlitz mit strahlendem Lichte erhellt.
1908.
Weht, und ein Finanzinstitut sowohl mit dem Transport als mit der Auszahlung der von Auswanderern heimgeschickten Ersparnisse zu betrauen.
Aus dem französischen Streikgebiet von Pas de Calais wird berichtet, daß die von den Bergwerksgesellschasten gewählten Schiedsrichter ihren Urteilsspruch abgegeben haben, welcher dahin geht, daß eine Erhöhung der gegenwärtigen Lohnsätze nicht angängig sei. Man versichert, daß die Vertreter der Arbeiter hiermit nicht zufrieden sein werden. Sie erklärten, daß sobald als möglich eine Versammlung aller Bergarbeiter des Kohlenbeckens Pas de Calais einberufen werde. Nach Verlesung des Schiedsspruchs erklärte Lavaur namens aller Bergwerksgesellschasten, daß die Gesellschaften aus ihre Kosten die Arbeiter-Pensionen aufbessern werden gemäß den in den Verhandlungen bei der Zusammenkunft in Arras am 31. Oktober 1902 festgesetzten Bedingungen. Eine in der Arbeitsbörse zu St. Etienne abgehaltene Versammlung Ausständiger nahm eine Tagesordnung an, durch welche die Vertreter der Grubenarbeiter aufgefordert werden, an den auf dem Kongreß zu Commentry aufgestellten Forderungen unerschütterlich festzuhalten.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 7. Nov. Heute wurde die Beratung bei tz 5 fortgesetzt, der die Gegenstände aufzählt, die zollfrei sein sollen.
Abg. Stadthagen (Soz.) begründete in I'/Mndiger Rede eine Reihe von sozialdemokratischen Anträgen zu diesem Paragraphen. ^ ^ ^
Abg. Brömel (frs. V.) beantragt Rückgängigmachung des vorgestrigen Beschlusses auf Zusammenfassung der Diskussionen über tz 5.
Vizepräsident Büsing konstatiert unter dem Beifall der Rechten, daß es bei dem gestrigen Beschlüsse sein Bewenden haben müsse, will aber das Haus entscheiden lassen.
Abg. Singer (Soz.) unterstützt den Antrag Brömel, ebenso Abg. Barth (frs. V ), welcher daran erinnert, daß der Führer des Zentrums, Windthorst, es gewesen ist, welcher im Jahre 1879 die Spezialberatung bei den entsprechenden Paragraphen des damaligen Zolltarifs beantragte, und daß ein konservativer Präsident es gewesen ist, welcher diesen Antrag für erledigt erklärt hat.
Abg. Müller-Sagan (frs. B.) erklärt sich ebenfalls für den Antrag Brömel. Das Haus beschließt gegen die Stimmen der Konservativen, die Frage der Zulässigkeit des Antrages der Geschäftsordnungskommission zu überweisen. Darauf wird die Debatte über tz 5 gegen die Stimmen der Linken und einiger Nationalliberalen geschlossen, worauf Abg. Singer über sämtliche^sozial- demokratischen Anträge namentliche Abstimmung und Abg. Stadthagen Vertagung beantragt, die in namentlicher Abstimmung nnt 156 gegen 63 Stimmen abgelehnt wird. Darauf beginnt die namentliche Abstimmung über Z o selbst. Die Abstimmung ergiebt Beschlußunfähig des Hauses, da nur 183 Mitglieder anwesend sind. Nächste Sitzung Montag.
r. Stuttgart, 7. Nov. Die Volksschulkommisston beriet heute den zurückgestellten Abs. b des Art. 4 und den gestern nicht mehr zur Beratung gelangten Abs. 4 des Art. 5, die sich beide auf den Religionsunterricht beziehen. Der elftere lautet:
Wo die Bezirksschulaufstcht nach Maßgabe von Abs. 4 angeordnet ist, steht es der Oberkirchenbehörde der betreffenden Konfession zu, für die Visitation des Religionsunterrichtes in den Volksschulen besondere Anordnung zu treffen.
Der letztere besagt:
Man hatte der Fürstin erzählt, daß die Engländer alle
Millionäre oder wenigstens sehr reich seien. Sie hatte von der Kaiserin Friedrich gehört, daß der englische Reichtum so groß sei, daß die Kaufleute einer einzigen englischen Stadt mehr Silbergeschirr besäßen, als der halbe preußische Adel. Nun vermochte die Vorstellung bloßen Reichtums keinen Eindruck auf sie zu machen. Sie war zum Spott geneigt, wenn irgend etwas gegen einen Glauben sprach, den sie zu leicht angenommen hatte, ohne daß der Gegenstand sie besonders fesselte. Die Leichtgläubigkeit der Menschen diente ihr zum Spott, auch wenn sie sich selbst damit verspottete. So machte ihr die Entdeckung Scherz, daß die Engländer keineswegs alle so reich sind, wie man ihr hatte glauben machen wollen.
Sie erzählte mir, daß, als sie sich einmal in Homburg aufhielt, sie von einer fürstlichen Persönlichkeit besucht wurde, welche in die englische Königsfamilie hineingeheiratet hatte. Während der Unterhaltung klopfte es an die Thür und ein Diener brachte eine Summe Geldes, welche er auf Grund einer Anweisung für die Fürstin erhoben hatte. Sie überflog den Betrag mit dem Auge, um zu sehen, ob er stimmte; dann bat sie ihren Besuch wegen der Störung um Entschuldigung und sagte, für einen Mann in seiner Stellung müsse es doch schrecklich gewöhnlich sein, Geld zu zählen.
„In meiner Stellung?" erwiderte der Besucher. „Nun, meine verehrte Fürstin, ich nenne nicht einen Schilling aus der ganzen Welt mein eigen."
Der Gedanke, daß jemand, der mit der englischen Königsfamilie verschwägert sei, trotzdem ohne Geld sein