7«. Jahrgang
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Schwab. Landwirt.
^ 180
Nagold, Samstag den 8. November
1908 .
Amtliches.
Die Ortsbehörden
haben genau zu erheben und bis 12. ds. Mts. hieher zu berichten:
1) je die Zahl der geisteskranken, geistesschwachen, taubstummen, blinden, sowie der an Epilepsie oder anderen ähnlichen Krankheiten leidenden Personen, deren Fürsorge ihrem Ortsarmenverband endgiltig obliegt,
L) den hienach im Rechnungsjahr 1SV1/02 auf die hievor genannten Personen erwachsenen Aufwand, je nach den einzelnen Kategorien getrennt.
Nagold, den 7. November 1902.
K. Oberamt.
J.V. Schlor, stv. Am.
UoMische Mebersicht.
Wie aus München geschrieben wird, hqt die vom Staatsministerium eingesetzte Kommission zum Studium der Verhältnisse der pfälzischen Eisenbahnen nach vierzehntägigem Aufenthalt in der Pfalz ihre Thätigkeit.beendet. lieber das Ergebnis wird mit möglichster Beschleunigung ein Bericht ausgearbeitet und dem Staatsministerium in Vorlage gebracht, auf Grund dessen die Verstaatlichungsfrage erwogen und Verhandlungen mit dem Ministerium und der Verwaltung der pfälzischen Bahnen geführt werden können. Die Kommission konnte sich über alle Verhältnisse unterrichten. Abgesehen von einzelnen Berechnungen, welche die Leistungsfähigkeit der Pensionskasse und andere Personal-Verhältnisse betreffen, genügt das gesammelte Material vollauf und ist das Ergebnis der Thätigkeit der Kommission durchaus geeignet, eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung der Verstaatlichungsfrage zu bilden.
Der Landtag des Großherzogtums Oldenburg ist am Dienstag eröffnet worden. Im Auftrag des Großherzogs verlas Minister von Willich die Thronrede. Unter anderem kündigt die Thronrede eine Vorlage betreffend den Weiterausbau des oldenburgischen Eisenbahnnetzes an und bezeichnet die Gesamtlage der oldenburgischen Finanzen als verhältnismäßig günstig, wenn sich der Voranschlag, zu dessen Ausgleichung die Betriebsüberschüffe der Eisenbahnen herangezogen werden, mit dem Einkommensteuerzuschlag von 33^/» Prozent verwirklichen läßt. Zum Präsidenten des Landtags wurde Groß-Brake, zum Vizepräsidenten der Landwirt Schröder-Nordermoor gewählt. Von der Linken des Landtags wird ein Antrag auf Einführung des allgemeinen direkten und geheimen Wahlrechts für die Landtagswahlen vorbereitet.
Vorgestern abend hat, wie schon gemeldet, Kaiser Wilhelm von Kiel aus seine Englandreise angetreten. Nach dem Reiseplan wird der Monarch am Samstag in Port
Die JürMn WiSmcrvck.
(Aus Whitman, Persönliche Erinnerungen an den Fürsten Bismarck.)
(Fortsetzung.)
Viele Jahre hindurch hatte die Fürstin die Repräsentationspflichten in Berlin erfüllt und sie that es mit der ruhigen Würde und Sicherheit einer Frau, die für eine Stellung in der guten Gesellschaft geboren ist. Wir wissen aber, daß sie niemals mit ihrem Herzen bei der Sache war. Nicht einmal das Bewußtsein, daß ihr Gatte der Mittelpunkt all dieses Glanzes war, vermochte in ihr das Gefühl zu ersticken, daß es trotz alledem nur eine vergängliche Scheinwelt war, eine Wett, in der das Echte kaum festen Fuß fassen kann. Niemals hörte sich sie von einer Zeit sprechen, die andere, um von vergangenem Glanze träumen zu können, treu im Gedächtnis bewahrt hätten, als einzigen Trost in den Tagen des Verlaffenseins. Aber leicht kehrten in ihrer Erinnerung viel frühere Zeiten wieder. Mehrere Male hörte ich zu, wie sie von ihrer Hochzeitsreise in die Alpen erzählte. Wie „Otto", sorglos wie gewöhnlich, keinen geeigneten Ueberrock besaß und sich arg erkältete. In Venedig trafen sie den König von Preußen, und Bismarck mußte seine Aufwartung in einem ungewöhnlichen Anzuge machen, von dem er sich einen Teil zu diesem Zwecke geliehen hatte. Die Fürstin erinnerte sich noch genau der Summe, welche diese herrliche Reise gekostet hatte; das war ernsthafte Wirklichkeit und nichts Erdichtetes. Sie sagte mir, glaube ich, es wären genau tausend Thaler gewesen — eine sehr große Summe in jenen entfernten bescheidenen Tagen!
Viktoria landen, von wo er sich zunächst zur Besichtigung des Lagers von Shorncliffe und dann nach Sandringham, dem Landsitze des Königs Eduard, begeben wird, um diesem persönlich seine Glückwünsche zum Geburtstage zu überbringen. König Eduard wird am 9 Nov. 61 Jahre alt. Aus dem Umstande, daß Graf Bülow den Kaiser nicht nach England begleitet, darf nicht der Schluß gezogen werden, daß die Reise Kaiser Wilhelms keinen politischen Charakter habe, denn man weiß ja, daß der Kaiser in der auswärtigen Politik häufig persönlich in die diplomatischen Verhandlungen eingegriffen hat. Außerdem wird der Reichskanzler wohl in der langen Unterredung, die er dieser Tage mit dem Kaiser hatte, Gelegenheit gehabt haben, diesen über die neueste Entwicklung der englisch-deutschen Beziehungen zu unterrichten. Daß diese, soweit die beiden Völker in Betracht kommen, nicht sehr intime sind, ist bekannt, und man weiß auch, daß die englische Presse auf den deutschen Reichskanzler sehr schlecht zu sprechen ist.
Dem dänischen Reichstag ist vom Kultusminister eine Vorlage über die geplante Reform des Schulwesens zugegangen. Künftig soll in Dänemark, wie in Norwegen, auf die klassischen Sprachen nicht mehr das Hauptgewicht gelegt werden. Die meisten pädagogischen Autoritäten haben sich dieser Reform angeschloffen. Nach dem vorliegenden Entwurf soll die Volksschule die Grundlage des ganzen dänischen Schulwesens bilden. Die Schüler, die befähigt sind, ihre Studien fortzusetzen, können durch die höhere Volksschule die sogenannte Mittelschule, die Jugendschule, die mit dem Abiturienten-Examen abschließt, erreichen. In der Jugendschule wird der Unterricht in streng klassischer, in moderner sprachlicher oder in mathematisch- naturwissenschaftlicher Richtung erteilt. Die sprachliche Richtung wird nicht, wie bisher, auf die französische, sondern aus die deutsche und die englische Sprache das Hauptgewicht legen. Für die Schüler, die die Jugendschule nicht besuchen wollen, jedoch einen vollständigeren Unterricht als denjenigen, den die Volksschule geben kann, wünschen, wird eine einjährige sogenannte Fsrtbildungsklaffe eingerichtet, in welcher besonders in solchen Fächern, die für die praktische Ausbildung der Schüler Bedeutung haben, unterrichtet wird. Daß die Vorlage in ihren Hauptzügen angenommen wird, gilt als sicher.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berlin, a, Nov. Am Bundesratstisch: Staatssekretär Graf Posadowsky. Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzung 12 Uhr 20 Min. Die Beratung des Zolltarifgesetzes wird fortgesetzt bei H 2. der von der Zollerhebung nach Vem Roh- bezw. Reingewicht handelt und der von der Kommission unverändert gelassen ist. Nach der Vorlage sollen bei Waren, für die der Zoll 6 ^ für den Doppelzentner nicht übersteigt, die Gewichtszölle nach dem Rohgewicht erhoben werden. Ein sozialdemokratischer Antrag will statt 6 ^ setzen 10 ^ und für das Wort Doppelzentner: 1000 Ferner beantragen die Sozialdemokraten die Streichung
Wie viele Slandesperjonen mag die Fürstin Bismarck in ihrem Hause empfangen haben, und wie viele mögen ihr während ihres langen Lebens gehuldigt haben! Und doch fand man in ihrem winzigen Boudoir neben dem Salon kein einziges Andenken an sie. Jeden Zoll des Raumes brauchte sie für diejenigen, die sie liebte, und für solche, die ihrem Gatten ergeben und treu waren, mochte ihre Stellung auch noch so bescheiden sein. Prächtige Pokale, Krüge, Tafelaufsätze und jede Art Silber- und Goldgeschirr kamen während ihrer letzten Lebensjahre als Geschenke der Außenwelt in das Haus. Unter diesen befand sich das schon erwähnte kostbare Tafelservice. Aber selbst am Geburtstage des Fürsten Bismarck erblickte ich keine Spur von allen diesen Dingen auf der Tafel oder sonstwo im Hause. Denn die Fürstin siegte aus solche Luxnsgegenstände wenig Wert, mochten sie auch noch so kostbar sein, wenn sie sich nicht in ihrer Erinnerung mit einem Zuge rein menschlicher Freundlichkeit verknüpften. Das war der Fall bei einem kleinen vergoldeten silbernen Becher, dessen Deckel mit Rosen aus Emaille verziert war. Es war ein Andenken an eine nun längst verstorbene intime Freundin der Familie, welche von der Fürstin in schwerer Krankheit gepflegt worden war. Dieser Becher hatte immer einen hervorragenden Platz auf der Tafel, obgleich er als Zierat ziemlich unbedeutend war.
Wappen, wie man sie wohl in fürstlichen Häusern und noch häufiger in solchen niederen Ranges trifft, waren bei Bismarcks kaum irgendwo zu sehen. Ein hübscher, geschnitzter Eichenseffel. in dessen Lehne das Bismarcksche Wappen kunstvoll geschnitzt war, stand im Salon. Er war das Geschenk eines Millionärs, dessen Geschmack übrigens seiner Er
der Bestimmung, daß auf Anordnung des Bundesrats bei der Verzollung von Waren, die nach dem Rohgewicht zollpflichtig sind, sofern sie unverpackt oder in nicht handelsüblichen Umschließungen eingehen, dem Reingewicht der Ware oder bei Verzollung von Flüssigkeiten, sofern sie nicht in handelsüblichen Umschließungen eingehen, dem Eigengewicht der Flüssigkeit das Gewicht der handelsüblichen Umschließungen hinzugerechnet werden soll. Eventuell beantragen die Sozialdemokraten hinzuzufügen: „Die getroffene Bestimmung ist dem Reichstag sofort oder, wenn er nicht versammelt ist, beim nächsten Zusammentritt mitzuteilen; sie ist außer Kraft zu setzen, wenn der Reichstag seine Zustimmung verweigert".
Molkenbuhr (Soz.) begründet einen von ihm eingebrachten Angebrachten Antrag, im 8 2 überhaupt statt Rohgewicht „Reingewicht" zu setzen und;die Differenzierungen in den Bestimmungen des tz 2 ganz fallen zu lassen.
Unterstaatssekretär v. Fischer und Spahn (Ztr.) erklären; Die Uebelstände, die sich in der Praxis bezüglich der Tara herausgestellt haben,waren Veranlassung, die Tara aus dem Gesetz herauszunehmen. Nach längerer Debatt wird der Antrag Molkenbuhr abgelehnt, ebenso der Antrag auf Streichung der im § 2 vor- geschlagcnen Bundesratsbefugnis bezügl. der Hinzurechnung des Gewichts der Umschließungen, letztere mit 177 gegen 62 Stimmen. Auch über den Antrag Brömel wird namentlich abgestimmt. Er wird mit 132 gegen 114 Stimmen abgelehnt. Der ganze ß 2 wird gemäß dem Kommissionsbeschluß unverändert angenommen. Ebenso Z 3, welcher Vorschriften über Waren gibt, deren zollamtliche Untersuchung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.
Abg. Gothein (fr. Ver.) hatte hierzu einen Antrag gestellt, der die Rechte des Bundesrats einschränken wollte. 8 4 enthält Vorschriften über Zollbefreiungen und bestimmt u. a., daß Zollbeträge unter 5 Pfg. nicht erhoben werden sollen.
Abg. Fischer-Sachsen (Soz.) empfiehlt in längerer Rede einige sozialdemokratische Anträge, die dahin gehen, statt ,ff>" „20" Pfg. zu setzen in namentlicher Abstimmung wird gegen die Stimmen der Linken Schluß der Debatte beschlossen und 8 4 ohne Aenderung angenommen. ZS zählt Gegenstände auf, welche zollfrer bleiben sollen. Das Verlangen der Sozialdemokraten, über ine unter diesem Paragraphen aufgeführten Nummern gesondert zu diskutieren wird nach langer Geschäftsordnungsdebatte mit 176 gegen 69 Stimmen abgelehnt. — Weiterberatung heute 12 Uhr.
Gages-Aeuigkeiten.
Aus Stadt md Land.
Miihringen, 7. Nov. Morgen, Samstag den 8. ds. Mts., feiert der hochverdiente Ortsvorstand, Herr Schultheiß Schund, sein 25jährigrs Amtsjubiläum.
Unterreichenbach, 6. Nov. Das vor kurzem verkaufte H. Funk'sche Sägewerk dahier wird vom Käufer, Hrn. Schreitmüller aus Wolterdingen, am 1. März 1903 übernommen werden. Der Kaufpreis soll 88,000 betragen, wobei 8 Morgen Wiesen inbegriffen sind.
r. Calw, 7. Nov. Der 16 Jahre alte Sohn des Färbers W. erschoß sich gestern Nacht im Kontor aus einer geringfügigen Ursache.
r. Freudenstadt, 7. Nov. Bei dem unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung seitens der Mrtt., badischen, bayerischen und rheinischen Holzverkäufer gestern in Oberthal abgehaltenen Nadel- und Stammholzverkauf kamen 24,820 Festmeter Lang holz und 1646 Festmeter Sägholz
gebenheit gegen den Fürsten nicht gleich kam, diese war über jeden Zweifel erhaben. Es geschah auch nur, um diese Ergebenheit zu ehren, daß der Sessel nicht beiseite gestellt wurde. Der Fürst benutzte ihn nie, und die Fürstin konnte ihn nicht sehen. Sie fand ihn gewöhnlich, wie sie alles nannte, was schreiend und ^aufdringlich war. Der Sinn für Einfachheit gehörte so sehr zum Hause, daß ich ganz überrascht war, als ich eines Tages entdeckte, daß das für die Besucher bestimmte Schreibpapier das vollständige Bismarcksche Wappen als Wasserzeichen trug. Sonst waren Papier und Briefumschläge ganz einfach, und ich war überzeugt, daß die Fürstin dieses Wasserzeichen nicht gutgeheißen haben würde, so harmlos es auch war, wenn sie das Papier bestellt hätte. Später erfuhr ich, daß dieses Papier ein Teil eines großen Vorrats war, den ein reicher Papierfabrikant in einer eichenen Truhe als Geburtstagsgeschenk gesandt hatte.
Manche Dinge iw Hause sahen etwas altmodisch aus, einige verdankten ihre Existenz ohne Zweifel haushälterischen Rücksichten; aber das war nicht bei allen der Grund. Wen« es sich darum handelte, zwischen dem Besten und etwas Minderwertigem zu wählen, so gab es kein Zaudern, obwohl die Fürstin zu Sparsamkeit erzogen und auch so geblieben war. So waren alle Zimmer des Hauses mit französischen Moderateurlampen erleuchtet, obgleich diese sehr kostspielig brennen und ihre Instandhaltung im Vergleich zu modernen Petroleumlampen sehr viel Arbeit verursacht. Aber die Fürstin bevorzugte das sanfte Licht dieser altmodischen Orllampen und blieb bei diesen.
Als ich das erste Mal zu Besuch kam, fiel mir der