7«. Jahrgang.
Erscheint
Montag, Mittwoch. Donnerstag, Freitag und Samstag.
Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger
lohn 1.10 im Bezirksund 10 Lm-Verkehr 1.20 im übrigen
Württemberg 1.30 M onatsabonnements nach Verhältnis.
Der GejelWsttt.
Ms- i«i> LiM-Slitl D dm Anmls-SM Nizsld
Fernsprecher Nr. 29.
Fernsprecher Nr. 29.
Auflage LVSV.
Anzeigen-Bebühr f. d. Ispalt. Zeile auS gewöhn!. Schrift oder deren Rau«: bei 1«al. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
GrattSbeilagen: Da» Plauderstübche» und
Schwab. Landwirt.
Amtliches. Zum Korrespondenten für die Zwecke des Konservatoriums und der Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Altertums-Denkmale ist im Bezirk Nagold Pfarrer Schott in Alten st eig-Dorf aufgestellt worden.
Am 31. Oktober d. Js. ist von der Evangelischen Oberschulbehörde die Schulstelle in Simmersfeld, Bez. Altensteig-Dorf (Nagold) dem Hilfslehrer Karl Wöhr in Stuttgart übertragen worden.
^oMische Hlebersicht.
In der gestrigen Sitzung des Bundesrats wurden die Vorlagen, betreffend die Verleihung von Korporationsrechten an die mit dem Sitz in Tsingtau gebildete „Deutsch-chinesische Seidenindustrie (Kolonialgesellschaft)", sowie eine Denkschrift über die Ausführung der seit dem Jahre 1875 erlassenen Anleihegesetze, und die Einführung von Lohnbüchern für die Kleider- und Wäschekonfektion den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Ferner wurde der Entwurf einer Verordnung wegen Inkraftsetzung des Gesetzes über die Unfallfürsorge für Gefangene vom 30. Juni 1900 genehmigt. Ebenso wurde der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Weißphosphorzündwaren, genehmigt. Zugestimmt wurde ferner den Ausschußanträgen über die von dem Reichstag zu dem Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Reichshaus- haltsetats für 1902, gefaßte Resolution wegen der gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit zu treffenden Versicherungseinrichtungen und über die Vorlage betreffend die Ergänzung der Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Unterstützung von Familien der zu Friedensübungm einberufenen Mannschaften vom 10. Mai 1892.
Die Pctitionskommission des Reichstags hat sich nach Genehmigung des Berichts über die Gesuche betreffend Gewährung von Veteranenbeihilfen mit einer Petition wegen Einführung des zehnstündigen Maximalarbeitstags und Errichtung von Arbeiterkammern beschäftigt. Sie beschloß mit 9 gegen 8 Stimmen deren Ueberweisung zur Erwägung. Ueber das Gesuch des Gewerkvereins deutscher Maschinenbau- und Metallarbeiter um Errichtung eines Reichsarbeitsamts ging die Kommission zur Tagesordnung über. Eine Bitte um Erlaß eines Gesetzes zur Sicherung der Bausorderungen soll der Regierung als Material zur Gesetzgebung überreicht werden, eine um Abänderung des Viehseuchengesetzes zur Berücksichtigung; die gleiche Entscheidung fällte die Kommission auch hinsichtlich der bekannten Petition des Münchner Journalisten- und Schriftstellervereins wegen Behandlung politischer Gefangener. Eine reiche Zahl von Petitionen mußte wieder für ungeeignet zur Erörterung im Plenum erachtet werden; sie betrafen u. a. die Einleitung einer Friedensvermittlung im südafrikanischen Krieg und Proteste gegen
Paul Krügers Lebenserirmerungen.
Eine Londoner Meldung besagt, daß die Times daselbst einen zweiten Auszug aus den Memoiren Krügers veröffentlichen. Gleichzeitig läßt aber auch die Gartenlaube ibrer ersten Veröffentlichung aus „Präsident Paul Krügers Lebenserirmerungen" in einer ihrer neuesten Nummern weitere Mitteilungen, namentlich aus der Zeit des Jameson-Einfalles bis zum Beginn des Krieges folgen, woraus im Nachstehenden einige Auszüge gegeben weiden:
„Von dem Tage an, da die Trekker ihre alte Heimat verließen, fühlten sie sich von England bedroht. Ein stiller Kampf zwischen beiden Nationen zieht sich durch die ganze Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zum offenen Kampfe kam es erst nach der Annexion. Krüger bat vor dieser Annexion vergebens gewarnt Im Jahre 1879 fanden drei große Versammlungen zu Wonderfontein und Kleinfontein statt, teils um den englischen Kommissar Gelegenheit zu geben, sich gegenüber der Behauptung, daß die Bürger selbst die Annexion wünschten, von der wahren Volksstimmung zu überzeugen teils, um zu beschließen, was nun geschehen solle. In der dritten Versammlung wurde ein Volksdeschluß gefaßt, der feststellte, daß das Volk frei und unabhängig zu bleiben verlangte, daß es die Wiederstellung seiner unabhängigen Verfassung und Wiedereinsetzung eines Volksrates forderte.
Kurze Zeit danach gelang es den Transvaalern auch, einen Föderationsplan von Südafrika, der im Kappar- lament zur Beratung kommen solfte, zum Scheitern zu bringen.
Während Krüger u. Joubert zur Hintertreibung dieses gefährlichen Föderationsplanes in Kapstadt weilten, sprach eines Tages ein Parlamentsmitglied bei ihnen vor und lud sie zum Besuche bei Sir Bartle Frere ein. Die Einladung wurde erst rundweg abgelehnt. „Als aber die Einladung" — wir zitiereren hier Paul Krügers eigene Worte — „wiederholt wurde mit dem Zusätze, Sir Frere wünsche
Nagold, Moatag den 3. November
Aeußerungen des englischen Kolonialministers über die deutsche Kriegführung 1870/71, die man durch die Verhandlungen am 8. Januar für erledigt erachtete.
Nach dem Tod der Königin Viktoria von England sollte die englische Gesandtschaft am großherzoglichen Hof zu Darmstadt eingezogen werden, auf Wunsch des Königs Eduard wird dieselbe aber auch weiter fortbestehen. Kürzlich wurde der großbritannische Geschäftsträger Alan John- stone vom Großherzog in besonderer Audienz empfangen, um hiervon auf Befehl seines Souveräns Mitteilung zu machen. Nachdem auch der Großfürst und die Großfürstin Sergius in Darmstadt eingetroffen sind, weilen zur Zeit sämtliche Geschwister des Großherzogs mit Ausnahme der Kaiserin von Rußland, dort zum Besuch. Der Gemahl der ältesten Schwester des Großherzogs, Prinz Ludwig von Battenberg, der zum Chef des englischen Admiralitätsstabes ernannt worden ist, wird demnächst ebenfalls zum Besuch seiner Familie eintreffen und sich alsdann am 15. November zur Uebernahme seines Postens nach London begeben. Der Prinz, der zuletzt den Titel „Kommodore" führte, befehligte während der letzten großen Marinemanöver im Mittelländischen Meer eine der beiden Flotten.
Terges-Menigkeiten.
Aus Stadt und Land.
Nagold 3. November.
Teilungsschmerzen. Dem Schw. M. wird geschrieben: In der guten Stadt X. starb vor einiger Zeit die biedere Witwe G. Fleißig und „häuslich", wie sie war, brachte sie es trotz mancherlei Trübsal fertig, ihren Kindern, die zwar nicht mit Glücksgütern, wohl aber mit einem reichen Kindersegen bedacht sind, einen kleinen Sparpfennig zu hinterlassen — sie hatte so 3000 ^ auf 2 Hypothekenposten ausstehen, der Rest ihrer Verlassenschaft war nur noch etwas Haushaltungsfahrnis. Leider leble aber bei ihrem Tod nur noch eine verheiratete Tochter, zwei andere waren, ebenso wie ihre Männer, schon vorher gestorben, die eine 8, die andere 7 minderjährige Kinder hinterlassend. Wie einfach war da in der guten alten Zeit des vorigen Jahrhunderts die Teilung! Die Teilungsbehörde, bestehend aus 3 Waisenrichtem, denen auch noch ein Notar als Protokollführer beigegeben war, verteilte in einem solchen Fall die paar Märklein unter die Tochter und die 15 Waisen, nachdem man das Geld flüssig gemacht hatte, und jene Tochter samt den damals nur erforderlich gewesenen 2 Pflegern kehrten „vergnüglich und zufrieden" zu ihren heimischen Pe-
die Herren privatim zu sprechen, da erklärte Krüger: Ich werde kommen, wenn Sic mir sagen können, welcher Sir Bartle Frere es ist, der nach uns verlangt, denn ich kenne deren bis jetzt vier. Der erste kam zu uns nach Kleinfontein und versicherte uns, er sei nicht gekommen unter englischer Flagge mit dem Schwert, sondern als Bote des Friedens. Später ersah ich aus einem englischen Blaubuch, daß an demselben Tage ebenfalls ein Sir Bartle Frere, also ein Zweiter an die engliche Regierung geschrieben hat: Hätte ich nur genug Kanonen und Soldaten gehabt, so hätte ich die Aufruhrmacher rasch auseinander gejagt gehabt." Den dritten Sir Bartle Frere lernte ich gelegentlich der Beantwortung unserer Bittschrift um Zurücknahme der Annexion kennen; er sagte damals, er habe der britischen Regierung mitgeteilt, daß er in Kleinfontein etwa 5000 der besten Buren getroffen habe und deren Petition zur ernstesten Erwägung empfehle; später habe ich aus den englischen Blaubüchern ersehen, daß an demselben Tage ein Sir Bartle Frere, also offenbar ein vierter, der britischen Regierung mckgeteilt hat, es sei nur ein Haufen von Aufrührern gewesen, den er getroffen habe. Das Alles kann doch unmöglich ein und derselbe Mann sein; wenn Sie mir also sagen können, welcher von diesen vier Sir Bartle Frere's uns sprechen will, so können wir uns die Sache ja einmal überlegen."
Ueber Rhodes und seine Kompagnie schreibt Krüger: Für das Verständnis der neuesten Geschichte Südafrikas ist die Kenntnis der „Chartered Company" unentbehrlich, und ihre Erwähnung bringt mich von selbst auf den Mann, der am meisten zu dem Unheil beigetragen hat, das Südafrika getroffen hat: Cecil Rhodes. Bereits im Jahre 1888 kam auf seine Veranlassung ein Traktat zu Stande, zwischen Sir Herkules Robinson, dem damaligen hohen Kommissar und dem Matabelehäuptling Lobengula. Kurz danach wußte er für sich selbst eine Konzession von Lobengula zu bekommen, die er ausschließlich benutzte, festen Fuß im Matabeleland zu fassen, und die Ausbreitung der südafri-
19VL.
naten zurück. Auch der schwierigste Jurist hatte an dieser Art der Geschäftsbehandlung nichts auszusetzen. Das aber wurde ganz anders, als das Bürgerliche Gesetzbuch die Bestimmung des § 181 erhielt. Auf Grund dieses Paragraphen wurde schleunigst ausgeklügelt, daß es zwar z. B. gar keinen Anstand habe, wenn ein und dieselbe Persönlichkeit mit sich selber (als Bevollmächtigter) einen Vertrag (Auflassung) über Liegenschaftsveräußerung abschließe, daß es aber beileib nicht zulässig sei, daß ein Pfleger mehrere Minderjährige vertrete, wenn der Nachlaß eines Verstorbenen reell, wie man früher sagte, unter diese zur Verteilung kommen soll, denn jedes schließt in diesem Fall mit jedem andern einen Vertrag ab, es muß also jedes für sich vertreten sein, andernfalls verfällt der ganze Teilungsvertrag der Nichtigkeit. Und so haben wir denn das erhebende Schauspiel, daß der Nachlaß-Auseinandersetzung unserer Witwe G. nunmehr, nachdem die alten Einrichtungen des Schreiberstaats Württemberg durch moderne, die Vielschreiberei abschaffende ersetzt sind, anzuwohnen haben: nicht mehr 2 Pfleger wie früher, sondern 2 Vormünder und 13 Pfleger, außerdem die Tochter mit Ehemann, und, damit der Staatsnotar (beim Privatnotar ist diese Vermehrung nicht nötig) sich nicht etwa beifallen läßt, vom Pfad des Rechts und der Pflicht abzuweichen, zu seiner Beaufsichtigung noch 4 Waiseuräte (früher genügten deren 3). Jene 15 Vormünder und Pfleger müssen vom Gemeindewaisenrat vorher vorgeschlagen werden, und da j jeder Vorschlag eine Auswahl unter mehreren bieten soll, hat der Gemeindewaisenrat, damit 3000 ^ unter 3 Stämme verteilt werden können, das Vergnügen — 30 Vormünder bezw. Pfleger allein für diesen einen Fall zu präsentieren. Solche sind, da sie alle möglichen vorteilhaften Eigenschaften besitzen, auch für ihre Zeitversäumnis und Bemühungen eigentlich nichts erhalten sollen, immer in Masse parat; die Sache nimmt also kraft Rechts ihren schönsten und angemessendsten Verlauf. 15 Pfleger werden zuerst vor das Vormundschaftsgericht zitiert, wo sie vereidigt werden und die 15 Pfleger oder 15 Bevollmächtigte von ihnen müssen dann der Teilungsverhandlung anwohnen. Wie schade ist es, daß unsere Großmutter G. sich nicht mehr daran erfreuen kann, wie umsichtig für die Kinder ihrer 2 Töchter gesorgt wird, und sich an dem Bild nicht mehr ergötzen kann, wie die 15 Pfleger, die überlebende Tochter mit Mann und die 4 Waisenräte in würdevoller Haltung um den Notar Herumsitzen um das Problem der Verteilung von 3000 ^ Hypothekengelder und etwas Fahrnis in drei Stämme zu lösen!
Schwindel-Firma. Im April ds. Js. kam ein Geschäftsreisender der Firma W. und R. Deutsche Porträt- Komvaqnie in Frankfurt a. M. zu einer Dame in Karls-
kanischen Republik nach dieser Richtung hin zu verhindern. Sehr bald sah er ein, daß er dieses Ziel nur unter dem Schutze Englands erreichen könne; darum begab er sich nach England, um eine sogenannte Charter zu erlangen. Das glückte ihm auch ohne große Mühe; es ist unzweifelhaft, daß viele der höchsten Personen in England Anteil an seiner Chartered Company bekamen.
Bezüglich des Jamefon-Einfalles erzählt Krüger: Gerade als die Gährung in Johannesburg ihren Höhepunkt erreicht hatte, war es, daß Präsident Krüger in Prätoria, gelegentlich der Ueberreichung einer Adresse durch die Bürger gegenüber ihrem Drängen aus Bestrafung der aufrührerischen Elemente die Worte gebrauchte: Man muß der Schildkröte erst Zeit geben, ihren Kopf herauszustrecken, ehe man sie fassen kann. Aus diesen Worten wollte man den Beweis herleiten, daß Krüger von der Vorbereitung des Jameson-Einfalles gewußt und mit der Schildkröte Jameson bezeichnet habe. Diese Behauptung ist aber völlig unbegründet. Weder Krüger, noch sonst jemand von den transvaalischen Behörden hatte damals eine solche That für möglich gehalten; noch viel weniger wurde sie erwartet.
Ueber den letzten Krieg sagt Krüger, er sei trotz aller Zugeständnisse, trotz aller Verträglichkeit und Nachgiebigkeit von Seiten der Republik ausgebrochen. Mit den Waffen in der Hand habe er an diesem Streite um die Freiheit feines Landes nicht teilnehmen können. Aber ungeheure Anforderungen wurden an seine Arbeitskraft gestellt. Es gab für ihn keine Nacht, in der er ungestört schlafen konnte. Als die Zeit der Entmutigung über die Bürger kam, eilte er selbst zu den Kommandos, um die Zuversicht der Kämpfer zu stärken.
Krüger schließt seine Erinnerungen mit den Worten: „Ich bin überzeugt, daß Gott die Seinen nicht verläßt, auch wenn es oft so scheint, und ich ergebe mich in den Willen des Herrn, da ich weiß, daß er das bedrängte Volk nicht untergehen lassen wird. Der Herr hat alle Herzen in seiner Hand und führt sie, wohin er will."