7«. Jahrgang.

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Schwäb. Landwirt

Telephon Nr. 29.

Telephon Nr. 29.

Die zweite Stadtpfarrstelle in Nagold ist dem Vernehmen nach dem Repetenten S. Fant am theologischen Seminar zu Tübingen übertragen worden.

Amtliches. Die Bestellung des Oberamtstierarztes Metzger in Nagold zum Ortstierarzt der Gemeinde Gültlingen und Sulz, OA. Nagold, ist am 14. August d. Js. von der K. Regierung für den Schwarzwaldkreis bestätigt worden.

politische Meöersicht.

Die Witwen- und Waisen-Versicherung der Arbeiter aus Reichsmitteln ist bekanntlich in der Zolltarifkommisston abgelehnt worden, obgleich der Antrag vom sonst allmäch­tigen Zentrum ausgegangen war. Daß diese Ablehnung erfolgen mußte, liegt auf der Hand. Schon der Umstand, daß die Sozialdemokraten dem Zentrumsantrag zustimmten, läßt erkennen, wie wenig glücklich die dabei gewählte Art der Verwirklichung des an sich so lobenswerten Gedankens der Durchführung der Versorgung der Witwen und Waisen der Arbeiter ist. Zur Zeit ist, wie der Staatssekretär des Reichsschatzamtes an der Hand eines reichen Zahlenmate­rials in der Kommission im einzelnen nachgewiesen hat, die finanzielle Lage im Reich so wenig klar und übersicht­lich, wie möglich. Nur eines ist völlig gewiß, daß auch ohne die Uebernahme so großer neuer Aufgaben, wie der finanziellen Förderung der Witwen- und Waisenversorgung, die Einnahmen des Reichs weitaus nicht zureichen, um das Gleichgewicht im Reishaushalt dauernd sicher zu stellen. Unsicher aber ist sowohl, wie hoch sich der Mehrbedarf stellen wird, als auch wieviel davon in den aus dem neuen Zoll­tarif zu erwartenden Mehreinnahmen Deckung finden kann. Endlich läßt sich zur Zeit weder übersehen, wie hoch der Ausfall an Reichseinnahmen sich stellen würde, wenn die Mehrerträge der landwirtschaftlichen Zölle der etatsmäßigen Verwendung im Sinn des Zentrumsantrages entzogen wür­den, noch in welchem Betrag Ersatz für diesen Ausfall durch Erschließung neuer Einnahmequellen zur Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Einnahmen und Ausgaben zu ge­währen sein würde. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß der Zeitpunkt, um in verantwortlicher Weise die För­derung und Waisenversorgung der Arbeiter in die Ausgaben des Reichs zu übernehmen, noch nicht gekommen ist, sondern daß frühestens daran tm Zusammenhang mit der Neuregel­ung der Finanzverhältnisse des Reichs herangetreten werden kann, welche nach dem Abschluß der Verhandlungen über den Zolltarif und die Handelsverträge in Aussicht steht.

Was aus einem Feldwebel werden kann so lautet die Ueberschrift einer Mitteilung, die der Germania mit offenbarer Bezugnahme auf den Fall Löhning aus Bruns­berg zugegangen ist. Es heißt da:Als weiteren Beweis, was aus einem Feldwebel werden kann, führe ich einen zur Zeit am hiesigen Platz noch lebenden Oberst a. D. L. an. Genannter Herr war Tischlergeselle, trat seiner Zeit als dreijähriger Freiwilliger beim Garde-Alexanderregiment ein, wurde Feldwebel und, weil er sich 1864 vor dem Feind ausgezeichnet hatte, zum Offizier befördert. 1870/71 kämpfte er als Regimentsadjutant, wurde nach Beendigung des Krieges zum Hauptmann befördert und später Major und Kommandeur des 1. Bataillons Grenadierregiments Nr. 4. Infolge der vielen und nicht unerheblichen Verwundungen, die er in den Kriegen von 1864, 1866, 1870/71 erhalten hatte, konnte er den Dienst als aktiver Offizier nicht, wie es die Pflicht erheischte, versehen, er wurde unter Verleihung des Titels Oberstleutnant z. D. gestellt und erhielt den Posten als Bezirkskommandeur beim Bezirkskommando zu Brunsberg, den er noch etwa 8 Jahre hindurch bekleidete. Schon sehr bejahrt, schwanden seine Kräfte immer mehr und mehr, und es wurde ihm vom Kaiser der nachgesuchte Ab­schied unter Verleihung des Titels als Oberst bewilligt."

Das Attentat auf den höchsten Beamten des russischen Gouvernements Charkow, Fürsten Obolenski, erregt auch außerhalb Rußlands großes Aufsehen. In Rußland folgt leider ein Attentat dem andern; die Ermordung des Mini­sters des Innern, Ssipjagin, die wiederholten Attentate auf den Polizeipräsidenten in Moskau, Trepow, die Ermordung des Kultusministers Bogolepow, das Attentat auf den Ober­prokurator des heiligen Synod, Pobjedonoszew, und viele andere haben in den letzten Monaten die politische Welt unausgesetzt in Atem gehalten und gezeigt, wie tief die re­volutionäre Bewegung geht. Die Schüsse auf den Gou­verneur von Charkow, Fürsten Obolenski, vervollständigen nur das Bild und beweisen, welch hohen Grad die Gärung im gewaltigen russischen Reich erreicht hat. Charkow gilt als ein Mittelpunkt der revolutionären Propaganda; nah­men doch auch von dort die Bauernrevolten ihren Ausgang. Es liegt nahe, zu vermuten, daß der Gouverneuer dieses Bezirks den Auftrag hatte, die Ordnung daselbst unter

Nagold, Montag den 18. August

allen Umständen sobald als möglich wieder herzustellen. Daß es dem Fürsten Obolenski an Energie zur Durchführung eines solchen Auftrags nicht gebrach, kann wohl daraus ge­schloffen werden, daß er nach dem Tod Ssipjagins als einer der Anwärter aus das freigewordene Portefeuille ge­nannt wurde, für den Fall, daß die Regierung an dem einmal eingeschlagenen Kurs festhalten wolle. Die Umstände, unter denen das neueste Attentat verübt wurde, ähneln denen, unter welchen in Wilna der Schuß auf General von Wahl abgegeben worden ist.

Gclges-WeuigkeiLen.

Aus Stadt und Land.

Nagold 18. August.

Kriegssestspiele. Die vom Militär- und Veteranen­verein Nagold veranstalteten Kriegsbilder aus dem Feld­zug 1870/71, wozu das Kgl. Rektorat in gütiger Weise die Turnhalle zur Verfügung gestellt hatte, erzielten bei der ersten 2^ St. dauernden Vorstellung ein vollbesetztes Haus. ' 28 Bilder führten in 4 Abteilungen den Zuschauer von der Begegnung zwischen König Wilhelm und Benedetti in Ems und der Kriegserklärung durch Kampf und Sieg hindurch bis zur Kaistrproklamation zu Versailles und zur Heimkehr. Als Schlußbild reichte sich noch eine Apotheose an Kaiser Wilhelm an. Es ist uns eine Freude anzuer­kennen, daß die Darsteller mit großer Hingebung bei der Sache waren und sich recht gut in ihre stummen Rollen hineinzufinden wußten. Einzelne besonders hervorragende Leistungen herauszuheben, würde hier zu weit führen. Wenn es erlaubt ist, einige bescheidene Wünsche vorzubringen, so möch­ten wir in dem 4. Bild (Einberufung der Reserve) auf den fratzenhaft maulaufsperrenden Jungen im Vordergrund, dessen Bedeutung uns nicht einleuchten wollte, gerne ver­zichten; bei den Darstellungen der Krankenpflege fiel uns aus, daß man in einer evangelischen Stadt katholische barm­herzige Schwestern und nicht evangelische Diakonissen dar­stellte, die doch auch im Krieg ihre Schuldigkeit gethan haben; bei des deutschen Knaben Tischgebet dürfte es der Sachlage besser entsprechen, den betenden Knaben nicht mit dem Rücken gegen den Tisch, sondern etwa hinter den Tisch, zu stellen, so daß sein Gesicht doch der Versammlung zugewen­det wäre; auch hat ein auf dem Tisch liegender Hut die Illusion des Mittagessens gestört. Klug war es von der Direktion, den Darstellern die Aufgabe zu erleichtern, indem der Moment des ruhigen Harrens durch Vorziehen des Vor­hanges verkürzt und das Bild mehrmals gezeigt wurde, so daß die Mitspielenden eine kleine Pause für Aufatinen, Entlassung der Nerven und Bewegung der Muskeln hatten. Den verbindenden Text hätten wir freilich lieber von einem Mann als von einer Frau gesprochen gehört; auch fielen uns öftere Verstöße gegen die Regeln des guten Vortrags auf; allein wir lassen gern der Darstellerin die Gerechtig­keit widerfahren, daß sie deutlich, laut, frisch und lebhaft bis zum Schluß gesprochen hat und, was keine geringe Leistung ist, ihre ganze Rolle ziemlich auswendig kann. Die Musik hatte viel zu thun und har sich rechl Mühe ge­geben; daß noch manche unreine Töne mir unterliefen, ist bei der Jugend der Musiker und der noch kurzen Zeit ihrer Vorbildung nicht zu verwundern, dürste sich aber bei dem großen Flerß uns Eifer, der von Direktor und Mitgliedern der Kapelle im Ueben gezeigt wird, m einiger Zeit wesentlich besser machen. Wenn wir alles in allem nehmen, so dürfen wir wohl sagen, daß der Militär- und Veteranen-Vercin mit der Ausführung dieses Kriegsfestspiels einen glücklichen Griff gethan hat; darf es doch als ein patriotisches Verdienst bezeichnet werden, wenn den Aelteren unter uns jene große Zeit wieder in Erinnerung gebracht und den Jüngeren, die sie nicht selbst erlebt haben, auf so drastische und anziehende Weise neu vorgeführl wird. Wir wünschen daher schon aus Patriotismus, aber auch im In­teresse der Unterstützungskasse des Vereins von Herzen einen recht zahlreichen Besuch auch für den kommenden Sonntag. Die Sache ist einen solchen wer:!

Besiywechset. Das von der Firma I. Beutler und Drescher, Baugeschäft hier neu erstellte Wohn- und Oekono- miegebäude am Wolfsberg ging am 16. ds. Mts. durch Kauf an Matthäus Ria st, Schneidermeister hier um den Kaufpreis von 7150 ^ über.

Manöverpostscnduugen. Aus Anlaß der bevorstehenden Herbstübungen der Truppen wird auf die Wichtigkeit einer deutlichen und genauen Aufschrift bei den Postsendungen und Telegrammen für die Truppen aufmerksam gemacht. Zur genauen Aufschrift gehören: Vorname und Familienname (unter Umständen auch die OrdnungSnummer zu letzterem), ferner Dienstgrad und Truppenteil, sowie für gewöhnlich der Garnisonort, zutreffendenfalls mit dem Vermerk:In das

1902.

Manöver nachzusenden" oderbeim Wachkommando". Die Angabe des jeweiligen Quartierorts des Adressaten empfiehlt sich in der Regel nicht. Alspostlagernd" dürfen die Sen­dungen nur bezeichnet werden, wenn sie von den Adressaten selbst, also nicht von der Ordonnanz des Truppenteils ab­geholt werden. Da die Stäben, die einzelnen Teile des gleichen Truppenkörpers ihre Postsachen häufig bei verschiedenen Post­anstalten abholen lassen, so ist bei Sendungen sowohl an Offiziere als an Mannschaften die genaue Benennung des Truppenteils unerläßlich. Hiezu gehört nicht nur die An­gabe des Regiments, des Bataillons, der Abteilung, son­dern auch die Bezeichnung der Kompagnie, der Batterie, der Eskadron u. s. w. Diejenigen an Offiziere und Einjährig- Freiwillige gerichteten Sendungen, welche in der Aufschrift nur die Wohnungsangabe des Adressaten im Garnisonort, dagegen keine nähere Bezeichnung des Truppenteils enthal­ten, erleiden wegen der Feststellung des letzteren durch Um­fragen seitens der Garnisonpostanstalten häufig Verspätungen in der Weiterbeförderung. Sollen Sendungen an die aus­marschierten Truppen nicht in das Manöver nachgesandt werden, wie z. B. Sendungen mit Zivilkleidern für die zur Entlassung kommenden Mannschaften, so ist dies durch den VermerkNicht nachsenden" in der Aufschrift zum Ausdruck zu bringen. Zweckmäßig ist bei Briefen an die Mannschaft die Verwendung von Umschlägen mit entsprechendem Vordruck, wie solche bei den Postanstalten, Posthilfstellen und Land­postboten käuflich zu haben sind. Zu Postanweisungen an die im Manöver befindlichen Truppen sind ausschließlich Kartenformulare zu verwenden.

Manöverkarte. Das Topograph. Bureau des Kriegs­ministeriums hat soeben die neue Manöverkarte ausgegeben. Es ist Heuer das erste mal, daß nur Buntdruckkarteu zur Verausgabung gelangen. Zur allgemeinen Orientierung ist eine Uebersichtsskizze angefertigt worden. Die Karte ist nicht im Buchhandel käuflich, dagegen zum Dienstgebrauch seitens der Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften vom Topogr. Bureau zu beziehen. Die trefflich gelungene Karte, die mit der denkbar peinlichsten Genauigkeit gearbeitet ist, geht von St. Johann bei Urach und Langenau bis Immenstaad am Bobensee und Weitenau im Allgäu.

Turnkurs für Lehrer. Vom 29. September bis 11. Oktober wird an der Turnlehrerbildungsanstalt in Stuttgart ein Turnkurs für Lehrer der Volks- und Mittelschulen ab­gehalten. Für die Teilnahme an demselben ist eine Zahl von 32 Lehrern in Aussicht genommen. Lehrer, welche an dem Turnkurse teilzunehmeu wünschen, haben binnen zehn Tagen durch die Orts- und Bezirksschulinspektorate bei dem Evang. Konsistorium bezw. dem Kath. Kirchenrate ihre Mel­dung einzureichen, wobei das Lebensalter, die derzeitige Dienststellung und die etwaige Beteiligung am Turnunter­richt in der Volksschule anzugeben sind. Die Einberufung erfolgt durch die Oberschulbehörden.

Zeichcnausstellung. Der lOwöchigeZeichenkurs en­digte letzten Freitag mit einer Ausstellung der in dieser langen Zeit gefertigten Arbeiten und mit Vortrag von skiz­zierten Lehrproben sämtlicher 12 Teilnehmer in An­wesenheit von Oberkonsistorialrat Frohnmeyer und Pro­fessor Schirmer aus Stuttgart. In den Lehrproben wurde der ganze Gang des Zeichenkurses noch einmal vor- gesührt: I. Abteilung: Das Zeichnen im Dienst der übrigen Unterrichtsfächer, des Anschauungsunterrichts und der Real­fächer in freiem, spielenden Sinn (mehr unbewußtes Zeichnen); il. Abteilung: Das eigentliche, bewußte Zeichnen 1) schema­tische Lebensformen 2) Zeichnen nach wirklichen Dingen a) Flächen- b) Körperzeichnen. Die Herren von der Behörde spendeten alles Lob sowohl dem Fleiß der Kursisten als dem der beiden Lehrer: Seminacoberlehrer Faut und seinem Gehilfen für das technische Zeichnen, Schullehrer Bartholomäi von Böffingen. Ein gemeinschaftliches Mittagsmahl im Gasth. z. Rößle bildete den Schluß des feierlichen Aktes.

Vom Wirtsgewerbe. Auf dem Bundestage deutscher Gastwirte zu Hannover wurde unter allgemeiner Zustimmung die Art des Vorgehens des Stuttgarter Vereins in der Flaschenbierfrage gutgebeißen. Es soll im ganzen Reiche mit den Brauereien in Verhandlungen eingetreten und an­gestrebt werden, die Frage in derselben Weise zu regeln, wie es in Stuttgart gelungen ist.

r. Altenstcig, 16. August. In Berneck wird zurzeit eine Wasserleitung unter Oberbaurat Ebmann-Stuttgart erstellt. Die Kosten belaufen sich aus ca. 30 000 Die Anlage soll anfangs Oktober eröffn« werden.

Göttelfingcn OA. Horb, 18. Aug. Vom Samstag auf Sonntag nacht schlug der Blitz in die Scheune des Leo Raible, welche sofort in Hellen Flammen stand.