76. Jahrgang.
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Telephon Nr. 29.
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Schwäb. Landwirt
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Amtliches. Die K. Regierung des Schwarzwaldkreises hat am 8. August d. Js. die Wahl des Ratsschreibers und Verwaltungsaktuars Leonhard Grub in Crailsheim zum Stadtschultheißen der Gemeinde Herrenalb, OA. Neuenbürg, bestätigt.
Uebertragen wurde die erledigte Finanzamtmannstelle in Mergentheim dem Finanzamtmann Krauß in Freudenstadt.
politische HleSersicht.
Ein merkwürdiges Geschick hat es gefügt, daß die unter so tragischen Umständen verzögerte Krönung des Königs Eduard in demselben Augenblicke endlich zur That wurde, in welchem der Gebieter über das machtvolle Zarenreich die Bande der Freundschaft mit dem ersten Militärstaat der Gegenwart neu festigte. Nach den ersten Absichten der Regisseure der englischen Weltpolitik sollte der symbolische Akt der Königsinthronisation dem in dem lebenden britischen Geschlecht künstlich genährten imperialistischen Gedanken einen vertieften Inhalt geben. Zu diesem Zweck war nicht nur ein Parterre fremder Fürstlichkeiten mit den Millionen der Themsestadt als Zuschauer eines Schauspiels von blendendem Glanze geladen. Es waren auch die Repräsentanten aller englischen Kolonien herbeigerufen worden, um die über den gesamten Erdball zerstreuten Teile des großen britischen Jnselreichs zu einem politisch und wirtschaftlich in sich fest geschlossenen Ganzen zusammenzufügen. Der Gedanke war würdig seines Urhebers, des vielgenannten Herrn Chamber- lain. Allein seiner Verwirklichung standen von Anfang an schon die dunklen Schatten des Burenkriegs, und später die plötzliche Erkrankung des Königs, sowie andere folgenschwere persönliche und sachliche Zwischenfälle gleichsam als fatalistische Hemmnisse entgegen. Infolgedessen fand am Samstag die Königskrönung zwar in den Jahrhunderte alten Formen, doch trotz der warm empfundenen königlichen Botschaft nicht unter wahrhaft innerlich empfundener Teilnahme aller Volkskreise statt, und auch Herr Chamberlain muß manchen bitteren Tropfen seinen überschäumenden Bechern beimischen. Er kann sich darüber kaum noch täuschen, daß sich den britischen Grenzen langsam, doch zielsicher die Gefahr der Auseinandersetzung zwischen Rußland und England nähert. Für die nächste Zukunft sind in den Gewässern der alten Deutschritterstadt Reval dem Weltfrieden allerdings noch neue Stützen gesammelt worden. Rußland bedarf desselben nach innen und außen; denn seine Politiker setzen ihre Schachfiguren mit äußerster Vorsicht. Die Eventualitäten der Zukunft verweisen sie auf die größtmögliche Stählung ihres Rüstzeuges zur See, und diese wird trotz der gut verlaufenen Flottenmanöver vor Reval noch viele Jahre gebrauchen, ehe sie für den Kampf mit einer großen Seemacht ausreicht. Bis dahin wird und kann der Zar wirksam für den Frieden arbeiten, zumal er hier mächtige Partner findet. Kaiser Wilhelm ist sein natürlicher Bundesgenosse beim Friedenswerk, ebensowohl aus Rücksichten auf die Lebeusintereffen Deutschlands wi'e aus edler Menschlichkeit. Die Gemeinsamkeit ihres Wollens hat vor Reval in allen die Monarchenbegegnung begleitenden Erscheinungen einen weithin erkennbaren Ausdruck erhalten. Die deutsch- russische Verständigung ist eine vollkommene und für die große internationale Politik ein neuer Faktor geworden. Den englischen Staatsmännern ist diese Wahrnehmung schwerlich erwünscht aber immerhin lehrreich. Wenn sie jetzt nicht blos Frankreich und dessen Flotte, sondern auch Deutschland eng an der russischen Seite sehen, haben sie selbst wohl einen gewissen Anteil daran. Vielleicht finden sie nach der soeben erfolgten Vertagung des Parlaments Muße zu der Erwägung, ob sie ihrer Sache nicht einen guten Dienst erweisen, wenn sie fortan mehr nach'einem von Achtung der deutschen Interessen getragenen Verhältnis zu dem festländischen Vetter trachten. Das deutsche Volk hält viel auf die traditionelle russische Freundschaft, ist aber auch politisch hinreichend geschult, um den Wert guter Beziehungen zu England und zwar nach Beendigung des südafrikanischen Abenteuers mit zunehmender Vorurteilslosigkeit zu würdigen. Leider kann man nicht sagen, daß die englische Presse ihm dies erleichtere, und so giebt es sich ganz den Eindrücken der Revaler Vorgänge hin. Mit sauersüßer Mine nimmt man davon auch in Frankreich Kenntnis. Aber man tröstet sich dort einigermaßen in dem Hochgefühl, den Anschluß an Italien wieder erlangt zu haben, und findet eine Zerstreuung in der Fortführung des Kulturkampfes, in dem man nicht nur dem Klerikalismus im Heere unter Vorantritt der Minister Andrer und Pelle- tan noch ernster als bisher zu Leibe geht, sondern auch das Ordensgesetz trotz des steigenden Widerstandes in einzelnen Landesteilen strikt durchführt. Ob sich die Gemüter dabei schnell beruhigen werden, ist eine andere Frage.
Nagold, Mittwoch den 13. August
Parlamentarische Nachrichten.
Berlin, 9. Aug. Die Zolltarifkommissio« hat gestern ihre 100. Sitzung abgehalten. Aus solchem Anlaß stand vor dem Platz des Vorsitzenden ein prachtvoller Rosenstrauß, worauf in Hellen Rosen die Zahl 100 sich heraushob, davor lag ein mit deutschen Farben und Fahnen geschmückter Karton, ein launiges Gedicht Beniners enthaltend. Der Vorsitzende sprach seinen Dank aus, der auch Kardorff und den übrigen Mitgliedern der Kommission gebühre. Die Kommission nahm sodann nach der Vorlage die Pos. 894. 904, 906 an (Dampfmaschinen, Maschinen zur Bearbeitung von Metallen, Hölzern re. und andere Maschinen) und nahm dann gleichfalls nach der Vorlage an 895, 896 und 897 (Nähmaschinen, Strickmaschinen und Gestelle zu Nähmaschinen). Ferner wurden die Positionen 898 bis 902 unverändert nach der Vorlage angenommen.
Gages-NerngkeiLen.
Aus Stadt und Land.
Nagold 13. August.
Handwerker-Landes-Verband. Die Sterbekasse des Verbandes hat in den letzten zwei Jahren bei fünf Sterbefällen ihre wohltätige Wirkung ausgeübt. Es dürste noch mancher Fernstehende gut daran thun, sich die Segnungen dieser Kasse durch seinen Beitritt zu sichern. Herr Kaufmann Brintzinger' wird in seiner Eigenschaft als Kassier gerne Auskunft geben.
Nach den kürzlich erschienenen „Forststatistischen Mitteilungen aus Württemberg für das Jahr 1900" über die Staatswaldungen betrug im Revier Nagold der ertragsfähige Holzgrrnid, soweit ^Staatseigentumist, 244,331m, der nicht ertragsfähige 12,30 Im; die größte Staatswaldfläche hat Revier Herrenalb mit 3535 Im, die kleinste Revier Möckmühl mit 85 Im. Das Gesamtergebnis an Holzfällungen pro 1900 auf jenem Grund des Reviers Nagold betrug 1088 Festm. Derbholz und 432 Festm. Reisig; am meisten Derbholz wurde im Revier Baindt, OA. Ravensburg, gefällt (26120 Festm.), am wenigsten im Revier Möckmühl (310 Festm.). Der mittlere Taglohn beim Holzhauerbetrieb betrug im Revier Nagold Sommers 2 Winters 1.80 ^ (Altensteig 2.10 ^ bezw. 2 Wildberg 1.90 ^ bezw. 1.70 ^); Durchschnitt im ganzen Land 2.13 ^ bezw. 1.89 Die durchschnittlichen Aufstretchserlöse im Revier Nagold betrugen aus Nadelholzstämmen 22.42 ^ (19.83°^) pro Festm.; aus Nadelholz- Scheitern und Prügel 9.19 (6.05 ^) pro Raummeter.
(In Klammern sind die Landesdurchschniltspreise). Der Gesamtaufwand für Kulturen bezifferte sich im Revier Nagold auf 632.87 im ganzen Land auf 359,954.67 für Wege wurden 408,20^ aufgewendet und für Waldarbeiter 48.57 Versicherungskosten aus der Forstkasse bezahlt. Der Reinertrag der ertragsfähigen Staatsforsten im Revier Nagold betrug 17,168.92 somit 70.12 auf 1 Im (Landesdurchschnitt 60.06 ^). Nicht inbegriffen ist der Aufwand für das Forstverwaltungs- und Schutzpersonal und ähnliche allgemeine Ausgaben, für die insgesamt pro Im je 7 90 ^ in Abzug zu bringen find.
Im Revier Nagold kamen keine Verfehlungen gegen das Forststrafgesetz vor; im ganzen Land waren es 1265 oder 0,65 auf 100 du. Forstpolizeiliche Straffälle fielen un Bezirk des (am 1. April d. I., wie alle übrigen Forstämter, einge- gegangenen) Forstamts Wildberg 63 an; am meisten beim Forstamt Kirchheim u. T. (159), am wenigsten beim Forstamt Weingarten (42). Sowohl die Gesamtfläche als der Reinertrag der Staatswaldungen des Landes ist fortwährend im Steigen begriffen und zwar stieg die Fläche von 184,634 Im im Jahr 1853 auf 196,352 Im im Jahr 1900 und der Reinertrag von 1849 447 ^ (10 auf 1 du) im Jahr 1853 auf 9,907,446 ^ (50.72 auf 1 Im) im Jahr 1900, wobei die nicht ertragsfähige Fläche miteingerechnet ist.
Wichtig für Feuerwehrmänner! Die Zeitung für Feuerlöschwesen, welche in München erscheint, schreibt: „Auf der Fahrt zur Brandstätte soll das Aufsteigen auf Geräte oder das Abspringen von denselben unterbleiben, weil bei allen- ^ falls durch Verletzung dieses Gebotes entstehenden Unglücks- sällen die Landcsuntcrstützungskasse keine Entschädigung gewährt. Meistens werden durch solches Auf- und Abspringen sehr schlimme Folgen hervorgerufen, wie Arm- und Beinbrüche, und noch andere Körperbeschädigungen, so daß die betr. Feuerwehrmänner oft ihr Leben lang Krüppel bleiben. Es muß daher ernstlich davor gewarnt werden, die Fahrzeuge auf dem Wege zum Brandplatze zu besteigen oder davon abzuspringen."
—t. Ebhausen, II. August. Die Angehörigen des einzigen Chinafreiwilligen von hier erhielten am letzten Samstag von demselben eine Postkarte mit der Anficht des Neapeler Seehafens und folgenden Inhalts: „Neapel 6. Aug.
1902.
1902. Nach zweijähriger Abwesenheit wieder auf europä
ischem Boden angelangt, sendet Euch auf ein baldiges Wiedersehen die herzlichsten Grüße. David Haselmaier." In wenigen Wochen wird somit der junge Mann seinen Vater und seine Geschwister, die sich sehr auf das Wiedersehen freuen, begrüßen dürfen.
Calw, 10. Aug. Am Freitag abend wurden auf der Straße unterhalb Ernstmühl zwei Damen von einem Arbeiter in frecher Weise angegriffen und zu berauben gesucht. Wie nachher von Landjäger Klotz in Liebenzell, der den in Pforzheim in Arbeit stehenden und in Ernstmühl wohnhaften Menschen einlieferte, erhoben wurde, hat derselbe eine der Dame rücklings niedergerissen um ihr mit raschem Griff das Geldtäschchen zu entreisen. Da ihm dies nicht sofort gelang und er das Hinzukommen anderer Leute zu befürchten hatte, suchte er das Weite. Es ist der 17 Jahre alte schon vorbestrafte Fabrikarbeiter G. Weber von Ernstmühl.
r. Tübingen, 10. Aug. Gestern nachmittag wurden die beiden jungen Söhne des Kaufmanns Frostbauer unter einem umfallenden Pritschenwagen, der mit Schutt beladen war, begraben. Der ältere Sohn konnte sich herausarbeiten, während der jüngere herausgeschaufelt werden mußte und bewußtlos noch im rechten Augenblick ans Tageslicht befördert wurde. Außer einigen Quetschungen dürften die beiden keinen weiteren Schaden davongetragen haben.
Stuttgart, 10. Aug. Der Kongreß der Südd. Bekleidungsakademie findet heute und morgen hier statt. Die Beratungen werden morgen vormittag in der Südd. Bekleidungsakademie, Tübingerstraße abgehalten. Heute abend fand in der Liederhalle eine Begrüßung statt, die von zahlreichen Gästen aus alle Gegenden Deutschlands besucht war.
r. Stuttgart, 11. Aug. In letzter Zeit wurden in einem hiesigen Verkaufsladen wiederholt Taschendiebstähle an einkaufenden Damen verübt. Der Thäler wurde gestern in einem 13 Jahre alten Knaben in Cannstatt ermittelt. Er hat auch-Diebstähle eingestanden, die bisher nicht entdeckt worden sind. Die Bestohlenen wollen dem Stadt- polizeiamt oder einem Sicherheitsorgan Anzeige machen.
r. Stuttgart, 11. Aug. In Ostheim hat sich gestern ein Mann namens Schr., der kurz vorher von seinem Vermieter bei der Verübung eines Diebstahls überrascht wurde, in seiner Wohnung in selbstmörderischer Absicht, erst einige Stiche in die Brust beigebracht und sich dann die Pulsader der rechten Hand durchschnitten. Der Schwerverletzte wurde ins Katharinenhospital übergeführt, sein Befinden ist befriedigend.
r. Ludwigsburg, 11. Aug. Gestern nachmittag fand im Ratskeller hier eine zahlreich besuchte Versammlung der Fischerei-Interessenten des Neckarthales statt. Gegenstand der Beratung war: Stellungnahme wegen der an die Ge- neraldirektion der Verkehrsanstalteu zu richtenden Ansprüche aus Anlaß des bekannten großen Fischsterbens im Neckar im Juni dieses Jahres. Der Versammlung wohnten bei: Prof. Dr. Siglin von Hohenheim und Oberförster Stier von Güglingen. Prof. Dr. Siglin, der zum Vorsitzenden der Versammlung gewählt wurde, machte den Vorschlag, für jede der in Betracht kommenden geschädigten Strecken des Neckars einen Vertreter zu wählen. Demgemäß wurde für die Str.cke Hofen a. N.-Mühlhausen-Aldingen-Neckar- rems Schultheiß Volz von Aldingen, für die Strecke Neckargröningen-Hochberg - Poppenweiler - Neckarweihingen-Marbach Schultheiß Schäfer von Hoheneck, für die Strecke Beihingen- Geislingen-Groß- und Kleiningersheim-Mundelshcim-Hesfig- heim Schultheiß Greb von Hessigheim, für die Strecke von Besigheim abwärts bis Neckarsulm Sonnenwirt Betzner in Besigheim und als fünfter Fischer Martin Seibert in Hoheneck gewählt. Diese 5gliedrige Kommission erhielt den Auftrag, mit der kgl. Generaldirekiion sich womöglich auf gütigem Wege zu verständigen. Bei den Verhandlungen soll insbesondere auf Wiederbesetzung des Neckars mit geeigneten Fischarten Bedacht genommen werden. Als Fischereisachverständige wurden von der Versammlung aus Vorschlag des Stadtrats Haußer von Stuttgart die Herren Prof. Dr. Siglin-Hohenheim und Oberförster Stier-Güg- lingen gewählt. Der Kommission soll es überlassen bleiben, noch einen dritten Sachverständigen bei der Abschätzung des Schadens zuzuztehen. Zum Schluffe der Versammlung legte Oberförster Stier den geschädigten Fischwafferbesitzern nahe, ihre Ersatzansprüche nicht zu hoch zu stellen, sondern lediglich den erlittenen Schaden geltend zu machen, da sie auf diese Weise am besten fahren würden.
r. Geislingen a. S., 11. Aug. Die rücklausende Bewegung im Geschäftsleben der hiesigen Maschinenfabrik macht sich immer mehr fühlbar. Mit Ausnahme der Lehrlinge wurden in diesem Jahre sämtliche ledigen Arbeiter entlassen