76. Jahrgang.
Auflage 265«.
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Telephon Nr. 29.
Telephon Nr. 29.
Nagold, Montag dr» 28. April
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Schwab. Landwirt.
l90L.
ZM- Für die Monate Mai und Juni kann der „Gesellschafter" bei allen Postämtern und Landpostboten bestellt werden.
Amtliches.
Bekanntmachung.
Die Bekanntmachung in Gesellschafter Nr. 64 bctr. Maul- «nd Klauenseuche in Gültliugen wird hie- mit dahin berichtigt, daß nur die am 4. ds. Ms. (Gesellschafter Nr. 52) verfugten allgemeinen Schutzmatzregeln ausgehoben wu den; die Gehöftssperre jedoch bestehen bleibt.
Nagold, den 25. April 1902.
K. Oberamt.
I. V.: Schlör, stv. Amtmann.
Amtliches. Die K. Regierung des Schwarzwaldkreises hat am 25. April d. I. die Wahl des Bauern und Gemeinderats Johannes Hagenlocher in Mötzingen, OA. Herrenberg, zum Schultheißen dieser Gemeinde bestätigt.
Wotitische Meöer ficht.
In der badischen Abgeordnetenkammer hielt am Freitag Präsident Gönner folgende Ansprache: „Wir stehen am Vorabend einer mehrtägigen glänzenden Festfeier, welche in der Residenz und in allen Teilen des badischen Landes und in vielen Orten des Deutschen Reichs mit hoher Begeisterung gefeiert wird. Heute ist ein halbes Jahrhundert vergangen, seitdem unser Landcsfürst die Negierung des Großherzogtums übernommen hat. Das badische Volk feiert das 50jähr. Regicrungsjubiläum des Großherzogs mit freudiger Bewegung und mit dem Gefühl des Dankes an die Vorsehung, welche es gefügt hat, daß der Großherzog in Rüstigkeit dem Land erhalten geblieben ist, und mit der Hoffnung, daß das badische Volk sich noch lange seiner Regierung erfreuen möge. Was Großherzog Friedrich in seiner 50jährigen weisen und milden Regierung, was er bei der Leitung der Geschicke des badischen Landes und was er mit seinem weitblickenden Streben für die Einigkeit, Macht und Größe des deutschen Vaterlandes gethan hat, das ist dem badischen Volk bekannt. Wir wollen unsere treue Dankbarkeit und unsere Verehrung für unseren Landesherrn zusammenfafsen in den Ruf: „Unser Landesfürst Großherzog Friedrich lebe hoch, hoch, hoch!"
Sehr langwierige Beratungen verursacht in der bayrischen Abgeordnetenkammer das Schulbedarfsgesetz. Gestern wurde nach mehrtägigen Verhandlungen der Artikel 16 angenommen, welcher bestimmt, daß in erster Reihe die Gemeinden, sodann die Kreise und endlich der Staat zur Deckung des Schulbedarfs verpflichtet sind. Die Annahme dieses Artikels erfolgt- in der vom Zentrum vorgeschlagenen Fassung. Dagegen wurde ein Antrag Beckh (konservativ), welcher die bereits früher abgelehnte Verstaatlichung der Volksschule indirekt wieder einführen wollte, durch die Stimmen des Zentrums gegen das ganze übrige Haus <mit 76 gegen 61 Stimmen) abgelehnt.
Mit argwöhnischen Augen verfslgt mau in England die russischen Rüstungen an der Grenze des zwischen Indien und dem Zarenreich gelegenen Pufferstaates Afghanistan, und eingefleischte Schwarzseher halten die Zeit für nicht mehr fern, da mit dem Ausbrechen von inneren Unruhen dem russischen Bären Gelegenheit und Vorwand gegeben ist, sich des Schlüssels zu der Schwelle Indiens zu bemächtigen. Und auch Ctzina und die neue Rebellion in dem Reich der Mitte dünken diesen Leuten ein Pulverfaß, an dem die Lunte ohne Unterlaß weiterglimmt. In der That nehmen die auswärtigen politischen Angelegenheiten das Interesse der großen Allgemeinheit in England dermaßen in Anspruch, daß man die inneren Fragen beinahe aus dem Auge verliert.
Den Engländern macht das Verhältnis zwischen Frankreich und Italien große Sorge. Im Unterhaus fragte ein Abgeordneter, ob die Regierung davon Kenntnis habe, daß Frankreich und Italien ein Abkommen getroffen haben, wonach Tripolis als zur italienischen Einflußsphäre gehörig anerkannt und die Annektierung von Italien in Aussicht genommen wird, und daß Prinetti in der italienischen De- putiertenkammer kürzlich erklärte, die italienische Regierung treffe militärische Vorbereitungen im Hinblick auf die Operationen in Tripolis. Cronborne erwiderte, die britische Regierung wisse nichts von einem solchen Abkommen. In der italienischen Kammer sei eine solche Erklärung nicht abgegeben worden. Die Politik der britischen Regierung sei daniit klar gekennzeichnet, daß sie die Aufrechtcrhaltung
des stntns guo im Mittelländischen Meer zum Ziel habe. Aus der Uebersetzung der Rede Princttis ergebe sich, daß die Aktion der italienischen Regierung sich gegen jegliche Aenderung der gegenwärtigen Verhältnisse von Tripolis richten werde. — Das Unterhaus hat mit 290 gegen 61 Stimmen die Resolution betreffend die Erhöhung der Einkommensteuer angenommen. Im Lauf der Debatte, in welcher die Anträge zum Budget von verschiedenen Mitgliedern absprechend beurteilt wurden, sagte Hicks Beach, nichts könnte verfrühter sein, als die Gerüchte betreffend die Friedens- Verhandlungen.
In einigen russischen Gouvernements, besonders in dem von Poltawa, nehmen die Bauern-Revolten in bedenklicher Weise überhand, die durch Militär unterdrückt werden müssen. Diese Bauern rennen alles nieder und zerstören die Güter. So wurden u. a. außer der Besitzung Karlowka des Herzogs von Mecklenburg noch 63 Güter verwüstet. Sobald das Militär erscheint, leisten sie keinen Widerstand, nach Abzug des Militärs beginnt aber aufs neue das Brennen, Sengen und Verwüsten. Durch Aufrührer auf- gestachelt, richtet sich die Wut der Bauern vornehmlich gegen die besitzenden Klassen. Der Minister des Innern v. Phlewe unternimmt deshalb in allernächster Zeit eine D enstreise nach Klcinrußland, um sich in betreff der großen Unruhen, die zwischen den Bauern und den Gutsbesitzern der Selbstver- waltungsfrage wegen ausgeürochen sind, persönlich von der Sachlage zu überzeugen.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 24. April. Die erste Beratung des Gesetzentwurfes betr. Kinderabeit in gewerblichen Betrieben wird fortgesetzt. Abg. Röllinger (Elf.) begrüßte die Vorlage als Kulturfortschritt und konstatierte mit Genugthuung, daß in Elsaß-Lothringen von einer Ausbeutung der Kinderarbeit nicht die Rede sein könne. Abg. Gainp (Rp.) bemerkte die Kinderarbeit auf dem Lande sei besonders im Interesse der mittleren und kleineren Besitzer unentbehrlich. Schaffe man der Landwirtschaft bessere Existenzbedingungen, so könne sie auch bessere Löhne zahlen. Nach weiteren Ausführungen wurde der Entwurf der Kommission überwiesen.
Berlin, 26. April. Präsident Graf Ballestrem teilt mit, der Großherzog von Baden habe in warmen Worten für die Glückwünsche des Reichstags gedankt. Bei der Beratung der Seemannsordnung hofft Frese (F. Vgg.), es werde gelingen, das Gesetz zu verabschieden. Es stelle in einzelnen Punkten einen Sprung ins Dunkle dar. Frese meist den Vorwurf zurück, daß es die Rheder an der Fürsorge für die erkrankten Seeleute fehlen lassen, und bittet, die Untersuchungen des Nordd. Lloyd betr. die Tiefladelinien abzuwarten. Metzger (Soz.) führt ans, von der Gestaltung des Entwurfs in 3. Lesung werde es abhängen, ob seine Partei ihm zustimmen werde. Kontreadmiral Schmidt gibt eine fachmännische Erklärung des Begriffs „seeklarmachen" und fährt fort: Wollte man alle Schiffe, die über 30 Jahre alt sind, am Auslaufen verhindern, so könnte man '/z aller Segelschiffe als Brennholz verkaufen. Seniler (n.l.) verweist auf die Verbesserungen, die die Vorlage den Seeleuten bringe. In der Spezialdisknssion wird Z1—3 mit redaktionellerAenderung angenommen. Bei 8 4 wird die Bestimmung gestrichen, wonach von den Besitzern der Seemannsämter der eine, falls das Verfahren sich gegen den Schiffsmann richtet, den Kreisen seebefahrener Schiffsleute zu entnehmen ist. Weitere Paragraphen werden angenommen. Z 33 wird mit der Streichung angenommen, daß die Arbeit über 10 und 6 Stunden nicht als Ueberstundenarbeit bezahlt werden soll, sobald sie zur Seeklarmachung des Schiffes erforderlich ist. Schließlich werden die Paragraphen bis 41 angenommen.
r. Stuttgart, 25. April. Die Stcuerkommission hat heute die kl. Lesung der Grund-Gebäude und Gewerbesteuer erledigt. Ehe man jedoch in die Tagesordnung eintrat, teilte der Kommissionsvorstand mit, daß der Wunsch nach weiterer Hinausschiebung des Zusammentritts der Stände vom Präsidium als unerfüllbar erklärt worden sei, es solle aber mit der Stenerberatung im Mai nicht mehr begonnen werden u. die Beratung des Volksschnlgesetzes erst nach Pfingsten stattfinden; für den Mai sei reichlich Stoff vorhanden. Darnach ist der Kommissionsstandpunkt wenigstens soweit möglich durch entsprechende Verteilung der Geschäfte berücksichtigt. Bei der Fortsetzung der Steuerberatung (s. o.) hat die Kommission ans Antrag des Referenten die Steuerfreiheit der Produktionsgenossenschaften wieder beseitigt (mit 11 gegen 2 Stimmen). Sodann wurde der Art. 84 a Abs. 2 auf Antrag von Kraut dahin gefaßt: Die Revision des Gebäudekatasters wird durch das Bezirkssteueramt unter Zuziehung von 2 Bezirksschätzern und soweit dies geboten erscheint oder vom Gemeinderat beantragt wird, eines Ortsschätzers vorgenommen.
Stuttgart, 28. April. Der St.-Anz. bemerkt zu der in Nr. 64 d. Bl. gebrachten Mitteilung, des Südd. Korrcsp.- Bureaus: „So viel wir vernehme:,, ist über de« Zeitpunkt der Einberufung des Landtags an maßgebender Stelle noch nichts bestimmt."
Tclges-NeuigkeiLen.
Aus Stadt und Land.
Nagold 28. April.
Fahrplan. Der amtliche (gelbe) Taschenfahrplan für den Sommerdienst 1902 aus den K. württ. Staatseisen
bahnen mit Anschlüssen ist nunmehr von der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart herausgegeben worden. Der Fahrplan hat neben der bewährten Einteilung früherer Ausgaben wieder Erweiterungen erhalten durch ausführliche Fahrpläne aller württ. Staats- und Privatbahnen samt Anschlüssen.
Deutsche Rechtschreibung. Die württembergische amtliche Ausgabe der mir einiger Spannung erwarteten „Regeln und Wörterverzeichnis" der neuen Rechtschreibung ist nunmehr im I. B. Metzler'schen Verlag hier erschienen. Die württ. Ausgabe ist ein wortgetreuer Abdruck der unter den Staaten des Deutschen Reichs, Oesterreich-Ungarns und der Schweiz vereinbarten „Regeln" und unterscheidet sich von diesen lediglich durch eine Zugabe: „Anhang über die Satzzeichen". Der Zeitpunkt der Einführung liegt bekanntlich gegenwärtig dem Bundesrat zur Beschlußfassung vor. — Zugleich sei auf das von dem bekannte» Fachmann Rektor K. Erbe in Ludwigsburg herausgegebeue Büchlein „Die neue deutsche Rechtschreibung und ihr Verhältnis zu den bisher giltigen Vorschriften" (Stuttgart, Berlin, Leipzig, Union Dcusche Verlagsgesellschaft) hingewiesen. In der ausführlichen, übersichtlichen Einleitung werden zunächst die vorgenommenen Acudcrungen, dann die erzielten Fortschritte, endlich Bedenken gegen einige der neuen Bestimmungen besprochen. DaS beigegebene Wörterverzeichnis schließt sich dem der amtlichen Ausgabe ziemlich genau an.
(Die Berichte über die verschiedenen Versammlungen am Sonntag folgen im nächsten und übernächsten Blatt.)
—t,. Ebhausen, 27. April. .Unsere Kirchenorgel, ein Werk der früher bestandenen Firma Gruol und Blessing in Bissingen wurde in den letzten Wochen umgebaut durch Vertreter der Orgelfabrik von Gebrüder Link in Giengen a. Br. Die 18 klingende Register zählende doppelmanualige Orgel, im Jahr 1862 in unserer damals neuerbanten Kirche ausgestellt, hatte von Anfang an ein etwas schwaches Gebläse. Innerhalb der 40 Jahre ihres Bestehens machte sich bei der Orgel ein Mangel an Zuführung von sLuft zu den Registern immer mehr fühlbar, auch bedurften die Preisen einer grünlichen Reinigung. Der hiesige Kircheu- gcmeinderat entschloß sich daher zur Anschaffung eines neuen Magazinbalg ns statt der bisherigen 3 Kastenbälgen, sowie zur gründlichen Reinigung und Reparatur der ganzen Orgel. Die hiemit beauftragte Orgelsabrik von Gebrüder Link in Giengen führte dies nach dem Urteil des sachkundigen Orgel- revidentcn Seminar-Mnsikoberlehrers Hegele in Nagold, dem die P.üfnng des Werkes übertragen war, in anerkennenswerter Weise ans, so daß die einzelnen Register an Klangfarbe und Tonfülle wesentlich gewonnen haben, und überhaupt das ganze Werk, das nach d r Nagolder Kirchen- orgel bisher schon die schönste und ausgiebigste Orgel im Bezirk war, jctzt noch erheblich mehr Tonstärke entfaltet als im früheren Zustand.
Wildberg, 26. April. Der seit 13. ds. Ms. vermißte Justizreferendär Heh aus Calw wurde heute vormittag einige hundert Meter oberhalb des Brnnnerschen Sägewerks als Leiche aus der Nagold gezogen. Geld und Uhr fanden sich bei dem Unglücklichen vor, so daß ein Verbrechen ausgeschlossen ist.
Horb, 24. April. Heute fand hier die dritte Hauptversammlung der Horber Miss onskonferen; statt. Etwa 60 Teilnehmer waren aus den Bezirken Sulz, Tuttlingen, Balingen, Reutlingen, Tübingen, Herrenberg, Nagold, Calw, Frendcnstadl zusammengekommen. Den Vorsitz führte statt des verhinderten Dekans Römer von Nagold Stadtpfarrer Haller von Tuttlingen. Vormittags vielt Pfarrer Andler von Gechingen einen Vortrag über Missionsarbcit und Missionsprobleme in den deutschen Südscekolonien; eine große, von Schullehrer Küynle in Knppingcn gezeichnete Karte unterstützte den Vortrag, welcher reiche Belehrung bot. Den zweiten Vortrag hielt nachmittags Missionssckrc- tär Eppler von Basel in wissenschaftlich eindringcnder wie religiös warmer Weise über Missionsfürbitte. Von der theologischen Fakultät in Tübingen hatten diesmal nicht, wie sonst Vertreier erscheinen können, dagegen waren zur Freude der Versammlung Prälat Dr. v. Wittich und Oberkonsi- storialrat Römer anwesend, von welchen der crstere auch an der Besprechung sich beteiligte. Die Verhandlungen fanden in der hiezu wohlgeeigneten schönen evangelischen Stadtkirchc statt. Die zahlreiche Beteiligung bewies, daß die Konferenz einem Bedürfnis entgegenkommt und lebensfähig ist.
Hord, 24. April. Schultheiß Süßer von Mühlen hat sein Amt medergclegt. Die Neuwahl ist auf den 3. Mm anbcraumt worden.
r. Herrenberg, 25. April. Am 22. d. Mts. W ähler der SattlergehilfeJo.)annes Ulrich wegen Verbuch.s,