"76. Jahrgang.
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GchlliWn.
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Telephon Nr. 29.
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Auflage 20S0.
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Gratisbeilagen: Das PlauderMbchev und
Schwäb. Landwirt
..N 56
Nagold, Samstag de« 12. April
1902.
Amtliches.
An die Ortsvorsteher,
betreffend die Koste» des Schneebahnens.
Soweit im letztvergangenen Winter durch das Schneebahnen auf den Staatsstraßen oder auf den Nachbarschasts- straßen mit Postwagenverkehr Kosten entstanden sind und hiezu um einen Staatsbeitrag nachgesucht w rden will, sind die vorgeschriebenen Liquidationen hierüber unter Beachtung der Bestimmungen des Erlasses der K. Ministerial-Abteilung für den Straßen- und Wasserbau vom 4. Mai 1901 (Amts- bl. S. 141) längstens
bis 2V. Atä» ds. Js. hieher vorzulegen.
Formulare für die diesbezüglichen Liquidationen können vom Oberamt bezogen werden.
Wenn eine Liquidation seitens der einzelne» Gemeinden bis zu oben genanntem Termin nicht einkommt, wird angenommen, daß Kosten der vorbezeichneten Art nicht erwachsen sind.
Nagold, den 10. April 1902.
K. Oberamt. Ritter.
Amtliches. Seine Kgl. Majestät haben am 7. April d. I. allergnädigst geruht, dem Gräflich Pückler-Limpurgischen Oberförster Wagner in Gaildorf einen Lehrauftrag für forstwissenschaftliche Fächer in der staatswisfenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen unter Verleihung des Titels und Ranges eines K. Oberförsters zu erteilen.
Uotttische Meberstcht.
In Schrambcrg wütet der Wahlkampf zur Stadtschult- heißcnwahl mit voller Macht. Da erlebt der Fernstehende wieder einmal das widerwärtige Schauspiel gegenseitiger persönlicher Verunglimpfungen, die um so gehässiger werden, je mehr die eine oder andere Partei der Wahrheit die Ehre zu geben beflissen ist. Daher kommt es'dann, daß hautere Charaktere sich in Wahlsachen ganz ferne halten und lieber das Odium der Wahlmacher und Parteien auf sich nehmen. Mommsen sagt einmal: „Es ist zwar Mannespflicht einen politischen Standpunkt einzunehmen, aber mancher ehrliche Mann hält sich zurück, weil er zu feinfühliger Natnr ist, um die Machenschaften, Verdrehungen und Jntri- guen bei Wahlen ertragen zu können." — Wir kehren nach diesen Betrachtungen zur Schramberger Sache zurück, um zu berichten, daß die Devise heißt „hie Harrer — hieVollmar." Die beiden anderen Kandidaten dürften nicht mehr in Betracht kommen.
Gestern ist in Wien das österreichische Abgeordnetenhaus wieder zusammengetreten. Beim Kapitel gewerbliches Bildungswesen gab Abg. Hofmann-Wellenhos namens der deutschen Votkspartei folgende Erklärung ab: „Durch die Abstimmung über Cilli sollte den Deutschen eine Demütigung Zugefügt werden, die sie nicht ruhig hinnehmeu können.' Die Deutschen verlangen die Gewähr, daß die Mittel des Staates zm Schädigung deutscher Interessen nicht verwendet werden. Wir sind entschlossen, in schärfster Opposition zu verharren, so lange nicht Genugthuung für die Vergangenheit und Bmgschaft für die Zukunft gegeben werden." Sodann erhob sich Ministerpräsident von Körber, dessen Rede von der deutschen Votkspartei und Alldeutschen häufig durch lebhaften Widerspruch unterbrochen wurde. Herr von Körber sagte Wn Schluß, es werde in jedem Falle Abhilfe gesucht werden müssen, welche der Cillier Frage ihren bisherigen gefährlichen Charakter benimmt und so einen der vielen Zündstoffe m unserer innern Politik aus dem Weg räume, wir wollen ernstlich an die Beseitigung der Cillier Sorgen schreiten und auch die Slovenen sollen nicht darunter zu leiden haben. (Höhnische Zwischenrufe.) Die Regierung werde sich von -^Entralen Stellung und der Grundlinie ihrer Politik nicht abdrängen lassen, auch nicht der Kollege Pentak, der das am wenigsten mit seiner letzten Abstimmung gewollt habe. Der Regierung liege jeder Kampf fern. Haben andere den Vorteil der nationalen Einheit für sich, so sind die Völker des vielsprachigen Oesterreich darauf angewiesen, sich untereinander zu vertragen, den nur dann könne der Staat gedeihen. (Lebhafter Widerspruch links; Beifall im Zentrum.)
Parlamentarische Nachrichten.
. At""gart, 2sprZ- Heute konnte die Steuerkommissn in ihren Verhandlungen Letr. die Einkommensteuer fortfahren. V Art. 54 wurde auf den Antrag des Referenten eine ausdrückliche V stlmmung des Inhalts getroffen. Anderenfalls (wenn nämlich V denken gAen dre Richtigkeit der abgegebenen Steuererklärung bestehe hat der Emschatzwigsausschuß, ehe er zu Beweiserhebung« 'L*^et' dem Steuerpflichtigen die gegen die Richtigkeit sein tzteuererklarnng sprechenden Gründe zu bezeichnen. In der Sac 1«bst bestand Ueberemstümnung. Den Bedenken des Referent
gegen den Ausdruck „Beanstandung einer Steuererklärung" wurde Rechnung getragen. Bei den Art. 65 und 56 ergaben sich nur unerhebliche Aenderungen. Hierauf kamen die Vorschriften über die Beschwerde an die Reihe. Hiebei wurde insbes. in den Art. 57 der 1. Absatz des Art. 58 (Mitteilung der Ergebnisse der Einschätzung an den Steuerpflichtigen) ausgenommen und nähere Bestimmungen über die Fristen getroffen. Die nächsten Artikel wurden Mit einzelnen unerheblichen Aenderungen genehmigt. Bei Art. 63 wurde noch mit der Beratung der zahlreichen Anträge des Referenten begonnen. Es handelt sich hier um das Verfahren vor dem Steuerkollegium und dem Finanzministerium. Bei den heute behandelten Anträgen handelte es sich namentlich um Bestimmungen über das Recht des Steuerpflichtigen zur Anführung neuer Thatsachen und Beweismittel, insbes. aber um die Frage der Gewährung von Akteneinsicht. Eine Entscheidung tonnte heute nicht mehr erfolgen.
r. Stuttgart, 10. April. Die Steucrkommission hat heute die gestrige Debatte beim Art. 63 der Einkommensteuer rasch abgeschlossen durch einstimmige Annahme eines Antrags Gröber: Der Steuerpflichtige kann neue Thatsachen und neue Beweismittel anführen. Auf sem Ansuchen ist ihm von den Akten, aus Grund deren die Entscheidung über das Rechtsmittel erfolgen soll, Einsicht zu gewähren und Abschrift auf seine Kosten zu erteilen. Zu den Beweisaufnahmen ist er zu laden; sein Ausbleiben steht der Beweisaufnahme nicht entgegen." Ferner ist mit 7 gegen 6 Stimmen ein weiterer Antrag Gröber angenommen worden: „Wird die Beschwerde zurückgewiesen, so soll die Entscheidung eine Würdigung des rechtlichen und thatsächlichen Vorbringens und der Beweismittel des Beschwerdeführers enthalten." Desgleichen wurde mit 9 gegen 2 Stimmen ein Antrag Haust niann: „Die Entscheidung der unteren Instanz darf zu Ungunsten des Steuerpflichtigen abgerundet werden, wenn auch der Vorsitzende der Kommission gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt bat." Sodann hat die Kommission die detaillierten Anträgen Gröbers bez. des Zustellungsverfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit seiner Zustimmung durch folgenden Antrag Haustmann ersetzt: „Die Zustellung von Entscheidungen und Verfügungen über das Rechtsmittel der Beschwerde hat schriftlich zu erfolgen, die näheren Bestimmungen werden durch die Ausführungsbestimmungen gegeben. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung." Die nächsten Artikel sind bloß unerheblich geändert worden. Dagegen ist beim Art. 66 nach längeren Debatten eine Erweiterung beschlossen worden durch Aufnahme des Anfalls von Fideikommissen und Stammgütern neben dem Erbanfall. Während bei Vermehrung des Einkommens im Laufe des Steuerjahres keine Aenderung in der Einschätzung erfolgt, soll in diesen Fällen Neueinschätzung und Steuerzahlung vom folgenden Monat an stattfinden, falls sich die Betreffenden nicht zur Fortentrichtung der Steuer des Rechtsvorgängers für den Rest des Steuerjahres erbieten.
T<ages-Werrrgkeiten.
Aus Stadl und Land.
Nagold 12. April.
Jubiläum des WürLt. Kriegerbundes. Für die Abhaltung des 16. Bundestages in Stuttgart verbunden mit dem 25jährigen Jubiläum des Bundes am 7. und 8. Juni d. Js., ist folgendes Programm vorgesehen: Samstag den 7. Juni nachmittags Sitzung des Lundesausschuffes, an die sich abends im Saale der Brauerei Dinkelacker ein Bankett anschließt. Am Sonntag den 8. Juni findet vormittags 8 Uhr im Schloßhof ein Feldgottesdienst statt. Vormittags 9^/t Uhr beginnen im Festsaat der Liederhallc die Vechanv- lungen des Bundestages, cingeleitet durch eine Gedächtnisrede auf den verewigten Ehrenpräsidenten des Bundes, Prinz Herrmann von Sachsen-Weimar. Um ^12 Uhr vormittags werden die Teilnehmer des Bundestags dem König nn Hose des Residenzschloffes eine Huldigung darbringen. Nach einem gemeinschaftlichen MiUagessen im Festsaal der Liederhalle folgt als Schluß der Jubiläumsfcierlichkeiten kameradschaftliche Vereinigung im Liederhallegartcn. Zu diesen Festlichkeiten werden 25—30000 Teilnehmer aus dem ganzen Lande hier erwartet. Die Quartierkommission, der die schwierige Aufgabe zufällt, für die Festgäste Unterkunft und Verpflegung zu besorgen, wäre besonders dankbar, wenn jetzt schon Angebote aus der Bürgerschaft an den Beauftragten, Uhrmacher Karl Müller, Marienstraße 11 gerichtet würden. — Die Eingabe des Württ. Kriegerbundes um Verwilligung von Militärfahrkarten zum Jubiläumstag im Juni ist von der Generaldirektion abschlägig beschiedcn worden; dagegen hat sie die Benützung einfacher Fahrkarten 3. Klasse als Retourbillets verwilligt.
Herrenderg, 9. April. Seine Königl. Majestät hat anläßlich des dem Josef Fleck, Wegwarts in Entringen, geborenen siebenten lebenden Knaben die Palenstelle übernommen und als Geschenk für den Knaben den Betrag von 20 Mark verwilligt.
)-( Mötziugen, 10. April. Bei der heutiqen Ortsvorsteherwahl haben von 202 Wahlberechtigten 184 von ihrem Rechte Gebrauch gemacht. Die meisten Stimmen haben erhalten, Johs. Hagenlocher, Gemeinderat 100 Stimmen, Schutheißenamtsassistent Feurer 49. Die anderen waren zersplittert. Elfterer ist somit gewählt.
Calw, 11. April. Das Bezirkskommando wurde am Mittwoch von Generalleutnant Herzog Atbrecht besichtigt.
— Das Bezirkskommando schreibt die Verdingung der Bau arbeiten für die Erneuerung einer Stützmauer im Betrag von 1560 ^ aus.
r. Liebenzell, 9. April. In der Nacht vom Sonntag auf Montag ertränkte sich in der Nagold zwischen hier und Unterreichenbach der in den 60er Jahren stehende verwitwete Fuhrmann Keppler von hier. Keppler war in letzter Zeit hochgradig schwermütig.
r. Stuttgart, 11. April. Das neue Volksschullehrer- Gesetz ist im Entwurf nunmehr durch den Staatsanzeiger veröffentlicht worden. Das Gesetz regelt zunächst die Unterrichtsgegenstände in der Volksschule. Unter die obligatorischen Unterrichtsgegenstände ist für die Knaben das Zeichnen, für die Mädchen die weiblichen Handarbeiten aufg.nommen worden, während als freiwillige Unterrichts- gcgenstände für die Knaben der Handfertigkcitsunterricht, für die'Mädchen Turnen und Hauspaltimgskunde in den Lehrplan der Volksschule ausgenommen worden ist. Bei mehr als 70 Schüler sind 2 Lehrer, bei mehr als 160 3 und bei mehr als 240 4 Lehrer onzustcllm, in letzterem Verhältnis ist bei einer noch höheren Schülerzahl auch die Zahl der Lehrer zu vermehren. Wo übrigens Abteilungs- Unterricht gegeben wird, dürfen ans einen Lehrer 90 und in Orten, wo mindestens 2 Lehrstellen sind, je 100 Schüler entfallen. Was nun die Bezirksschulaufsichtsfrage anlangt, so drückt sich der Entwurf etwas vorsichtig aus; denn zum Bezirksschut-iufseher wird von der Oberschulbehörde einer der Geistlichen derjenigen christlichen Konfession, welcher die ihm untergebenen Schullehrer angehören, in wideruflicher Eigenschaft bestellt. Der Umfang des Bezirks wird von der Oberschulbehörde bestimmt. Hienach ist es möglich, daß die Oberschnlbehörde 3 und noch mehr bisherige Bezirksschulinspektorate in einen Schulaussichtsbezirk zusammenwirst und einen Geistlichen der betreffenden Konfession zum Bezirksschulaufsehcr im Hauptamt ernennt. Dies wird noch ausdrücklich durch den weiteren Satz bestätigt: Für größere, nach Bedarf neu zu bildende Bezirke können Bezirksschulaufseher im Hauptamt angestellt werden, und als solche Bezirksschulaufseher können (das ist wiederum eine Erweiterung) sowohl Geistliche als auch Schulmänner der betreffenden Konfession ernannt werden. Es fragt sich nur, was man alles unter Schulmänner versteht. Die Lehrer an Realanstalten, Gymnasien u. s. w. sind doch unzweifelhaft auch Schulmänner, diese aber als Bezirksschulaufseher für Volksschulen zu ernennen, wäre eine Neuerung, die den evang. und den sog. liberal-kath. Volks- schnllehrern in keiner Weise entspricht, während die sog. konservativ-katholischen Volksschullehrer irgend welche Aender- nng in der Bezirksschulaufsicht überhaupt nicht wünschen. Neben dem evang. Konsistorium, das künftig, wie es scheint, gar nichts mehr in Schulsachen dareinzureden hat, wird nach dem Gesetzentwurf ein neuer ev. Oberschulrat zusammengesetzt aus einem Vorstand und einer Anzahl technischer und administrativer Mitglieder ernannt. Dieser Oberschulrat hat die Befugnis eines Landeskollegiums. Beim katholischen Kirchenrat verbleibt aber die oberste Aufsicht über die katholischen Volksschulen, doch hat der katholische Kirchenrat, soweit er als Oberschulbehörde in Thätigkeit zu treten hat, die Amtsbezeichnung „Katholischer Oberschulrat" zu führen. Die Leitung des Religionsumer- richts an den Volksschulen und Lehrerbildungsanstalten kommt unbeschadet des staatlichen Oberschulaufsichtsremts dem evangelischen Konsistorium, bezw. dem bischöflichen Ordinariat zu. Ob nun dieser Gesetzentwurf auch wiiknch Gesetz wird, bleibt abzuwarten. Vorerst scheint es durchaus nicht wahrscheinlich, daß die Kammer der Standesherren ihre Zustimmung dazu erteilen wird. Daß Bezirksschnl- aufseher unter Zusammenlegung mehrerer Jnspeklorate im Hauptamt ernannt würden, und wenn je dazu die Genehmigung noch erteilt wird, so ist es noch unwahrscheinlicher, daß die erste Kammer die Ernennung von Schulmännern und Bezirtsschulaufsehern im Hauptamt genehmigen wird. Aber sogar dann, wenn diese Unwahrscheinlichkeiten doch zur Thatsach. würden und der Gesetzentwurf von beiden Kammern unverändert angenommen würde, wird im einen, wie im andern Fall ein für viele Jahre andauernder Zustand geschaffen, an welchem die Schullehrer-Vereine beider Konfessionen leider nichts werden ändern können. Unter allen Umständen also entfällt jeder Grund für eine Spaltung der katholischen Bolksschullehrer in zwei Vereine, denn an sich sind die katholischen Bolksschullehrer schon in der Minderheit gegenüber ihren evangelischen Kollegen und wenn sie sich auch noch trennen, so wird es bei ihnen mit einer kleinen Variante des Moltke'schen Prinzips heißen: „Getrennt marschieren und vereint geschlagen werden," d. h. die getrennten katholischen Vereine werden so gut wie gar nichts mehr erreichen.