76. Jahrgang.

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^ Schwab. Landwirt.

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Nagold, Donnerstag den !6. Januar

1902 .

Amtliches.

A« die Ortsbehörde»,

betr. die Vorlage vou Gesuchen um Verwilligung eines

Staatsbeitrags zu dem im Jahre 1901 erwachsenen Aufwand der Vieh-Versicherungsvereine.

Im Hauptfinanzetat für 1901 sind zur Förderung des Viehversicherungswesen 16,666 Mk. einge­stellt.

Diese Mittel sollen in erster Linie dazu verwendet werden, solchen Vieh- (Pferde-, Rindvieh-, Ziegen-)Ver- sicherungsveremen, welche durch die eingetretenen Schadenfälle stärker belastet worden find, Zuschüsse zu gewähren, aber es sollen auch den minderbelasteten Vereinen Beiträge zu den ihnen durch die tierärztliche Behandlung erwachsenen Kosten, sowie zu dem Zweck gewährt werden, um den Vereinen die Ansammlung eines Reservefonds zu ermöglichen.

Weiter sollen aus jenen Mitteln nicht nur Vieh­versicherungsvereine mit Geldwirtschaft, sondern auch Vereine mit Naturalwirtschaft (bezw. mit ge­mischtem System) staatliche Beiträge erhalte«.

Die Schultheißenämter wollen nun die Viehver­sicherungsvereine ihrer Gemeinden, welche auf einen Staatsbeitrag rechnen, zur Vorlage eines solchen Gesuchs bis spätestens 13. Febr. ds. Js. anher veranlasse« und den Vereinen bei Aufstellung des Gesuchs behilflich fein.

Die Gesuche habe« folgende Angaben über die Geichäftsergebnisie im letzten Versicherungsjahr (1901) zu enthalte»:

1. Zahl der Mitglieder;

2. Zahl der versicherten Tiere (Pferde, Rindvieh, Ziegen);

3. Zahl der Entschädigungsfälle und zwar:

bei Pferden: Zahl der umgestandenen oder getöteten Tiere;

bei Rindvieh:

a. Zahl der umgestandenen Tiere;

b. Zahl der notgeschlachteten Tiere, deren Fleisch im ganzen als ungenießbar erklärt worden ist;

o. Zahl der notgeschlachteten Tiere, deren Fleisch ganz oder teilweise genießbar war, ä. Zahl der gewerblich geschlachteten Tiere, deren Fleisch polizeilich beanstandet worden ist (so­fern sich die Thätigkeit eines Vereins auf die Schlachtviehversicherung erstreckt); bei Ziegen: wie bei Rindvieh a bis e;

4. Reinerlös aus der Verwertung von umgestandenen und notgeschlachteten Tieren;

5. Gesamtbetrag der gewährten Entschädigungen, und zwar:

bei Pferden: für umgestandenc und getötete Tiere; bei Rindvieh:

a. für umgestandene Tiere, d. für notgeschlachtete Tiere, deren Fleisch tm ganzen als ungenießbar erklärt worden ist; o. für notgeschlachtete Tiere, deren Fleisch ganz oder teilweise genießbar war; ä. für gewerblich geschlachtete Tiere, deren Fleisch polizeilich beanstandet worden ist (sofern sich die Thätigkeit eines Vereins auf die Schlacht­viehversicherung erstreckt); bei Ziege«: wie bei Rindvieh n bis o.

6. Betrag der vom Verein bestrittene« Kosten für tierärztliche Behandlung;

7. Betrag des Reservefonds bezw. des Vermögens des Vereins. ^

Den Gesuche» sind die zur Prüfung der Richtigkeit der verlangten Angaben erforderlichen Belege, sowie die Vereinssatzunge« anzuschließen.

Nagold, den 14. Januar 1902.

K. Oberamt. Ritter.

Die Ortspolizeibehörden

werden an die Erledigung des oberamtl. Erlasses vom 14. Nov. v. I. (Gesellschafter Nr. 178) betr. das Weg­schieße« von Raben hiemit erinnert.

Nagold, 15. Januar 1902.

__K. Oberamt. Ritter.

De« Ortsbehörden für die Arbeiterverfichernng

gehen mit der nächsten Post die bestellten Formulare für die Invalidenversicherung zu.

Die etwa noch dort vorhandenen Altersrenten-, Invalidenrenten-, Krankenrenten- und Beitrags- «rstattungs-Ouittunge» haben nur noch bis 1. Juli 1662 Gültigkeit, von da an dürfe» nur noch die neue»

Formulare für diese Quittungen benützt werden; am I.Juli d. I. sind daher die etwa noch vorhandenen alten Quittungen zu vernichten.

Neue Quittungen, sowie etwa sonst im Laufe des Jahrs benötigte andere Formulare können vom Oberamt bezogen werden.

Nagold, den 14. Januar 1902.

K. Oberamt. Ritter.

Bekanntmachung der K. Landgeftütskommissio«,

betr. die Patentierung der Privatbeschälhengste für die Tcckperiode 1902.

In Gemäßheit der Beschälordnung vom 26. Dezember 1875 Z 12 ff. findet die Patentierung derjenigen im Besitze von Privaten befindlichen Hengste, welche von ihren Be­sitzern während der Deckst.riode 1902 zum Beschälbetrieb verwendet werden wollen, zur nachbezeichneten Zeit in fol­genden Orten statt:

in Laupheim am Dienstag, den 4. Februar d. I., nachmittags 3 Uhr,

in Aulendorf am Mittwoch, den 5. Februar d. I., mittags 12 Uhr,

in Geislingen am Donnerstag, den 6. Februar d. I. vormittags 11V- Uhr.

Diejenigen Hengstbesitzer, welche Patente für die Deck­periode 1902 zu erlangen wünschen, werden aufgefordert, ihre Hengste in einem der oben genannten Orte zu der bezeichnten Zeit der Patentierungskommission vorzuführen.

Für die Patentierung von Hengsten aus dem Neckar-, Schwarzwald- und Jagstkreis wird besonderer Termin für den Fall anberaumt, daß bis

Samstag, den 1. Februar d. I., Patentierungsanmeldungen bei dem Sekretariat der Land­gestütskommission, Stuttgart, Dorotheenstraße 1, einlaufen sollten.

Die Erteilung des Patents setzt voraus, daß der Hengst, für welchen das Patent gelten soll, nicht unter drei Jahre alt, vollkommen entwickelt ist, keine erheblichen Gebrechen und Formfehler hat und vermöge seines Körperbaus, seiner Knochenstärke und seines Ganges zur Erzeugung brauchbarer Pferde als geeignet erscheinst ivwie daß der um das Patent Nachsuchende in den Orten, wo er das Beschülgewerbe betreiben will, ein Beschällokal mit einer den Anblick des Beschälbetriebes abwehrenden Umfassung besitzt.

Der Patentbewerber hat der Patentierungskommission ein obrigkeitliches Zeugnis über das Zutreffen der in Be­treff des Beschällokals gemachten Voraussetzung, sowie, wenn der Hengst schon im Jahre 1901 patentiert war, die Patenturkunde des Jahres 1901 vorzulegen.

Zugleich wird daraus aufmerksam gemacht, daß die für ausgezeichnete Privatzuchthengste bestimmten Staats­prämien nur solchen Hengstbesitzern zuerkannt werden können, welche ihre Hengste der Patentierungskommission an den oben bezeichneten Zeiten und Orten behufs einer vorläufigen Auswahl vorführen werden.

Stuttgart, den 10. Januar 1902.

K. Landgestütskommisston.

Mosthaf.

EE Komische Weber stchl.

Von der Revision des deutschen Strafgesetzbuches ist neuerdings in einem Teile der Presse die Rede, unter Hin­weis darauf, daß die Regierung nach Abschluß der Gesetz­gebung über das bürgerliche Recht die Reform des Straf­rechts wiederholt zugesagt habe. Auch auf der Tagesord­nung des freilich noch in weitem Felde stehenden deutschen Juristentages befindet sich diese Reform. Nach Mitteilungen, die das N. T. von unterrichteter Stelle empfing, liegt die Sache so, daß ein sehr umfangreiches, vorbereitendes Material für für eine Neudurchsicht des Strafgesetzbuches vorhanden ist, daß aber mit einem längeren, vielleicht auf Jahre sich er­streckenden Zeitraum gerechnet werden muß bis zur Vollend­ung eines fertigen, dem Reichstag zu unterbreitenden Ent­wurfes. Reformvorschläge giebt es auf diesem Gebiete in Hülle und Fülle, im ganzen allerdings mehr mit der Ab­sicht, eine Verschärfung, als eine Milderung der Strafge­setze herbeizuführen. Stände gegenwärtig die Revision dcS Strafgesetzbuchs im Reichstage zur Beratung, so würde zweifellos das Strafrecht in vielen Bestimmungen eimn strengeren, ja einen drakonischen Charakter erhalten. Das Zentrum z. B. hat einen noch unerledigten Antrag eingebracht, demzufolge wegen Diebstahls und Unterschlagung außer der Freiheitsstrafe hohe Geldstrafen vorgesehen sind. Auch die parlamentarischen Kämpfe um die lex Heinze bekunden jdie gleiche Tendenz. Andere Verschärfungsabsichten betreffen die Betrugs-, Wucher-, Beleidignngs-, Zweikampf-Para­

graphen u. s. w. Kurzum, die Anhänger der Abschreckungs- Theorie sind weitaus in der Mehrzahl, obwohl die Justiz der Vergangenheit mit ihrem gewaltigen Apparat grau­samster Strafen feststehendermaßen auch nicht den Misse- thaten kräftig zu steuern wußte. Diejenigen, die bei einer Revision des deutschen Strafrechts vornehmlich das im Auge haben, daß die Milde da, wo sie angezeigt ist z. B. bei den Vergehen aus Not mehr zur Geltung komme, haben gegenwärtig wenig auf Berücksichtigung zu hoffen. Es sind denn auch sehr beachtenswerte Stimmen laut ge­worden, die es immer noch für besser erklärten, das Straf­gesetzbuch bleibe eine Reihe von Jahren ohne durchgreifende Revision, als daß eine solche mit der Grundtendenz der Verschärfung erfolge. Eine andere Reform liegt in der That viel näher; sie ist nicht nur dringlicher, sondern es wird sich hier auch bei weitem leichter und rascher Ueber- einftimmung erzielen lassen. Die Verbesserung des Vorver­fahrens zu Gunsten der Anzeschuldigteu müßte die Grund­lage bilden, der erste Schritt sein zur Revision des Straf­rechts. Darauf kommt es hauptsächlich und vor allem an. daß die Untersuchung so schleunig und so umfassend als möglich geführt wird, daß der Beschuldigte, bevor er auf die Anklagebank kommt, jegliche Gelegenheit zur Rechtfertig­ung erhält. Auch die Verhänguug der Untersuchungshaft sollte von Gesetzes wegen mehr zu einer Ausnahmemaßregel gemacht werdm, abgesehen natürlich von Rückfall oder schweren Verbrechen. Die Fälle einer sich über lange Mo­nate hinausziehenden Untersuchungshaft, während die Ge­richtsverhandlung zu einer geringeren Freiheitsstrafe oder gar zur Freisprechung führt, sind nicht selten. Noch zu wenig wi d beachtet, daß die Untersuchungshaft diefilbm schlurren Folgen für den Betroffenen herbeifnhren, ihn auf Jahre hinaus in seiner Existenz schädigen kann, wie die Strafhaft. Leider ist die Entschädigung wegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft einstweilen eine aussichtslose Forderung. In der Gerichtsverhandlung, wo sich der An­geklagte Auge in Auge mit den Zeugen befindet, das Recht der Fragestellung an sie hat, löst sich oft manches, worüber ganze Aktenbäudcl vollgeschrieben worden sind, in Frist weniger Stunden. Hätte die Untersuchung in ähnlicher Weise das Prinzip der Gegenüberstellung des Für und Wider, so könnte manchem vielleicht, durch rasche Aufklärung des Falles, der harte Gang zur Anklagebank, die Blosstellung vor der Öffentlichkeit erspart werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 13. Jan. Ter Abg. Stockmann von der Reichs­partei, Konsistorialpräsident in Münster i. W-, nahm die Krieger­vereine gegen die Angriffe des Sozialdemokraten Südekum in Schuh; außerdem betonte er die Notwendigkeit von Eisenbahnbauten in den Kolonien. Der Antisemit Werner wünschte eine schärfere Tonart gegen England. Er wünscht zu wissen, ob es wahr sei, daß in Ostpreusen für Rechnung der englischen Regierung Pferde ge­kauft worden seien; das wäre eine Verletzung der Neutralität. Der bayrische Ministerialdirektor Frhr. v. Stengel sprach sich bezüglich der geplanten Znschußanleihe in Höhe von 35 Millionen, deren gesetzliche Berechtigung von verschiedenen Seiten bestritten worden war, dahin aus, daß dieselbe verfassungsmäßig zulässig sei. Für direkte Reichssteuern ist Frhr. v. Stengel nicht zu haben. Rechtspflege, Polizeiwesen, Landwirtschaft, Bauwesen, Gewerbe und Handel, Unterricht und Kultus, alle diese großen Aufgaben liegen den Einzelstaaten ob, und für alle diese haben sie nur die direkten Steuern zur Verfügung. Sobald das Reich seinerseits nach der Richtung der direkten Steuern den ersten Schritt thut, bleiben für die Einzelstaaten für diese Kulturaufgaben nicht mehr genügende Mittel übrig." Tann kam Stöcker an die Reihe. Zum Fall Spahn bemerkte er, daß die Ernennung eines weiteren katholischen Professors in Straßburg völlig berechtigt gewesen sei mit Rücksicht darauf, daß in Straßburg nur 4 Katholiken neben 6 Israeliten lehren. Der Antisemitismus ist bei Hrn. Stöcker größer, als die von einem kirchlich Orthodoxen kaum' zu erwartende Begeisterung für die Freiheit der Wissenschaft. Graf Bülow habe, so betonte Stöcker weiter, allen Deutschen zu Dank gehandelt, indem er die Uebergriffe Chamberlains zurückwies; man müsse aber auch gegen die Grausamkeiten des südafrikanischen Kriegs die Stimme erbeben. Die deutschen Missionen seien dort auf's schlimmste unterdrückt worden. Frhr. v. Richthofen, der Staatssekrär des Aus­wärtigen, versicherte, daß sie deutsche Regierung sich der Interessen der deutschen Missionen in Südafrika energisch annehme, lieber die Zulässigkeit oder Opportunität eines Protestes der Mächte gegen die Art der englischen Kriegführung schwieg er sich ans. Der natlib. Abg. Hasse unterließ es, Chamberlain noch einmal eine Vor­lesung zu halten, wozu er nach seinem alldeutschen Temperament gewiß starke Neigung hatte; er beschäftigte sich dafür polemisierender Weise mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Szell. I)r Hahn vom Bund der Landwirte sprach zum Zolltarif. Der Abg. Arendt von der Reichspartei äußerte u. a.:Ich bin überzeugt, daß der südafrikanische Krieg nur enden kann mit der Losreißung der süd­afrikanischen Republiken von England. Man hat im Volk nicht immer die Empfindung gehabt, daß Deutschland die Neutralität immer strikte gewahrt habe. Die Verleihung des Schwarzen Adlcr- ordens an Lord Roberts z. B. hat dem deutschen Volk außerordentlich wehe gethan." Ter freist Abg. Hermes steht im Fall Spahn auf Mommsens Seite. Nachdem noch der Pole Fürst Radzivill zum Wort gekommen war, wurde die Etatsberatung auf den 15. Jan. vertagt.