Erscheint
Montag, Mittwoch, Donnerstag und SawStag.
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Der Gksellschaster.
Amts- und Anzeige-Natt flr de» Oberamts-Aezkk Nagotd.
75 . Iahr-a«-.
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bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Gratisbeilagen: DaS Plauderstübcheu und
Tchwäb. Landwirt.
^ S1
Nagotd, Samstag drs 15. Äum
1901.
Amtliches.
Bekarrrrtmachmrg.
In Berfolg des H 106 der Wehrordnung wird' de« Polizei- »nd Semeindrbrhörden die sorgfältige Beachtung der Bestimmungen in Anlage 3 W.-O. (Reg.-Bl. v. 1889 S. 173) über die Mitwirkung der Ausübung der militäri- schen Kontrolle höherer Weisung gemäß in Erinnerung gebracht.
Nagold, den 13. Juni 1901.
K. Oberamt. Ritter.
Die Herren Berwaltrmgsartuare
erhalte» hiemit den Auftrag, die Etats pro 1901/02 ir, aller Zritkürze fertig zu stellen und zur Prüfung hieheii vorzulrgen.
Nagold, den 13. Juni 1901.
K. Oberamt. Ritter.
Statistik der wiirtt. Kairdtagsrvahte« vom 8. Dezember 1900.
Ein interessanter Aufsatz über das Ttimmenverhältnis bei der letzten Landtagswahl, der auch wichtige Aufklärungen bezüglich der Wirkung deS neuangestrebten Wahlsystems enthält, ist in letzter Nummer der Mitteilungen deS K. Statistischen LandeSamts zum Abdruck gebracht. Wir geben den Aussatz nachstehend wörtlich wieder:
Bei den allgemeinen Landtagswahlen vom 5. Dez. 1900 waren von den 2,168.765 Einwohnern Württembergs, eine Zahl, welche die erst kurz vorher am 1. Dezember 1900 abgehaltene Volkszählung ergeben hat. wahlberechtigt: 443.027 — 20.4*/» also etwas mehr als '/» sämtlicher Einwohner. Hievon haben gillig abgestimmt 314,705 Wähler; 1059 Stimmen waren ungiltig und 127,283 Wähler machten von ihrem Wahlrecht überhaupt keinen Gebrauch. Auf die nunmehr gewählte» Abgeordneten sind am 5. Dezember, also ganz abgesehen von den Stichwahlen, im ganzen 167,476 Stimmen ^ 53,2*/» der giltig abgegebenen Stimmen gefallen. ES haben somit von den sämtlichen 443,027 Wahlberechtigten
». mit Erfolg abgestimmt . . . 167.47« — 37,82«/° d. überstimmt wurden .... 147,229 — 38,23«/, o. ungiltig abgestimmt habe« . . 10S9 — 0,22°/,
ä. gar nicht abgestimmt haben . . 127,263 — 28,73«/,
448,027 — 100.0t?/,.
Von den durch die allgemeinen Wahlen zu vergebenden 70 Sitzen der Abgeordnetenkammer haben durch die Hauptwahl vom 5. Dezember bezw. durch di« Stichwahlen tatsächlich erhalten: LolkSpartei 27, Zentrum 18, Deutsch, Partei 11, Sozialdemokratie 5, Bauernbund 4. Konservative 2 und Parteilose 3 Sitze.
Wären diese 70 Sitze nach Maßgabe der Grundsätze der Verhältniswahl und unter Zugrundelegung der am 5. Dezember nach unserer Tabelle auf dir einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen zu verteilen gewesen, so hätten erhalten: BolkSpartei 18, Zentrum 17, Deutsche Partei 14, Sozialdemokratie 13. Bauernbund 4, Konservative und Parteilose je 2 Sitze. In diesem Falle wäre hinter jedem der Gewählten eine Zahl von mindestens 4 306 positiv auf ihn abgegebener Stimmen gestanden.
Wären nach de« Entwurf einer Verfaffungsrevifio« von 1897 weiterhin 21 KreiSabgeordnete (Neckarkreis 7, Schwarzwald- und DonaukreiS je 5, JagstkceiS 4; auf je 100.000 Einwohner 1 KreiSnbgeordneter) im Wege der Verhältniswahl und für die Stadt Stuttgart 2 weitere Abgeordnete nach dem bisherigen ModuS zu wählen gewesen und will man hiefür gleichfalls die Abstimmung vom 5. Dezember zu Grunde lege», so hätten erhsltrn: Volkspartei, Deutsche Partei und Sozialdemokratie je 5 weitere Sitze, Zentrum 7 und der Banerbund noch 1 weiteren Sitz. Die Zusammensetzung der zweiten reinen Volkskammer hätte sich also nach dem Entwurf von 1897 etwa folgendermaßen gestaltet: Volkspartri: 27 -s- 5 — 32 Sitze; Zentrum: 18 -s- 7 --- 25 Sitz,; Deutsche Partei: 11 -s- 5 ^ 16 Sitze; Sozialdemokratie: 5 -j- 5 — 10 Sitze; Bauernbund: 4 -s- 1 -- 5 Sitze; Konservative: 2 Sitze und keiner Fraktion angehörig 8 Mitglieder, wobei jedoch zu bemerken ist, daß von den drei im Wahlkampf als parteilos anfgetretenen Gewählten in der Zwischenzeit Guoth-Herrenberg der Deutschen Partei und Ttockmayer-Marbach der Volkspartri je als Gast brigetreten find.
Usges-Keuigkerien.
Ans Stadt und Land.
Nagold, IS. Juut.
X. Verschönerungsverei». Die Anlagen deS hiesigen BerschöuerungSvereinS find, soweit man die nötigen Handwerksleute bekommen konnte, sitzt wieder in ordentlichen Stand gesetzt und werden der allgemeinen Benützung ober
auch Schonung und Uebrrwachung empfohlen. Etwaig« dringende weiter« Wünsche wolle man gesl. ohne Verzug dem Vereinsvorstand (oder Vizevorstand) «itteilen. Di« neubeschlofsenkn zwri Touristenwege nach Obrr- und Unterschwandorf durch de« hiesigen Stadtwald sind mit den nötige« Wegweiser« «nd roten Baumstriche« kenntlich und auch gangbar gemacht. Nur möchte man den Rat geben, diese beiden Wege in der Regel bloß zum Hi«, «eg von Nagold in dies« zwei Nachbarorte zu benützen, dagegen teil» zur Abwechslung, besonders aber wegen der starken Steigung dieser Wege von den Orten auS, den Rückweg «ach Nagold von Unterschwandorf auS ans der Thalstraße bis znm SchafhauS, und von Oberschwandorf auS in der Richtung zur Nagold-Frrudenstädter Straße zu machen. Der Fußweg nach Unterschwandorf führt durch den einzigen Buchenwald, de» die Stadtgemeinde besitzt, und der wohl manchem Nagolder noch nicht genügend bekannt ist. Auf dem Waldweg »ach Oberschwandors aber bekommt «an soviel Althslzvorräte und hundrrttausende junger teils für den Stadtwald bestimmter, teils verkäuf. licher Holzpflanzru zu Gesicht, daß man den etwa vor- handenen schwachen Glauben an die Fortdauer der bis« herigen Erträge deS hiesigen StadtwüldS wieder stärken kann. Auch ein Tang auf die Anlage „Teufels Hirnschale" dürfte überzeugen, daß dieser junge Wald schon in einem Jahrzehnt von der Stadt auS als solcher sichtbar sei» wird. Sollte dann aber nicht wenigstens diese Waldanlage einen andern Namen verdienen und bekommen? Die Besucher dieser Anlage sollte« aber znm Hinweg den be- quemen und weniger steilen von Obrrktrch auS links aus die Höhe führenden Feldweg und znm Rückweg lieber den beim Gasthaus zur Krone in die Stadt einmündendeu, als den zu steilen und zu schmalen, namentlich für Damen unpassierbaren Fußweg über die „OSwaldhaldr" benützen.
Handwerkerkammer Reutlingen. Unsere Hand- wrrkrrkammrrn gehen mit Nachdruck an die Erfüllung ihrer Aufgabe, dem Sewerbestand als Führer und Berater zu dienen. Sie beschränken sich daher nicht bloS auf ihre gesetzlichen Obliegenheiten, vielmehr streben sie darnach, ihr Arbeitsfeld möglichst auch aus freiwillige Gebiete auSzu- dehnen. In diesem Sinne ist di« Rrutlinger Kammer bereits vorgegangen, indem sie in einem Rundschreiben an die gewerbliche» Vereinigungen besonders diese freiwillig« Arbeitsleistung betont und hervorhebt, daß sie die Stell« sein will, an die sich einzelne Handwerker wie Verein« jederzeit mit Fragen «nd Wünschen wenden können, in
Ans dem Deiche des Schlafgoltes.
Nichts ist, nach dem Ansspruch der ärztlichen Wissenschaft, so notwendig für daS Wohlbefinden deS Menschen, für die Gesundheit seine- Körpers und seiner Seele als der Schlaf, langer fester und erquickender Schlummer, und «in uralter Spruch verlangt als allermindrsteS, was wir bedürfen, ohne das wir auf die Dauer nicht leben können, sechs bis siebr« Stunden Schlaf. Aber ebenso verderblich o!S daS zu wenig, ist auch hier daS zu viel; auch wer zu oft und z« lang im Land der Träume verweilt, kann leicht vor der Zeit in- Land der Schatten eingrhr«. Freilich gilt «ins nicht gleichmäßig für alle, oder wie Fritz Reuter so treffend sich auSdrücku „Wat den eenen sin Nachtigal iS, iS den andern sin Uhl." Thomas Edison, der amerikanische Erfinder, gönnt sich selten mehr als vier Stunden täglichen Schlafes, und diese Eigenheit hat er mit vielen großen Männern gemein, so wie auch die Fähigkeit, die Feld« Herren, wie Napoleon und Wellington, zu so vielen ihrer Erfolge verholfrn hat, nämlich nach Belieben, zu jeder Tage-- oder Nachtzeit, schlafen zu können. Dagegen hatten Männer, wie Voltaire, Rousseau, Johnson, Rossini ihr Leben lang gegen die hartnäckigste Schlafsucht anznkämpfen und konnten schier Unglaubliches in wiederholten und lang- dauernden „Nickerchen" leisten. Ja, viele ihrer besten Einfälle sollen ihnen also zwischen Schlaf und Wachen gekommen sein.
Daß Leute i« Stehen z« schlafen vermögen, und Soldaten sogar während deS Marschieren- einen Aulfing InS Traumland machen, ist bekannt. So verfielen auf dem berühmten Rückzug nach Eorunna die erschöpften Truppen Sir John Moores reihenweise in tiefen Schlaf. I« der Schlacht am Nil schliefen die englische» und französischen Theerjacken über ihren Kanonen ein, und bei einem Wett- fahren vor mehreren Jahren passierte «S einem brittifchen Rekordbrecher, daß er mehrere Meilen hinter seinen Schrittmachern einhersanfie, ehe diese die Entdeckung machte«, daß ihr Ehampion ans seinem Rade sanft eingeschlummert war.
Eine der seltsamsten und schrecklichsten Forme« irrrgnlären Schlafes ist die afrikanische Schlafkrankheit. Sie bildet «in« der schwersten Plagen der Eingeborene« deS schwarzen Weltteil- und wird dem übermäßigen Gebrauch von Schnupf
tabak auS einheimischen Pflanzen zugeschrieden. Andere dagegen behaupten, sie «erde durch den Stich eimS blauen KäferchenS her vorgerufen, eine- am oberen Kongo besonders häufigen Insektes. Auch einer gewissen Art Mokquitos wird ein ähnlicher Einfluß nachgesagt, während manche den übertriebenen Genuß von Mandioe oder Cafsavs als Ursache der Seuche ansehen. Tie äußert sich in allen Fällen durch Schlafsucht, die zum Tode führt. DaS Tchlafgift kann übrigens selbst Jahre lang im Körper verborgen liegen, ohne von seinem Dasein Spuren zu gebe», bis eS urplötzlich den Kranken packt und vernichtet; der Patient wird dann immer trunkener und apathischer. Nichts vermag ihn mehr zu interessieren, er hat nur noch den einen Wunsch, zu schlafen. Anfänglich freilich hält er sich noch aufrecht, schließlich aber sucht er sein Lager auf, um eS nicht wieder zu verlasse«. Er wird immer schwächer und schwächer, neun Monate lang dauert dieser Zustand, bis endlich Starrkrämpfe zum ewigen Schlafe hinübrrleiten.
Gleich schrecklich und todbringend ist die Schlaflosigkeit. Wie lange jemand diese Pein ertragen kann, hängt natürlich von seiner Widerstandsfähigkeit ab. Drei Tage und drei Nächte ohne Schlaf genügen für gewöhnlich schon, um den Kranken dem Wahnsinn zu überliefern. Doch finden sich Fälle, in denen Leute dieses Maß erfolgreich überschritten haben. To verbrachte der Kapitän Tauner von der „Dunkheit" während eines fürchterlichen OikanS viermal vierundzwanzig Stunden schlaflos auf der Kommandobrücke seines SchiffeS; er schloß in dieser Zeit kein Auge. Aber während dieser Mann unter dem Zwang der Pflicht und der Srlbsterhaltung seiner Natur solche Leistung abrang, unternahm eS ein A*zt in Edinburg, Dr. Robert StaineS, freiwillig und zum Zweck eines Experimente-, sich eine schwere Entsagung aufzuerlegen. ES war seine Abficht, zu erforschen, wie lange der Mensch im stände sei. ohne Schlaf zu leben. Mit Hilfe medizinischer Mittel gelang eS ihm, 15 Tage und Nächte lang den Schlummer von sich fern zu halten. Dann aber war sein« Kraft erschöpft. Er verfiel in einen Schlaf, der ununterbrochen 72 Stunden währte. Und mit den schwersten Folgen wurde er hinterher für seinem Wagemut gestraft: er litt für den Rest seines Lebens an Jnsomnia.
Noch tragischer war daS Schicksal des amerikanischen Millionär- Edward Bain. Dieser Unglückliche hatte in seinem unersättlichen Solddurst einen regelrechten Kamps gegen den lieblichen Gott de- Schlafens ausgenommen. Scho» als Knabe, da er noch Lehrling in einem Eisen- Warengeschäft war, pflegte Bain auch die Nacht zur Arbeit heranzuziehrn, und zwar trieb er «S so systematisch, daß er in regelmäßigen Abstände« eine Minute mehr und mehr seine« Schlummer abstahl. Es war, als habe er. wie Peter Schlemil seinen Schatten, seinen Schlaf dem Teufel jür Mammon verkauft, nur daß, so wie VaS Sold nicht auf einmal über ihn hereinrollte. er auch nicht auf einmal den tröstliche» Besitz deS Menschen hergab. Je reicher er an Geld wurde, um so ärmer wurde er an Schlummer. Zuletzt, da er daS Ziel seines Leben- erreicht, da sein« Goldgier gesättigt war. war er der bedauernswerteste Sterbliche geworden. Er brachte keine Nacht mehr im Bette zu, der Schlaf floh ihn für immer. Kein Mittel wollte verfangen, die berühmtesten Aerzte verschrieben vergeblich Arzneien für ihn. Sein Hirn wollte nicht mehr ruhen, eS arbeitete unablässig. Da- einzige, was ihn noch zeitweise betäuben konnte, war Lärm; entweder das Rollen der Räder, oder daS Klappern von Billardbällen. Stundenlang mußte sein Diener neben ihm die Kugeln durchrinander- wrrfen, während er, der Inhaber von Millionen, sich ächzend im Sessel umherwarf, vergeblich die Augenlider schloß und um Erquickung flehte. Oder sein Kutscher fuhr ihn des Nacht- im holprigsten Wage» über Stock und Stein, doch ohne daß daS Rütteln und Schütteln, da- Raffeln und Dröhnen ihn für länger als einig, karge Minuten in einen halbbetäubten Zustand versetzt hätte. Endlich kam ihm jedoch die ersehnte Erlösung wirklich. Eine- Nacht-, da wieder der Diener, und zwar seit Stunden dicht an seiner Seite die Billardbälle hatte rollen untz klappern lassen, war Edward Bain plötzlich ganz still ge« worden. „Wäre eS möglich" — dachte der Diener „daß er wirklich eingrschlafen ist?" Er hielt mit de« Bälle« i«nr, er trat dicht au den Millionär heran, aber ebenso schnell trat er auch wieder zurück und verließ eilig daS Zimmer. Ja! Bain schlief — sein abgehetztes Gehirn hatte endlich Ruhe — im Tode — gesunde«.
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