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Schrväb. Landwirt.

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Amtlicher.

Nagold.

A« die Gemeindebehörde« vvd Verwaltungsaktuare.

Den Brrrvoltungsaktuaren sind heute die Kataster-Nach­weisungen für die landwirtschaftliche BerusSgenossenschvst pro 1900 zur Usterausteilung der Umlage auf die Beitrags­pflichtigen zugegangrn. Der Vollzug der Umlage ist von den VerwaltuNtzSaltuaren spätestens bis 1. Mai d. I. hier­her anzuteigen. . ^

Die Ablieferung der Beitragsschuldigkeiten der Gemeinden an da- Kaffenamt der landwirtschaftlichen BerusSgenoffen- schaft für den SchwarzwaldkreiS in Reutlingen hat zuverlässig bis 1b. Mai d. IS. zu erfolgen.

Nagold. den 28. März 1901.

K. Oberamt. Ritter.

' Wolitische Wundschau.

Toldatenkrawall in Tientsin.

Während die Diplomaten ehrlich bemüht find, lokale Zwischenfälle, wie dm englisch-russischen Streit um daS Bahnterrain in Tientsin, möglichst rasch auS der Welt zu schaffen, haben sich die Soldaten der verschiedenen Kontin­gente in eben dieser Stadt durch die nationale Eifersucht bereits zu ernsten Ausschreitungen hinreiße« lassen, denen drei Engländer zum Opfer fielen. Nack den Londoner Berichten waren die Deutschen die Hauptschuldigen. Daß immer die Deutschen an den jeweiligen Streitigkeiten Schuld seien, haben die englischen Korrespondenten schon oft be­hauptet, ohne daß es sich jemals bestätigt hätte; hoffentlich wird den Herren bald einmal Gelegenheit gegeben, für diese Angriffe, von denen in allen nichtenglrschrn Be­richten keine Spur zu finden ist, mit voller eigener Ver­antwortung einen Beweis zu versuchen. Daß die brittischen Truppe« selbst nicht zu den friedfertigsten gehören, scheint doch auS ihren fortwährenden Reibereien mit Russen und Franzosen hervorzugehen. Der bedauerliche Vorfall in Tientsin wird sicherlich ohne ernste Folgen bleiben; er zeigt indessen wiederum die Gefahren des Zusammenlebens von Soldaten verschiedener Nationalitäten in Garnisonen, denen lei» Feind mehr droht. Da kehrt sich der unterdrückte Kampfmut der jungen Krieger leicht gegen die fremdsprachigen Verbündeten. Vielleicht wird die Oberleitung eine ander­weitige Dislozierung der Truppen für rötig erachten.

Die vereitelte Verschwörung in Brasilien.

LlS im November 1889 die bis dahin in Brasilien herrschenden BraganzaS ihre Koffer packen mußten und sich «ach Europa einschifften, war der letzte Rest monarchischer ^Institutionen vom amerikanischen Kontinent weggefegt. Der wohlwollende, uneigennützige, aber wenig energische j Kaiser Dom Pedro war einem Putsche zum Opfer gefallen, Lei de« sich die in ihren materiellen Interessen durch die Aushebung der Sklaverei geschädigten Pflanzer mit den Republikanern »nd den unzufriedenen Elementen der Armee und Marine zu einer sonderbaren Toalition zusammen­gefunden hatten. Wie diese Revolution nicht von einer

Nagold, Donnerstag Len L8. Marz.

ehrlichen und gesunden Bewegung im Volke getragen war, so hat sie auch dem gewaltigen Lande mit seinen unendlichen natürlichen Hilfsquellen keinen Gegen gebracht. Die Ver- einigten Staaten von Brasilien bieten wie dir anderen Re­publiken Süd« und Mittel-AmerikaS, in ihrer inneren Politik im wesentlichen nur das Schauspiel einer traurigen Ab­wechselung corrupter Stagnation und militärischer Revolten. Die lateinischen Völker selbst, die jene von der Natur teil­weise verschwenderisch auZgestatteten Gebiete innehobr», zeigen einen solchen Tiefstand der politischen Moral und Intelligenz, daß man an einer Gesundung der Verhältnisse ve zweifeln muß. mag dort herrschen, wer will.

Dieser Gedanke war eS, der sich auch ausdrängte, alS jüngst von Brasilien die Nachricht über eine Militär­verschwörung mit monarchistischer Tendenz nach Europa drang. Interessant war aber dir Thatsache, daß der Ad­miral Eustodio de Mello als Hauptoerschworener genannt wurde, der schon einmal im Jahre 1893 mit einem Aufstands­versuch Unglück gehabt hatte. Sei» damaliges Bombardement auf Rio de Janeiro war noch unvergessen, und eS ist erklär­lich, daß die Regierung auf ihn und die Flotte ein besonders wachsame- Auge hatte. So ist auch diesmal sein Anschlag vereitelt worden. Die von der Regierung rechtzeitig angr- ordnete Verhaftung Mellos beseitigte die erste Gefahr für die herrschende StaatSform. Ueber die Einzelheiten der Verschwörung wird bekannt, daß beabsichtigt war. durch Ermordung deS Präsidenten das Signal zum AuSbruch der Revolution zu geben. Während der allgemeinen Aufregung wollten die Monarchisten in Heer und Marine sich der Stadt bemächtigen und die Regierungsgrbäude besetzen. Die Re- gierungSgewalt skllte einem Triumvirat, bestehend aus dem Admiral Mello, dem Marschall Eantuario und dem Anwalt Lasoyette Pereira, anvertraut werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Württembergischer Landtag.

r. Stuttgart, 26. März. Heute begann die Abgeordneten­kammer die Beratung des Etat- des Kirchen- und Schulwesens, und erledigte 15 Etatskapitel. Abgeordneter Hieb er richtete an den Kultminister eine Anfrage betr. einheitliche deutsche Recht­schreibung. Gröber regte eine Revision des Gesetzes betreffend die Verwaltung d:s Vermögens der katholischen Kirchengemeinden an. Schmidt-Maulbronn brachte zur Sprache, daß 2 Volksschul­lehrern, die in den BürgrrauSschuß gewählt worden waren, vom Konsistorium die Annahme dieses Ehrenamtes untersagt worden ist. Betz ersuchte, man möchte in den Schulen den Bestrebungen der Friedensfreunde mehr Beachtung schenken. Klotz brachte den prinzipiellen Standpunkt der Sozialdemokratie hinsichtlich der Trennung von Kirche «nd Staat zum Ausdruck, was ihm eine Er­widerung HieberS eintrug. Sine längere Debatte entspann sich «egen der Ablösung der Etolgebühren. An dieser Debatte beteiligten sich Kiene, Eandberger, Liesching, Hieber, Domkapitular Stiegel«, Grtz und Gröber. Der Kultminister nahm ihm Lauf« der Debatte zu den einzelnen berührten Fragen Stellung. Morgen wird die Debatte fortgesetzt.

r. Stuttgart, 27. März. Die Kammer der Abgeordneten setzte heute dir Beratung des Kultusetats fort. Nach Mündiger Debatte wurde der Etat der LandeSunivrrfität genehmigt. Eine Anregung des Abgeordneten Ha utzmann-Balingen, in Stuttgart ein« zweite Universität zu errichten, fand lebhaften Widerspruch, auch auf Seiten der BolkSpartei. Morgen vormittag 8 Uhr wird di« Beratung des KultusetatS fortgesetzt.

1991

Hages-Ueuigkeiten.

Aus Stadt and tkaad.

Ragvld, 28. Mir»

Vom RathauS. Nach Erledigung der Angelegen­heiten der Ortsarmenbehörde trat gestern vormittag der Ge­meinderat in eine Sitzung ein. Von der K. Kommission für gewerbliche Fortbildungsschulen ist die Wahl deS Ober­lehrers Schirmer in den hiesigen Sewerbeschulrat bestätigt worden. Genehmigt wurde vom Oberamt derWirtschaftS- betrieb i« Haus Nr. 227 der Marktstraße seitens des Karl Gauß. Beim Schlagraumverkauf find bisher »on de« Käufern auch dieTannenzapfen mitgenommen worden. Künftig wird darauf aufmerksam gemacht, daß dies nicht erlaubt ist. An diese Mitteilung der Stadtförsterei reihte sich eine Beratung über Neubestimmungen für die Holzverkäufe. Bekanntlich hat man die Wahrnehmung gemacht, daß in letzter Zeit zu diesen Verkäufen sich weniger auswärtige Liebhaber mehr einstellten, weshalb unlängst bei diesen darüber Umfrage gehalten und um Mitteilung etwaiger Wünsche gebeten wurde. Solche find eingegangen und wurden mit entsprechenden Anträgen der Stadtsörstrrei dem Gemeinderat unterbreitet. Von wesentlichster Bedeutung war der Wunsch der auswärtigen Holzkäufer auf Zulassung von Gesamtofferten; jedoch lautete der Antrag der Stadt­försterei auf Ablehnung, die auch von Gtadtschultheiß Brodbeck mit Rücksicht auf die kleineren Holzkäufrr aus den Handwerkerkreisen befürwortet wurde. Letzteren wäre bei Zulassung der Gesamtoffertrn der Ankauf deS für ihre Zwecke geeigneten Holzes sehr erschwert bezw. unmöglich gemacht. Im Sinne deS Antrags beschloß der Semeinderat; es bleibt also bei den bisherigen VerkaufSbestimmnngen. Dagegen fanden die übrigen vorliegenden Wünschen thunlichste Be­rücksichtigung. ES sollen, soweit möglich, stärkere Lose zu 3080 Festmeter aus dem für Sägwnke und Zimmerleute brauchbaren Holz gebildet werden, ebenso wird eine strengere Abscheidung von Losen nach Klaffen und Holzarten ge­troffen, sofern durch diese Ausscheidung die Lose nicht zu klein werden. Auch wird kein Stamm mehr unter 10 em abgeloffen und die VerkaufSauSzüge sollen nach Wunsch der Besteller angefertigt werden. Ueber die letzteren Punkte ging da- Kollegium ohne besondere Erinnerung mit den Vor­schlägen der Stadtförsteret einig. Eingrgangen ist eine von 87 Grundbesitzern Unterzeichnete Eingabe auS Unter­jettingen, die eine Feldwegregulierung mit einer Verlegung des VizinalwegS Unterjettingen-Nagold in Vorschlag bringt. In der Eingabe ist jedoch nicht augedeutet, bis wohin sich die Regulierung erstrecken soll, somit ist eS frag­lich, ob dieselbe für Nagold Interesse hat oder nicht. Man beschließt, die Eingabe zurückzugeben und nähere Aufklärung einzuverlangeu. Von Schneidermeister Fr. Klaiß wurde um die Genehmigung eines WirtfchaftSbetriebS in der Nähe deS Bezirkskrankenhauses nachgesucht; die Bedürfnis­frage hiezu wurde vom Gemeinderat verneint. Um den Schlachthauspacht haben sich Bäcker Gottlob Schweikle und Schuhmacher Grüninger (Fleischschauer) beworben, erster« bietet 86 lktzterer 88 Mit Rücksicht darauf, daß eS zweckmäßig ist, den Posten deS Pächter- und Fleisch-

Uor der Schlacht bei Spichrrn.

Eine Erinnerung auS großer Zeit an de» verewigten Frhrn. v. St«mm sendet dem B. L.-Anz. der ehemalige Kommandeur deS II. Bataillons 8. Branden burgischen Infanterieregiments Nr. 48, Oberst a. D. ». Mellenthin. ES handelt sich um eine Wohlthat, die der verstorbene Freiherr dem Bataillon kurz vor dem glänzend durch- geführten Angriff auf die Spicherer Höhen z« teil werden ließ, und die nicht wenig zum Erfolg der braven Brandenburger beitrug.

Am 6. August 1870, so heißt eS in der Zuschrift, kam da- II. Bataillon 8. Brandeuburgische« Infanterieregiments Nr. 48 (von Stülpnagrl) zur Mittagszeit nach Neunkirchen, um dort Quartier zu nehmen. Aus einem großen Platze wurde Halt gemacht und die OuartierbillrtS auSgegrbrn; um die Verpflegung gleich mit ins Quartier zu nehmen, verwnlte die Mannschaft noch einige Zeit. Währenddessen musterte der Kommandeur die nächste Umgebung; in einem luftigen Bau gewahrte er festlich gedickte Tafeln. An einen Herrn, wie sich hrrauSstellte, Herr v. Stumm, der vor dem Eingang stand, wurde die scherzhafte Frage gerichtet, ob dies Empfangsfeierlichkeiten für da- Bataillon seien, und ob die Leut« gleich einrücken sollten. Herr v. Stumm be- richttte, daß die gedeckten Tische für seine Arbeiter wären, welche täglich dort gespeist würden; er fügte aber gleich hinzu, daS Diner stände auch gern den Mannschaften zur Verfügung, seine Leute könnten warten.

Da wir schon wahrend dkS Marsche- Kanonendonner bei Saarbrücken gehört hatten, so fielen dem Kommandeur die Worte ScherenbergS ein:Erst essen, dann schlagen, meinetwegen auch sterbe», aber alle» nach der Ordnung!" Ein Wort gab daS andere, aus Scherz wurde Ernst, die Mannschaft rückte in die Halle ein, fand reichlich Platz, ließ sich ein vortreffliche- Mahl gut schmecken, wozu Herr v. Stumm noch Extrabier spendierte, war in dreivirrtel Stunde» gesättigt, brachte dem gütigen Geber zum Dank ein donnerndes Hoch, zog in die Quartiere und legte sich zur Ruhr. Die Verpflegung wurde ungeteilt in die Stumm'sche Küche abgeliefert. Der Kommandeur wurde von Herrn v. Stumm mit in- Quartier genommen und zum Diner um 8 Uhr geladen. Vor dieser Zeit brachte jedoch ei« Adjutant den Befehl zum schleunige» Aufbruch nach Saar- brücke». ES wurde sofort Generalmarsch geschlagen; dem Kommandeur wurde im Sattel noch schnell eine Tasse Bouillon gereicht, dann verabschiedete er sich von seinem freundlichen Wirt mit dessen besten Segenswünschen. Um 4 Uhr nachmittags kam daS Bataillon in- Gefecht, und um 6 Uhr war eS im Besitz der sogenanntenroten Nase", deS steilsten Berge- der Spicherer Höhen, wo jetzt das Kriegerdenkmal deS 48. Regiment- steht, mit einem Verlust von 14 Offizieren 278 Mann.

Diese Leistung wäre kaum möglich gewesen, wenn die Mannschaft nicht durch die Güte de- Herrn o. Stumm gründlich gestärkt worden wäre und Zeit gewonnen hätte, sich der Ruhr hinzuzebrn.

Kleine Chronik.

Einen wahren Galgenhumor haben zwei Spitzbuben bewiesen, die aus dem Gefängnis in dem badischen Städtchen Singen ausgebrochen find. Sie begaben sich nach dem Badeort Lribecg und sandten dem Brsängnrswärter zum Trost eine ver­gnügte Ansichtspostkarte.

Der pfälzische Jack der Aufschlitzer. Unter dem ver­dacht, die Attentate aus dir Liebespaare verübt zu haben, wurde der Metzgergeselle und Biehtreiber Damian verhaftet. Verschiedene der verletzten Mädchen haben ihn bereits rekognosziert.

Belobung für eine Lebensrettung. Am 13. Juni v. I. rettete der Seminarist Georg Zintzsch« in Weitzenfels unter großer Lebensgefahr einen Schulkunden vom Tode des Ertrinken» in der Saale. Dem «ackeren jungen Manu wurde jetzt tm Namen des Landesherr» eine Belobigung zu teil; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, daß durch allerhöchste Bestimmung dir Verleihung der Rettungsmedaille nur so lange auSzusetzen ist, bi» er eine selbständige Lebensstellung erlangt hat.

Postdiebe. In Erfurt wurde eine Anzahl jugendlicher Schwindler, sämlUch noch schulpflichtigen Alter», frstgenommrn. Die Burschen lietzen sich unberechtigter Weise auf der Post die dort für mehrere Firmen lagernden Postsachen auSfolgea, fälschten die darin Vorgefundenen Postanweisungen und erhoben das Geld, daS sie gemeinschaftlich verjubelten. Die jungen Diebe wurde« bereits von der Teil ahme an der Konstcmation «»»geschloffen.

Wonnen deS Brautstandes. I« Atzendorf wurde der Bergmann F. von seiner Braut dermaßen durchgeprügelt, daß der Bedauernswerte infolge der erlittenen Verletzungen ärztliche Hilfe in A spruch nehmen mutzte.

Einen großen Schadenersatz für dm Verlust von zwei Zehen erhielt ein dänischer Arbeiter, der in einem Eisenwerk i« Brooklyn durch einen Unfall zwei Zehen verlor. Der Besitzer wurde dazu verurteilt, dem Arbeiter einen Schadenersatz von mehr al» 40,000 ^ zu bezahlen.