Aro. 15
63. Jahrgang
Intelligenzbkatt für äen Oezirß.
Erscheint , Z>on«er»t«a L Kamatag. « «> o eOOO Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
Die Einrückungsgebühr beträgt v H p. Zeile Samstag, aen 4. Februar 1888. die Post bezogen im Bezirk 2 90 sonst in
im Bezirk, sonst 12 H. ganz Württemberg 2 70
ZUM AöonnemenL
auf das „Calwer Wochenblatt" für die Monate Februar und März ladet freundlichst ein
die Redaktion.
Wochenschau.
L6. Das einzige Ereignis von Bedeutung, welches in der abgelaufenen Woche eingetreten ist und auf die Weltlage hätte bestimmend einwirken können, war die Beantwortung der Interpellation Helfy-Perczel im ungarischen Abgeordnetenhause durch den Ministerpräsidenten Tisza. Aber der letztgenannte Staatsmann hat es verschmäht, durch irgend welche amtliche Aufklärungen oder Willenskundgebungen das Gewicht der durch ihn vertretenen Regierung dem schwankenden Gange der Zeiten fühlbar zu machen. Die Rede Tiszas muß als durchaus farblos gelten und wurde auch fast aller Orten so aufgefaßt. Wo man etwas Besonderes aus der Rede herauslesen wollte, da war es die feste Hoffnung auf Erhaltung des Friedens. Die Rede Tiszas änderte an der augenblicklichen Situation im Großen und Ganzen fast gar nichts, sie läßt sie in demselben schwankenden, weder friedlichen noch kriegerischen Zustand wie bisher. Mit Spannung sieht man nun den bei der am nächsten Montag stattfindenden zweiten Lesung des Wehrgesetzes erwarteten Auslassungen des Fürsten Bismarck entgegen. Ob die Beunruhigung durch dieselbe beseitigt werden wird, ist natürlich fraglich, daß sie aber wenigstens keine Verstärkung erhalten wird, glauben wir bestimmt erwarten zu dürfen.
Im Deutschen Reichstag bildet die dreitägige Debatte über das Sozialistengesetz die pieoo cke resistenoe der Verhandlungen und, wenn auch die Regierungsvorlage der Ehre halber an eine 28-gliedrige Kommissin überwiesen wurde, so wird doch nirgends ein Zweifel bestehen, daß die von der Regierung vorgeschlagenen Verschärfungen abgelehnt und daß es auf weitere zwei Jahre bei den bisherigen Bestimmungen des Sozialistengesetzes sein Bewenden haben wird. Wenn aber die Kommissionsberatung zu Etwas gut sein wird, so wird es vielleicht die Lösung oder wenigstens die Erörterung der Frage sein, was nach Ablauf der abermaligen Erneuerungsfrist gegenüber der sozialdemokratischen Agitation zu geschehen haben und wie die Rückkehr zum gemeinen Reckt anzubahnen sein wird.
Die französische Kammer ist immer noch mit der Generaldebatte des Budgets beschäftigt. Die Aufmerksamkeit der politischen Kreise war jedoch auf andere Dinge gerichtet als auf das Budget: auf den Zwischenfall in Damaskus, der indes nach allgemeiner Ueberzeugung leicht und bald bei-> gelegt sein wird; auf die Rede Tisza's, bei deren Besprechung die französischen Blätter Oesterreich bedauern, weil es jedem Drucke Bismarcks folgen müsse, und auf den Handelsvertrag mit Italien, an dessen Zusammenkommen man Tag für Tag mehr zweifelt. Im Innern erörtert man immer noch den Vorschlag Carnots, ein Ministerium Floquet - Flourens - Freycinet - Rouvier- Goblet zu bilden, ferner die Versuche der Delegierten der republikanischen
ArntticHe Mekcrrrrrtmcrchurrgerr.
Die Gemeinde- «nd Stistnngsrate
werden unter Bezugnahme auf den Erlaß vom 8. v. M., Amtsblatt Nro. 4, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß von der Ausnahmebestimmung des Art. 92 des Gesetzes über die Vertretung der evangelische« Kircheügemeiudeu «ud die Verwaltung ihrer Bermögeusaugelegenheiten vom 14. Juni 1887 jedenfalls dann kein Gebrauch gemacht werden kann, wenn der Betrag des von der bürgerlichen Gemeinde zu übernehmenden kirchlichen Aufwands fünf Prozent der Staatssteuer aus den im Gemeindebezirk vorhandenen Grundstücken, Gebäuden und Gewerben einschließlich der nur zu Amts- und Gemeindeanlagen beitragspflichtigen (von denen der fingierte Staatösteuerbetreff in Rechnung kommt) im Laufe eines Rechnungsjahrs übersteigt.
Calw, den 2. Februar 1888. K. gem. Oberamt.
- Supper. Braun.
An die Hemeindeöehörden.
Die Unterzeichnete Stelle findet sich veranlaßt, in Bezug auf'die Ausführung des Gesetzes, betreffend die Vertretung der evangelischen Kirchengemeinden und die Verwaltung ihrer Bermögensangelegeuheiten Vom 14. Juni 1887, noch besonders darauf hinzuweisen, daß eine Anwendung des Art. 92 des Gesetzes lediglich als eine Ausnahme von der Regel des Gesetzes zu betrachten ist, daß eine Uebereinkunft im Sinne des Art. 92 nur in ganz besonders gearteten Fällen die Genehmigung erhalten und daß der etwa bestehenden Absicht, die Ausnahme zur Regel und die Regel zur Ausnahme zu machen, entschieden entgegengetreten werden wird.
Calw, den 2. Februar 1888. K. Oberamt.
Supper.
Die Ortsrwrsteher
werden angewiesen, die Normalzahl der Gemeinderatsmitglieder innerhalb
8 Tagen hieher anzuzeigen.
Calw, den 1. Februar 1888. K. Oberamt.
Supper.
Feuilleton. «achdru-r °«b°.js,.>
Aas MGgestcht.
Erzählung von Maurus Ivkai.
Autorisierte Uebersetzung von Ludwig Wechsler.
(Fortsetzung.)
„Siehabendie Nacht in den Laufgräben verbracht?" fragte der Artillerist staunend- „Ja."
„Bei Ihnen hat es wohl nicht geregnet?"
„Ach doch."
„Aber der Wind hat doch nicht geweht?"
„Auch der Wind hat geweht."
„Finden Sie nicht, daß es kalt ist?"
„Nein."
„Vielleicht thäten Sie doch gut daran, Ihren Hemdkragen zuzuknöpfen?"
„Ach das ist gar nicht nötig."
Während dieses Gespräches schritten die beiden Offiziere neben einander einher; der junge Lieutenant mit sichtlicher Leichtigkeit, die sich an seinen elastischen Schritten, seinem harmonischen Gang kundgab; der Artillerist hingegen stampfte schwerfällig, wie man es zur Winterszeit bei großer Kälte zu thun gezwungen ist, — insbesondere wenn man schwere Stiefel an den Füßen und einen langen Mantel um die Schultern hängen hat.
Der Artillerist wollte schon darum ein Gespräch anknüpfen, damit sein Gefährte langsamer gehe.
„Herr Kamerad! Sie frieren wirklich nicht?"
Der junge Offizier lächelte. Seinem rosigen kindlichen Gesichte stand das Lächeln so wohl an.
„Nicht im Mindesten. Das Wetter ist ja ganz milde."
„Da sag' ich Dank dafür! Was nennen Sie denn eigentlich kalt?"
„Kalt pflegt es meiner Ansicht nach in der Gegend von Neu-Seeland und der Behringstraße zu sein."
„Waren Sie schon daselbst?"
„Ja. Voriges Jahr schloß ich mich als Freiwilliger der Expedition an, die den Franklin zu suchen auszog."
Dies gab ihm bereits eine höhere Meinung über den Jüngling. Wer einen solchen Weg als Freiwilliger zurückgelegt, hat bereits die Eisprobe hinter sich. Kälte verstand er auszuhalten, vas mußte ihm der Neid lassen. Von dieser Eigenschaft bis zum guten Soldaten ist es indessen noch sehr weit. Dazu benötigt es noch persönlichen Mutes, Körperkraft, Gewandtheit, Kaltblütigkeit und sonstiger ähnlicher Dinge. Der Artillerist schwieg und tröstete sich damit, daß man im Alter von sechszehn Jahren sich all' diese „Dinge" noch nicht erworben zu haben pflegt.
Bald langte man beim Obersten an, der hinter einem Laufgraben in einer aus Erdschollen errichteten Höhle in Gesellschaft mehrerer Offiziere saß und gerade den Tagesbefehl ausgab, daß, da er soeben eine Sendung vorzüglicher, frischer Servelatwürste erhalten habe, die Herren ihm helfen mögen, dieselben in Begleitung der obligaten Rastopschin- und Bankgläschen zu vertilgen. Der Befehl wurde mit größter Bereitwilligkeit ausgeführt, nur das junge Offizierlein hielt nicht mit, da es behauptete, nur einmal während des Tages zu essen und auch da blos Wasser zu trinken.
Man kann sich vorstellen, welches Gelächter diese Worte hervorriefen.
„Teufel auch junger Freund! Da wird Sie ja der Wind fortblasen!" scherzte der eine Offizier.
„Wer nicht ißt und nicht trinkt, ist ein schlechter Soldat", meinte ein anderer.
Egerton selbst proponierte ihin verschiedene Toaste, wie man denn junge Leute zum Trinken anzuregen pflegt: er möge doch auf das Wohl des Hausherrn, auf die glückliche Einnahme von Sebastopol, auf die Gesundheit Ihrer Majestät trinken.