63. Jahrgang.
Uro. 10.
Amts- unl! InteüigenMatt ^ür clen Äezir^
Erscheint Iieaslag, IonuersLas L Sarnstaß.
Die EinrückungSgebühr beträgt S L p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äen 24. Januar 1888,
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
! die Post bezogen im Bezirk 2 SO H, sonst in ! ganz Württemberg 2 70 H.
ArnILiche Wekcrnrrtrncrchungen.
Bekanntmachung der K. Landgestiitskommisflon, betreffend die Patentierung der Privatbeschälhengste für die Deckperiode 1888.
In Gemäßhett der Beschälsidnung vom 25. Dezember 1875 (Reg.-Bl. S. 599) § 12 ff. findet die Patentierung derjenigen im Besitze von Privaten befindlichen Hengste, welche von ihren Besitzern während der Deckperiode 1888 zum Beschälbetrieb verwendet werden wollen, zur nachbezeichneten Zeit in folgenden Orten statt:
in Horb am Mittwoch, den 1. Februar, vormittags 11 Uhr,
in Crailsheim am Donnerstag, den 2. Februar, vormittags 8 Uhr,
in Heilbronn (Bahnhof) an demselben Tage, mittags 12 Uhr,
in Aulendorf am Freitag, den 3. Februar, vormittags 8 Uhr,
in Laupheim an demselben Tage, nachmittags 2 Uhr,
in Geislingen am Samstag, den 4. Februar, vormittags 11 Uhr.
Diejenigen Hengfibesitzer, welche Patente für die Deckperiode 1888 zu erlangen wünschen, werden aufgefordert, ihre Hengste in einem der oben genannten Orte zu der bezeichnet«« Zeit der Patentierungskommission vorzuführen.
Die Erteilung des Patents setzt voraus, daß der Hengst, für welchen das Patent gelten soll, nicht unter drei'Jahren alt, vollkommen entwickelt ist, keine erblichen Gebrechen und Formfehler hat und vermöge seines Körperbaus, seiner Knochenstärke und seines Ganges zur Erzeugung brauchbarer Pferde als geeignet erscheint, sowie daß der um das Patent Nachsuchende in den Orten, wo er das Beschälgewerbe betreiben will, ein Beschällokal mit einer den Anblick des Beschälbetriebes abwehrenden Umfassung besitzt.
Der Patentbewerber hat der Patentierungskommission ein obrigkeitliches Zeugnis über das Zutreffen der in Betreff des Beschällokals gemachten Voraussetzung, sowie, wenn der Hengst schon im Jahre 1887 patentiert war, die Patenturkunde des Jahres 1887 vorzulegen.
Zugleich wird darauf aufmerksam gemacht, daß die für ausgezeichnete Privatzuchthengste bestimmtem Staatsprämien nur solchen Hengstbesitzern zuerkannt werden können, welche rhre Hengste der Patentierungskommission an
den o':en bezeichneten Zeiten und Orten behuss einer vorläufigen Auswahl vorsühren werden.
Stuttgart, den 11. Januar 1888.
K. Landgestütskommission.
B ä tz n e r.
H>o1'itische WcrchricHterr.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. Jan. In den heutigen Audienzen der Präsidien des Herrenhauses und des Abg.-Hauses bei dem Kaiser unterblieben alle näheren Mitteilungen über das jetzige Befinden des Kronprinzen, welche man vielfach erwartet hatte. Der Kaiser sprach seine Befriedigung über die Finanzlage, besonders über die Erfolge der Staatsbahnpolitik aus, bedauerte die Notwendigkeit des kostspieligen und neue Dienstlasten auflegenden Wehrgesetzes, das jedoch unerläßlich sei und drückte, aber nur beiläufig, die Hoffnung aus Erhaltung des Friedens aus. Ueber das frische Aussehen unv die geistige Regsamkeit des Kaisers nach der eben überstandenen Erkältung und Schwäche waren die Präsidien auf das Freudigste erstaunt. Der Kaiser ist jetzt entschlossen, dem Ordensfeste beizuwohnen.
Berlin, 20. Jan. Der Reichstag setzte heute die zweite Lesung des Etats fort. Zum Etat des Reichsamts des Innern fand eine allgemeine Debatte statt über die Fabrikinspekloren und die Gewerbegesetzgedung, an der Frohme (soz.), Hartmann (kons.), Hitze (Zentr.) und der Staatssekretär v. Bötticher sich beteiligten. Miguel (nat.lib.) befürwortet in längerer Rede das Eingreifen der Reichsgesetzgebung zur Besserung der Wohnungsverhältnisse vom Standpunkt der Gesundheitspflege aus. Schräder (freist) verspricht sich von einem solchen Eingreifen keinen praktischen Erfolg. Kalle (nat.lib.) spricht für den Vorschlag Miguels. Die Debatte wendet sich dann wieder den Arbeiter schutzgesetzen zu. Staatssekretär v. Bötticher verwahrt die Bundesregierungen gegen den Vorwurf, daß sie sich nicht ernstlich genug an den Anträgen des Reichstags bezüglich der Arbeiterschutzgesetzgebung beteiligten und daß sie die freien Hilfskaffen verfolgen. Die Beratung der einzelnen Titel wird auf die nächste Srtzung vertagt. Der Präsident erklärt auf eine Anfrage Singers, daß er die Verlängerung des Sozialistengesetzes Ende nächster Woche auf die Tagesordnung, setzen wolle.
— Von glaubwürdiger Seite erfährt die „Köln. Ztg.", daß die Forder-
Jeuilleton. ,
HSesiegt!
Novelle von Fred. Vincent.
(Fortsetzung.)
Und Else? Die arme Else, die sich so viel von seinem Besuche versprochen, blieb unbeachtet stehen. In ihrer Freude hatten die Beiden sie ganz vergessen.
„Aber jetzt komme herauf, Gustav, und sieh Dir Dein Zimmer an", bat die Rätin, nachdem ihre erste Aufregung sich gelegt, und der Neffe folgte ihr die Treppe hinauf. Auch Else folgte; doch als die Beiden in das Zimmer traten, blieb sie an der geöffneten Thür stehen.
„Ach, wie hübsch ist es hier, Tante, wie gemütlich hast Du es mir gemacht, und sogar Blumen stehen da! Wieviel mußt Du an mich gedacht baden!"
„Ja, ich habe viel an Dich gedacht, lieber Gustav, aber die Blumen hat Else hingestellt. Else, wo bist Du denn?"
Zögernd kam das junge Mädchen näher.
„Komm, Kind, komm, ich war so außer mir vor Freude, daß ich Dich ganz vergessen hatte. Sieh Gustav, das ist Else, meine Pflegetochter."
„Ach, mein Fräulein, es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!"
Das war Alles, was er ihr gesagt; dann hatte er sich wieder der Tante zugewandt und mit ihr von alten Erinnerungen gesprochen. Else aber war unbeachtet aus dem Zimmer geschlüpft.
Welche Enttäuschung! Wie viel hatte sie sich von der^Ankunft des Doktors versprochen, und nun diese gänzliche Nichtachtung! Nicht einmal für die Blumen hatte er ihr gedankt. War es nicht abscheulich?
Beim Abendessen hatte sie ihn wieder getroffen, und auch da hatte er sich fast ausschließlich mit der Tante unterhalten und kaum ein Wort an Else gerichtet. Um
so mehr Gelegenheit hatte diese, ihn zu beobachten. Er war ein schöner Mann, das konnte sie sich trotz ihres Aergers nicht verhehlen, und wie ernst und männlich sah er aus. Und wie liebenswürdig wußte er die alte Dame zu unterhalten, wie verstand er es, auf ihre Schwächen einzugehen! Fast fühlte sich Else wieder mit ihm ausge-- söhnt, — da geschah das Schreckliche, das ihm ihren unauslöschlichen Haß zuzog.
„Nicht wahr, Gustav, Du singst?" hatte ihn die Rätin nach dem Essen gefragt.
„Ja, Tante, aber ich spiele nicht, und Du auch nicht, so viel ich weiß. Wer soll mich also begleiten?"
„Nun, Else natürlich!"
„Else? Ja Tante, ich singe fast nur Schubert und Schumann, und die Begleitungen dazu sind doch wohl zu schwer, als daß eine so junge Dame sie abspielen könnte."
Welche verächtliche Betonung hatte er da auf die „junge Dame" gelegt; es klang fast, als habe er lieber „Kind" sagen wollen. Else war tief gekränkt, so tieft daß sie ihn gar keiner Antwort würdigte.
„Geh hin, Else", wandte sich die Rätin vermittelnd zu ihr, „zeige dem Herrn Doktor, daß Du spielen kannst!"
Und das junge Mädchen spielte, spielte hinreißend schön; denn sie hatte außerordentliche Begabung für das Klavier.
Bei den ersten Klängen wandte er sich nach ihr um. Das war ja Schumann, den das Kind dort so gewandt und seelenvoll spielte, und es war keine leichte Komposition.
Erst erstaunt, dann begeistert, horchte er auf. Und als der letzte Ton verhallt, trat er zu ihr hin und sprach:
„Fräulein, ich bitte um Verzeihung, ich ahnte nicht, daß Sie ein solches Talent besäßen!"
Aber Else war in ihrer siebenzehnjährigen Würde zu tief gekränkt worden, um sich an dieser Entschuldigung genügen zu lasten.
„Ich müßte Sie um Verzeihung bitten, Herr Doktor, daß ich gewagt, vor Ihnen Schumann zu spielen."