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Montag, Mittwoch. Donnerstag und Samstag.

Auflage 2000 Preis vierteljährl. hier mit Trägerlohu SV im Bezirkt außerhalb d. Bezirks 1 20

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Der

Amts- und Anzeige-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagotd.

74. Jahrga«-.

JusertionS-Gebütz» s. d. einspaltig» Ztl« auS gewidnl. Ochriit oder deren Baum einmalig, -inrückuu. 0 bei mihnnalic je S

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Schiväb. Landwirt

^ 196.

Uagotd, Samstag den 15. Dezember

1S0V

Amtliches.

Bekanntmachung

betr. die Eröffnung des ueuerstellteu Bezirks- kraukeuhauses iu Nagold.

Es wird hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht, daß der Betrieb des neue« BezirkskraukeuhauseS iu Nagold i« vollem Umfang am nächste» Montag den 17. ds. MtS. er­öffnet wird und Kranke von diesem Tage an Aufnahme finden könne«.

Von der Veranstaltung einer Einweihungsseierlichkeit wird zunächst der vorgeschrittenen Jahreszeit und der un­günstigen Witterung halber abgesehen.

Mit großen Opfern und vielen Mühen hat der Bezirk Nagold nun «in den neuesten Anforderungen der Kranken­pflege entsprechendes Bezirkskrankenhaus in freier, gesunder Lage erstellt und in möglichst guter Weise ausgestattet, wodurch einem dringenden Bedürfnis obgeholfen und di« feit Jahrzehnten bestehenden Wünsche nach einem guten zweckdienlichen Krankenhaus im Bezirk befriedigt sein dürften.

Die ärztliche Behandlung der Kranken ruht in den Händen der Herren Oberamtsarzt Dr. Fricker und Oberamts- wundarzts Dr. Ulmer und die Pflege der Kranken besorgen die Schwestern der evangelischen Diakoniffenanstalt.

DaS tägliche BerpflegnugSgeld im Krankenhaus beträgt nach dem Beschluß des Amtsversammlung?auSschuffes vom 28. v. Mts.

für I. Klasse 4 und während der Wintermonate 5 .. II. 2^50iZ. .. .. .. 3^,

.. III. 1 ^ 50 Ä. 2

Arrztliche Behandlung, die Gewährung von Heilmitteln und Verbandzeug, sowie die Benützung der Bäder und Apparate deS Krankenhauses haben diegewöhnlichen" Kranken besonders zu bezahlen nud sind diese Leistungen unter den Verpflegungssätzen nicht inbegriffen.

Die Orts- und Landarmen sollen ohne jede weitere An­rechnung zu dem Satz von vorläufig 1 40 --Z verpflegt

vnd behandelt werden, sofern für dieselben nicht ausnahmsweise für besondere Leistungen und außerordentlichen Aufwand eine höhere Entschädigung verlangt werden kann.

Die kranke» Mitglieder der im Bezirk vorhaudeueu Krankenkassen", ferner die Landjäger und «iedere« Korpo- ratious- b-zw. Gemeiudedieuer sollen zu dem Satz von I ^ 50 iZ ohne Erhöhung für die Wintermonate in dem Bezirkskrankenhaus Verpflegung und Kost sowie freie ärztliche Behandlung, nicht dagegen Heilmittel und die Benützung der besonderen Apparate der Anstalt, erhalten.

Für die Benützung der besonderen Einrichtungen nnd Hilfeleistungen der Anstalt, sowie dir außerordentliche Reinigung der Kleidungsstücke werden folgende Taxen fest­gesetzt:

1. für die Reinigung

L. von einem Hemd.20

b. Paar Hosen resp. einem Rock 10 -H,

e. Socken oder Strümpfe 10 -H,

ä einer Bettjacke.15 iZ,

s. einem Schurz .5 Ä,

2. für die Benützung

a. des Sektionslokals .5

d. des Desinsektionsopparats . . . 3

e. der wsäioo-mech. Apparate .... 50 H,

ä. des Elektrifier-Apparats .20 H,

e. des Röntgen-Apparats . . 520 ^6,

k der Bäder je nach Art 50 H bis 3 *6,

A. für jede sonstige Hilfeleistung, Verband rc. nebst den Selbstkosten skr Verbandmittel rc. 2050 --Z.

An die Bezirksangehörigen ergeht nun die dringende Aufforderung, von dem neuen Bezirkskrankenhaus, an dessen Herstellungs- und Betriebskosten sie beizutragen haben, auch Gebrauch zu machen und die trefflichen Einrichtungen, die ihnen für den Fall einer Erkrankung geboten sind, zu be­nützen, wobei besonders darauf aufmerksam gemacht wird, daß die aufnahmesuchenden Kranken jeweils eine von ihrem Schnltheißeu-Amt ausgefertigte Kostenzusichernugsmkunde mitzubringen haben, wozu letzteren die erforderlichen Formu­lare von der Amtspflege zugehen werden.

Die Ortsbehörde« werden angewiesen, vorstehende Be­kanntmachung in ortsüblicher Weise in ihren Gemeinden zu veröffentlichen und die betreffende Nummer des Bezirks- omtsblattes zu Allgemeiner Kenntnisnahme am Rathaus anzuschlagen.

Im Interesse einer guten Verpflegung und Behandlung der Kranken, sowie im Hinblick aus die hohen Betriebskosten, die nur bei möglichst voller Belegung der Anstalt durch die Einnahmen gedeckt werden können, werden dir OrtS- behörde« weiter dringend gebeten, unablässig darauf hin­wirken zu wollen, daß das Krankenhaus fortgesetzt von

ihren kranken Gemeindeangehörigen benützt wird und daß insbesondere die kranken Mitglieder der Bezirkskrankenpflrge- verficherung und der Krankenkassen, die Armen und niederen G-meindediener, für welche vorzugsweise billige Sätze fest, gesetzt sind, in daS Bezirkskrankenhaus verbracht werden.

Nagold, den 7. Dezember 1900.

Kgl. Oberamt: Ritter.

A« die Schultheißerrämter.

Durch die Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 14. v. Mts. (Reg.-Bl. Nr. 48, G. 840) betr. die Vergütung für die Umlegung und den Einzug der Bei­träge zu den laudw. Berufsgenosseuschafteu, ist der H 26 der Mtnist.-Vrrf. vom 18. Juni 1891 (Reg.-Bl. G. 154) mit Wirkung auf die Umlage der GenoffenjchaftSbeiträge für das Jahr 1900 durch folgende Bestimmung ersetzt worden.

Für die Umlegung der Beiträge haben die landwirt­schaftlichen Berufsgenoffenschaften den Gemeinden eine Ver­gütung zu leisten, welche vier Pfennig für jeden im Steuer- abrechnungsbuch eingetragenen Beitragspflichtigen beträgt.

Die Vergütung, welche den Gemeinden für den Einzug der Beiträge von der Berussgenoffenschaft zu gewähren ist, beträgt für die ersten 300 ^ der abgelieferten Beiträge drei vom Hundert, für den weiteren Betrag bis zu 1000 ^ zwei vom Hundert, im Uebrigen 1 vom Hundert.

Diese Vergütung ist bei Einsendung der auf die Gemeinde entfallenden Umlagebeträge an den GenoffenschaftSvorstand von der Gesamtsumme der abzuliefernden Beiträge in Abzug zu bringen.

Wenn eine Gemeinde den auf sie entfallenden Umlage­betrag ohne Umlage aus der Gemrindekaffe an die Berufs- genoffenschaft bezahlt, so darf weder ein« Vergütung für die Umlegung, noch eine solche für den Einzug der Beiträge von dem Umlagebetrag in Abzug gebracht werden.

Die Schulthrißeuämter wollen von Vorstehendem den Gemeiudepflegeru Eröffnung machen und den Vollzug im Schultheißeuamts-Protokoll beurkunden.

Nagold, 12. Dez. 1900.

K. Oberamt. Ritter.

Nagold.

Die Ortsarmenbehörde hat beschlossen, auch Heuer wieder die

Aeujahrswunsch-

Knthekungskarten

einzuführen.

Wer eine Karte im Preis von mindestens 1 bei der Armenpflege, Stadtpfleger Lenz, entnimmt, von dem wird ongenomen, daß er auf diese Weise seine Gratulation darbringt und ebenso seinerseits auf Besuche und Kartenzusendungen verzichtet.

Wir laden zu zahlreicher Beteiligung mit dem Ansügen ein, doß die Liste der Teilnehmer noch zeit­lich vor dem Jahresschluß im Gesellschafter bekannt- gegeben und daß der Ertrag der Karlen unter die verschämten Hausarmen verteilt wird.

Den 13. Dezember 1900.

Die Vorstände der Ortsarmenbrhörde:

gez. Stv. Höckh. Stadtsch. Brodbeck.

Staatsraison und Volksstimmung.

Es hieße Vogel Strauß-Politik treiben, wenn man leugnen wollte, daß die Ablehnung des Empfangs des Präsidenten Krüger durch den deutschen Kaiser nicht fast überall England natürlich ausgenommen abfällig-be­urteilt worden ist. Zu dem Tadel, ja dem Hohn des Aus­landes gesellt sich dir Verstimmung des Inlandes. Denn daß in Deutschland die Sympathien der ungeheuren Masse des Volkes auf seiten Krügers und der Buren sind, hat ja eben erst wieder der beispiellos begeisterte Empfang, der dem Präsidenten am Rhein zu teil geworden ist, dargethan. Ist die Handlungsweise der Regierung, weil sie der Volks­stimmung schnurstracks entgegengesetzt ist, eine verkehrte? Fürst Bismarck bekam bei seinem Abschied und noch mehr bei seinem Tod auch von denen, die seine innere Politik mit allen Mitteln bekämpft hatten, das Attest ausgestellt, daß seine äußere Politik schlechthin unübertrefflich gewesen sei. Und doch hat auch die auswärtige Politik Bismarcks, wie an drei Vorgängen, die eine einschneidende Bedeutung für die Geschicke Preußens bezw. Deutschlands gehabt haben.

gezeigt werden kann, wiederholt im Gegensatz zu der VolkS-

stimmung gestanden.

Im Jahr 1863 brach in Russisch-Polen ein ge­fährlicher Ausstand aus. Damals intervenierten Oesterreich, England und Frankreich beim russischen Kaiser zu Gunsten der Polen, Bismarck schlug eine entgegengesetzte Politik «in. Er schloß im Februar 1863 mit Rußland eine geheime Konvention ab, die zur Folge hatte, daß Preußen während des Aufstandes' nicht nur die Polen begünstigte, sondern im Gegenteil die russische Aktion, soweit die Grenzgebiete in Frage kamen, erleichterte. Damals bestand auch in Preußen noch eine sehr lebhafte sentimentale Sympathie für das Polentum, und so war es kein Wunder, daß nicht nur die Mehrheit des Volkes, sondern auch die Mehrheit der preußischen Volksvertretung dem heißblütigen Parlamen­tarier Waldeck zujabelte, als er der preußischen Regierung den Vorwurf ins Gesicht schleuderte, sie leiste den russischen Hängegendarmen Schergendtenste. Nein, das that sie nicht, sondern sie ebnete vielmehr der Einigung Deutschlands die Bahn, denn es ist doch recht fraglich, ob diese Einigung zu stand gekommen wäre, wenn Rußland 1866 und 1870 Preußen gegenüber nicht eine wohlwollende Neutralität ge­wahrt, sondern jene Gehässigkeit bewiesen hätte, die einen großen Teil der Schuld an dem schmachvollen Vorgang von Olmütz getragen hatte. Wer hatte also 1863 recht: Bismarck oder die Volksstimmung?

Drei Jahre später entschied sich Bismarck zum Krieg mit Oesterreich. Auch diesmal war ihm die Volksstim­mung nicht hold. Jaeger führt in seiner Weltgeschichte als Grund der Unpopularität des Krieges in Preußen an. daß der Krieg als hrrvorgerufev durch den Ehrgeiz und die Verlegenheit des leitenden Ministers gegolten habe. Dazu kommt aber noch etwas anderes: der Krieg war ein Bruder­krieg im vollen Sinn des Wortes. Trotzdem war er zur Vorbereitung der Einigung Deutschlands eine Notwendigkeit, und selbst der Besiegte von 1866 hat dies noch nicht 1*/, Jahrzehnte später anerkannt, indem er dem Sieger von damals die Hand zu einem festen Bündnis reichte. Wer hatte also 1866 recht: Bismarck oder die Volksstimmung?

Genau zwei Jahrzehnte nach diesem Krieg wurde Ale­xander von Battenberg gewaltsam von dem bulgarischen Fürstenthron herabgestoßen. Die öffentliche Meinung in Deutschland war damals ebenso gegen Rußland erregt, wie heute gegen England. Und ganz mit Recht, denn das damalige Verhalten Rußlands spottete genau ebenso der bürgerlichen Rechtsbegriffe, wie das heutige Verhalten Eng­lands. In einem gewissen Sinn war sogar damals die Entrüstung noch berechtigter, denn Krüger und seine Buren find doch nur raffeverwondt, Fürst Alexander aber war raffrzugehörig. War er doch bis zu dem Augenblick, wo er den bulgarischen Fürstenthron bestieg, Offizier bei dem vornehmsten preußischen Regiment, dem Garde du KorpS. Fürst Bismarck oben dachte nicht nur nicht im entferntesten daran, irgend welche Schritte zu thun, die Rußland un­angenehm sein konnten, sondern er goß auch zunächst durch die ihm zur Verfügung stehende Presse und sodann auch persönlich im Parlament einen kalten Wasserstrahl über die Battenberg- und Bulgarienbegeisterung. Hätte sich Bismarck damals von der Volksströmung fortreißen lassen, so wären fast unmittelbar verhängnisvolle Folgen eingetreten. Denn noch nicht sechs Monate nach jenem Frühherbst 1886 war die Gefahr eines Krieges mit Frankreich in erschreckende Nähe gerückt und. wenn damals der russische Kaiser, der ja ohnehin kein großer Freund der Deutschen war, erbittert über eine Durchkreuzung seiner bulgarischen Politik durch Deutschland, sich aus Frankreichs Seite gestellt oder auch nur die Franzosen ermutigt hätte, so mußte der Becher über­laufen. Wer hatte also 1886 recht: Bismarck oder die Volksstimmung?

Die Antwort lautet in allen drei Fällen natürlich: Bis­marck. Wir wollen nun nicht nach dieser Analogie, wenn heute die Frage gestellt wird, ob die den Empfang Krügers ablehnende Regierung oder die Volksstimmung recht habe, antworten: die Regierung. Wir würden eine solche Ant- wort als verfrüht ansehen. Aber mindestens ebenso verfrüht ist es doch auch, die Frage heute schon im entgegengesetzten Sinn zu beantworten. DaS wird man mit gutem Gewissen erst in einigen Monaten, vielleicht auch erst in einigen Jahren entscheiden können. Vielleicht zeigen die Vorgänge der nächsten Zeit, beispielsweise etwa die Entwickelung der ostasiatischrn Wirren, daß die Regierung recht hatte, ebenso weitgehende Rücksicht auf di« Empfindlichkeit Englands zu nehmen, wie sie 1863 und 1886 Bismarck auf die Empfindlichkeit Ruß­lands nahm, vielleicht stellt sich aber auch heraus, daß die Vorsicht der Regierung übertrieben war. Wenn die Feinde Deutschlands mit ihrem Urteil schnell fertig sind, so ist daS nur ganz natürlich; in Deutschland selbst aber hat man keine Veranlassung, sich mit der Kritik zu übereilen.