seine Regierung friedliche Tendenzen verfolge und daß die Truppenbewegungen an der galizischen Grenze keinerlei aggressiven Charakter haben.
Freilich, ganz ohne Krieg wird es im kommenden Jahre nicht abgehen. Unser italienischer Bundesgenosse wird schwere Arbeit haben, die Schmach von Dogali zu rächen und die Heere des Negus von Abyssinien zu bezwingen. Schon ist derselbe an der Spitze eines zweiten Heeres 180 Kilometer südwärts von Massuah in Avua angelangt und will sich entweder in Asmara mit dem Heere seines Feldherrn Ras Alula vereinigen oder direkt auf Arkik Vordringen.
Wenn man auch die Gefahr eines europäischen Krieges vorläufig für beseitigt halten kann, so wird es doch stets die Pflicht und Aufgabe Deutschlands sein, auf der Hut zu sein und die Führerrolle sich nicht aus den Händen winden zu lassen. Deutschland hat an der Spannung der politischen Lage keine Schuld. Als sein Kaiser in Versailles der Welt die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches verkündete, stellte er für sich und seine Nachfolger an der Kaiserkrone als Richtschnur hin, „alle Zeit Mehrer des Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung". Und daran hat er seit siebenzehn Jahren getreulich festgehalten. „So lange Kaiser Wilhelm lebt, giebts keinen Krieg" - das ist ein Wort, welches als feste Ueberzeugung den Thatsachen entsprechen und Deutschlands Kaiser seinem Reiche noch recht lange erhalten bleiben möge als ein Hort des Friedens! Aber selbst wenn es der deutschen Staatskunst nicht gelingen sollte, den zündenden Funken des Krieges im Keime zu ersticken - zu verzagen brauchen wir darum nicht. Wer auch als Gegner vor Deutschland tritt, er findet keinen ohnmächtigen zerfahrenen Staatenbund mehr, sondern ein einiges, seiner Kraft bewußtes, wohlgerüstetes Reich, und all' die inneren Zwistigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, welche jetzt noch die Gemüther bewegen, sie werden bei einem neuen Angriff hinweggeweht sein gleich der Spreu vom Winde, gerade wie im glorreichen Jahre 1870. So treten wir in das neue Jahr ein mit dem ungetrübten Blicke des klar schauenden, besonnenen Mannes; nicht mit dem Leichtsinn überschäumenden Jugendmutes, aber auch ohne die bange Miene des an seinem Glück Verzweifelnden. Und die Hoffnung auf eine leichtere, sorgenfreiere Zukunft wollen wir uns nicht rauben lassen.
Hcrges-Weuigkeiten.
Calw, 29. Dez. Bezüglich des in unserer letzten Nummer gemeldeten Falls werden wir ersucht berichtigend nachzutragen, daß es ausschließlich dem Metzgermeister Gg. Essig gelang, den durch das Eis gebrochenen Knaben aufs Trockene zu bringen.
Rottweil, 28. Dez. Am Stephansfeiertage nachts kehrte ein Beamter des hiesigen Landgerichts von einem Ausfluge im Schlitten zur Stadt zurück, als er unweit vor derselben mitten in der Straße einen Mann mit dem Gesicht im Schnee liegen sah. Der Erstarrte wurde auf den Schlitten gehoben und im ersten Hause der Stadt in Pflege gegeben; durch Anwendung geeigneter Mittel gelang die Wiederbelebung des Verunglückten, welcher bei der in jener Nacht herrschenden Kälte (— 15<>k) unzweifelhaft erfroren wäre. Esist ein 50 Jahre alter Knecht von Bettlinsbad (?), Gemeinde Rottweil, welcher zur Stadt gekommen war und sich Holzschuhe gekauft, diese Gelegenheit aber auch dazu benützt hatte, des Guten etwas zu viel zu thun.
Heidenheim, 27. Dez. Die bis jetzt in unfern Revieren gehaltenen Jagden waren recht ergiebig. Namentlich ist trotz des letzten für die Rehe harten Winters der Stand derselben ein ausgezeichneter. 10—15 Stück der in andern Gegenden recht seltenen Tiere werden bei den Jagden geschossen. In den nächstgelegenen Waldungen sind bis jetzt 50—60 Rehe erlegt worden. Ein Jagdpächter, der die Waldungen rechts vom mittleren Brenzthal (bei Bolheim) hat und seit einigen Jahren die Rehe ziemlich geschont hat, sah sich
gezwungen, den prächtigen Wildstand wegen Wildschadens bedeutend einzuschränken und soll seit 1. Juni gegen 90 Stück Rehe erlegt haben.
Friedrichshafen, 27. Dez. Während der letzten 5 Tage hatten wir heftige Stürme von Nord und West mit Schneegestöber. Gestern Nachm, beruhigte sich der See, und es fiel ziemlich Schnee, welcher Saaten und Rasen ausreichenden Schutz gegen die Wirkung der Kälte gewährt, die sich in letzter Nacht auf 16« C. gesteigert hat. An dem Hafen setzte sich im Laufe des gestrigen Tages Schneesulz an, welche sich die Nacht über zu einer so starken Eisdecke ausgebildet hat, daß die Frühschiffe schwer mit Eis zu kämpfen hatten._
Aus Berlin, 28. Dez. wird geschrieben: Ein schweres Unglück hat sich auf der bei dem Kloster Chorin anmutig im Walde liegenden Försterei Senftenthal im Kreise Angermünde ereignet. Der Förster Berg wollte am letzten Donnerstag mit dem Gewehr über der Schulter in den Wald gehen. In der Stube war seine Tochter, welche nach langer Abwesenheit aus dem Elsaß zum Besuch gekommen war. am Fenster mit Putzen beschäftigt. Der Vater reichte ihr die Hand zum Abschied und stieß dabei mit dem Gewehr an einen Tisch. Der Schuß ging los und die Kugel drang der Tochter rücklings durch den Körper, so daß die Getroffene sofort eine Leiche war.
Jum neuen Jahr.
Eine ernste Stunde hat geschlagen.
In den Herzen klingt der letzte Ton,
Wie ein Toter wird dahin getragen.
Zieht nun still das alte Jahr davon.
Von den Dingen, die nun sollen kommen.
Wird noch kaum ein Anklang erst vernommen.
Bald mit Jauchzen, fröhlichem Gedränge,
Bald mit Sinnen, Bangen, ernstem Schritt Folgt dem Grabesgang die bunte Menge,
Und uns alle ziehts unmerklich mit- Endlich mit den Jahren, mit den Stunden,
Sind wir nacheinander auch entschwunden.
Laßt uns denn ein Lebewohl ihm sagen,
Dem auf ewig hingeschwundenen Jahr;
Aber ohne Bangen, ohne Klagen,
Bietet fest die Brust der Zukunft dar!
Und willkommen sei die Stunde In der Menschen, in der Zeiten Runde!
Was die Zukunft auch enthüllen möge Ruhig nehmt des Schicksals Los dahin!
Wenn der Traum der Hoffnung uns betröge,
Schaue vorwärts ruhig unser Sinn!
Was von Tand und Flitter uns entfiele,
Gebt es hin des Schicksals leichtem Spiele.
Gottesdienste am Sonntag, den 1. Januar 1888.
Neujahrsfest.
Vom Turme: Nro 535. Vormittagspredigt: Hr. Dekan Braun. Feier d. h. Abendmahls. Nachmittagspredigt um 2 Uhr in der Kirche: Hr. Diakonatsverweser Vogt. Freitag (Erscheinunqsfest), den 6. Januar 1888. Vormittagspredigt Hr. Dekan Braun. Missionsstunde um 5 Uhr im Vereinshaus: Hr. Missionar Hesse. Das Opfer ist für die Heidenmission bestimmt.
Eottesäieafle in cler Motkioäisteakapekke am Sonntag, den 1. Jan. 1888, morgens '/-10 Uhr, abends 8 Uhr.
„Station Langensebold — siebenter Gruß; erster Ausbruch der Verzweiflung; Inspektor angeschricen und an die Luft gesetzt; kräftige Donnerwetter; Zahnschmerzen geheuchelt."
„Station Gelnhausen — achter Gruß; Inspektor gar nicht mehr angehört; Fenster vor der Nase zugeschlagen; im Koupe? hin und her gerannt; Berneck mit Ermordung bedroht."
„Station Steinau — kein Gruß; Inspektor schon von weitem hart angelassen; Irrtum eingesehen."
„Station Elm — neunter Gruß; alle Inspektoren zum Teufel gewünscht; Inspektor mit Erschießen bedroht."
„Station Neuhof — zehnter Gruß, angegeben, daß der Teufel im Koupee sei; Inspektor angeboten, das Genick zu brechen. Nachher im Koupee gezettelt und Zahnweh vorgeschützt."
„Station Fulda — elfter Gruß; Inspektor mit Ironie behandelt; versprochen allen Inspektoren das Handwerk zu legen und sie duzendweise zur Hölle zu schicken."
„Station Neukirchen — zwölfter Gruß; Inspektor thätlich bedroht und eigenhändig aus dem Koupee geworfen; Friedrich mit Ohrenabschneiden bedroht."
„Station Hersfeld — dreizehnter Gruß; mit gezücktem Degen den Inspektor bedroht; von diesem für wahnsinnig gehalten worden; Friedrich avanciert zum Schafskopf."
„Station Bebra — kein Gruß; Friedrich aus den Klauen der Peiniger zwar gerettet, aber ihn zum Rhinozeros befördert und Messer für das Ohrenabschneiden gewetzt."
„Station Gerstungen — absolute Ruhe und Schlaf; Stille vor dem Sturm."
„Station Weimar — fürchterlichster Ausbruch schrecklichster Wut. Bombardement Friedrichs mit diversen Geschossen; Avancement zum General-Schafskopf undRiesen- Rhinozeros. Ohren des Opfers noch in Gefahr schwebend."
Zuerst mit Stillschweigen, dann mit Lächeln, dann mit plötzlich eintretendem Gelächter und schließlich mit anhaltenden Lachsalven begleitet, hatte der Oberstwachmeister sein Pensum, seine Anklage, vorgetragen. Auch der Hauptmann hatte sich nicht mehr dem Humor der Sache entziehen können und wacker mitgelacht.
„Ich denke, das genügt", sagte Zelten.
„Ich denke ebenso", bekräftigte Wiedenbrück.
„Das genügt, das genügt", tönte es von allen Seiten, und der Hauptmann, - gute Miene zum bösen Spiel machend, sagte: „Es ist gut, ich fühle mich besiegt, gehen wir frühstücken."
„Unser Hauptmann soll leben!" tönte es im Chorus.
Unsere kleine Geschichte ist nun eigentlich zu Ende; denn wie der Herr Hauptmann von seiner kleinen Frau, als diese von Erfurt nach Corbetha kam, empfangen wurde, das können sich unsere Leser selbst ausmalen. Nur eins sei noch kurz erzählt, was mit zu dieser kleinen, mehr oder minder wahren Geschichte gehört.
Die Tafelrunde saß vergnügt beim Champagner, den der Hauptmann gespendet, als sich die Thür öffnete lind ein Offizier eintrat.
„Berneck!" tönte es von den Lippen der Zecher.
„Berneck!" sprang der Hauptmann wutschnaubend auf und eilte mit geballter Faust auf den Freund zu. Dieser aber blieb mit unerschütterlicher Ruhe stehen, und dem Freunde die Hand hinhaltend, mit einem Lächeln, dem Esebeck nicht widerstehen konnte, sagte er mit tiefster Baßstimme: „Ruhig Blut, mein Sohn!"
„Ruhig Blut, kalt Blut, Esebeck," hallte es von der Tafelrunde.
War es infolge des genoffenen Champagners oder war es, daß Esebeck nun einmal der Liebenswürdigkeit Berneck's nicht widerstehen konnte, genug, nach kurzer Zeit saß Berneck neben dem Freunde und genoß vergnügt den Champagner, den er ja eigentlich erobert hatte. Als mau aber mitten im Zechen war, erhob sich der Oberstwachmeister, der heute, ganz gegen seine Gewohnheit, das Redefieber zu haben schien, und sprach: „Nun meine Herren, nachdem wir diesen Sieg errungen haben, geziemt es auch, daß der bestraft werde, der so schnöde unserem Freunde Esebeck und mit ihm auch uns Opferlämmern, Wiedenbrück und mir, die Nachtruhe geraubt hat. Ich schlage vor, auch Berneck zu einer Lage Champagner zu verurteilen."
Ob der Vorschlag Beifall fand'; Es schien so. Denn in kurzer Zeit erschien eine zweite Lage des edlen Göttertrankes aus dem Tisch der Tafelrunde.