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48.

Der GtskUHllsttt

Amts- und An^erge-Blatt für den Gberamts-Bejirk Nagold.

74. Jahrgarr«.

Nagold, Donnerstag den 15. März

JnseatioaL-GebLhr f. d. einfpaltigr Zeile a»S gewShnl. Schrift oder deren Rau« bei einmalig. Eiurüüuug S bei mehrmalig, je 6

Gratisbeilagen: DaS PlauderstLbcheu und

Schwäb. Landwirt.

19VÜ.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 10. März. Am Bundesratstische: Staatssekretär v. Lhielmann. Eingegangen ist das Abkommen zwischen Deutschland und den Bereinigten Staaten bezüglich Samoas. Die 3. Beratung des Gesetzentwurfs der Reichsschulden-Berordnung steht auf der Tagesordnung. Di« HZ 119 werden ohne Debatte angenommen. Müller-Fulda begründet zu den 88 20 und 21 Abänderungsanträge redaktioneller Natur, welche angenommen werden. Der Rest deS Gesetzes wird angenommen, ebenso in der Gefamtabstimmung das ganze Gesetz. Darauf wird die 2. Beratung des Fleischbeschauge« setzes fortgesetzt, tz 8 in der Reg.-Vorlagr will, daß di« Untersuchung nach der Schlachtung bei Schweinen sich auch auf Trichinen zu erstrecken habe, ausschließlich der Hausschlachtung. Die Komm, beantragt Streichung des Paragraphen. Wurm (Soz.) befürwortet einen Antrag Albrecht, die Hausschiachtung nicht von der Unter­suchung für Trichinen auszunehmen. Graf Oriola (ntl.) führt aus, der soz.-dem. Antrag bezwecke nur, die Hausschlachtung zu erschweren und so den kleinen Bauern gegen das Gesetz unzufrieden zu machen, während andererseits die Soz-Dem. dem Import von Fleisch die größte Liberalität erweisen. Präs. Traf Ballestrem teilt mit, daß über 8 8 namentliche Abstimmung beantragt sei. v. Klinkowström (kons.) führt aus: Die Kons, würden die Arbeiter, zumal die länd­lichen über die Taktik der Soz.-Dem. ausklären. (Beifall rechts, Lärm und Lachen links.) Singer (Soz.): Der Antrag auf namentliche Abstimmung sei nicht auS Gründen der Obstruktion gestellt, sondern aus sachlichen Gründen. Wir erklären uns deshalb bereits damit einverstanden, die Abstimmung vorläufig auszusetzen. Präs. Graf Ballestrem bestätigt dies. Röflcke-Kaiserslautern bezeichnet den Entrüstungsrummet gegen das Gesetz als eine künstliche Mache. Tanz plötzlich erscheine den Herren die deutsche Trichine um so viel gefährlicher als die amerikanische. Die süddeutschen Verhältnisse müßten berücksichtigt werden. Man dürfe die persönliche Freiheit nicht allzu sehr beschränken, und die Polizei in die Töpfe gucken lasten. Wer eine besondere Vorliebe für Hundefleisch habe, möge eS doch essen. Vielhaben (Rfp.) schließt sich dem an. Nißler er­klärt namenS der bayrischen Bauern, mit Freuden begrüßen zu können, daß die Komm, den tz 8 gestrichen habe. Die Linke ergreife jede Gelegenheit, den kleinen Bauern zu belästigen. Er kenne seit langen Jahren die Verhältnisse bei der Hausschlachtung. Bei selbstgezogenen, gutgrnährten Schweinen ist die Trichinose selten. Glauben Sie nicht, daß der bayrische Bauer soweit zurück ist, daß er fein Bieh unreinlich schlachte. Nein, unsere Bauern sind ebenso reinlich wie Sie. «Stürmische Heiterkeit.) Schrempf (kons.) behauptet, für die schwäbischen Verhältnisse sei die Trichinenschau, namentlich bei den Hausschlachtungen gar nicht durchzusühren. Diejenigen, welche hier für den Paragraphen abstimmen, sollten verurteilt werden, als Trichinenschau« im Schwarzwald angestrllt zu werden. (Sehr richtig! rechts.) In Punkto Reinlichkeit sei der kleine Mann viel peinlicher als mancher reiche. (Sehr wahr! rechts) Die Fürsorge deS Abg. Wurm sür die armen Leute sei beinahe christlich zu nennen, aber nur beuiahe. (Heiterkeit.) Es folgt namentliche Abstimmung über den Z 8 der Reg.-V«rlage, der mit 165 gegen 66 St. gestrichen wird. Sodann wurden die weiteren Paragraphen des Gesetzes nach unwesentlicher Debatte nach derKomm.-Fastung angenommen. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. T.-O.: Rechnungssachen, Münzgesetz.

Uages-Hkuigk eireu.

Deutsches Leich.

Nagold, 14. März. Die gestrige Versammlung des Gewerbevereins hatte sich zunächst mit einer durch die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs überGesell- schost" notwendig gewordenen Statutenänderung zu befassen, welche nach dem vorgetragenen Entwurf einstimmig ange- nommen wurde. Mit der Erlangung der Rechtsfähigkeit sür den Verein glaubte man noch zuwarten zu sollen, da für den Veriin zur Zeit kern dringendes Bedürfnis zum Eintrag ins Vereinsregister besteht, und einstweilen das

Nagold in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.

(Fortsetzung.)

1891.

Das Gesetz über Alters- und Jnvaliditätsversicherung trat am 1. Januar in Kraft; von seiten des Gewerbevereins war in 3 belehrenden Vorträgen alles geschehen, das um­fangreiche und verwickelte Gesetz den beteiligten Kreisen ver­ständlich zu machen.

Ein Wohlthätigkcitsbazar im März, abgehalten in den Sautter'schen Sälen, gab verschiedenen hiesigen Damen Ge­legenheit, ihre Talente in den Dienst der Wohlthätigkeit zu stellen; am Schlüsse der Veranstaltung konnten für wohlthätige Zwecke 300 -F dem Stadtschultheißenamt übergeben werden.

Am 10. Mai ging ein Wolkenbruch mit Hagel über das Steinach- und Waldachthal nieder; zum Schutze der Insel gegen das Waldachhochwasser wurde die Feuerwehr aufgeboten. Nagold selbst blieb vom Hagel fast unberührt; aber die Markungen von Jselshausen und Vollmaringen waren noch geraume Zeit nach dem Hagel in Schneclandschasten verwandelt.

Der Staatsanzeiger vom 18. Juli bringt das Ausschreiben des hiesigen Gemeinderats betreffs Anstellung eines Stadt­baumeisters.

Im gleichen Monat wurde die Ausscheidung des kirch­lichen Vermögens zu Ende geführt, und der Kirchengemcin- derat, welcher mit erweitertem Geschäftskreis seit 1889 an die Stelle des seitherigen Pfarrgemeinderats getreten war, übernahm die Verwaltung des Kirchenvermögens. Zugleich wurde die Gemeinde darauf aufmerksam gemacht, daß der

Statut mit dem eingegliederten neuen Paragraphen genügt. Bei der hierauf vorgeoommenen Wahl eines Drlegierten- Strllvertreters in den Gauausschuß vereinigte Herr Flasch, nermeister Kehle die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen auf sich, weshalb derselbe als gewählt proklamiert wurde. Nachdem noch eingehende Besprechungen über die Veran­staltung der diesjährigen Lehrlingsprüfung, welche Heuer am Osterdienstag abgehalten wird, wozu fich 42 Lehrlinge angemeldet haben, erfolgt waren, wurde zum Hauptgrgen. stand der Tagesordnung, zu der Ausstellung deS Mit- gliederverzrichntffrS deS Vereins behufs Einreichung bei der Behörde und zur Besprechung der Handwerkskammer, wähl geschritten. Nach dem genau ausgestellten Mitglirder- verzeichniS zählt nunmehr der Gewerbeoerein unter der Ge­samtzahl von 207 Mitgliedern 141 Reinhandwerker (also mehr als sämtlicher Mitglieder find reine Handwerker), 25 sonstige Kleingewerbetreibende, 13 Industrielle, 18 Be. amt« und Lehrer und 10 sonstige Freunde deS Handwerks, welches Verzeichnis der Behörde unter Anschluß eines Sta- lutenexemplars eir gereicht wird, womit der Nachweis der Wahlberechtigung geführt ist. Welche Bewandtnis es mit dem den Gewerbevereinen gemachten Vorwurf, die Hand­werker seien bei denselben nicht genügend beteiligt, hat, er­hellt aus vorstehenden Zahlen am besten, namentlich wenn man noch die 25 sonstigen Kleingewrrbetrtibrnden, die mit dem Handwerk rn engster Fühlung stehen, in Betracht zieht. Anschließend hieran wurden das Wahlverfahren und die wichtigsten weiteren Bestimmungen der Wahlordnung durchgesprochen und Aufschluß über das mutmaßliche Stärkeoerhsltnis, mit dem die vier in Betracht kommenden Wahlkörper bei der Wahl beteiligt sein werden, gegeben. Angenommen, eS würden im Handwerkskammrrbezirk Reut­lingen auf die vier Wahlkörper bei den Innungen 500, bei den Handwrrkerfachvereinen 600, bei den gemischten Hand­werkervereinen 1000, bei den Gewerbevereinen 4000 wähl« berechtigte Mitglieder kommen, so hätten die Grwerbevrreine 15, die Handwerkervereine 3, die Fachvereine 1 und die Innungen 1 Mitglied zu wählen, in welchem Verhältnis auch die zu wählenden 10 Ersatzmänner auf die einzelnen Wahlkörper entfallen würden. Im übrigen müßten die Vereine gegenseitig mit einander Fühlung nehmen, und es müßten gemeinsame Wahlzettel innerhalb der einzelnen Vereine aufgestellt werden; denn unser Bestreben könne vernünftiger Weise doch nur darauf gerichtet sein, daß wo möglich jeder wichtige Handwerkszweig in der Handwerkskammer einen Vertreter habe; es müsse deshalb weise Mäßigung geübt werden. Würde jeder Verein selbständig Vorgehen, so würde nur eine große Stimmenzrrsplitterung statlfinden, und das Ergebnis der Wahl dem Zufall überlassen bleiben, so daß eS kommen könnte, daß ein Handwerkszweig 8 bis 10 Vertreter in der Handwerkskammer habe, während dagegen andere ebenso wichtige Handwerkszweig« gar nicht vertreten sind, womit den Interessen deS Handwerks gewiß nicht gedient wäre. Was speziell die Verhältnisse im Oberamtsbezirk Nagold betrifft, so wird eS diesen wohl am entsprechendsten sein, wenn ein Vertreter des Schreinergr- werbes in die Handwerkskammer gebracht wird; denn unter 1560 Handwerksbetrieben im Bezirk Nagold sind nicht

jährliche Abmangel, der seither von der Stadtkasse übernom­men worden war, künftig durch eine Umlage (Kirchensteuer) gedeckt werden müsse.

Das musikalische Leben der Stadt war in diesem Jahre ausgezeichnet durch eine Mozart- und Schnmannfeier. Ueber- haupt war es durch die Bereitwilligkeit der beteiligten Se­minarkräfte und durch die Mitwirkung kunstverständiger und kunstliebender Einwohner der Stadt in den 80er Jahren und zu Anfang der 90er Jahre wiederholt möglich gewesen, auch größere Werke aufzusühren.

Das 50jährige Jubiläum des landwirtschaftlichen Be­zirksvereins wurde am 5. September nicht in Nagold, sondern in Altensteig aufs großartigste gefeiert. Der Verein, der 1868 noch 248 Mitglieder gezählt hatte, zählte jetzt deren 945.

Nach 27jähriger Regierungszeit starb am 6. Oktober der vielgeliebte König Karl. Um 10 Uhr vormittags am gleichen Tage sollte für den schwererkrankten König eine vom Konsi­storium angeordnete Betstunde gehalten werden, als inzwischen die Todesnachricht eintraf. Die angesagte Betstunde wurde als erster Trauergottesdienst abgehalten; der eigentliche Trauer­gottesdienst folgte am Sonntag den 18. Oktober.

Zu Ende des Jahres am 28. Dezember wurde die Bahn nach Altensteig eröffnet. In den Räumen des Nagolder Haupt­bahnhofs gab die Stadt Altensteig den geladenen Gästen ein Gabelfrühstück und entführte sie dann in festlich geschmücktem Eisenbahnzug nach Altensteig. Am 14. April war der erste Spatenstich an der NagoldAltensteiger Bahn gethan worden, und am 24. Juli hatten Ministerpräsident Mittnacht und Mi- nisterialdirekior Balz die im Ban begriffene Strecke besichtigt.

weniger als 195 Schreinereibetriebe, also genau der achte Teil. Daß dir übrigen HandwerkSzwrige gleichfalls ihre Vertretung finden, dafür wird durch Fühlungnahme mit den anderen Vereinen und Gauen gesorgt werden. Tüch. tige, besonnene, ruhige, nur von sachlichen Motiven geleitete Männer müssen in die Handwerkskammer gebracht werden, nicht solche, die mit dem Kops durch die Wand wollen. Auf solche Männer muß rechtzeitig das Augenmerk ge­richtet werden, damit die Zusammensetzung der Handwerks­kammer die sichere Gewähr bietet, daß fi« ihrer Aufgabe auch entspricht.

Horb, 13. März. Auf dem Schütteberge, auf dem man eine prächtige Aussicht auf die Alb und in das Gäu genießt, soll in diesem Jahre der 1422 von den schwäbi­schen Reichsstädten erbaute Warttum renoviert und umge­baut weiden. Mit der Einweihung des Schütteturms soll die Hauptversammlung des Gchwarzwaldvereins im Jahre 1901 verbunden werden.

Stuttgart, 13. März. (Korr.) Unter dem Vorsitz des Generals z. D. Dr. v. Pfister fand gestern abend im großen Saale des Bürgermuseums eine sehr zahlreich be­suchte Protestoersammlung gegen die lsr Heinze statt. Als erster Redner ergriff Rechtsanwalt Dr. Elsas das Wort. In längerer, mit großem Beifall aufgenommener Rede be­handelte derselbe die parlamentarische Geschichte der lsr Heinze und zerlegte die in Betracht kommenden Paragraphen in ihre juristischen Bestandteile. Hoftheateriatendant Putlttz verbreirete sich mit zündenden Worten über die kunstfeind­lichen Theaterparagraphen, während Prof. Graf Kalkreuth auf die Gefahren hinwteS, die der Gesetzentwurf für die freie Entwicklung der bildenden Künste enthalte. Sodann sprach der Vorstand des Börsenvrreins der deutschen Buch­händler namens des deutschen Buchhandels, worauf dann der Schriftsteller Prölß die kulturelle Bedeutung der Vor- läge im allgemeinen beleuchtete. Nach einem kurzen Schluß­wort des Vorsitzenden wurde folgende Resolution ange­nommen:Die im Bücgermuseum zu Stuttgart am 12. März 1900 abgehalten« zahlreich besucht« Protestversamm. lung von Bürgern Stuttgarts faßte folgende Resolution: Die Fassung der in 2. Lesung angenommenen Bestim­mungen der tz 184 rr und b der ler Heinze ist eine der­artige, daß sie die unentbehrliche Freiheit in der Ausübung des Kunstftudiums, des künstlerischen und litterarischrn Schaffens und der Kunstoerwrrtung aufs empfindlichste beeinträchtigen würden. Durch die Dehnbarkeit der Begriffe Schamgefühl" undAerzernis" müßten in der Praxis zweifellos Gebiete der echten Kunst und Litteratur betroffen werden, die der Gesetzgeber selbst gar nicht im Auge haben kann. Das Unzüchtige ist bereits nach dem bestehenden Ge­setz strafbar. Je freier dem Volk der Genuß der Kunst- werke und Dichtungen aus Vergangenheit und Gegenwart zugänglich gemacht wird, desto eher wird der Einzelne und die große Mehrheit die Fähigkeit erlangen, zwischen echter Kunst und verwerflicher Spekulation uus den Sinnenreiz zu unterscheiden. Es giebt deshalb die in Stuttgart ubgr- haltene Versammlung der sicheren Erwartung Ausdruck, daß die verbündeten Regierungen und der Reichstag den obenge, nannten Gtsetzesvorschlägen die Zustimmung versagen werden."

1892.

Fabrikant Sannwald, der sich um das öffentliche Leben der Stadt Nagold hochverdient gemacht hatte, feierte im Februar das Fest der 25jährigen Vorstandschaft des Gewerbevereins. Bei dieser Gelegenheit erhielt er von einem anwesenden Ver­treter der Centralstelle das K. Dekret überreicht, durch welches ihm der Titel eines Kommerzienrats verliehen wurde. Das dichterische Lebehoch:

Ihr Männer aus dem Tannwald Hoch lebe unser Sannwald!

fand begeisterten Widerhall in der auf dem Hirsch tagenden Festversammlung.

In der Nacht vom 31. März auf den 1. April wurde die Uhr um 23 Minuten vorgerückt und damit wie ander­wärts so auch hier die mitteleuropäische Zeit eingeführt. Ein in der gleichen Nacht zu Bismarcks 77. Geburtstag im Hirsch versammeltes Häuflein von Patrioten ließ den kriti­schen Zeitpunkt nicht unbemerkt vorübergehen.

Die Weihe des im Werkmeister Schuster'schen Hause ein­gerichteten Beisaales für die nunmehr etwa 100 Seelen zählende katholische Gemeinde fand am Osterdienstag statt.

Im Laufe des Frühjahrs wurde der neue auf dem sog. Schneckengarten bei den 3 Kreuzen angelegte Mottkepwy vollends sertiggestellt. 300 ^ waren dafür vom Vers/w- nerungsverein aufgewendet worden, so daß die diesjährige Rechnung mit einem Abmangel von 87 schloß.

Der Gedanke eines Elektrizitätswerks unter Benützung der Wasserkraft der im Januar 1890 abgebrannten Lehre'schen Kunsimühle kam der Verwirklichung immer näher. (Forts, folgt).