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Wagss-Weuigkeiten.
Stuttgart, 13. Dez. (Landgericht.) Der 20jährige ledige Schreiner Ernst Strinz von Stammheim, OA. Calw, war im November ds. Js. arbeite« und mittellos und stahl nun am 22. November abends einem früheren Kameraden in Cannstatt mittels gewaltsamer Erbrechung dessen Koffers 35 Bargeld und eine silberne Taschenuhr im Werte von 15 Bei seiner Verhaftung warf der Angeklagte das Geld weg, um den Verdacht! der Täterschaft von sich abzulenken. Heute war derselbe geständig. Wegen Diebstahls im Rückfall erkannte die Strafkammer gegen ihn unter Ausschluß mildernder Umstände auf 1 Jahr 2 Monate Zuchthaus nebst 5 jährigem Ehrverlust.
Stuttgart. Nill's Tiergarten. Das war ein Vergnügen am Montag nachmittag, als die Königstigerin drei Junge zur Welt brachte Schon nach wenigen Stunden wurden ihr die Jungen weggenommen, um einem Mord durch die eigene Mutter vorzubeugen, denn auf ihr lastet die schwere Schuld des Auffrcssens früherer Kinder. Das Entfernen des Elternpaares, um an die Jungen gelangen zu können, hatte große Schwierigkeit, denn sie wollten sich von der Nachkommenschaft nicht so ohne weiteres trennen; konnten sie ja doch die wohlmeinenden Nill'schen Absichten nicht ahnen. Die drei Jungen werden nun in Gesellschaft des 5 Wochen alten Leoparden-Jungen — auch von diesen zweien ist leider eines in den Rachen der gefräßigen Mutter gewandert — mit Kuhmilch aus der Saugflasche (stuttgarterisch „Mämmele") ernährt. Die Bewahrung, Pflege und Fütterung dieser 4 Tiere macht ungemein viel Mühe. Ihre Behausung ist ein geheiztes Zimmer in der Nill'schen Wohnung, wo sie von den Tiergartenbesuchern des Nachmittags gesehen werden können.
Horrheim, Oll. Vaihingen, 13. Dez. In der Scheuer der Witwe Haber st roh brach gestern abend Feuer aus, welches in kurzer Zeit dieselbe in Asche legte und auch das angebaute Wohnhaus ergriff und ebenfalls vollständig zerstörte. Nur mit Hilfe der benachbarten Feuerwehren von den Orlen Ensingen, Sersheim, Hohenhaslach und Kleinsachsenheim gelang es, die sehr bedrohten Nachbarhäuser, welche schon stellenweise brannten, zu retten. Die Wittwe Haberstroh konnte außer dem Vieh nichts in Sicherheit bringen. Es ist dies innerhalb 3 Monaten der dritte Brandfall in unserem Orte; in allen drei Fällen ist Brandstiftung sehr wahrscheinlich, weshalb die Bürgerschaft in begreiflicher Aufregung sich befindet. Der Gemeinderat hat auf Ermittlung des Tyäters eine Belohnung von 300 ausgesetzt.
Reutlingen, 13. Dez. Die Versammlung des Schwarzwälder Zweigvereins des Vereins für Vaterländische Naturkunde am letzten Sonntag war sehr zahlreich besucht. Den Vorsitz führte Prof. O. Fraas-Stuttgart, der die Versammlung mit einem Vortrag über die Blitzröhren eröffnete. Dann folgten Vorträge von Fr. Lucas-Reutlingsn über Maschinen zum Dörren von Obst, mit Demonstrationen, von O. Krimmel-Reutlingen über die Verbreitung der Kreuzotter in Württemberg, Dr. Hahn-Reutlingen über Enteneier im Kalktuff, K. Reichelt-Reutlingen über Prädisposition der Pflanzen für Krankheiten durch Parasiten und die in Reutlingen vorkommenden kryptogamen Parasiten auf unseren Obstpflanzen. An die Vorträge und Demonstrationen knüpften sich lebhafte Debatten, an denen sich besonders Forstrat Professor Dr. v. Nöcdlinger-Tübingen erfrigst beteiligte.
Aalen, 13. Dez. Gestern abend 7^ Uhr wurde der Bauer Kieninger von Aalen dem St.-A. zufolge bei dem Versuche den abgeschlossenen Bahnübergang der alten Heidenheimer Straße in Aalen zu passieren, von der Lokomotive des Schnellzuges 47 erfaßt und schwer verwundet. Kieninger ist in der Nacht vom 12./13. d. Mts. gestorben.
Hall, 13. Dez. Als heute nach 7 Uhr das Ergebnis derStadt- schultheißenwahl bekannt war, das für den Gewählten ein günstigeres
ist, als man erwartet hatte, wurde diesem zunächst durch die städtische Musik ein Ständchen gebracht. Von 8 Uhr an sammelten sich die Wähler in den Sälen des Gasthofs zur Eisenbahn. Unter dem Vorsitze des Hrn. Fabrikant Groß wurde ein Bankett gehalten, zudem sich der neuerwählte Stadtvorstand, Hr. Helber, ebenfalls einstellte. Den ersten Toast auf diesen brachte Hr. Wacker zum Ritter aus, der von allen Seiten kräftige Unterstützung fand. Hr. Helber toastete auf die Stadt Hall. Diesen beiden Toasten folgte noch eine lange Reihe. Mögen alle die Wünsche, besonders aber der, daß Hr. Helber recht lange in seinem Amte zu Nutz und Frommen der Stadt walten möge, in Erfüllung gehen.
Biberach, 11. Dez. Die Kunde von einem schweren Verbrechen, nämlich einem Kindesmord, durcheilte heute früh unsere Stadt, wegen dessen der verheiratete Viktualienhändler M., Vater mehrerer Kinder, verhaftet und an das Amtsgericht eingeliefert wurde. Mittags wurden unter Aufsicht des Gerichtspersonals in dem Garten des Verhafteten Nachgrabungen vorgenommen, welche aber bis jetzt kein Ergebnis lieferten und daher morgen fortgesetzt werden.
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Kgk. Standesamt Kairo.
Vom 1. bis 15. Dez. 1887.
Geborene
2. Dez. Karl Johannes, Sohn des Johannes Kampf, Strumpfwebers.
2. „ Karoline, Tochter des Johannes König, Dienstknechts.
10. ,, Hermann Heinrich, Sohn des Heinrich Wochele, Lederhändlers.
Gestorbene:
11. Dez. Gottlieb Friedrich Leonhardt, Rotgerbereibesitzer und Gemeinderat, 65 I. alt.
13. „ Hermann Heinrich Wochele, 3 Tage alt, (s. oben.)
14. „ Anna Maria Lasch, geb. Fischer, 63 Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 18. Dezember 1887.
(4. Advent.)
Vom Turme: Nro 95. Vormittagspredigt um h-10 Uhr: Hr. Dekan Braun. Christenlehre um 1 Uhr in der Kirche mit den Töchtern. Bibelstunde um 5 Uhr im Vereinshaus: Hr. Diakonatsderweser Vogt.
Thomasfeierraq, 21. Dezember.
Vormittagspredigt um '/-IO Uhr im Vereinshaus: Hr. Diakonatsverweser Vogt.
Heiliger Abend. Samstag, 24. Dezember. Weihnachtsandacht um 4 Uhr im Vereinshans; zugleich Vorbereitung und Beichte: Hr. Dekan Braun.
Gotteräienfte in äer Metkroäistenkapekke am Sonntag, den 18. Dez. 1887, morgens h-10 Uhr, abends 8 Uhr.
Frankfurter Janrnai.
Machmiltagsökatt,
Akcndökatt,
Worgcnötatk mit allen in der Nacht einlaufcndcn Drahtmeldungen. Keine Preiserhöhung.
Aan^els- A GewerbeAlimmer Takw. Ordentliche Sitzrmg
Montag, den 18. Dezember 1887,
vormittags 9 Uhr,
Tagesordnung: Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter.
Cresilverhällmsse der Landwirtschaft und Kleingewerbe.
Der Vorstand:
Kommerzienrat Staelin.
JeuilDeLon. m°chdn.<k
Bitte zu grüßen!
Humoreske von Eugen Gavain.
(Fortsetzung.)
„Friedrich, weißt Du, was Du bist? Eine Schlafmütze, eine veritable Schlafmütze."
„Zu Befehl, Herr Hauptmann!"
„Fenster öffnen!"
„Etwas langsam kam Friedrich dem Befehle nach."
„Kopf hinausstecken und nicht eher zurückziehen, als bis ich Kehrt sage", kommandierte Esebeck.
Gehorsam hielt Friedrich den Kopf in die kalte Nachtluft hinaus, deren erfrischende Wirkung er bald zu spüren begann. Nach fünf Minuten erscholl es „Kehrt", und Friedrich stand seinem Gebieter Auge in Auge gegenüber und wartete der Dinge, die da kommen sollten.
„Friedrich", hob der Hauptmann an, „merke Dir jetzt, was ich Dir sage. Ich schneide Dir beide Ohren einzeln und stückweise ab, hörst Du, beide Ohren, wenn Du zu schlafen wagst."
„Zu Befehl, Herr Hauptmann."
„Ich will jetzt schlafen, hörst Du, schlafen, wie Du bereits geschlafen hast. Du läßt keinen Menschen zu mir, keinen sage ich, und es ist um Deine Ohren geschehen, wenn sich Jemand fortan da drinnen blicken läßt. Du nimmst alles, was da vorkommt, in meinem Namen entgegen, alles entgegen, alles, gleichviel was die Leute von mir wollen. Verstanden?
„Zu Befehl, Herr Hauptmann."
„Na, denn gut, aber hüte Deine Ohren."
Damit bezog der gequälte Hauptmann wieder seine Ruhestätte und entschlief. Friedrich aber, dem der Gedanke, seine Ohren stückweise zu verlieren, doch nicht so ganz angenehm erschien, hielt die Augen offen.
„Station Harsfeld", rief der Schaffner nach einer Viertelstunde. Wieder wurde die Koupethüre geöffnet und der Bahnhofs-Inspektor erschien in derselben.
„Ist hier der Hauptmann von Esebeck?" fragte er.
„Ja wohl", brummte Friedrich, „aber er ist nicht zu sprechen." Der Bursche, der dunkel ahnt, daß die Bahnhofs-Inspektoren die geschworenen Feinde seines Herrn seien, sagte es in einem Tone, der keineswegs als höflich gelten konnte.
„Na, na, nur nicht so patzig", sagte der Inspektor; „ich muß den Herrn Hauptmann aber sprechen, da ich ihm eine Mitteilung zu machen habe."
„Ist nicht", knurrte Friedrich und stellte sich vor die Thür des Schlaf-Koupees, streckte die Fäuste von sich und nahm eine so drohende Haltung an, wie solche eine getreue Bulldogge, die ihren Herrn verteidigt, anzunehmen pflegt.
„Esel, ist er denn verrückt? was soll denn das bedeuten?" sagte der Inspektor und versuchte, den Burschen von der Thüre wegzuschieben. Doch dieser verstand keinen Spaß, und kaum hatte ihn die Hand des Inspektors berührt, als dieser von einem kräftigen, wohlgezielten Hiebe getroffen, in die Ecke zurücktaumelte.
Der Inspektor bezweifelte nun keinen Augenblick mehr, daß er mit einem Wahnsinnigen zu thun habe; denn daß Jemand, der einen Auftrag auszurichten hat, mit Hieben empfangen wird, war ihm doch noch nicht vorgekommen. „In der nächsten Minute hatte er den Schaffner in's Koupee herein gewinkt. Es entspann sich nun zwischen der stärkeren und schwächeren Partei zunächst ein Disput, der keineswegs im Flüstertöne geführt wurde, und als dieser nicht dazu führte, daß Friedrich die Thür, die er mit seinem Rücken deckte, räumte, faßte der kräftige Schaffner den Sträubenden und setzte ihn bis zu seiner weiteren Unschädlichmachung in die Ecke des Koupees. Als der Inspektor auf die Thür des Schlafkabinets zuschritt, erkannte Friedrich den ganzen Ernst seiner Situation; abgesehen von den bereits erhaltenen Püffen, mußte er seiner Ohren und des Versprechens seines Hauptmanns gedenken. Wie der Ertrinkende nach einem Strohhalme greift, so griff auch Friedrich nunmehr nach dem letzten Mittel der Verzweiflung. Mit einer Stimme, die der berühmten Posaune von Jerichow nicht das mindeste in ihrer Fülle und Stärke nachgab, brüllte der Ge- ängstigte los:
„Herr Hauptmann, Herr Hauptmann, Hilfe, Räuber, Mörder!"
(Fortsetzung folgt.)