Der Neun-Milliarden-Etal

Berlin, 14. Dez. Der Retchsfinanzmtnister hat jetzt, kurz bevor er seinen Etat für das Rechnungsjahr 1028 dem Reichs­tag vorlegt, die abschließenden Zahlen veröffentlicht. Sie bieten an sich wenig Neues nach allem, was man schon vorher gehört und gewußt hat, verlangen aber trotzdem noch eine kurze Betrachtung. Der Minister bat eine Erhöhung um 367 Millionen vornehmen müssen, so daß der Etat mttO^SOMilli- arden auf beiden Seiten abschließt. Er ist also im Gleichge­wicht gehalten, allerdings nur dadurch, daß die Steigerung der Einnahmen in Fortsetzung der bisherigen Entwickelung der Konjunktur erwartet wird, eine Hoffnung, die nicht in jeder Richtung hieb- und stichfest ist. Auf der anderen Seite sind aber die Ausgaben erhöht durch höhere Überweisungen an die Länder, durch die höhere Kriegsentschädigung, durch die Beamtenbesoldung und das Liquibationsfchädeugesetz, so daß tatsächlich sogar im Berglerch mit dem Borjahre eine ge­wisse Ersparnis in den Ausgaben vorliegt, die allerdings bei weitem noch nicht hoch genug ist. Große Möglichkeiten frei­lich auf diesem Gebiete sind nicht vorhanden. Wen» man die Überweisungen und die Polizeikostenzuschüsse an die Länder abstretcht, so verbleibt eine Summe von rund 5,3 Milliarden für den ordentlichen Etat des Reiches. Davon geht ein vol­les Drittel für Pensionen und Wartegelder ab, ein Viertel für Reparationszahlungen, während für die innere Verwal­tung wenig mehr als 18 Prozent und für Heer und Marine etwa 13 Prozent übrig bleibe». ES ergibt sich also, daß allein für die reinen KrtegSfchäden beinahe 57 Prozent der gesamten Ausgaben, also über die Hälfte, anfgebraucht wer­ben.

Regierungsbildung in Braunschweig

LU. Braunschweig, 14. Dez. Der nengewühlte braun­schweigische Landtag trat gestern Nachmittag zu seiner er­sten Sitzung zusammen. Den Vorsitz führte der Altersprä­sident Denmland-DVP. Zunächst wurde die Wahl deS LanötagsprästdtumS vorgenommen und zwar auf Grund in­terfraktioneller Beschlüsse. Zum ersten Präsidenten wurde Ab«. Wesemeier^« zum zweiten Abg. Wessel-DBP. und zum dritten Dr. Doloff-Dntl. gewählt. Vom Vorsitzenden des Gtaatsministertums war im Namen des Gesamtmini, stcriums eine Erklärung eingegangen, wonach das Staats- Ministerium zurücktritt. Kür die Neuwahl des Ministeriums wurde die nächste LaudtagSsitzuug auf heute Mittwoch 10 Uhr festgesetzt.

Ein« rein sozialdemokratisch« Regierung i« Braunschweig.

Dem bürgerlichen Ministerium in Braunschweig wirb, wie nunmehr feststeht, ein rein sozialdemokratisches folgen, insofern, als die Sozialdemokratie beschlossen hat, die Regie­rungsbildung allein zu übernehmen, obgleich sie nur über 24 von 43 Sitzen verfügt. Es kommt daher auf die Haltung der Demokraten und Kommunisten an, die über je 2 Sitze verfügen. Als Mitglieder der neuen Negierung werden ge­nannt: Dr. Jasper, Abg. Steinbrecher und Abg. Steuers.

Drohender Bergarbeilerslreik in Schlesien

TU. Berlin, 14. Dez. Wie ein Morgeublatt berichtet, tag­ten gestern in Waldenburg die Funktionäre der christlichen und der freien Gewerkschaften, um über die Antwort der Ar­beitgeber auf eine im November unterbreitete Forderung auf Erhöhung des Schtchtlohnes um 80 Pfg. zu beschließen. Die Antwort der Arbeitgeber wurde als völlig ungenügend ab­gelehnt. Sollte bis zum 20. Dezember eine Antwort im Sinne ihrer Forderung nicht etntreffeu, bann soll am 22. De­zember die Arbeit ntedergelegt werde». Rund 28 000 Berg­arbeiter würden dann in de» Streik treten.

Die gläserne Wett

40 Roman von Otfrid v. Honstein.

Ich bin der Sohn und Prokurist meines Vater?,

rner Hölderlin."

Ich bitte auch Sie. zu bleiben."

Hinter dem Kommissar trete» sechs andere Herren ein.

An «brer Spitze Direktor Bernhardt von den Ham­burger Telesnnkwerken, der Führer der Opposition, den Hölderlin gestern mit Ausbietung aller Überredungskunst erst für sich gewonnen.

Ein GlaS Wein, meine Herren» ich bin vollkommen erschöpft und"

Er lächelt bitter.

Ich glaube, es ist am besten. Sie bestellen mir gleich eine Helle im Irrenhaus."

Er springt auf.

Wahnsinn, meine Herren, Wahnsinn ist sa alles!"

Der Kommissar hat ein Lächeln um seinen Mund.

Ich bitte. Herr Kl merzienrat. Sie werden doch nicht versuchen, den wilden Mann zu spielen? Sie baden gcstern noch ,m Rundfunk eine offene Beichte abgelegt. Immerhin, es ist e>n Zeichen anständiger Gesinnung, daß Sie den Betrug, den Sie am Vormittag der Generalver­sammlung gegenüber verübten, nicht aufrecht hielten. Ich erwarte, daß S'e auch jetzt uns die Arbeit erleichtern und uns klare Erklärungen abgebcn."

Der Kommerzienrat hat jetzt so viel Kraft, sich auf- junchte».

Das klägliche Bild eines zerrütteten, niedergebrochencn Mannes siebt vor den Herren.

Ich weiß nicht, was geschehen ist. Ich gebe Ihnen mein heiliges Ehrenwort, daß ich in dieser Nacht keine Silbe in den Rundfunk gesprochen habe."

Der neue Botschafter für Washington

Dr. v. Prkttwitz über seine bevorstehende Tätigkeit in Amerika.

TU. Berlin» 14. Dez. Zu Ehren des neuen deutschen Botschafters für die Vereinigten Staaten Dr. v. Prittwitz und Gasfron fand im Hotel Esplanade ein Festesten start, zn dein der deutsch-amerikanische Wirtschaftsverband und die Amerika-Abteilung des Bundes der Ausländsdeutschen ein- getaden hatten.

Nach der Begrüßung durch die Präsidenten der beide» Verbände nahm als Vertreter deS Reichsaußenministers Staatssekretär Dr. von Schubert das Wort. Er gab sei­ner Genügtuung darüber Ausdruck, baß gerade Dr. von Prittwttz und Gasfron der hohen Ehre gewürütgt worden sei, als Botschafter deS Deutschen Reiches nach Washington zu gehen und die durch den verstorbenen Botschafter vou Maltzan so erfolgreich eingeleitete Berständtgungs- arbett zwischen Deutschland uud den Bereinigten Staaten weiterzuführen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß es Dr. vou Prtttwitz vergönnt sein möge» tn gleicher Weise für die Annäherung der beiden großen Nationen wirken zu können

I» Vertretung des zurzeit tn Amerika weilende» Bot­schafters der Vereinigten Staaten, Dr. Schurman, begrüßte der amerikanische Geschäftsträger Poole den neuen deut. scheu Botschafter und gab ebenfalls seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Wahl der deutschen Negierung gerade ans Herrn von Prittwttz gefallen sei, der sicherlich aufs beste ge­eignet sei, die außerordentlich erfolgreiche Tätigkeit des auf so tragische Weise ums Leben gekommenen Botschafters von Maltzan erfolgreich weiter fortzusetzen.

Darauf ergriff Dr. vou Prtttwitz und Gaffron das Wort, bankte zuerst für die ihm erwiesene Ehrung und führte aus, daß er sich der großen Schwierigkeiten, die sein neues Amt ihm auferlege, voll bewußt sei. Er hoffe aber ganz im Sinne seines Vorgängers zn wirken, wenn er sich das Leit­motiv setze, als erster Diener dieser Bermittelungsarbeit zwischen den beiden großen befreundeten Nationen Deutsch­land und den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu ar­beiten. Das Vertrauen der deutschen Negierung genüge an sich nicht, sondern es sei unbedingt notwendig, daß er sich auf die Unterstützung uud VermtttelnngSarbeit der großen für die Verständigung so wichtigen wirtschaftlichen Verbände stüt­zen könne. Im übrigen müsse man aber bedenken, daß nicht nur wirtschaftliche Interessen die beiden Völker verbänden, sonder» auch die kulturelle Gemeinsamkeit der beiderseitigen Entwickelung. Unter allgemeiner Zustimmung führte Dr. von Prittwttz zusammenfastend nochmals aus, daß er seine Kraft daran setzen werde, für eine weitere Annähe­rung und Verständigung der beiden Nationen zu wir­ken. ,

Die Flottenrüstung Amerikas

TU. Nenyork, 14. Dez. Dem amerikanischen Kongreß ging gestern das neue Flottenprvgramm zu, das sich auf 5 Jahre erstreckt und dessen Ausführung eine Milliarde Dollar kostet. Zur Ersetzung veralteter Großkampsschtffc sollen vtcr neue zu je 60 Millionen Dollar erbaut werden. Außerdem ist der Neubau von 26 Kreuzern des 10 M0°Tounentyps, von 5 Un­terseebooten und 18 Zerstörern vorgesehen. Mit der An­nahme dieses Programms durch den Kongreß wird gerech­net.

Präsident Cooltdge erklärte, die anderen Nationen sollte» sich durch das amerikanische Floftenprogramm, das im Ein­klang mit dem Washingtoner Abkommen stehe, nicht zum Wettrüsten bestimmen lassen.

Der Eindruck in England.

TU. London, 14. Dez. DaS amerikanische Flottcubaupro- gramm hat t» London einige Sensation hervvrgerufen. Es

Der cholerische Bernhard,' drängt sich vor.

So wollen Sie leugnen? So ist das alles nicht wahr? Beweise, Herr Kommerzienrat, Beweise. Wir lasten uns nickt mehr mit ein paar Flaschen Sekt und mit schönen Reden düpieren. Wir verlangen Einsicht in die Bücher, wir verlangen reinen Wein, wir"

Ueber Kommerzienrat Hölderlin ist eisige Ruhe ge­kommen.

Nein, meine Herren, ich leugne es nicht, es ist leider wahr, was dort in der Festung steht, ich habe gcstern früh optimistisch gesprochen, allzu optimistisch, aber ich tat es. well ich bestimmt hoffte, daß wir uns hätten sanieren können. Dann saß ich in diesem Zimmer allein. Sie hören, meine Herren, ich gebe alles zu, vernichten Sie das Werk meines Lebens, bringen Sie mich ins Gefäng- nis, aber helfen Sie mir dazu, wie ist es möglich, daß meine Gedanken hören Sie, meine Herren, meine Ge­danken. die ich hier in diesem Zimmer ganz allein und von Gewissensängsten gequält, für mich gedacht habe, daß sie in die Welt ausposaunt wurden, denn so wahr ich hier vor Ihnen stehe, ich habe kein Wort gesprochen, und hier ist kein Aufnahmcapparat, und oben, der Oberingenieur, wird es bestätigen, war die ganze Stunde ununterbrochen Konzert."

Er brach wieder in dem Sessel zusammen und ver­barg den Kopf in den Händen.

Ter Kriminalkommissar wendet sich an die Herren.

Sehr seltsam. Wir wollen den Herrn Oberingenieur rufen."

Bernhardt wirft dazwischen:

Gleichgültig. Tie Hauptsache ist, baß er auch jetzt gesteht."

Werner fährt arrt.

wird als voller Sieg der Politik der amerikanischen Flot- tenpartci gewertet. Die Einsetzung von 26 Kreuzern eines Typs, der von England auf der Genfer Flottenabrüstungs- kvuserenz bekämpft wurde, in das neue Flvttenbauprvgramm wird in England als deutlicher Beweis dafür empfunden, daß Amerika nunmehr ohne jede Rücksicht aus andere Mächte seine Flotte bis zum Ablauf des Washingtoner Abkommens aus einen Stand bringen will, der Erörterungen über zukünftige Rüstungsbeschränkungen ohne jede Gefährdung der amerika­nischen Vormachtstellung erlaubt. In maßgebenden engli­schen Kreisen legt man Gewicht auf die Feststellung, daß England durch das amerikanische Bauprvgramm von seiner bisherigen Politik nicht abgcbracht werden könne und nicht die Absicht habe, Amerika das Recht zu bestreiten, so viele Schiffe zu bauen, wie es ihm beliebe.

Trotz dieser offiziellen Stellungnahme ist unverkennbar, daß das amerikanische Programm in London einen peinlichen Eindruck gemacht hat. DaS ergibt sich deutlich aus der Er­klärung, baß Amerika nunmehr als Advokat des Friedens mit dem grössten Klottenbauprvgramm vor die Welt tritt, was nach englischer Ansicht provokativ wirken müsse.

Konflikt zwischen Staalsparlament

und Gouverneur in Oklahoma

TU. Nenyork, 13. Dez. Zwischen dem Staatsparlament von Oklahoma und dem Gouverneur ist ein schwerer Konflikt entstanden. Der Gouverneur ließ das Parlamcntsgebäu>e, als das Parlament gegen seinen Willen zusammentreten wollte, durch ein starkes Truppencmsgcbot mit Maschinenge­wehren besetzen. Die Abgeordneten wurden dadurch verhin­dert, das Parlamentsgebäude zu betreten. Der Gouverneur beruft sich auf die Verfassung und erklärt, daß das Parla­ment nur mit seiner Einwilligung zusammentretcn könne.

Der oberste Gerichtshof hat die Berechtigung des Gon- verncurs zur Einsetzung der Bundestruppen gegen das Par­lament anerkannt, nachdem er bereits vor 8 Tagen erklärt hatte, daß das Parlament nicht berechtigt sei, gegen den Wil­len des Gouverneurs zusammenzutrcten.

über Oklahoma ist der Belagerungszustand verhängt wor­den. Der Gouverneur droht mit der Verhaftung der Abge­ordneten, die in der Stadt Reden halten. Soldaten mit auf­gepflanzten Seitengewehren bewachen die ParlamentSein- gänge «nd die öffentlichen Plätze.

Neue Wirren in Kanton

TU. Parts. 14. Dez. In Kanton sind kommunistische Un­ruhen ausgebrochen. Die Zentralbank von China ist zerstört. Alle Telegraphentinien sind unterbrochen. Die Stadt ist iso­liert. Als einziger Dampfer traf gestern von Kanton in Hongkong der Saion mit einer englischen Mannschaft und 2000 chinesischen Flüchtlingen ein. ,,,

Me Fremden werden in Sicherheit gebracht.

Nach Meldungen ans Schanghai sind im europäische» Wohnviertel von Kantvn Feldgeschütze gelandet worden, um die tm amerikanischen Konsulat untergebrarhten Ausländer zu schützen. Unter dem Schutz amerikanischer Marinesolda­ten werden alle Fremden aus der Etngeborcnenstadt nach dem Europäervtertel gebracht. U. a. sind bereits SS Deutsche in Shamien eingetroffen. Ein britisches Kanonenboot mit Europäern au Bord wurde heftig beschossen. Die Zahl der bei den Kämpfen in Kanton bisher getöteten und verwunde- teu Personen wirb auf 20 000 geschätzt. Die Kämpfe dauern noch an.

Ich verbiete Ihnen, Herr Bernhardt, meinen Vater wie einen Verbrecher zu behandeln."

Der Kommissar hebt die Hand.

Ruhe, meine Herren, wir muffen klar sehen. Dort kommt wohl der Herr Oberingenieur."

Oberingenieur Aumüller."

«Sie haben von den Geschehnissen während des Nund«^ .funkkonzerts in der Nacht gehört?"

Der Oberingenieur hat ein verwundertes Gesicht.

Ich weiß nichts von Geschehnissen. Ich selbst war nicht zu Hause."

Wer sonst?"

Nur unser jüngster Ingenieur, Herr Gcrlach."

Wo ist dieser Herr Gerlach?"

Wir fanden ihn heute morgen schwer erkrankt unV in hochgradigem Fieber und haben ihn soeben in da- Sanatorium des Geheimrats Milanus gebracht."

So wissen Sie nicht, was während des Konzerts ge»; schehen? Wissen Sie vielleicht, wann Herr Kommerziell^ rat Hölderlin seine Rede gehalten hat?"

Der Oberingenieur ist noch erstaunter.

Seine Rede? Hier, Herr Kapellmeister Winkelmann hat die Folge der Musikstücke genau ausgeschrieben. Von zwölf bis zwanzig Minuten nach zwölf Uhr spielten di» Herren Mendelssohn und Meißner. Von zwölf Uhr zwei- unvzwanzig bis zwölf Uhr dreißig spielte das Orchester einen Marsch. Von zwölf Uhr zweiunddreißig bis zwölf Uhr fünfuiidvierzig ein Operettenpotpourri uud von -jwölf Uhr scchsundvierzig bis ein Uhr wieder die Herren Men­delssohn und Meißner. Von einer Rede lveiß ich nichts/

Ter Kommissar unterbricht.

Hat der Kapellmeister Telephon? Dann lassen Sich.

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