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Der GchlllWrr
Amts- und Anzeige-Blatt für den Gberamts-Bezirk Nagold.
74 Jahr-a«g.
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Schwäb. Landwirt.
^ 8ü.
Nagold. Montag den 5. Februar
1900.
Amtlicher.
Bekanntmachung de- Ministerium- des Innern, betr. die Nebereiuknnft mit der Norddeutschen Hagrlvtrsicheruugsge- srllschast in Berlin über die Regelung der Hagelversicherung in Württemberg.
Nachstehend wird eine Bekanntmachung der Direktion der Norddeutsche» Hagelversicherungs-Gesellschaft in Berlin vom 16. d. M. veröffentlicht, durch welche die bei der Ausfertigung der letztjährigen Policen ausgesprochene Kündigung der württembergischen Versicherungen zurüekgenommen wird.
Stuttgart, den 27. Januar 1900.
Pischek.
Bekanntmachung.
An die württembergischen Mitglieder der Norddeutschen Hagelversicherungs-Gesellschaft.
Nachdem der zwischen der Königlich Württembergischen Staatsregierung und unserer Gesellschaft vereinbarte neue, zehnjährige Vertrag Rechtskraft erlangt hat, ist nunmehr der Grund für die bei LuSsertigung der letztjährigen Policen von uns ausgesprochene Kündigung der württembergischen Versicherungen hinfällig geworden.
Wir ziehen daher diese Kündigungen hierdurch ausdrücklich zurück und werden demgemäß alle diejenigen, welche uns nicht ihrerseits den Versicherungsvertrag aufgekündigt haben, beziehungsweise bis zum 30. April auskündigen werden, nach Maßgabe des 8 10 des Statuts und§ 18der Vrrsicherungsbedingungen als vollberechtigte Mitglieder angesehen.
Zur Vermeidung etwaiger Zweifel über die Fortdauer der Mitgliedschaft erwarten wir jedoch die pünktliche Einreichung der neuen Anträge bis spätestens zum 1. Juni, rndem wir uns andernfalls pcrö'igt sehen würden, von der noch 8 10 Absatz 2 des SiatutS uns zustehenden Befugnis eines 20°/oigrn Abzugs vcu der Euisüädigung Gebrauch zu machen.
Berlin, den 16. Januar 1900.
Die Direktion
der Norddeutsch en Hagelv ersicherung s-Ge sellschaft.
An die Ortsarmenbehörden.
In Gemäßheit des Erlasses des Kgl. Ministeriums des Innern vom 2. Jan. 1900, Minist.-Amtsblott Nr. 1 S. 3, haben die Ortsai menbehörden die Akte« über diejenigen Minderjährige«, welche am 1. Januar 1900 auf Grund von Art. 12 des Polizeistrafgesetzes vom 27. Dezember 1871 in einer Familie oder Anstalt zwangsweise nnterge- dracht waren und für welche die Erzishungskosten aus den Mitteln eines Orts- oder Landarmenverbands ganz oder teilweise bestritten werden müssen, dem Ausschuß der Land- armenbehörde mit dem Antrag aus Uet ernahme des Zöglings in eigene Fürsorge alsbald zu übersenden.
Die Ortsarmrnbehördev werden nun beauftragt, diese Akten binnen 8 Tage» dem Oberamt einzusenden.
Dieselben müssen für jedes einzelne Kind getrennt gehalten werden und Folgendes enthalten:
1) Vor- und Familiennamen, Geburtstag und Geburtsort des Zöglings, sowie Namen und Wohnort der Eltern desselben;
2) einen Auszug aus dem SemeinderatSprotokoll über den Beschluß des Gemeinderats wegen Abnahme des Kindes auf Grund des Artikels 12 des Polizeistrafgesetzes vom 27. Dezbr. 1871;
3) die etwa ergangene, den Beschluß de- Gemeinderats auf Anordnung der Zwangserziehung bestätigende Rekursentscheidung des gemeinschaftlichen OberamtS;
4) die Bezeichnung der Familie oder der Anstalt, in welcher der Zögling untergebracht ist, unter Angabe der Höhe des jährlichen VerpflrgungSgelds und der sonstigen Nebenauslagen;
5) die Angabe der Vermögens- bezw. Einkommensverhält' niffe deS Zöglings und seiner alimentationspflichtigen Verwandten (Eltern, Großeltern rc. rc.) mit einer Aeußerung darüber, ob dieselben im Stande find, zu dem Aufwand Beiträge zu leisten und eventuell in welcher Höhe.
Eventuell ist Fehlanzeige zu erstatten.
Nagold, den 1. Februar 1900. _ K. Oberamt. Ritter.
An die K. Grnndbnchämter.
Höherem Aufträge zufolge werden die Grundbuchämter hiemit angewiesen, dre Anlegung der Gruydstückregister, soweit dies nicht bereits geschehen, nunmehr alsbald in Angriff zu nehmen und von dem Vollzug der Anlegung dem Amtsgericht längstens bis zum 1. März d. I. Anzeige zu erstatten.
Nagold, den 3. Febuar 1900.
K. Amtsgericht.
_ Oberamtsrichter. Sigel.
K. Amtsgericht Nagold.
Lekanntmachung, betr. Musterformulare.
Bei dem Kgl. Justizministerium sind Musterformulare, zunächst für Grundbuchsachen, weiterhin aber auch für andere Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere Vormundschasts- und Nachlaßsachen, sowie für das Zwangs- vrrsteigerungS- und Zwangsverwaltung-verfahren hergestellt worden, beziehungsweise ist diese Herstellung noch im Gange.
Von den Formularen in Grundbuchsachen und von denjenigen in Vormundschasts- und Nachlaßsachen, soweit letztere den Geschäftskreis des ordentlichen Vormundschafts« und Nachlaßgerichts betreffen, werden demnächst je 2 Exemplare an die Grundbuchämter nnd an die Vorsitzenden der Vormundschasts- und Nachlaßgerichte des Bezirks übermittelt werden.
Den beteiligten Behörden und Beamten wird unter Hinweisung auf 8 58 letzter Absatz der Verfügung des K. Justizministeriums vom 30. November 1899 eröffnet, daß die Benützung der Formulare — vorbehältlich der Prüfung ihrer Verwendbarkeit im einzelnen Fall und der im einzelnen Fall etwa erforderlichen Abänderungen derselben — ihnen anheim gegeben sei, auch daß der Druck der Formulare freigegeben ist, und daß es demgemäß dem einz-lnen Beamten freisteht, ob und von welcher Buchdrucker« er solche beziehen will.
Den 3. Februar 1900.
Oberamtsrichter. Sigel.
Deutscher Reichstag.
t Der Reichstag erledigte am Mittwoch in Forts, der Spejial- beratung des Etats der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung eine große Anzahl von Petitionen desselben. In der fast Sstünd. Debatte kamen vorwiegend lokale und spezielle Wünsche wie Beschwerden zum Ausdruck, doch fehlte es auch nicht an etwas allgemeiner gehaltenen Erörterungen. So vrranlaßte ver Ausgabentitel: .Oberpostassistenten und Assistenten" eine längere Diskussion über die Lage der Postafststenten und über die angebliche Verletzung des Etatsrechtes oeS Reichstage- durch die Nichtbefetzung einer Anzahl von Assistentenstellen seitens der Reichspostverwaltung durch Assistenten, an deren Stelle bloß Diätare eingestellt worden sein sollen. Die ausgedehnte Debatte endete mit Ablehnung des Antrages deS Abg. Dr. Bielhaben (Antis.), Tit. 22 .Gehalt der Oberpostassistenten und Assistenten" an die Komm, zurückzuverweisen, und Genehmigung dieser Position. Im klebrigen wurden die sämtlichen erörterten Positionen unverändert genehmigt.
-f Der Reichstag hielt am Donnerstag nur eine ganz kurze Sitzung ab, dieselbe dauerte noch nicht eine Stunde. In ihr wurden zunächst die noch restierenden Teile deS Postetats erledigt und sämtlich unverändert bewilligt, abgesehen von der in Tit. 35 der einmaligen Ausgaben enthalrenen Forderung von 297 OM ^ als erste Rate zum Umbau und zur Erweiterung deS Postgrundstücks in Mannheim; auf Vorschlag der Budgetkomm, bewilligte der Reichstag einstweilen nur 180000^! zu genanntem Zweck. Die allermeisten Positionen gelangten debattelos zur Annahme, die hie und da beliebte Debatte war belanglos. Ohne Erörterung bewilligte das Haus dann den Etat der Reichsdruckerei. Hierauf vertagte sich der Reichstag bis nächsten Dienstag, in welcher Sitzung dre Forts, der Spezialberatung der Vorlage, betr. Abänderung von Bestimmungen deS Reichsstrafgesetzbuches auf der Tagesordnung steht. — Die jetzt eingetretene Pause in den Plenarverhandlungen des Reichstages ist zum Teil wohl der Absicht zuzuschrerben, den verschiedenen Komm, etwas mehr Vorsprung in ihren Arbeiten zu ermöglichen, teils hängt sie aber auch mit dem Wunsche zusammen, den einzelnen Fraktionen Zeit zur Aussprache über die neue Flottenvorlage in Hinblick auf die bevorstehende Generaldiskussion hierüber zu lasten. Die freis. Volksp. und die süddeutsche Bolksp. haben die bekr. Fraklionssttzungen allerdings schon vor Eintritt der gedachten parlamentarischen Pause abgehalten. Beide Fraktionen sollen hierbei zu dem Entschluss« gelangt sein, die Flottenvorlage abzulehnen. waS allerdings dem bisherigen starr verneinenden Verhalten des Richter'schen Freisinns undber Gruppe dersädd. Dem. insolchen Fragen nur entsprechen würde.
Zur Realschulsrage.
Nachdem diese Angelegenheit in einem Artikel des „Gesellschafter" behandelt worden ist, soll diese Frage zur Aufklärung der Bürgerschaft auch von unparteiischer Seite klar gelegt werden.
Bei der Gründung der Realschule im Jahre 1890 ging man in erster Linie davon aus, es werde sich nur um eine Iklassige Schule handeln; da die Anmeldungen jedoch zahlreich «nliefen. verlangte die Oberschulbehörde, daß bei der Gründung sofort eine 2klassige Schule mit einem Reallehrer und einem Tollaborator errichtet werde. Die städtische Vertretung wollte jedoch die Frequenz der Schule abwarten, sie sagte sich auch, da die Lateincollaboratur damals schwach besucht war, es könne an den Kosten gespart werden, und drang schließlich mit dem Vorschlag der Vereinigung der Real- und Lateincollaboratur durch.
Ausdrücklich behielt sich die K. Kultministerialabteilung aber vor. eo. auf Grund der mit dieser Einrichtung zu machenden Erfahrungen auf die Errichtung einer besonderen Realcollaboraturklaffe zurückzukommen.
Da bei dem ersten Ansturm in die Realschule die Ober-
Nagold in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
(Fortsetzung.)
Schon 1858 war die Bauklage gegen den Staat beim Amtsgericht Calw (das Amtsgericht Nagold wurde verworfen) anhängig gemacht worden und die Entscheidung hatte dahin gelautet, daß die Staatsstnanzverwaltung als Besitzerin des Vermögens der Pfarrkirche zu Nagold im Falle des Unvermögens des Heiligen schuldig sei, die Baulast zu tragen. Gegen dieses Urteil legte die Finanzverwaltung Rekurs ein beim Gerichtshof in Tübingen 1861 und beim Obertribunal in Stuttgart 1863, doch ohne Erfolg. Aber noch dauerte es 7 Jahre, bis alle Schwierigkeiten beseitigt waren und der erste Spatenstich gethan werden konnte.
Anläßlich der Versetzung eines Lehrers wurde zum erstenmal die Frage der Errichtung einer Realschule angeschnitten und zu diesem Zweck eine Generalversammlung des Gewerbevereins einberufen.
Die Pfingstfeiertage sahen fröhliches Leben im Städtchen, lieber 150 fremde Turner lagen in gastlichen Bürgerquartieren. Es galt das Gauturnfest zu feiern, zu dem die Stadtkasse 100 fl. beigesteuert hatte.
Am 30. Mai kam ein stattlicher Zug von 38 Fahrzeugen mit 3 Vorreitern und einem Musikkorps an der Spitze von Wildberg das Thal herauf. Das letzte Stück der Nagoldthalstraße wurde eröffnet; 160 Festgäste feierten das Ereignis auf der Post.
Eine altehrwürdige Einrichtung fiel im August. Die Stunden wurden von dem Nachtwächter nicht mehr in der üblichen Weise abgerufen sondern Kontrolluhren aufgestellt.
In der Zeitung beklagt sich ein Freund des Alten darüber, daß „sogar an der Kirche" eine solche Uhr angebracht sei. Wird unsere Zeit, fährt der Biedere fort, auf dieser Bahn von Stufe zu Stufe fortschreiten, so möchte es am Ende dahinkommen, daß wir ein Land erreichen, in dem das wahre Christentum zur Seltenheit geworden ist.
Zwei Gedenkfeiern wurden im Herbst abgehalten, im September eine Körnerfeier im Hirsch, veranstaltet vom Turnverein unter Mitwirkung des Liederkranzes am 50. Todestage des Dichters. Ein improvisierter Toast auf das einige Deutschland, ausgebracht vom Vorstande des Turnvereins, fand den lebhaftesten Widerhall. Die 50jährige Wiederkehr der Völkerschlacht bei Leipzig wurde als nationaler Gedenktag am 18. Okt. unter Teilnahme der ganzen Bürgerschaft festlich begangen. An der Spitze des Festkomitös stand Stadtschultheiß Engel. Dem Festgottesdienst folgte Rede und Gesang auf dem Stadtacker; abends wurde ein Fackelzug ausgeführt und Freudenfeuer angezündet.
1864.
Die Nachtwächterumtriebe waren nicht zur Ruhe gekommen, und so sah sich denn der Gemeinderat genötigt, die Nachtwächtereinrichtung wieder in den früheren Stand zu setzen. Als an Neujahr zum erstenmal wieder die beliebten melodischen Rufe erschallten, beruhigten sich die aufgeregten Gemüter.
Am 12. Februar starb hier Dr. Gottlieb Heinrich Zeller, Apotheker und Naturforscher, ein wahrer Christ und Menschenfreund, dessen Andenken im Zellerstift fortlebt.
Die von Dänemark wiederholt versuchte Vergewaltigung Schleswig-Holsteins verursachte ungeheure Aufregung in
Deutschland. Die öffentliche Meinung war entschieden für die vollständige Trennung Schleswig-Holsteins von Dänemark und verlangte vom Deutschen Bunde wenigstens eine vorläufige Besetzung der Herzogtümer. In diesem Sinne wurden in ganz Deutschland Versammlungen abgehalten. Am Ostermontag tagten in ganz Württemberg, so auch bei uns in Nagold, die Schleswig-Holstein-Versammlungen. Aber kaum mehr als 100 Personen besuchten die von Rechtskonsulent Mulot geleitete und auf dem Stadtacker abgehaltene Versammlung.
In Verbindung mit solchen vaterländischen Aufwallungen stand die Gründung von Jugendwehren. Bürgergarde, Bürgerwehr und Jugendwehr waren alles Vorläufer des schönen Gedankens, des „Volks in Waffen"; aber erst durch Preußens Einwirkung sollte der Gedanke verwirklicht werden. Also auch in Nagold thaten sich etwa 30 Jünglinge zur Jugendwehr zusammen. Ein alter Unteroffizier war der Leitende; Reisemärsche und Felddienstübungcn neben Einzelcxerzieren standen auf dem Programm der Jugcndwehr. Im August wurde ein gemeinschaftlicher Felddienst mit der Göttelfinger Jugendwehr auf der Vollmaringer Heide abgehalten.
Aufrichtige Trauer rief in Nagold der im Juni erfolgte Tod des allbeliebten und allverehrten Königs Wilhelm hervor.
In Sachen der Eisenbahn war man in Nagold wohl auf der Hut. Ein besonderes Eisenbahnkomitö bestand schon seit längerer Zeit unter dem Vorsitz von Louis Sanfter.
(Forts, folgt).