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tretung der benachbarten Monarchie, in den Delegationen, Kundgebungen der wärmsten Teilnahme an dem Ergehen unseres Kronprinzen in feierlicher Weise zum Ausdruck gelangt. Mit gerührter Dankbarkeit wird allenthalben im Deutschen Reiche diese beredte Bethätigung freundnachbarlicher Teilnahme empfunden worden sein, welche in der gemeinsamen Verehrung und Liebe für den erlauchten Kronprinzen eine neue Befestigung jener innigen und herzlichen Beziehungen erkennen läßt, die unser deutsches Reich zu allgemeiner Genugthuung mit dem Habsburgischen Kaiserreiche verbinden."
San Remo, 20. Nov. (10.25 abends. Dep. d. Calwer Wochenbl.) Das Befinden des Kronprinzen ist relativ befriedigend.
Hages-WeirigkeiLen.
Wildbad, 16. Nov. Der 15jährige Sohn des Metzgermeisters F. von hier verletzte sich heute früh im Schlachthaus beim Zerlegen eines Schweines am Oberschenkel. Er selbst und sein mit ihm arbeitender Vater schenkten der anscheinend unbedeutenden Wunde keine besondere Aufmerksamkeit, bis ein großer Blutverlust die Gefahr erkennen ließ. Aus dem Nachhauseweg stürzte der junge Mann ohnmächtig zusammen und die herbeigerufenen Aerzte konstatierten, daß eine Hauptader durchschnitten sei. Der Verunglückte wurde, durch den großen Blutverlust sehr geschwächt, in das hiesige Spital gebracht. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.
Ulm, 17. Nov. Kürzlich wurde hier ein Hausierer mit seiner Frau festgenommen, welche sich auf eigentümliche Art in die Hände des Gerichts lieferten. Einem krüppelhaften Hausierhändler, der seinen Kollegen gegenüber in einer hiesigen Wirtschaft prahlen und seinen Worten dadurch den gehörigen Nachdruck zu verleihen suchte, daß er mit seinem gespickten Geldbeutel auf den Tisch schlug, war bei dieser Gelegenheit ein 20-Markstück auf den Boden gefallen. Die Frau des elfteren hatte sich auch an dem Suchen beteiligt und solches sich unrechtmäßiger- und heimlicherweise angeeignet, dasselbe dann in einem benachbarten Geschäfte wechseln lasten und den Rest ihrem im Außenzimmer der Wirtschaft befindlichen Manne zugesteckt. Als sich nachher der Verdacht auf die betreffende Frau lenkte, ging deren Ehemann in anscheinend großer Entrüstung auf die Polizei und stellte dort das Ersuchen, seine Frau einer Untersuchung betr. des Geldes zu unterwerfen. Man erklärte ihm nun, man werde sämtliche beteiligte Personen durchsuchen und machte bei ihm den Anfang. Als ihm der Hut abgenommen wurde, fielen x von seinem Kopfe über 16 zu Boden und er war andern Tages gestän-
big, das Geld, welches er anfänglich erspart haben wollte, von seiner Frau erhalten zu haben, welche nunmehr auch zugab, das 20-Markstück gefunden und sich angeeignet zu haben.
Wevrnifchtes.
Orden und — Gartenmesser. Eine noch wenig bekannte Episode aus dem Leben Friedrichs des Großen, wie sie sich durch Familientraditionen erhalten hat, wird von dem Blatte „Der Bär" in seiner jüngsten Nummer erzählt. In den späteren Regierungsjahren Friedrichs benutzte ein Kaufmann des Auslandes, welcher in Geschäften nach Berlin gereist war, die Nähe von Sanssouci, um den König zu sehen. Er hatte sich in den dortigen Schloßgarten begeben, wo er den König bei dessen gewöhnlichem Spaziergange ungestört zu beobachten hoffte, und wandte sich an einen Mann, welcher mit Verschneiden eines Weinstockes beschäftigt war, mit der Frage, in welcher Stunde wohl der König in dem Garten zu lustwandeln pflege und ob er ihn hier erwarten dürfe. Sofort erfolgte die Antwort: „Da braucht Er nicht lange zu warten, ich bin der König!" — Der bestürzte Kaufmann verliert die Fassung nicht, sondern erklärt in ehrerbietiger und einfacher Weise den Zweck seines Weges nach Sanssouci. War es nun das Treuherzige in Blick und Sprache oder ein anderes Etwas, das dem königlichen Herrn an dem Kaufmann gefiel, genug — das Wesen des Kaufmanns sprach den König an, und er ließ sich mit ihm in eine längere Unterredung ein, welche im Garten damit endigte, daß er den Kaufmann zur Tafel befahl.
Dieser suchte zwar sich damit zu entschuldigen, daß ihn seine Geschäftsfreunde in Berlin schon früher zurückerwarteten. Der König aber beseitigte sein Bedenken dadurch, indem er sofort Befehl gab, die spätere Rückkehr des Kaufmanns nach Berlin zu melden, setzte dann bei Tafel die lehrreiche Unterhaltung mit dem im Welt- und Menschenverkehr erfahrenen Gaste heiter fort und entließ ihn endlich mit einem Ausdruck und Zeichen von Wohlwollen, welche den Geber wie den Empfänger ehrten und Friedrichs Größe auch hier bewundern lassen. Er händigte ihm nämlich beim Abschied sein — Gartenmesser mit der Bemerkung ein: „Als König sollte er ihm eigentlich einen Orden geben; er habe aber in ihm einen Mann gefunden, der ihn verstehe, wenn er auf dieses einfache Andenken größeren Wert lege." — Das Messer ist heute ein Heiligtum in der Familie des Kaufmanns.
Landwirtschaftliches.
* Ueber die großen Vorzüge des Allgäuer Viehschlages ist s. Z. in diesen Blättern so Manches geschrieben worden, was die Viehbesitzer hätte bestimmen können, sich mit demselben zu befreunden. Bedauerlicherweise aber haben die mehrjährigen, mit großen Opfern verbundenen Bemühungen des landw. Bezirksvereins für Einführung dieses durch seine große Milchergiebigkeit, wie durch seine schönen Formen ausgezeichneten Rindviehschlages nicht den erwarteten Anklang gefunden und es sind verhältnißmäßig nur wenige Ställe im Bezirke, in denen derselbe noch rein oder wenigstens halbrein zu finden ist. Um so erfreulicher ist es, wenn einzelne Viehbesitzer immer noch, soweit es möglich ist, für Erhaltung des in seinem Werthe erkannten und liebgewordenen Viehschlages bemüht sind und dann aber auch den wohlverdienten Lohn ihrer besseren Einsicht erndten. So wird von Liebenzell berichtet, daß dort ein 4 Wochen altes Allgäuer Kalb 234 Pfd. gewogen hat und bei einem Preise von 37 ^ pr. Pfd. für 86
58 L verkauft wurde. In der That ein schöner Erlös, bei dem aber auch noch in Betracht kommt, daß das Kalb in den ersten drei Wochen nicht einmal sämmtliche Muttermilch ausnehmen konnte, sondern immer noch gemolken werden mußte. Vielleicht ist diese Notiz dazu angethan, nicht nur die alten Freunde des Allgäuer Schlages in ihrer Vorliebe zu bestärken, sondern demselben auch neue Freunde zuzuführen.
Eingesendet.
/ Von einigem Interesse für den Leserkreis des Wochenblattes dürfte die
Mitteilung dienen, daß auf der ganzen Gäuseite eine bekannte heimtückische Krankheit herrscht, die man unter dem Namen Scharlach kennt. Sie ergreift hauptsächlich Kinder bis zum 12. Lebensjahr, so daß oft in einem Hause 5, 6 und 7 Kranke liegen. Dabei ist hervorzuheben, daß diese Krankheit oftmals ein und dasselbe Kind wiederholt heimsucht. Zuerst klagen die Kinder über Kopfweh und Müdigkeit; nach einigen Tagen gesellt sich Erbrechen dazu, das sich bei manchen so oft wiederholt, so oft der Patient etwas genossen hat. Den eingetretenen Frost löst ein trockenes, hitziges Fieber ab, dem ein nahezu unbekämpfbarer Durst folgt. Viele Kinder phantasieren bei der Nacht und ängstigen damit das ganze Haus. Die Mundhöhle, der Rachen und die Zunge werden trocken, bräunen sich bisweilen und an den Ohrspeicheldrüsen zeigt sich der sogenannte „Baurenwetzel", eine starke Anschwellung unter den Ohren. Auch die Ausdehnung der Krankheit auf die Lungen war bis jetzt nur gutartig, wenn auch dies ganze Krankheitsbild in viererlei Gestalten auftrat: im glatten, im frieselartigen, im blasigen und im versteckten Scharlach. Nach einigen Wochen löst sich gewöhnlich die ganze Haut nach und nach vom Körper und wird allmählich durch neue ersetzt, wobei die Kinder noch mancher Gefahr ausgesetzt sind. Unter solchen Verhältnissen wären die Bewohner glücklich, wenn ein erfahrener Arzt die Dörfer periodisch besuchte, damit sie bei eintretender Krisis nicht erst in die Stadt schicken müßten. Wäre es nicht möglich, einen Distriktsarzt zu gewinnen, nachdem der alte Sattler, dem mit Recht so viel Vertrauen entgegengebracht wurde, in Stammheim gestorben ist?
„Aber die gnädige Frau wird doch ein anderes Kleid anziehen", wagte das Mädchen einzuwerfen.
„Nein, nein, unterdessen könnte er ja sterben! Nur schnell einen dunklen Mantel, der Alles verbirgt."
Pattie reichte ihr einen langen schwarzen Mantel, dessen Kapuze sie über den Kopf warf.
„Du wirst mich erwarten, Pattie, an der Seitenthüre nach dem Park zu."
„Gewiß, gnädige Frau. Aber ich wünschte, Sie ließen mich lieber mitkommen. Das läuft gewiß nicht gut ab."
„Es kann nichts passieren, halte nur meine Thüre zu und laß Niemand herein, ich habe Kopfschmerzen."
Mit leichten, raschen Schritten eilte sie hinunter über eine Seitentreppe und durch eine Seitenthüre hinaus in den Hof. Bei den Ställen angekommen, blieb sie stehen, dort schimmerte noch ein Licht. Doch was thats schließlich? Es konnte doch nur ein Reitknecht sein, und der kannte sie nicht. Nasch entschlossen eilte sie weiter.
Nun hatte zufällig an demselben Tage Lord Ellertons Lieblings-Jagdpferd einen kleinen Unfall erlitten und er war, nachdem er seiner Frau Gute Nacht gesagt, noch einmal nach den Ställen gegangen, um zu hören, was das Pferd mache. Die Auskunft war eine günstige gewesen und da die Nacht sehr schön war, blieb Lord Ellerton noch einen Augenblick vor der Stallthüre stehen, um seine Cigarre zu Ende zu rauchen. Wie er eben die letzte Asche wegwarf sah er eine dunkle Gestalt über den Hof eilen und im nächsten Moment hatte er das todblasse Antlitz seiner Frau erkannt. Was konnte das bedeuten? Eben hatte sie sich unter dem Borwand heftiger Kopfschmerzen von ihm verabschiedet und nun eilte sie in die dunkle Nacht hinaus.
Sein Entschluß war rasch gefaßt, er folgte ihr auf dem Fuße. Sie lief in den Park, über den Nasen, in die lange Eichsnallee, die nach dem Hauptausgang führte, und dort, vor dem kleinen Portierhäuschen am Parkthore, wo Mitchell wohnte, hielt sie an-
Lord Ellerton blieb stehen; seine Phantasie mußte ihm einen Streich gespielt
haben, das konnte nicht Laura sein, es war gewiß Pattie, die ihrem Liebhaber einen Besuch abstattete. Und doch — hatte er nicht ihr Gesicht ganz deutlich gesehen?
Die Gestalt bettat das Häuschen, und wenige Minuten später sah er ihren Schatten auf dem weißen Rouleaux eines erhellten Fensters im oberen Stock. Gleich darauf ertönte ein herzzerreißender Schrei — es war die Stimme seiner Frau.
Ohne sich weiter zu besinnen, trat er auch in das Häuschen.
*
Als Lady Ellerton das Häuschen betrat, sah sie sich Frau Chiltern gegenüber, die sie erstaunt betrachtete. Was konnte die vornehme Dame, ganz allein, so spät in der Nacht hier wollen?
„Ist es war, daß Herr Mitchell hier im Sterben liegt?" fragte Lady Laura.
„Ja, gnädige Frau, es ist wahr."
„Ich muß ihn sprechen — allein. Ich kannte einst Jemand, eine Frau, die er liebte, und ich will ihm von ihr erzählen. Aber mein Besuch muß geheim gehalten werden. Sorgen Sie dafür, daß uns Niemand stört, Sie sollen reichlich belohnt werden."
„Vertrauen Sie -mir gnädige Frau, ich werde gewiß nichts verraten; aber das Kind ist bei ihm, der kleine Hans, er wollte ihn gar nicht von sich lassen."
Das Kind! Sein Sohn war also auch bei ihm! So sollte er doch wenigstens im Tode Weib und Kind um sich haben!
„Der Kleine stört nicht", sagte Lady Ellerton leise, „führen sie mich zu dem Kranken."
Sanft und leise folgte sie der Frau die Treppe hinauf. Dort deutete diese auf eine nur angelehnte Thür, und Lady Ellerton trat ein. Bei dem Bilde, das sich ihr hier bot, entfuhr ein Schrei ihren Lippen. Dort auf dem Bette lag der sterbende Mann, dem der Tod schon sein Siegel aufgedrückt, und fest in seinen Arm geschmiegt, lag sein kleiner Sohn in tiefem Schlaf. Das reizende Gesichtchen war vom Schlummer gerötet, die goldbraunen Locken lagen malerisch verwirrt auf dem Kissen und die kleinen Hände umschlossen die Roberts, als ob nur der Tod sie trennen könne.
(Fortsetzung folgt.)