62. Jahrgang.
Mo. 132.
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Erscheint Kie«»t«k, Ko«»er»tag L Samstag.
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Donnerstag» äen 10. November 1887.
'Komische Wcrchvrchten.
DeulschesReich.
Berlin, 7. Nov. Das Hosjournal meldet: „Der Prinz Wilhelm kam heute vormittag von Potsdam nach Berlin, um sich von dem Kaiser vor seiner Abreise nach San Remo zu verabschieden, woselbst in allernächster Zelt eine Konsultation mehrerer bedeutender Aerzte über eine fernere Behandlung des Kronprinzen in Aussicht genommen ist. Prinz Wilhelm tritt seine Reise nach San Remo heute abend an, zu welchem Besuche bei seinen erlauchten Eltern der Kaiser gern seine Genehmigung erteilt hat. Zugleich hat der Kaiser den Prinzen Wilhelm beauftragt, ihm über den Verlauf der Konsultationen nach seiner Rückkehr aus Italien mündlich eingehenden Bericht zu erstatten." Für die Konsultation ist Prof. Bergmann aus Berlin und ein Frankfurter Spezialist in Aussicht genommen. Der „Reichsanzeiger" schreibt: Aus San Remo ist uns nachstehendes Telegramm zur Veröffentlichung zugegangen: „Das Allgemeinbefinden Sr. kaiser- lichen Hoheit des Kronprinzen ist andauernd ein vortreffliches; höchst- derselbe macht sich viel Bewegung in freier Luft, Schlaf und Appetit sind gut. Dagegen hat das örtliche Leiden in den letzten Tagen einen ungünstigen Charakter angenommen, obgleich keine Symptome von augenblicklicher Gefahr vorhanden sind, so habe ich doch darum gebeten, daß andere Spezialisten hinzugezogen werden; infolgedessen sind Professor Schroeter- Wien und Privatdozent Dr. H. Krause-Berlin aufgefordert worden, nach San Remo zu kommen. Morell Mackenzie."
Berlin, 7. Nov. Der russische Botschafter Graf Schuwaloff hat nach der K. Ztg. nunmehr amtlich die bevorstehende Ankunft des Kaisers Alexander für Mitte dieses Monats angekündigt. Der Zar weiß noch nicht, an welchem Tag er hier eintreffen wird; doch ist in Aussicht genommen, daß er vormittags gegen 10 Uhr hier ankommen und vor Mitternacht nach Petersburg weiter reisen wird. Der Tag der Abreise des Zaren, schreibt das Blatt ferner, der schon mit Rücksicht auf die bekannten Vorsichtsmaßregeln thunliLst lange geheim gehalten werden wird, ist noch nicht endgültig festgesetzt. Die Abreise wird nicht vor dem 15. d. M. stattfinden, da es notwendig ist, daß Kaiser Wilhelm bei dem großen Pflichteifer, mit dem er bei solchen Besuchen die Pflichten des Hausherrn wahrnimmt, zunächst wieder sich des Vollbesitzes seiner Kräfte erfreut. In hiesigen diplomatischen Kreisen rechnet man übrigens mit Bestimmtheit darauf, daß neben Herrn v. Giers auch Fürst Bismarck zur Kaiserzusammenkunft
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aus Friedrichsruh hier eintreffen wird. Es scheint zwar in letzterer Hinsicht noch keine besondere Meldung vorzuliegen, doch weiß man zuverlässig, daß der Reichskanzler ja auch den Zaren in Stettin hatte begrüßen wollen, falls er zur Zeit der Kaisermanöver dorthin gekommen wäre, wie denn auch bereits im Stettiner Kreistagsgebäude eine Wohnung für den Fürsten Bismarck bereitgestellt worden war.
Berlin, 8. Nov. Der Bruder des Zaren, Großfürst Alexis, trifft am Freitag hier ein, um den Zaren zu erwarten.
Berlin, 8. Nov. Die Grundzüge zur Alters, und Jnvalidenversorgung der Arbeiter haben die Genehmigung des Kaisers gefunden. Zur Vorberatung wird der Volkswirtschaftsrat wahrscheinlich Mitte nächster Woche zusammentreten. Die Vorlage soll sich auf alle Arbeiter, circa 12 Millionen, erstrecken. Ob dem Staatsrat die Grundzüge oder der bereits ausgearbeitete Gesetzentwurf vorgelegt wird, steht noch nicht fest.
Frankreich.
— Die „Landeszeitung für Elsaß-Lothringen" giebt eine neue Blutenlese der Rohheiten, welche sich französische Zeitungen Deutschland gegenüber gestatten. So schreibt ein Herr Ernst Gay im Pariser „P a y s", veranlaßt durch die Betrachtung eines deutschen Blattes darüber, daß die Tötung eines deutschen Bauern durch einen russischen Grenzsoldaten weder in der französischen noch in der russischen Presse Erwähnung gefunden habe, Folgendes : „Wenn ein Franzose getötet wird, wie bei Raonsur-Plaine, so gerät Europa in Aufregung. Ein Franzose ist ein Mensch. Wenn ein russischer Grenzbeamter einen Preußen lötet, so achtet die öffentliche Meinung nicht darauf. Es ist dann eben ein Hund weniger und man geht darüber hinweg." In derselben Zeitung giebt einige Tage später ein gewisser George» Maillard den Inhalt ines angeblichen Gesprächs mit einem Belgier über die auch von dem be.gischen Volke gehaßten „Teutonen" wieder und endigt mit dem Geständnisse, daß er gegen den Vorschlag des „guten Belgiers", e» müsse gegen alle in Frankreich und Belgien wohnenden Deutschen eine sizilianische Vesper veranstaltet und sie müßten alle ohne Ausnahme ermordet werden. Nichts einzuwenden gewußt habe. Lucien Nicot, der Verfasser der regelmäßigen Hetzartikel in der „France", begeistert sich dagegen nur zu dem Vorschläge, daß die Deutschen überall, wo man ihrer habhaft werden könne, mit Stöcken bearbeitet werden. „Das Traurigste an diesen Vorgängen", bemerkt die „Landeszeitung", „ist die Wahrnehmung, daß in ganz Frankreich, dem Lande, von welchem die Pariser Presse unablässig erzählt, daß es wegen der Ritterlichkeit und moralischen Größe seines Volkes von aller Welt bewundert und beneidet sei, sich nicht eine Stimme erhebt welche dazu riete, diesen verächtlichen Hetzereien endlich Einhalt zu thun."
Feuilleton. iNachdruck verboten..
Um Rang und Reichtum.
Dem Englischen frei nacherzählt von Sonntag.
(Fortsetzung.)
Der unglückliche Mann aber, der so lange Jahre auf sie gewartet hatte, war wie gelähmt. Er öffnete die Lippen, um ihren Namen zu rufen, aber kein Laut kam hervor; er versuchte ihr zu folgen, aber er vermochte sich nicht vom Platze zu bewegen. So stand er, bis er sie nicht mehr konnte, dann fiel er wie ein Toter zu Boden und verbarg das Gesicht im Gras.
So fand ihn kurze Zeit darauf ein Arbeiter, der glaubte, es sei ihm ein Unfall zugestoßen und ihm aufhals.
„Haben Sie die Dame in Grau und Rosa gesehen", war seine erste Frage, „die vor wenigen Minuten hier vorüberging ?"
„Ja, Sie meinen Lady Ellerton."
Lady Ellerton! Also das war das Ende. Sie hatte ihn verlassen, betrogen, um das Weib eines vornehmen Mannes zu werden, den sie auch betrogen haben mußte, und dieser Mann war nun sein Gebieter!
Der Arbeiter, der ihm aufgeholfen, sah ihn erstaunt an; Robert bemerkte es.
„Mir war nicht wohl, ein Schwindelanfall", erklärte er.
„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Herr Mitchell?" fragte der Mann höflich.
„Ich danke, es ist schon vorüber", war die Antwort, und der Arbeiter ging weiter.
Robert aber warf sich wieder in das hohe, weiche Gras und betete inbrünstig zu Gott, er möge ihn sterben lassen, er könne das Elend nicht ertragen.
Dann erhob er sich mit einem zornigen Schrei. Also das war Laura, sein Weib, die Herrin dieser prachtvollen Besitzung. Wie war es möglich! Wie grausam, wie niedrig hatte sie ihn verraten! Und während er tausend Qualen gelitten, hatte
sie hier in Glück und Reichtum geschwelgt! Aber er wollte sie ihn: entreißen, dem stolzen Aristokraten, er wollte sie zwingen, mit ihm zu gehen, war sie doch fein, sein rechtmäßig angetrautes Weib!
Da fielen seine Augen auf den Rasen, wo sie gestanden, und das Gedächtnis an ihr schönes geliebtes Antlitz blitzte in ihm auf. Und im selben Moment erinnerte er sich der Worte, die er ihr erwiderte, als sie ihn gefragt, was er wohl thun würde, wenn sie ihn verließe: „Ich würde Dir folgen bis an's Ende der Welt und zu Deinen Füßen sterben!"
*
Robert Roden war nach seiner Wohnung zurückgegangen, um seine Toilette wieder in Ordnung zu bringen; denn in seinem jetzigen Zustande konnte er sich Lady Ellerton nicht vorstellen und so viel stand fest bei ihn:, er mußte Laura sprechen, mußte erfahren, warum sie ihn verlassen.
Im Vestibül des vornehmen Hauses trat ihm Pattie freundlich lächelnd entgegen.
„Ah, Herr Mitchell! Sie sind sehr pünktlich. Die gnädige Frau ist bereit, Sie zu empfangen. Bitte, folgen Sie mir."
Mechanisch gehorchte Robert und folgte dem Mädchen über die Treppe, durch hohe, weite Korridore, durch prächtige Zimmerreihen mit Bildern und Kunstwerken vom höchsten Werte geschmückt. Er sah sich um. Das also war es, um dessetwillen sie ihn verlassen, um Rang und Reichtum hatte sie seine treue Liebe verraten! Aber wie war cs nur möglich? Wie war es gekommen, daß sie die Herrin dieses Palastes geworden, Lord Ellerton's Gemahlin? War sie denn nicht seine Frau? Oder sollte er sich dennoch geirrt haben? Hatte eine Aehnlichkeit ihn getäuscht?
Patties Stimme weckte ihn aus seinen Träumen.
„Wollen Sie hier im Boudoir einen Augenblick warten, Herr Mitchell?" sagte sie. „Die gnädige Frau wird sogleich erscheinen."
Robert betrat das reich und geschmackvoll ausgestattete Zimmer, das dem verwöhntesten Geschmack kaum etwas zu wünschen übrig ließ. Die Bilder, die es enthielt, erschienen selbst seinem ungebildeten Auge als hohe Kunstwerke, die Büsten und