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62. Jahrgang
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KoMische Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
— Dr. Mackenzie schrieb an Prof. Dr. Oertel in München bezüglich des Befindens des Kronprinzen, daß angesichts der bewährten Virchowschen Analyse auch jetzt noch Zweifel an der Gutartig» keit der Wucherung nicht bestehen; ein absolutes endgültiges Urteil sei aber erst 6 Monate nach der letzten Kauterisierüng zulässig. Wenn bis Januar keine Neigung zum Entstehen einer neuen Wucherung bemerkbar sei, stehe der Rückkehr des Kronprinzen nach Deutschland nichts entgegen. Dr. Mackenzie stellt in Abrede, daß er gegen die permanente Zuziehung von deutschen Spezialisten sei oder sich dagegen ausgesprochen habe.
Italien.
Mailand, 28. Okt. Die Kronprinzessin, Prinz Heinrich und Prin- zessin Viktoria sind von Baveno gestern nach Monza abgereist, um dem Königspaar einen Besuch abzustatten.
Türkei.
Konstantinopel, 22. Okt. (Geldnot.) Herr Krupp hat die türkische Regierung dieser Tage benachrichtigt, daß er sich genötigt sehen werde, von ihr eine Entschädigung zu verlangen, falls der Finanzminister fortfahre, die der Firma gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten zu ignorieren, bezw. wenn sie nicht binnen einer Woche die Zahlungen wieder ausgenommen haben werde. Aehnliches hat die deutsche Pulverfabrik ihr zu wissen gethan, da das bei ihr bestellte Pulver zur Absendung bereit liegt und bisher von der Pforte noch kein Geld bei ihr eingetroffen ist.
Wcrges-Weuigkerterr.
(Amtliches.) Von dem Bischöflichen Ordinariat in Rottenburg ist im Einverständnis mit der Königlichen Regierung für die katholischen Ein- wohner in der Oberamtsstadt Calw eine ständige Stadtpfarrverweserei errichtet worden. Derselben werden unter Lösung der bisherigen Pfarrver-
bände zugeteilt s) die Katholiken im Oberamt Calw, ausgenommen die Katholiken in Möttlingen, Simmozheim, Ostelsheim, Gechingen, Dachtel, Würzbach, Agenbach, Oberkollwangen, Neuweiler, Zwerenberg und Aichhalden; b) die in den zum Oberamt Neuenbürg gehörigen Orten Beinberg, Maisenbach, Unterlengenhardt, Bieselsberg, Jgelsloch, Schwarzenberg, Kapfenhardt und Grunbach wohnenden Katholiken; c) die Katholiken in Wildberg, Sulz und Gültlingen im Oberamt Nagold.
— Die nach der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11. Juni 1885 an der K. Tierarzneischule dahier abgehaltene Prüfung im Hufbeschlag hat u. a. mit Erfolg bestanden: Kömpf, Joh. Bernhard, aus Althengstett, OA. Calw.
Tübingen, 28. Okt. Gestern abend wollte der Knecht des Bier» brauers Wörner von Dußlingen mit einem Bierwagen den dortigen Eisenbahnübergang überschreiten, als plötzlich der Zug daherbrauste. Ein Pferd riß aus und kam unverletzt davon; dem andern Pferd wurde der Kopf zur Hälfte, dem Knecht ein Arm weggerissen, so daß er schwer verletzt ins Krankenhaus hieher gebracht werden mußte. Der Bierwagen war ganz zertrümmert.
Tübingen, 29. Okt. Se. Maj. der König hat bezüglich der Mörderin Langheinz von dem Rechte der Begnadigung keinen Gebrauch gemacht. Da Todesurteile zu ihrer Vollstreckung keiner Bestätigung bedürfen (Str.Pr.O. § 485), wird die Hinrichtung nächste Woche stattfinden. (Dis Langheinz wurde vom Schwurgericht Tübingen am 27. Sept. zum Tode verurteilt, weil sie ihre 8jährige Stieftochter mit Weingeist und Erdöl begossen und angezündet hatte, sodaß dieselbe nach Vz Stunde starb.)
Eßlingen, 27. Okt. Die Bemühungen des Gewerbevereins für eine Telephoneinrichtung in Eßlingen mit Anschluß an Stutt» gärt rc. sind, wie die Eßl. Ztg. mitteiit, nicht ohne Erfolg geblieben. Dank dem Entgegenkommen der maßgebenden Kreise in Stuttgart werden nun hier, wenn sich die früher bedungene Zahl von Privatabonnenten auch nicht findet, zwei öffentliche Telephonstellen, eine im Bahnhof und eine im Stadtpostamt, errichtet zur allgemeinen Benützung gegen eine mäßige Gebühr. Die näheren Bedingungen sowohl hiefür als für die Privatleitungen werden demnächst bekannt gegeben.
— Im Vorbachthal fuhren zwei Weinwägen auf einander. Eine Deichsel durchstieß einem vollen Faß den Boden und 600 Liter Wein gingen zu Grunde. — In Bieringen. OA. Künzelsau, sind in der Nacht vom 25. auf 26. d. der „Neckar-Ztg." zufolge 4 Scheuern abgebrannt. — Wie die „Eßl. Ztg." berichtet, will der Verschönerungsverein Eßlingen an der Katharinenlinde einen Ausbau Herstellen, der im unteren Teile Schutz gegen
Feuilleton. (Nachdruck vrrb oten.»
Am Rang und Reichtum.
Dem Englischen frei nachcrzählt von ^eo Sonntag.
(Fortsetzung.)
Noch immer kam kein Gedanke, daß etwas nicht in Ordnung sein könne. Er wunderte sich über ihre Abwesenheit und war enttäuscht, daß er ihr seine guten Nachrichten nicht sofort Mitteilen konnte. Aber noch war kein Zweifel an seinem Weibe in ihm aufgetaucht. Er vermutete, sie sei nach Rosendorf gegangen, um Besorgungen zu machen und habe sich verspätet; aber sie mußte jeden Augenblick kommen.
Mit einem Seufzer sah er sich um. Laura hatte nichts für ihn vorbereitet, so mußte er es für sie thun. Er machte Feuer und begab sich daran, Thee zu bereiten. Dann deckte er den Tisch, so wie sie es liebte, schmückte ihn mit Früchten und Blumen, stellte goldenen Honig darauf, den sie so gerne aß, und als er fertig war, trat er an die Thüre des Häuschens, um nach der Frau auszuschauen, die seine Schwelle nie wieder betreten würde.
Wohl eine Stunde stand er da und schaute hinaus, dort wo zwischen den Kastanienbäumen der Park sich lichtete und wo er sie kommen sehen mußte. Das Rufen der Turteltauben wurde schwächer, die Vögel sangen nicht mehr, die Schatten wurden länger und noch kam sie nicht. Er begann unruhig zu werden. Sollte ihr etwas zugestoßen sein? Er schloß die Thüre hinter sich und machte sich auf den Weg nach Rosendorf. Bei jeder Biegung des Pfades erwartete er ihr liebes Gesichtchen austauchen zu sehen, aber sie kam nicht. Er ging ins Dorf und fragte in allen bekannten Läden nach seiner Frau, Niemand hatte sie gesehen. Der Spezereihändler, bei dem sie alles kaufte) gab ihm die Versicherung, Frau Roden könne heute nicht in Rosendorf gewesen sein, er müßte sie sonst gesehen haben. Aber der Mann konnte sich irren, wo sollte sie sonst sein? Robert dachte, er müsse sie verfehlt haben und
gewiß wartete sie jetzt auf ihn. Er ging heimwärts, so rasch er nur konnte. Aber neue Enttäuschung. Sie war nicht da, war auch nicht dagewesen, das sah er, sobald er das Häuschen betrat. *
Vielleicht hatte Lady Cardin sie holen lassen. Er ging bis zur Portierloge und fragte dort, ob seine Frau zu der Herrschaft gegangen. Nein, Frau Roden war heute nicht hier vorbeigekommen. Wo konnte sie nur sein? Wieder eilte er nach Hause in der schwachen Hoffnung, sie jetzt zu finden, doch alles war leer und öde wie zuvor.
Im höchsten Grade beunruhigt, ging er im Zimmer auf und ab, bis der Morgen graute, und seine Angst wuchs von Minute zu Minute. Er konnte sich nicht erklären, warum sie eine ganze Nacht ausblieb. Der Vormittag verging, sie war nocb nicht da. Robert ging nicht an die Arbeit, er vergaß seine Verabredung mit Lord Cardin, sein Buch; er aß, trank und schlief nicht, er dachte an nichts, als an sein Weib.
Lord Cardin schickte zu ihm, er aber ließ ihm sagen, er könne nicht kommen, er sei krank.
So verging eine Woche bangen Wartens und Suchens. Der Unglückliche war fast wahnsinnig vor Verzweiflung, denn langsam, ganz langsam aber sicher war ihm die Gewißheit gekommen, daß sie ihn verlassen, mit Vorbedacht verlassen. Sie war in ihrem besten Kleide gegangen, und das, er wußte es wohl, hätte sie nicht angezogen, wenn es sich um einen gewöhnlichen Ausgang gehandelt. Als der Gedanke zuerst in ihm auftauchte, da schalt er sich verrückt, derartiges von seinem reinen Weibe zu glauben, aber mit jedem Tage kam die Ueberzeugung mehr über ihn, er konnte sich ihrer nicht erwehren. Der Brief nut der Fünfzig-Pfundnote kam an, er glaubte, das Geld habe mit seinem Buche zu thun und trat es unter die Füße; hatte er sich doch nur um ihretwillen darüber gefreut!
Noch hatte er keinem 'Menschen etwas von seinen: Verluste gesagt. Er hoffte immer noch, sie werde wiederkommen, — er hätte ihr ja so gerne verziehen und sie wieder an sein Herz genommen, — und dann sollte Niemand ihr etwas vorzuwerfen haben.