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62. Jahrgang

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Samstag, äen 29. Oktober 1887.

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auf dasCalwer Wochenblatt" für die Monate November- Dezember sollten heute schon bei sämtlichen Postboten und Post­ämtern aufgegeben werden.

Amtliche Wekanntmachirngen.

Calw.

Die Orlsvorsteher

werden im Hinblick auf die im Dezember d. I. stattfindenden Gemeinderats, und Bürgerausschuß-Wahlen veranlaßt, die in § 22 Abs. 2 der VollziehungS. Verfügung zum Gemeindeangehörigkeitsgesctz vom 7. Oktober 1885 vorge. schriebene Aufforderung rechtzeitig zu erlassen.

Den 28. Oktober 1887. K. Oberamt.

Supper.

Wochenschau.

L6. Die wichtigeren Vorgänge der Woche haben sich mehr außerhalb Deutschlands als in den Grenzen des Reichs abgespielt, es wäre denn, daß das Mahl, welches Graf HerbertBismarck zu Ehren des französischen Botschafters Herbettegab, als Zeichen der guten Beziehungen, welche jetzt zwischen der deutschen und der französischen Regierung obwalten und so­mit als Vorgang von besonderer Bedeutung angesehen werden müßte. Der Botschafter soll sich in Depeschen an Minister Flourens sehr anerkennend über seine Aufnahme in Berlin und über die Hinwegräumung aller Differenzpunkte ausgesprochen haben. Der Generalquartiermeister Graf Waldersee wohnte dem Diner an. Kais er Wilhelm ist in so guter Gesundheit nach Berlin zurückgekehrt, daß er sogleich in Begleitung des Prinzen Wilhelm einen Jagdausflug nach Wernigerode unternehmen konnte. Die Zufriedenheit der Aerzte des Kronprinzen mit den Fortschritten seiner Genesung konstatierte der Kronprinz selbst. Die Anfechtung des Arztes Macönzie (der Accent liegt auf dem e) durch deutsche Hechsporne stieß auf vielfachen Widerspruch in der deutschen Presse. In Baden und Sachsen tönen die bei den Land, tagswahlen angeschlagenen Saiten nach und es scheint, daß die liberalen und

Feuilleton. «Nachdruck verboten.»

Um Nang rmd Reichtum.

Dem Englischen frei nacherzählt von ^eo Sonntag.

(Fortsetzung.)

Mit solchen Sophismen suchte sie sich über ihr Unrecht hinwegzutäuschen; aber es gelang ihr nicht; sie wußte, sie konnte sich nicht verhehlen, wie schwarz das Ver­brechen war, wie verdammungswürdig vor Gott und den Menschen, das sie auszu' führen im Begriffe stand. Sie wußte auch, daß es vom Gesetze schwer geahndet würde, aber es konnte ja nicht an den Tag kommen, es wußte ja Niemand uni das fürchterliche Geheimnis, und Keiner würde wohl auf den Gedanken kommen, in Lady Ellerton die entlaufene Gattin des armen Gärtners zu suchen.

Und sie wollte versuchen, ihr Unrecht wenigstens insofern wieder gut zu machen, als sie dem edlen Manne, der um ihre Hand geworben, eine gute Gattin wurde und ihn glücklich machte. Es war dies ein Gedanke, der ihr selbst in seiner Unhaltbar­keit Freude machte; sie malte sich aus, wie viel Gutes sie in der neuen Stellung thun, wie vielen sie Hilfe bringen, wie sie zur guten Erziehung ihres Knaben beitragen könne. Ihrer Wohlthätigkeit würden keine Grenzen gesetzt sein.

So kam es, daß, als nach einigen Tagen Lord Ellerton die Sache wieder zur Sprache brachte, ihm zu seiner unaussprechlichen Freude eine bejahende Antwort wurde.

Die Nachricht von der Verlobung wurde überall mit Freuden begrüßt, inan hielt es für eine außerordentliche Partie. Der Marquis war entzückt und verhehlte es nicht, daß er Lord Ellcrton für seine Nichte auserkoren hätte, wenn er unter allen heiratsfähigen Edelleuten Englands zu wühlen gehabt.

Die Hochzeit sollte im Frühjahr des folgenden Jahres stattsinden; denn wenn auch der glückliche Bräutigam sie gerne früher gehabt hätte, die Vorbereitungen konnten nicht eher beendet werden.

Laura niuß der de Bourdons würdig ausgestattet werden", war die einzige

klerikalen Kreise Badens sich wieder schroffer als vor den Wahlen gegen- über stehen. In Sachsen wird eine Verschärfung der politischen Gegensätze insofern konstatiert, als einesteils die Konservativen die Majorität errangen, andernteils die Stimmen der sozialistischen Wähler von 2474 im Jahr 1881 auf 12,176 stiegen. Die Nachrichten amerikanischer Blätter über Aus« schreitungen der deutschen Marinesoldaten auf Samoa stellen sich als Er- findungen und Uebertreibungen heraus.

Das kindische ManifestViktorNapoleons, der ein Plebiscit verlangt, wird die parlamentarische Arbeit der soeben zusammengetretenen französischen Kammer kaum stören und nur, wie man glaubt, eine größere Trennung zwischen Bonapartisten und Orleanisten herbeiführen. Die Affaire des Herrn Wilson, welcher nach Ansicht der Mehrheit seiner Wähler durch die Caffarel-Limouzin-Angelegenheit und andere Dinge kompromitiert ist, scheint damit enden zu sollen, daß der Schwiegersohn des Präsidenten Grevy auf seinen Wohnsitz im Elysee verzichten muß. Eine taktlose Re« vancherede bei einem am 23. d. abgehaltenen Fest der Patriotenliga fand nur bei wenigen Blättern Beifall.

Ein Hauptereignis der Woche war die Banketrede CriSpi' s in Turin, welche als Zeugnis einer bis zum Schutz« und Trutzbündnis ent. wickelten Freundschaft Italiens und Deutschlands betrachtet wird. Aus den Aeußerungen des Fürsten Bismarck hob der italienische Minister nur die Worte hervor:Wir haben Europa einen Dienst geleistet." Die friedlichen Versicherungen, welche Crispi über die italienische Politik gab, waren im Hinblick auf den nahe bevorstehenden Feldzug in Afrika von der Versicherung begleitet, daß Italien nur einen Frieden in Ehren wolle und seine erschlagenen Landsleute rächen müsse. Den Balkanvölkern sprach Crispi im Namen seines Landes das Recht auf Autonomie und Freiheit zu. Gleichzeitig hört man, daß Rußland auf eine Aktion in Bulgarien verzichtet hat, um eine solche in Centralasien einzuleiten. Fürst Ferdinand von Bulgarien hat einen Brief mit Todesdroh» ungen erhalten, wahrscheinlich von einem der Emigranten, welchen die russische Unterstützung entzogen wurde. König Milan, der nach Belgrad heimge« kehrt ist, hat scharfe Maßnahmen gegen die unruhestiftenden Elemente, die sich an der serbischen und bulgarischen Grenze Herumtreiben, angekündigt.

Die Londoner Manifestationen der Arbeitslosen und der unheimlichen Pöbelelemente dauern fort und haben sich zu blasphemischen Unterbrechungen des Gottesdienstes gesteigert. Bis jetzt ist die Polizei noch im Stande die Massen von größeren Ausschreitungen abzuhalten. Der in ganz Europa früh und streng eintretende Winter muß jedoch die sozialen Notzustände steigern.

Antwort, die der Marquis auf alles Drängen Lord Ellerton's hatte, und dieser mußte sich schließlich in das Unvermeidliche fügen.

In diesen Monaten des Wartens lernte Lady Laura ihren Gatten lieben, aber es war eine ganz andere Liebe, als die sie an Robert gefesselt. Ihre jetzige Neigung hatte sich langsam entwickelt und war auf die Hochachtung gestützt, die sie dem edlen Charakter ihres Bräutigams nicht versagen konnte. Auf diesem Grunde stand sie fest und sicher.

Und als der Hochzeitstag endlich herantam, da hallte ganz England wieder von dem Glanz der Festlichkeiten und von der Schönheit und dem Liebreiz der jungen Braut. Lord und Lady Ellerton begaben sich sofort nach Ellerton Park und dort führte die junge Frau mehrere Jahre lang ein frohes, glückliches Leben.

* * *

*

Und was war unterdessen aus Robert Roden geworden ? An jenem Tage, an dem sie ihren Plan ausgeführt, war er wie gewöhnlich seinen Geschäften nachge­gangen, aber der Gedanke an seine Frau hatte ihn keinen Augenblick verlassen; sie war schon seit einiger Zeit so verändert, bald apathisch, bald krankhaft erregt. Er kam zu dem Schluß, daß sie krank sein müsse, und daß ihr eine Luftveränderung not thue. Und sie sollte eine solche haben, koste eS, was es wolle.

Es ist zu einsam in dem Häuschen", dachte er,sie sieht nichts als die Bäume des Parks und hört nichts als den Gesang der Vögel, das macht sie melancholisch; ja sie soll eine Abwechslung haben, die arme, kleine Frau."

Mit diesen Gedanken machte er sich aus den Heimweg, da begegnete ihm plötz­lich Lord Cardin.

Ach, gut, daß ich Sie treffe, illoden, ich habe gute 'Rachrichten für Sie!"

Robert horchte hoch auf; der einfache, ehrliche Mann hatte auch seinen Ehr­geiz, er war zum großen Botaniker geboren! Wäre er der Sohn »eicher Eltern gewesen, sein Name würde gewiß einer der glänzensten unter der Gelchrtenwelt geworden sein. Sa aber halte er ja vieles zu überwinden, vor allem seine eigene Unwissenheit, ehe das in ihm schlummernde Talent zum Durchbruch kommen konnte. Es war schwer