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Montag, Mittwoch. Donnerstag und SamStag.
Preis vierteljährl. hier mit TrSgerlohn SV im Bezirk 1 außerhalb d. Bezirks 1 ^ 20.
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Itl GklkUslliilftkr
Amts- und Anzeige-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
73. Jahrgang.
JnsertionS-Sebühr f. d. einspaltige Zelle aus gewöhnt. Schrift oder deren Rau« bet einmalig. Einrückung S bei mehrmalig, je 6
Gratisbeilagen: Das Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
^ 147.
Nagold, Mittwoch de» 21. September
1898.
Gestorben: Eduard v. Bartholomäi, Wirkl. Geh. Kriegsrat a. D., 73 I. a., Wildungen-Stuttgart. — Gustav Sigel, vr. meä., praktischer Arzt, Stabsarzt der Landwehr, 40 I. a., Schömberg-Stuttgart. — Wilhelm Hornung, Bahnhofwirt, 86 I. a., Aalen. — Wilhelmin« Feil, geb. Schmutz, Schultheißen Gattin, Hohenstein, OA. Besigheim. — Henriette Völker, geb. Storz, Pfarrers Gattin, 45 I. a., Kemnath.
Landwirtschaft!. Bezirksfest.
?. Nagold, 20. Sept.
Auch am Sonntag, dem 2. Festtag war das Wetter prächtig; vom frühen Morgen an hörte man das Geraffel der heren.fshrenden Wagen mit ihren sangrslustigen Insassen; schon am Vormittag von 11 Uhr an gab es auf dem Festplatz Musik und konnte msn sich so recht gemütlich 'Huri. In Len Nachmittagsstunden wurde der Andrang des Publikums zum Festplatz stärker und stärker, sodsß es keine kleine Aufgabe war die Ordnung am Eingang aufrecht zu erhalten. Der Stadtacker selbst füllte sich mehr und mehr, so daß gegen 4 Uhr ein förmliches Gedränge herrschte. Aber so muß es ja sein auf einem richtigen Volksfest; die Musik spielte zum Tanze auf und alsbald flogen die Paare auf weichem Rasen; es war ein frohbewegtes Bild. Da kommt wie der Blitz aus heiterem Himmel die SchreckenS- kundr: es brennt in Ebhausen. Die augenblickliche Aufregung wurde jedoch schnell gedämpft durch die beruhigenden Anordnungen seitens des Herrn Oberamtmann Ritter; das 1. Wechkommando der Feuerwehr ging sofort nach der Brandstätte ab. (Näheres hierüber siehe in Nr. 146 d. Alts, unter Ebhausen. D. Red.) Infolgedessen fehlten viele Sänger vom Liederkranz und Sängerkranz, sodaß leider keine Vorträge stattfiadrn konnten. Aber auf einmal ertönt Gesang und zwar gemischter Chor von der Bahrchofstraße her und mit Vergnügen sieht man ' unsere netten Sulzer Burschen und Mädchen fröhlich singend herankommen. Auf dem Festplatz angekommen, werden sie von Herrn Oberamtmann Ritter auf die Festtribüne geleitet, wo vorher schon das Festkomite mit Damen Platz genommen hatte. Die Bauern- päärchen singen nun ei« frohes Lied um's andere, wobei sie sich an einem guten Stoff laben, der ihnen vom Verein gespendet wurde. Es werden nun photographische Aufnahmen der Festwagsn mit Insassen gemacht, waS eine große Zuschauermenge anlockt. Nach und nach wird der Platz etwas lichter, der Verkehr auf demselben leichter, dagegen fitzen die Bänke der Wirtschaften noch gedrängt voll. Wir gönnten den Gastgebern das gute Geschäft von Herzen und wünschten, daß die durstenden Leutchen noch recht lange beieinander bleiben möchten. So geschah es denn auch und als die Freude ihren Höhepunkt erreichte wurde die Papierrollen-Telegraphie in ausgedehntem Maße in Thätigkeit gesetzt. Alles in Allem war es wieder rin heiterer von keinem Zwischenfall gestörter echt schwäbischer und schwarzwälderisch gemütlicher Volksfestrag. — Am Montag wurde es leerer in Stadt «nd Festplatz, doch zog die Verkündigung des Ergebnisses der Lotterie noch viele hoffende Einsetzer an; es war nach langem Harren um 2 Uhr der große Zeitpunkt gekommen, wo die Gewinnliste verlesen wurde. Welche Spannung in den Gesichtern der auf die erlösenden Nummern horchenden Gewinnlustigen; welche Verlängerung der Mienen, wenn eine einzige Ziffer zum Gewinn fehlt und endlich, j
Ein Diner beim Fürsten Putbus aus Rügen.
Von Arnold Wellmer.
(Eine Erinnerung an Fürst Bismarck aus dem Jahre 1867.)
Ich war so glücklich, einige Sommer- und Herbstmonate des jüngstverflossenen Jahres auf der schönen Insel Rügen zu verleben. Mein guter Stern, in der Uniform eines königlich preußischen Gensdarmen, führte mich nach dem Fischerdörfchen Sellin, zwei Meilen von Putbus an einem großen Landsee reizend gelegen, von den herrlichen Waldbergen der Kranitz umkränzt — ein fast traumhaft stilles, grünes Nestchen. Ein kühler, halbstündiger Waldweg führt an den Ostseestrand hinab.
Wenn ich gegen Abend, Handtuch und Strohhut in der Hand, durchs Dorf dem grünen Strandwege zuschlenderte, riefen die Fischerkinder in ihrer wichtig geschäftigen Weise einander zu: „Der Baarherr kämmt!"
Mit dem Kommen des Badeherrn war wirklich alles gesagt, — ja, ich war in Sellin der Badegast — der einzige Hochdeutsche, und das war ja gerade das Allerschönste an meinem Wald- und meerumrauschten Neste.
Wenn ich dann wieder morgens an dem offenen Fenster meines niedriggegiebelten Erkerstübchens saß und meinen Blick über den sonnbeglänzten See mit dem weißen Fischerdörfchen am Ufer und über die fröhlich grünen Wälder schweifen ließ und zwischendurch niederschrieb, wovon Herz und Feder mir
Überflüssen-da hörte ich meine Dorfkinder, die in
munteren Scharen der Schule im Nachbardorfe zuwanderlen
welche Enttäuschurg wenn gar nichts herauskam. Die Ge- I
winner ließen ihre Freude diplomatischer Weise zum Teil gar nicht merken, denn sie wollten ihre Schätze zunächst selbst einmal sehen. Dann wurden die Gewinne abgegeben; das gab nun natürlich eine große Lust und Freude. Wir beglückwünschen alle Gewinner und hoffen, daß sie ihre Gegenstände alle gut verwerten kö nnen. Die Versteigerungen der Fische einerseits und der ausgestellten Produkte andererseits ergaben teils gute, teils weniger gute Preise. Ehe wir nun zum Bericht über die Ausstellung gehen, drängt es uns unsere Anerkennung auch öffentlich auSzudrücken für die großen Verdienste, die sich das Festkomite mit Herrn Oberamtmann Ritter an der Spitze um das Zustandekommen und das Gelingen des Festes erworben haben. Nachtrag: Es war uns eine Beschreibung des Grwerbe- Vereinswagens zugegangen, die wir aber zurückstellen mußten, um im Festbericht allen gleich gerecht zu werden; da wir aber die treffliche Beschreibung unfern Lesern gerne darbieten, so lassen wir dieselbe hier folgen: Der Festwagen des Gewerbevereins, hatte die Aufgabe, auf den engen Zusammenhang zwischen Gewerbe und Landwirtschaft hinzuweisen. So waren denn auf demselben speziell diejenigen Zweige des Handwerks berücksichtigt, die am unmittelbarsten mit derLandwirtschaft inBerührung stehen.Unter demEmgangs- bogen standen, mit den Insignien ihrer Berufe bewaffnet, die Repräsentanten des Nahrung spendenden Handwerks, Müller, Metzger und Bäcker, während das Bauhandwerk 5 Mann stark hinten auf und neben dem Wagen durch Maurer und Zimmermann vertreten war. In einer alten, rußgeschwärzten, mit allen charakteristischen Merkmalen ausgestatteten Dorfschmiede, die im Hintergrund des Wagens anfgebaut war, regte sich geschäftiges Leben. Der Ambos erklang unter kräftigen Hammerschlägen, der Blasbslg hob und senkt« sich, ein lustiges Feuer glühte auf der Este und aus dem Kamin schlängelten sich leichte Drmpfwölkchen. Seitwärts davor dengelte der Lehrling eine Sense, gegenüber fügte der Wagner sein Rad zusammen und in der Mitte des Wagens bewegten sich zwei Küfer mit taktgemäßem Hammerschlag um ihr Faß. So gab denn der Wagen mit seinem lebhaften Treiben ein anschauliches Bild von der mit dem Fleiß des Landmanns wetteifernden und ihn unterstützenden Rührigkeit des Handwerksmanns und fand allgemeine Aufmerksamkeit und allseitigen Beifall. (Fortsetzung folgt.)
Hages-MeuigLeLLen.
Deutsches Reich.
:>: Nothfelden, 19. Sept. Ein schweres Unglück trug sich heute in unserer Gemeinde zu. Der ältere, 27jährige Sohn der Witwe Ungsricht brachte seine linke Hand in die Dreschmaschine. Nur mit Hilfe hsrbsigerufener Männer konnte dieselbe wieder aus der Maschine befreit werden. Die völlig zerfetzte und verstümmelte Hand mußte, trotz aller Weigerung des Unglücklichen, von Hr. Dr. Z'pperle in Wildberg abg enommen werden. Der Jammer der kränklichen Mutter und des jüngeren Bruders ist sehr groß. Die ganze Gemeinde nimmt den regsten Anteil an dem Unglück der I betroffenen Familie.
und mir zutraulich ihren Morgengruß hinausriefen, in ihrer platten Frau Muttersprache einander laut zuflüstern: „Hei schrifft Banker!"
Da weiß der Leser nun mit einem Mal alles, was er für heute von mir zu wissen braucht. Ich wiegte mich mit Entzücken in den kühlen Wellen der Ostsee, trank nebenbei in vollen Zügen den süßen Duft von Wald, Meer und goldner Freiheit — und schrieb Bücher!
Mitte Oktober fror mein Baden ein. Ich konnte mich aber immer noch nicht von meinem Fischeridyll trennen, obgleich sich im Dorfe ein gewisser Zug zum warmen Ofen geltend machte. Auch ich spürte diesen Zug, aber meinem Stübchen fehlte der Ofen. Mein freundlicher Wirt borgte mir mächtige Pelzstiefetn, und darin saß ich während meiner Arbeitsstunden wohlaufgehoben. In der übrigen Zeit lief ich viel im Walde und an der See umher, der Herbst holte durch Klarheit und Beständigkeit nach, was der Sommer versäumt hatte, und so vermißte ich die Berliner Oefen kaum.
Ich sollte für diese Ausdauer überreich belohnt werden. Aus dem Eise des nordischen Oktobers erwuchs mir auf Rügen ein schimmerndes Immergrün für das Herbarium meines Herzens, eine unvergeßliche Erinnerung an einige selten schöne Stunden meines Lebens.
Hier ist ein Blättchen jenes Immergrüns!
Es ist ein schöner, mondheller Sonntagabend gegen Ende Oktober. Ich schreite über Feld einem herrlichen Jagdschlösse zu, das mit seinen hellerleuchteten Fenstern und hohem Wartturme freundlich vom baumgrünen Berge herübergrüßt. Dir Fenster winken mir zu einer gastlichen Tafel. Ein hohes
Horb, 19. Sept. Einen sehr schönen Erntebrauch, den aber nur noch wenige Hopfenproduzenten beibehaltm haben, hatten wir bei Herrn Host. Stadtrat Kienle heute Gelegenheit gehabt zu beobachten. Der letzte Hopfenwagen, der eingeführt wird, wird mit Fähnlein rc. reich verziert, und die schönste Hopfenstange, die sich austreiben läßt und an der für daS ganze Arbeiterpersonal neue Taschentücher befestigt werden, wird in die. Mitte des Wagens gesteckt, der sog. Hopfenkönig — ganz in Hopfen eingehüllt — geht mit seinen Mitarbeitern, die aber nur Hopfensträuße auf dem Hute und an der Brust tragen, dem Wagen voraus, während die Pflückerinnen im Sonntagsstaat demselben singend folgen. Zu Hause angekommen, bringt der Hopfen- könig auf die „Herrschaft" ein Hoch aus, und nach Ab- stngung des Liedes „Großer Gott" eilt das ganze Personal an seine Arbeitsplätze. Rasch leeren sich die Hopfenranken unter den emsigen Händen; denn je dälder mit der Arbeit aufgeräumt ist, desto früher beginnt der Schmaus, den der Produzent seinen Arbeitern und Arbeiterinnen zur Belohnung ihres Fleißes veranstaltet.
ch In der politischen Tagesdiskussion taucht auch wieder einmal das Thema vom Reich stagswahlrecht auf. Graf Mirbach-Sorxquitten, einer der Führer der Con- seroativsn Preußens und Mitglied des preußischen Herrenhauses, hat in der „Kreuzzeitung" eine Auslastung über daS Reichstagswahlrecht veröffentlicht, welche im Allgemeinen eine ältere, sich gegen das bestehende gleiche, direkte und allgemeine Wahlrechtzum Reichstage wendende, Ausführung seines politischen Gesinnungsgenoffen von Helldorf-Bedra wiedergiebt. Daneben teilt Graf Mirbach eine zu ihm angeblich vom Fürsten Bismarck nach dessen Rücktritt gemachte Aeußerung mit, wonach der verstorbene Altreichskanzler erklärt hätte, es sei von ihm das jetzige Reichstagswahlrecht eingeführt worden, um das deutsche Reich durch ein demokratisches Band gegen die von ihm damals befürchteten partikularistischen Neigungen deutscher Fürsten zu schützen. Er, Bismarck, habe sich aber in dieser Befürchtung getäuscht, lieg« daher im bestehenden Reichstagswahlrecht eme Gefahr für das deutsche Volk, so müsse eS auch die Kraft haben, dieses Band zu zersprengen. — Bereits werden infolge dieser Veröffentlichung deS Grafen Mirbach von linksradikalen und selbst auch von nationalliberalen Blättern Angriffe auf die Konservativen unter der Behauptung, sie planten einen Vorstoß gegen das jetzige Reichstagswahlrecht, unter» nommen, die konservative Presse wird natürlich kräftig antworten und so dürste die Polemik über diese Frage einstweilen weiterzehen.
Ausland.
Genf, 17. Sept. Gestern Nachmittag wurde einer der verhafteten Anarchisten, der Zimmermann Martinelli, vom Untersuchungsrichter verhört. Ec bekannte, er habe 14 Tage bevor er Lausanne verlassen, die Feile mit einem Griffe versehen und zwar auf Luccheni's Bitte, der sie ihm zu diesem Zwecke übergab.
Wien, 16. Sept. Der „Neuen Fr. Presse" zufolge ist dasTestament der Kaiserin Elisabeth, das vom Oktober 1896 datirt ist, am Montag geöffnet worden. ES
Gitter scheint mir den Weg zu versperren, — ich kenne aber die schmale Treppe, die hinüberführt. Ich bin in einem meilengroßen, sorgsam gehegten Wildparke. Unter urkräftigen alten Eichen, und Buchen, die noch wenig von ihrem bräunlichen Laube verloren haben, schlängelt sich der Fahrweg den Berg hinan. Die Waldeule lacht hell durch den Abend, der Hirsch brüllt dumpf klagend nach der Hirschin. Zahlreiche Rudel von Rot- und Damwild äsen auf den Grasplätzen und wenden kaum den schlanken Hals, da der Wanderer ganz nahe an ihnen vorüberschreitet. Sie wissen recht gut, daß ein Spazierstock ihnen nichts zu leide thut. Plötzlich macht der Weg eine Biegung — und schon oft, ja schon vor Jahren als junger Stralsunder Gymnasist, habe ich hier ein frohes Ah! der Bewunderung gedacht und gejubelt. Vor mir — aus einem weiten grünen Platze, umrahmt von uralten Buchen, ragt wohl das schönste Jagdschloß Deutschlands hoch in den Mondschein aus. Die Ecken des ebenso elegant als solche gebauten Schlosses runden sich in starken Türmen ab, aus der Mitte strebt der gewaltige Wartturm empor. Von seiner Zinne weht eine Fahne, — ein Zeichen, daß der Besitzer, Fürst Putbus, im Schlosse weilt.
Auf dem freien Platze vor dem Schlosse äset harmlos ein riesiger Hirsch — das ist der zahme, blinde Hans, ein unverletzliches Jnventariumftück des Wildparks. O, wie so manches nicht ganz taktfeste Jägerherz hat der blinde Hans schon durch seine ungenierte Zudringlichkeit schneller schlagen lassen.
Forts, folgt.