Erschein!
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Monatsabonnemrnts nach Verhältnis.
73. Jahrgang.
Amts- und Anzeige-Blatt für den Oberamts-Bezirlr Nagold.
Insertions-Gebühr f. d. einspaltig« Zert« aus gewöhnt. Schrrsi oder deren Raum bei einmalig. Einrückung S bei mehrmalig, je 6
Gratisbeilagen: Das Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
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Amtliches.
König!. Regierung des Reckarkreiles.
Bekanntmachung,
betreffend
Aufhebung -er Floßsperre auf -er Enz.°
Nachdem das K. Forstamt L-onberg die Vornahme der geplanten Bauarbeiter, an der Floßgasse in Enzberg wegen des vorhandenen zu hohen Wasserstandes auf das nächste Jahr verschoben hak. ist die am 9. Juli dS. Js. für die Zeit vom l.—3t. Aug. ds. Js. verfügte Floßsperre auf der Enz hiemit wieder aufgehoben worden.
DieS wird den berührten Polizeibehörden und sämtlichen Beteiligten hiedurch bekannt gegeben.
Ludwigsburg, den 9. Aug. 1898.
Der Regierungspräsident:
I. B.
Oberregierungsrat Holland.
Gestorben: Ludwiq Bartels, Kommerzierrat aus Stuttgart' Ritter des Ordens der Würlt. Krone, Ritter I. Kl. des Friedrichsordens, Inhaber des Olgaoidens, 61 I. a., Rippoldsau. — Julius Flatt, Architekt, Cannstatt. — Karl Kalmbach, 73 I. a., Nothfelden. _ _
Fürst Bismarcks staalsmännische Großthaten und das Deutschtum im Auslande.
So viel auch bereits das nationale Heldentum deS Schöpfers des deutschen Reiches anläßlich seines Hinscheidens gewürdigt worden ist, so er.tdickt man von den staatsmännischen Groß- thaten des Verewigten doch immer neue Segnungen, die man zur Förderung echter Vaterlandsliebe und Wertschätzung des Deutschtums nicht genug beachten kann. Za den rührendsten und ergreifendsten, belehrenden und ermahnenden Kundgebungen anläßlich des Heimganges des Fürsten Bismarck gehören nun ohne Zweifel diejenigen der Deutschen im Auslande, denn die Deutschen im Auslande sind es vor cllen Dingen, welch« den gewaltigen Unterschied zwischen dem Deutschland vor Bismarcks Großlhoten und dem deutschen Reiche nach Bismarcks Gründerwerke zu fühlen und zu schätzen im Stande sind. Auch geht aus den Kundgebungen der Deutschen im Auslande so recht deutlich hervor, daß Fürst Bismarck durch sein meisterhaftes LeberSweik dos Deutschtum nicht nur politisch und wirtschaftlich geeinigt hat. sondern daß er das Deutschtum euch geistig einigte, und sür dasselbe einen leuchtrnden Mittelpunkt schuf, der für alle Deutschen ein Leitstern, eine Erhebung urd ein Trost ist. Alle deutschen Stimmen aus dem Auslände in dieser Hinsicht zu sammeln, ist uns leider hier nicht vergönnt, aber doS, was die Deutschen in Holland in ihrer deulschen Wochenzeitung zu Ehren des Fürsten Bismarck und zur Beachtung für die Deutschen im Mutterlands kundgeben, möchten wir doch hier hervorhrben. „Viel deutscher Geist, viel deutsches Blut find Jahrhunderte lang in der Fremde verloren gegangen. Nicht Dank war es, den das deutsch sprechende Volk dafür erntete, nur Hohn, Geringschätzung, wenn Erfolg seinen Söhnen auSg« blieben, aber Haß und
Nagold, Montag den 1ö. August
Mißgunst, wenn Erfolg ihnen gekachelt. Der Deutsche I
schleppte in der Fremde seine Nationalität gleich einer Kette mit umher, an der ungestraft jeder Bube zerren konnte, der unter kräftigem Schutze stand. Da war Niemand, der die schützende Hand aus die deutsche Schulter legte. Halfen die eigene Faust, daS riaene Wo,t nicht, so mußte der Deutsche in Demut das Haupt beugen und mit Ingrimm im Herzen zwischen anderen als Geduldeter weiter vegeliren. Da scholl plötzlich des deutschen Rrcken Hammerschlag über Land und Meer; der Wiederschein der Lohe, in der er deutsches Glied an Glied schweißte, spiegelte sich wie Morgenrot über die Welt. FroheS Abnen zog in jede Brust in der Fremde, denn mit jedem Hammeiscklag zerspringt ein Glied seiner lästigen Fesseln, die Lohe schmolz sie weg. frei rvur der Mann, und aus langgcquälten Herzen rang sich der Jubelschrei: „Heil dem wackeren Schmiede des deutschen Reiches! Heil unserm Bismarck!"
Geschwunden waren Sorge und Beklommenheit. Ein Blick auf das JdealbilS des „deutschen Mannes, die Verkörperung deutscher Kraft, deulschen Geistes, deutscher Treue, hob fortan den Mut deS Schwachen, spornte die Thatkrästigen an zu noch größerem Thun, sich würdig za zeigen, um zr wandeln in den Spuren des Deutschen von Eisen". Der Tod, der Unerbittliche, Hot den eisernen Recken gefällt, zu seinem Sarge pilgert schnurzgebeugt das dankbare deutsche Volk, von bangen Ahnungen erfüllt. Doch weg mit solchen trüben Ahnungen am Sarge des großen Tod.n! Hat er doch selbst gesagt: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst Nichts in der Welt!" So war's, so muß es in Zukunft bleiben! Und wir können diesen stolzen Spruch bewahrheiten, wenn wir uns in seiner Pflichttreue gegen Kaiser und Reich spiegelen, wenn wir seiner Losung eingedenk bleiben, die lautet: „Hier bin ich!" Diese Worte sprach er, als sein angestammter Herr vor Anfang des großen Werkes einen treuen Diener brauchte, diese Worte sprach er. wenn König uud Vaterland ihn riefen. EineS Herrschers Worte dringen nun nickt nithr zu ihm. denn der Herrscher über alle hat ihn gerufen, und dieser Verlust ist uneisetzlich. Seine Losung aber ist uns als ein teures Vermächtnis geblieben, und ihr« Befolgung kann viel Uebel abwenden. „Hier bin ich!" DaS muß die Losung deS Deutschen bleiben, auch in der Fremde, sie muß er Kindern und Kindeskindern vererben."
Hages-MmgKeiLen.
Dmtschrs Reich.
PP Nagold, 15. Aug. Gestern fand auch hier eine würdige Trauerfeier für Bismarck in der Turnhalle statt Der Raum war unter der kunstsinnigen Leitung des Oberlehrer Schirmer mit Eichengunlanden geschmückt, die sich nach vorn in der Mitte vereinigten über dem mit Fahnen, Eichenlaub und Trauerflor umwundenen Port'ät Bismarcks. Die Feier wurde eingeleitet durch einen Trauergesang noch der Melodie „SonctuS" von Schubert. Im Namen der Stadt und ihrer Vertreter begrüßte hierauf Stadtpfleger Lenz an Stell« des abwesenden Sladtschultheißen mit wenigen Worten die Versammlung, worauf Professor Wetzrl das Wort ergriff und in einer gewäh'ten und be-
1898 .
geisterten Rede Bismarck feierte. Ec wies zunächst auf den
Menschen Bismarck hin, den wir lieben und verehren, ohne einen Kultus mit ihm zu treiben. Sodann gedachte er seiner genialen Staatskunst. Er hat die preußische Frage, die deutsche Frage und die europäische Frage g löst und Deutschland zu einem Bollwerk des Friedens in Europa gemacht. Und im Innern hat ec zwar nicht immer Erfolge errungen, aber uns auch nicht nach Canossa geführt. Als kluger Politiker hat er den veränderten Verhältnissen gemäß auch feine Ansichten zu ändern gewußt. Gegenüber dem Gespenst der Sozialdemokratie hat er immer wieder betont, daß Furcht hier das größte Uebel sei und kräftig hat er denn auch die soziale Frage angefaßt. So steht er vor uns da. als Mensch ein Charakter, fest und liebenswürdig, ernst und witzig, fromm und kampfesfroh, als Staatsmann groß wie kaum je einer. An uns aber ist es, sein E.be zu wahren und des großen Deutschen uns würdig zu erweisen! Der Liederkronz und Seminarchoc sangen nun zusammen das Lied „Ueber den Sternen", worauf ein Seminarist rin von Frau Professor Wetzel verfaßtes, tiefgefühltes Gedicht auf den Tod Bismarcks vorlrug. Im Namen des Militär- und Veteranenoereins sprach noch der Vizeoorstand Berste ch er einige Worte und forderte die Versammlung au?, das Lied „Dwischland, Deutschland über olles" zu singen. Mit dem Gesang dieses Liedes schloß die ernste, würdevolle Feier.
Nagold, 14. Aug. Die Einführung eines neuen Stückgulstaffellarifs beschäftigte auch die letzte, am 30. Juli zu Ravensburg abgehaltene Sitzung des Beirats der VeikchrSanstalten. Die Anregung geht diesmal von Preußen aus. Es sind zwei Fragen, um die eS sich handelt. Der Stückguttarif soll „im Interesse des kleineren Mannes", dem dcr billig« Waaenladungstanf nicht zu gut kommt, verbilligt werden. Dieser verbilligte Tarif soll aber eine in Staffeln nach der Entfernung fallende Skala bekommen (per Tonne bis 50 Kilometer 11 bis 300 10 -H, bis 300 9 H bis 400 8 -g bts 500 7 und über 500 Kilo- Meter 6 iZ,) Der Beirat sprach sich nun einstimmig dafür ans: 1. eine Ermäßigung der Stückgutfrachtsätze ist in An- berra ht des großen Unterschieds gegenüber den Sätzen der allgemeinen Wagenladunzsklaffrn wünschenswert, jedoch sollte dieselbe für alle Entfernungen gleichmäßig eintreten; denn 2. eine nach der Entfernung bemessene Tarifabstufung scheint geeignet, eine unberechenbare Verschiebung der Produktions- und Absatzverhältniss» herb izufühcen und demgemäß den allgemeinen wirtschaftlichen Interessen nicht z t entsprechen. Die vorliegende« Bedenken würden noch vermehrt wrcd::», wenn die Staffelungen auch auf die Wagenladungsklaff-n Ausdehnung finden sollten. Der Beirat spricht sich deshalv prinzipiell gegen die Einführung eines allgemeinen Tarifs mit fallender Skala aus. 3. Dabei ist aber der Beirat der Ansicht, daß der Anschluß an den auf den preußischen Gtaatsbahnen am 1. Okt. ds. Js. zur Einführung gelangenden Stückgutstaffeltarif ohne Schädigung der württembergischen Verkehrsinterefsen nicht umgangen werden könne.
Nagold. 14. Aug. Bei der gegenwärtigen Reisezeit ist es nicht ohne Interesse, aus «ine für den Reiseverkehr sehr wichtige Neuerung hinzuweisen, welche das bürgerliche Gesetzbuch in Bezug auf die Haftpflicht der Gasthosbesttzec
Berliner Briese.
(Fortsetzung uud Schluß.)
Was es kosten wird? Es ist für den Fremden, der an kleinere Summen gewöhnt ist, schwer, sich in diese Riesenverhältnisse zu finden. Berlin ist eine reiche Stadt, was Berlin schafft, ist vorzüglich. Der Unterschied zwischen dem, was der Staat Preußen herstellt und einrichtet, und dem, was Berlin baut, ist augenfällig. Dort alles kahl, kalt, rauh, eben nur das Notwendige und Vorschriftsmäßige. Hier alles reich, zweckmäßig, künstlerisch, mit den neuesten Verbesserungen und Verschönerungen bis ins kleinste Detail ausgerüstet. Die Verschönerung der Stadt hat in den letzten Jahren mächtige Fortschritte gemacht. Es sind Brücken gebaut, Standbilder aufgestellt worden, die hervorragende Kunstdenkmälcr sür alle Zeiten sind. Wohl die bewundernswerteste Anlage ist die Siegesallee, die durch die großartige Freigebigkeit Sr. Maj. des Kaisers mit einer Reihe von Denkmälern geschmückt wird. Bereits ist ein Teil davon aufgestellt, und wer die blendenden weißen Marmorstatuen betrachtet, die sich von dem dunkelgrünen Hintergrund so wirkungsvoll abheben, die elegante Menge, die sich in den früheren Nachmittagsstunden zu beiden Seiten des Fahrdamms bewegt, die Siegessäule, die in der Sonne — wenn sie scheint — die vergoldeten Läufe der eroberten Kanonen glänzen läßt und die kolossale Viktoria, die da auf diese Versammlung j der Standbilder der Hohenzollcru-Dynastie »iedcrblickt, - den überkommr die Ahnung, daß er nicht nur in einen: Cemrnin :
der Arbeit und' der Wisseuschast, sondern auch in der Hauptstadt eines mächtigen und kraftvollen Reiches sich befindet. Nicht die zahlreichen militärischen Schaustellungen bringen diesen Eindruck hervor, vor allem die sichtbare Ordnung, die tadellose Funktion der bestehenden öffentlichen Einrichtungen, die sich sehr vorteilhaft von den Zuständen anderer Großstädte auf dem Continent unterscheiden. Je mehr man Gelegenheit hat, die inneren Vorgänge der Verwaltung kennen zu lernen, desto imposanter wird der Eindruck von der aufgespeicherten eisernen Kraft, die dieses Rückgrat des Staates und Reiches gegen manchen Angriff unerschütterlich machen wird. Die relativ stille Wilhelmsstraße ist das Rückenmark und Gehirn, in dem die vielen Nervenfäden des Organismus msammenlaufen. Durch sie kommen wir in das so bekannte Berlin IV. Hier wohnt der wohlhabendere Teil der Bevölkerung. Man sieht das deutlich. Die Straßen werden ruhiger, die Fassaden der Häuser prächtiger. Das geschlossene Bebauungssystem hört auf, die Vorgärten vergrößern sich, und allmählich kommen wir in das Villenviertel. Einfache Villen aus früherer Zeit wechseln mit Prachtpalästen und feenhaften Bauten, die außen noch mehr wie innen den fürstlichen Reichtum der Besitzer bekunden. Hier zeigt sich die ruhige Vornehmheit des alten Besitzes neben der aufdringlichen Pracht des neuen Reichtums, der dort im Gewühl der City oder auf der Börse oder im „Feenpalast" oder sonstwo gewonnen wurde.
Er macht's „wie de Preise!" Eine Bismarck- Erinnerung wird der „Kleinen Presse" aus Mainz mitgeteilt. Beim Ausmarsch der Truppen im Jahre 1870 befand sich bekanntlich das Hauptquartier des Königs von Preußen auch einige Tage in Mainz. Der damalige Bundeskanzler Gras Bismarck war in der Villa Kapferberg abgestiegen. Am Morgen nach der Ankunft wollte er sich rasieren lassen und hierzu wurde der damals in der Gaustraße, jetzt in der Augustinerstraße wohnende Barbier Philipp Ernst gerufen. Als der Mann beim Grafen eintrat, war dieser, seine lange Pfeife rauchend, mit dem Durchsetzen von Einläufen beschäftigt, erhob sich jedoch sofort, stellte seine Pfeife weg, trat auf den bescheiden an der Thüre stehenden Bartkünstler zu, sah ihm fest in die Augen und sagte in seiner lakonischen Weise „Rasieren", wobei er sich auch schon aus einen Fauteuil nicderließ und selbst die Serviette umband. Ohne ein Wort zu sprechen, vollendete Ernst seine Arbeit und wurde mit dem Zuruf: „Morgen wieder!" entlassen. So ging es Tag für Tag, bis das Hauptquartier aufbrach. Am letzten Morgen fragte Bismarck seinen Barbier scherzhaft: „Sie nehmen doch auch preußisches Geld als Zahlung," worauf der schlagfertige Ernst im echten rheinhessischen Dialekt erwiderte: „Gewiß Exzellenz, mir gehts in der Beziehung wie de Preise, ich nehme, was ich krieche kann." Mit dem Finger drohend, aber dabei herzlich lachend, gab ihm der Bundeskanzler sechs Thaler für seine Mühewaltung.