62 . Jahrgang.

Hko. 116 .

Amts- unll Inteüigenzökatt für äen Oezirkr.

Erscheint Z>ie»»t»g, Z»»»«er»t«ß L

Die EinrückungSgebühr beträgt 9 p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Dienstag, äen 1. Oktober 1887.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 SO H, sonst in ganz Württemberg 2 70

Amtliche Mekcmntmachrrngen.

Diejenigen Ortspoltzeiöehar)en des Bezirks,

welchen demnächst Unfallverhütungsvorschriften der südwestdeutschen Holz- berufsgenoffenschast sowie der Steinbruchsberufsgenoffenschaft zugehen, werden mit Bezugnahme auf den Minist..Erlaß vom 18. Juni d. I., Amtl. Nr. 19 angewiesen, solche zu dem daselbst vorgeschriebenen Gebrauch in Verwahrung zu nehmen.

Den 1. Oktober 1887. K. Oberamt.

Supper.

Hämische Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Baden-Baden, 1. Okj. Der Kaiser von Brasilien ist heute vormittag 9 Uhr 50 Min. aKgereist. Kaiser Wilhelm und die sämt­lichen Fürstlichkeiten waren zum Abschied auf dem Bahnhof erschienen.

Die Franks. Ztg. meldet ausVenedig: Der deutscheKron- prinz sieht gut aus, empfängt jedoch niemand wegen seiner Hals- beschwerden.

B er liu','1. Okt. Die Nachricht desVerl. Tagebl.", daß die ver­bündeten Regierungen beabsichtigen, eine Vorlage an den Reichstag im Sinne seiner Beschlüsse in Sachen des Arbeiterschutzgesetzes zu machen, entbehrt jeder Begründung.

Anarchistische Quellen hatten wiederholt gemeldet, daß Lieske nicht der eigentliche Mörder des Polizeirats Rumpfs in Frankfurt a. M. gewesen sei, sondern nur Hilfe beim Verbrechen geleistet habe. Hin und wieder tauchten dann Gerüchte auf, daß man den eigentlichen Mörder in einer rheinischen Stadt ergriffen habe; dieselben erwiesen sich jedoch samt und sonders als falsch. Jetzt wird dem Berl. Tagebl. aus Aachen be­richtet, daß nach umlaufenden Gerüchten der eigentliche Mörder des Polizei­rats Rumpfs dort verhaftet worden sei.

Metz, 29. Sept. Leon Gustav Schnäbelö wurde zu drei Wochen Gefängnis und 20 Mark Geldstrafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt. Der Staatsanwalt hatte drei Monate Gefängnis und die gleiche Geldstrafe beantragt. Schnäbelö erklärte: »cks i-e^retto kesucoup 06 qus j'si kait,.« (Ich bedaure sehr, was ich gethan habe.")

Metz, 1. Okt. Dem jungen Schnäbelö ist infolge eines an den Kaiser gerichteten Gnadengesuchs vom Kaiser die Strafe erlassen worden. Noch gestern abend ging telegraphisch der Befehl ein, Schnäbelö ist sofort in Freiheit zu setzen. Abends 7 Uhr ist derselbe zu seinen Eltern nach Pont ä Mouffon abgereist.

DieKreuzz." erklärt bezügl. des Falls Kaufmann, es stehe fest, daß in aktivem Militärdienst stehende, zum Forst- und Jagdschutz kommandierte Jäger die rechtliche Stellung militärischer Wachtposten in Elsaß-Loth­ringen haben; Deutschland habe keine Veranlassung, Frankreich irgend welche Genugthuung zu geben, im Gegenteil, es habe die Berechtigung, von Frankreich Garantien zu fordern, daß dem Wilddiebunwesen an dortiger Grenze durch energisches Eingreifen französischer Behörden endlich ein Ende gemacht werde.

Frankreich.

Paris, 30. Sept.. Die Libertö berichtet offiziös:Die gestern hier eingetroffenen Berliner Depeschen stellen eine rasche Lösung des Zwi­schenfalles in Aussicht. Eine Genugthuung wird gegeben werden, so­weit sie die Entschädigung der Familien der Opfer betrifft. Die Depeschen sind mit Her größten Höflichkeit abgefaßt." Eine Gegenuntersuchung hat, wie behauptet worden, nicht stattgefunden. Der National meldet:Der französ. Geschäftsträger, Botschaftsrat Raindre, hat heute vormittag 9 Uhr die Untersuchungsakten dem Grasen Herbert Bismarck, mit dem er eine ^stän­dige Unterredung hatte, überreicht. Im Verlauf derselben konnte sich Raindre ^überzeugen, daß selbst, ehe der Staatssekretär von dem Inhalt Kenntnis ge­nommen , er genügend unterrichtet war, um zu bemerken, daß er sich nicht an die Auffassung der Nordd. A. Z. halte. Graf Bismarck sagte dann, nach­dem er die Schriftstücke überflogen, er werde dieselben an den Fürsten Bis­marck schicken, der sie als dringlich, erhaltenem Befehle gemäß, an den Kaiser übersenden werde, der sich die Entscheidung Vorbehalten habe. Aus guter Quelle wird versichert, es seien Grundzüge eines Ausgleiches -entworfen, nur sei man noch nicht über alle Punkte einig. Botschafter Herbette wird anfangs Oktober auf seinen Botschafterposten zurückkehren.

Paris, 1. Okt. Nach dem Korrespondenten des Berliner Tageblatts hat die deutsche Negierung freiwillig und unabhängig von dem Resultat abzuwartender Untersuchung der Witwe Brignon eine in ihrer Höhe noch festzusetzende Geldsumme zu zahlen sich erboten.

Rußland.

Petersburg. 28. Sept. Bezüglich der Zusammenkunft zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Kalnoky glaubt man in hiesigen diplomatischen Kreisen aus gewissen Anzeichen schließen zu sollen,

Feuilleton. «Nachdruck -erboten.)

Am Bang «nL Neichlnm.

Dem Englischen frei nacherzählt von <Leo Sonntag.

(Fortsetzung.)

Der Marquis war der glückliche Besitzer eines sehr schönen Hotels in Paris, das er erst kürzlich angekauft. Es lag in den Elysseischen Feldern, einer der schönsten Gegenden der Hauptstadt und war äußerst geschmackvoll und elegant eingerichtet.

Lady Laura war entzückt, es war Alles so reich und doch so verschieden von der mehr schwerfälligen Pracht in Fernholm. Ihr Onkel entwarf sofort einen aus­führlichen Plan, wie die Tage ausgefüllt werden sollten und dieses wurde auch ge­wissenhaft durchgeführt.

Vormittags kamen Lehrer, die Lady Laura in Musik, Französisch und Zeichnet! unterrichteten. Um zwölf Uhr erschien Madame la Comteffe Le Care, eine Dame der höchsten französischen Aristokratie, die jedoch ihr Vermögen verloren hatte und nun den Töchtern des Adels Stunden in Anstand, Etiquejte und Mode erteilte.

Die Comteffe war mit ihrer neuen Schülerin sehr zufrieden, sie hatte keine andere, die so rasch begriff und das Gelernte so gut anzuwenden wußte. Sie erklärte dem Marquis, in zwei Monaten werde seine schöne Nichte im Stande sein, ihren Platz in der höchsten Gesellschaft des Landes einzunehmen, welche Nachricht ihn mit großer Freude erfüllte.

Nachmittags fuhr Laura mit dem alten Herrn nach allen möglichen sehens­werten Orten, nach dem Louvre, nach Versailles u- s. w. und dann erteilte ihr der Marquis die lehrreichsten Unterrichtsstunden von allen. Er sprach über die Bilder und Statuen, die Maler und Bildhauer so interessant und eingehend, daß sie sehr bald ein Examen in Kunstgeschichte hätte ablegen können.

Abends besuchte man Theater und Konzerte, oder es wurde zu Hause gelesen. Es war ein außerordentlich angenehmes Leben und Lady Laura genoß es von ganzein

Herzen. Die Stunden flogen dahin wie Minuten. Sie hatte sich sehr herzlich an ihren Onkel angeschlossen und dieser widmete seiner schönen Nichte eine an Anbetung grenzende Verehrung.

Anwandlungen von Neue und Gedanken an die Vergangenheit hatte sie bis jetzt immer mit Erfolg zurückgedrängt; sie hatte ja auch kaum Zeit, solchen Ge­danken nachzuhängen.

Nur Ein Schatten fiel auf ihr sonniges Leben; sie fühlte sich nie ganz wohl, ihr rosiger Teint war einer zarten Blässe gewichen, eine fortwährende Müdigkeit ver­hinderte sie am vollen Genuß der ihr gebotenen Vergnügungen. Der Marquis zeigte sich zuerst sehr beunruhigt, als sie aber nie über ein bestimmtes Leiden klagte, .nahm er an, es sei die Luftveränderung, die Versetzung aus der frischen Landluft in die weniger gesunde einer großen Stadt. Oft fragte er sie, ob sie sich glücklich, ob sie sich wohl fühle und stets erhielt er die Antwort:

Ja, sehr glücklich und ganz wohl!"

Aber sie war nicht wohl, sie mußte sich das selbst eingestehen, sie war es gar nicht. Das sonderbare Gefühl von Schwindel, von plötzlichen Ohnmachtanwandlungen wiederholte sich öfter und öfter. Vielleicht war es nur Einbildung, aber sie glaubte, daß auch ihre Gesichtszüge sich veränderten, daß sie den Jugendschmelz einbüßten, der Jedermann entzückte. Dies beunruhigte sie mehr, als das Unwohlsein selbst; sie wußte, wie stolz ihr Onkel auf ihre Schönheit war, sollte sie dieselbe verlieren?

Bringe mir einen Handspiegel, Pattie", sagte sie eines Morgens zu ihrer Zofe.

Lange und aufmerksam sah sie hinein. Ja sicherlich, ihr Gesicht hatte sich ver­ändert. Das war nicht mehr das strahlende, blühende Antlitz, das seinen Duft von den Rosen entlehnt zu haben schien. Es war blaß und ein ihr fremder Ausdruck lag darin.

Pattie", sagte sie plötzlich,ich glaube, ich sehe nicht so gesund aus, wie sonst."

Das Mädchen sah sie mit einein merkwürdigen Blick an.

Ich glaube es auch nicht,gnädiges Fräulein."

Ich fühle mich gar nicht wohl", fuhr Lady Laura fort,ich war früher so kräftig und konnte alles vertragen; jetzt greift mich die Hitze an, der Blumenduft ver-