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Nr. 290

Montag, den 12. Dezember 1927

101. Jahrgang

Die Lösung des polnisch-litauischen Konflikts

Eine Entschließung des Völkerbundsrates

Neberbrückuug Ler polniich-litanischen Gegensätze.

TU. Genf, 12. Dez. Der Bölkerbundsrat hat am SamS- tag abend itl einer Nachtsitzung den von dem Außenminister Hollands zur Beilegung des polnisch-litauischen Konflikis ausgearbeiteten Bericht nebst eiäer Entschließung ein­stimmig angenommen. Die letztere hat folgenden Wortlaut:

Der Bölkerbundsrat erklärt

1. daß der Kriegszustand -wischen zwei Mitgliedern des Völkerbundes unvereinbar mit dem Geiste und dem Buch­staben des Völkerbundpaktes ist, an dessen Bestimmungen Litauen und Polen gebunden sind;

2. nimmt er Kenntnis von der ofiziellen Erklärung des Vertreters Litauens, daß Liiancn sich nicht als im Kriegs­zustand mit Polen befindlich betrachte und daß infolgedessen der Friede zwischen diesen beiden Ländern besteht:

S. nimmt er Kenntnis von der formellen Erklärung des Vertreters von Polen, bah die polnische Republik vollständig die politische Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Republik Litauen ««erkennt »nd respektiert:

4. emvkieblt er den beide« Reaierunaen. iobalL wie mög­lich direkte Verhandlungen auszunehmcn, um zu einer Her­stellung solcher Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu gelangen, die eine gute Zusammenarbeit iEntente) sichert, von der der Friede abhängt:

5. stellt er den beiden Regierungen die Dienste des Völ­kerbundes sowie seiner Organe zur Verfügung, falls dies für Verhandlungen notwendig sein sollte:

6. beschließt er, daß die Klage der litauischen Regierung in bezug aus die polnischen Staatsangehörigen litauischer Nationalität von einem Komitee geprüft werden soll, das aus dem Präsidenten des Rates und zwei Mitgliedern deS Rates besteht:

7. beschließt er, daß im Falle eines Zwischenfalles au der Grenze oder der Gefahr eines Zwischenfalles der General­sekretär des Völkerbundes ans Antrag der beiden Negierun­gen sosort de« Präsidenten des Rates in Kenntnis setze« soll,

damit die notwendige« Maßnahmen ergrijjeu iverdeu kön­ne». Ter Bölkerbundsrat stellt weiter fest, daß die beiden Negier» »gen sich verpflichten, bei einer derartigeu Uater- suchuug des Völkerbundes den Völkerbund mit allen Mitteln zu unterstützen:

8. nimmt er mit Genugtuung von der Erklärung deS Ver­treters Polens Kenntnis, nach der die polnischen Staatsan­gehörigen, die in der Klage der litauischen Negierung erwähnt sind, zur Rückkehr nach Polen berechtigt sein sotten.

Der Bericht des Berichterstatters enthält «eben dieser Erklärung einen ersten allgemeinen Teil, in dein darauf hin- gewtesen wird, daß die Unsicherheit, die bis jetzt in dem öst­lichen Teil Europas herrschte, einen für den Frieden wenig günstigen Zustand herbeigesührt habe. Wetter wird hervor- gehvben, daß die Entschließung in keiner Weise die Regelung derjenigen Differenzen berühre, über die die Regierungen verschiedener Ansicht seien.

Nach der einstimmigen Annahme dieser Erklärung gäben der polnische Außenminister Zaleski nnd der litauische Ministerpräsident Woldemaras folgende gleichlautende Erklärungen ab: Namen meiner Regierung erkläre ich

mich mit dem Bericht des Berichterstatters einverstan­den."

Woldemaras zur Entscheidung des Rats.

Der liiauischc Ministerpräsident Woldemaras äußerte sich Pressevertretern gegenüber über die Entscheidung deS Völ- kerbunüsiatö. Woldemaras betonte zunächst, daß die Ent­schließung lediglich einen ersten Schritt zur Ausnahme von Verhandlungen zwischen den beiden Negierungen bedeute. In der Lage zwischen den beiden Ländern habe sich tatsäch­lich zunächst nichts geändert. Vorläufig würben weder die diplomatischen Beziehungen ausgenommen noch der Eisen­bahnverkehr zwischen den beiden Ländern wlcdcrhergcstelll werden, solange die Verhandlungen nicht zu einem positiven Abschluß gelangt seien, lieber das Wilnaproblem sei bis­her noch nicht verhandelt worden. In den bevorstehenden Verhandlungen zwiischen Polen und Litauen müsse zu­nächst ein provisorischer Modus vivendi gefunden werden.

Die Ruhrschäden vor dem Reichstag

Der Bericht des Untersuchungsausschusses

TU. Berlin. 12. Dez. Ans der Tagesordnung der SamS- tagsttzung des Reichstages stand der Bericht des Unter­suchungsausschusses, welcher sich mit den Entschädigungen für den Bergbau des besetzt gewesenen Rnhrgebietcs beschäftigt hat.

Der Ausschuß erklärt, daß in der ohne Wisse» deS Reichstages vorgeuommene» Zahlung einer Entschädigung von 715 Millionen eine objektive Verletzung des Etatsrcchtes des Reichstages vorliegc. An den Ruhrkohleubergbau sciru zwar keine Doppelzählungen, wohl aber Überzahlungen in erheblichem Umsange erfolgt, dcre« Höhe mangels genauer Unterlagen nicht festgcstellt werden könne. Die Bergkau- indnstricllen seien auch wesentlich günstiger behandelt wor­den als die übrigen durch die Ruhrbesetznng Geschädigten. Der Ausschuß bezeichnet eS schließlich als erwünscht, die der Großindnstrie gewährte Begünstigung durch a«sreich«»de Entschädigung der geschädigten Arbeiter «ud Angestellten und -es Mittelstandes anszngleichen.

In Verbindung mit diesem Ausschußbericht kam eine kommunistische Interpellation zur Beratung, in der eine ausreichende Entschädigung der geschädigten Arbeiter nnd Angestellten nnd des Mittelstandes gefordert wird. Die Kommunisten beantragen weiter eine Änderung des Aus- schnßantrages, wonach es heißen soll: »Die sür diesen un­geheuerlichen Skandal in erster Linie verantwortlichen Män­ner, der damalige Reichskanzler Dr. Stresemann und Reichs­kanzler Dr Marx, sind wegen der Verletzung des Etats­rcchtes des Reichstages und nngehenrer Verschleuderung von Reichsgeldern an die Nuhriudnstrsellen vor den Staatsge­richtshof zu stellen. Die 7715 Millionen sind wieder einzu- ziehen."

In der Aussprache erinnerte Nbg. Ltmbertz sSoz.) da­ran, daß die Bevorzugung der Nuhrindustriellen nur durch einen Zufall bekannt geworden sei. Die Ruhrindustriellen hätten planmäßig die von Erzberger nnd Nathenau versuchte Verständigungspolitik sabotiert. Stinnes habe geradezu der

Stabilisierung entgegengcarbeiiet, indem er seine aus der Inflation gemachten riesigen Gewinne zum großen Teil tm Auslände anlegtc. Er habe auch mit Energie den Gedan­ken einer Rcichszerschlagung, der Bildung einer besonderen Ruhrprovtnz vertreten. Abg. Limbertz schloß, es sei not­wendig, einen Ausgleich zu schassen durch gerechte Entschädi­gung der Arbeitnehmer nnd des gewerblichen Mittelstandes.

Abg. von Ltndeincr-Wildau (Deutschnat.) er­klärte, die einseitige Darstellung des Abg. Limbertz versetze bei den jetzigen Auseinandersetzungen über die Reparations­frage Deutschlands Gegner in eine günstige Lage. Der sozia­listisch orientierte Bcrgarbeiterverbanü habe seinerzeit selbst von der Negierung eine Entschädigung an die Bergindustrie für die Micumlastcn gefordert, und Ler damalige sozialdemo­kratische Neichslnnenmintster Sollmann habe der Entschädi­gung zugrstimmt.

Abg. Esser tZ.) hofft, daß ein gründliches Studium des umfangreichen Äusschußberichts ansklärcnd wirken und den demagogischen Behauptungen von einem Ruhr-Panama und von einem Rieseugcschenk an die RuhrinLnstrie ein Ende machen werde. Heute sei in den weitesten Kreisen die Erin­nerung verblaßt an den passiven Widerstand im Ruhrgebict und daran, daß damals alle Bewohner des Rnhrgebiets ohne Unterschied der Partei und des Standes ihre Existenz aufs Spiel gesetzt haben im Kampfe gegen die Unterdrückung.

Abg. Dietrich-Baden lDem.) betonte, daß die Vor» zugsbehandlung der Ruhrinöustrie durch die Ausschußunter- suchung erwiesen sei. Es mußte als ein Unrecht empfunden werden, daß der Nuhrbergbau ohne Kenntnis deS Reichsta­ges 700 Millionen bekam zu einer Zeit, als den übrigen Ge­schädigten gesagt wurde, sie könnten nichts bekommen. Der Rechtsanspruch der Nuhrtndustrie sei zudem sehr zweifelhaft. Unter diesen Umstände» war die Zahlung eine gröbliche Ver­letzung des Etatsrechts. Der Redner bezeichnete die Ent­schädigung der Nnhrindustrie als eine der bedauerlichen Fol­gen des starken Anwachsens der Konzernbildung in Deutsch­land, die immer mehr Einfluß aus die Regkerungsgeschäste zu gewinne» suche. Die Aussprache wird fortgesetzt.

Tages-Spiegel

Der Bölkerbundsrat nahm einstimmig eine EntschlirHing über die Beilegung des polnisch-litauischen Konflikis an.

*

Mit der Entscheidung deS Ra s ist nur ein erster Schritt ge­tan, die Verhandlung«: zwischen Polen «nd Litauen solle« im Januar beginne«.

Am gestrige« Sonntag sanden in Gens Besprechung«» zwi­schen Dr. Stresemann, Briend und Pilsudski statt.

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Ans einer Zusammenknnft der Außenminister England-, Frankerichs, Italiens «nd des englischen Botschafters in Rom wurde die Frage der französisch-italienische« Be­ziehungen erörtert.

»

Der Reichstag verhandelte am Samstag über die Ruhr- entschädigunge« und vertagte die weitere Aussprache aus Montag.

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In» Lohnkouflikt in der Schwerinbnstrie habe« erneut er» gcbnislose Verhandlungen stattgesunde«. Von der Schlichterkammer wurden Fachkommissionen zur Unter­suchung des Streites eingesetzt.

»

Mit einer Mehrheit von KS4L gegen S418 Stimme« wurde gestern in Tübingen der Lanbtagsabg. Schees »nm Ober­bürgermeister gewählt.

Die Somilagsbefprechungeri in Genf

TU. Genf, 12. Dez. Der gestrige Sonntag war einer Reihe von einzelnen Verhandlungen gewidmet. Am Vor­mittag empfing Brtand den litauischen Ministerpräsidenten Woldemaras, der, wie mitgeteilt wird, dem französischen Außenminister seinen Dank für die vermittelnde Tätigkeit ausgesprochen hat. Sodann fand ein Frühstück statt, an dem Brianö, Chamberlain, Scialoja und Graham teilnahmcn. Um 5 Uhr nachmittags suchte Briand Stresemann auf. Die Unterredung dauerte bis kurz vor halb 7 Uhr. Ferner fand gestern nachmittag eine Unterredung zwischen Zaleski und Woldemaras statt.

Pilsudski bei Stresemann.

TU. Genf, 12. Dez. Im Anschluß an ein Frühstück bet Briand fand eine cinclnhalbstündige Unterredung zwischen Stresemann und Pilsudski statt. Von bestinformierter Seite wird mitgeteilt, daß ln dieser Unterredung von polnischer Seite ausdrücklich der Wunsch geltend gemacht worden sei» zu einer Verständigung über alle zwischen Deutschland und Polen schwebenden Fragen zu gelangen. Welche« tatsäch­lichen Verlauf die Unterredung genommen hat, wird nicht mitgcteilt: jedoch sind zweifellos sowohl die deutsch-polni­schen Handclsvertragsverhandlungen als auch eine Reihe anderer Fragen zwischen den beiden Staatsmänner» zn" Sprache gekommen.

Heute Abreise BrtandL und EhambsrlainS.

TU. Geus, 12. Dez. Der französische Außenminister Briand wird voraussichtlich heute mittag Genf verlassen. Es verlautet, daß er an der heutigen Bormtttagssttzung des NateS nicht teilnehmen, sondern sich durch Loncheur ver­treten lassen wird. Paul Boncour ist bereits nach Paris zurückgekehrt. Ehamberlatn verläßt Genf heute abend. Die deutsche Delegation wird nach den bisherigen Dispositionen am Dicustagvormlttag abreisen.

Das Ardeitsprogramm des Reichstags

TU. Berlin, 12. Dez. Entgegen der ursprünglichen Ab- sicht des Reichstages ist die zweite Lesung der BesoldungS- vorlage nicht aus die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt worden. Der Aeltestenrat wird vielmehr heute zu­sammentreten, um über die weitere Geschäftslage zu be­raten. Es wird jetzt in parlamentarischen Kreisen be­zweifelt, daß der Reichstag noch über den 16. Dezember hinaus zusammen bleiben kann, znmal an diesem Tage die Bayerische Volkspartei ihren Parteitag abhält und nach alter Uebung die Plenarsitzungen während der Parteitage aus- fallen. Um die rechtzeitige Erledigung des Etats jedoch nicht zn gefährden, wird deshalb bei den Regierungsparteien er woge», den Etat vor der ersten Beratung dem Haushalts ausschuß zu überweisen. Dieser könnte dann seine Arbeiten bereits am 16. Januar wieder aufnehmen, währen- die erstc Lesung des Etats mit der allgemeinen Anssprache erst beim Wiederzusammentritt am 1L. Januar erfolgen würde.