62. Jahrgang.

Uro. 113.

Amts- unä IntekkigenMatt für äen Bezirk.

Erscheint Z>ie««tas, Ao««er»tag L Sümstag.

Die EinrückungSgebühr beträgt S ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Dienstag, äea 27. Zeptember !887.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

die Post bezogen im Bezirk 2 SO H, sonst in ganz Württemberg 2 70

Abonnement-Einladung.

Mit dem 1. Oktober beginnt ein neues Abonnement auf das Calwer Wochenblatt. Der Preis beträgt in der Stadt 90 H excl. 20 H Träger- lohn, auswärts bei der Post bestellt 1.15 pc. Vierteljahr.

Das Wochenblatt erfreut sich einer ansehnlichen, stets wachsenden Abonnentenzahl und zählt gegenwärtig mehr Korrespondenten als je zu seinen Mitarbeitern. Besonderes Interesse beanspruchende Vorfälle, namentlich auch auf politischem Gebiete, erhält das Blatt bekanntlich telegraphisch mitgeteilt, deren Aufnahme meist in der letzten Stunde vor der Ausgabe noch bewerk­stelligt werden konnte.

Zu zahlreicher Beteiligung ladet freundlichst ein

die Uedaklion.

wird Unterricht in der ebenen und praktischen Geometrie, im Zeichnen, in den Elementen der Chemie, Physik, Mechanik, sowie theoretische und praktische Unter­weisung im Feld-, Wein-, Gemüse- und Obstbau, sowie in der Viehzucht erteilt.

Falls einer der Zöglinge während des Lehlkurses an der Weinbau­schule in das militärpflichtige Alter eintreten sollte, so kann er nach K 30 Ziff. 2 lit. k. der deutschen Wehrordnung vom 28. Septbr. 1875 (Reg.-Bl. 1875 S. 565 ff.) bis nach vollendeter Lehrzeit zurückgestellt werden.

Um den Zöglingen fortwährend praktische Anschauung zu sichern, ist mit der Anstalt ein Grundbesitz von 33 Hektar 62 Ar verbunden, der in Gärten, Weinbergen, Ackerfeld und Wiesen besteht.

Mit den Eingaben ist ein Geburtsschein, Impfschein, sowie ein Zeugnis des Gcmeinderats über den Stand und etwaigen Grundbesitz des Vaters, über dessen Einwillung zu dem Vorhaben seines Sohnes, über das Heimat­recht, das Prädikat und die Laufbahn des Aufzunehmenden vorzulegen.

Stuttgart, den 16. Septbr. 1887. Werner.

AnrLkiche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung der N. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Neuaufnahme von Zöglingen in die

K. Weinbauschute zu Weinsberg.

Auf den 1. Januar 1888 sind für die zwei Jahre 1888 und 1889 sechs Zöglinge in die Weinbauschule aufzunehmen. Diejenigen Jünglinge, welche um Aufnahme sich bewerben wollen, werden daher aufgefordert, binnen vier Wochen bei dem Vorsteheramt der Wein» bauschule in Weinsberg schriftlich sich zu melden. Die Bewerber werden sodann zu einer Vorprüfung einberufen, welche anfangs Dezember stattfinden wird.

Die Aufzunehmenden müssen das 17. Lebensjahr zurückgelegt haben, vollkommen gesund, für anhaltende Feldarbeiten körperlich erstarkt, mit den gewöhnlichen Arbeiten in Feld und Weinberg bereits vertraut sein und lesen, schreiben und rechnen können, wie auch die Fähigkeit besitzen, einen populären Vortrag gehörig aufzufasfen.

Kost, Wohnung und Unterricht erhalten die Zög­linge frei; dagegen haben sie alle vorkommenden Arbeiten unentgeltlich zu verrichten. Bei Fleiß und Wohlverhalten wird Aussicht auf Prämien gegeben. Die Neueintretenden sind verpflichtet, den vorgeschriebtnen Lehrkurs bis zum Schluß des Jahres 1889 durchzumachen.

Die aufzunehmenden Zöglinge erhalten während des zweijährigen Kurses einen auf gründliche berufliche Ausbildung berechneten Unterricht. Neben der Befestigung und Wetterführung in den gewöhnlichen Volksschulfächern

Wachvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 23. Sept. 'Graf Herbert Bismarck ist gestern Nachmittag mit einem Sonderzug der Lehrterbahn nach Friedrichsruh abgereist. Dort sind, wie verlautet, zu dem heutigen 25jährigen Ministerjubiläum des Fürsten Bismarck auch Graf Wilhelm von Bismarck und Graf zu Rantzau nebst Familien eingetroffen. Demnach ist des Reichskanzlers Familie voll­zählig in Friedrichsruh versammelt. Graf Herbert v. Bismarck wird morgen hier zurückerwartet. Wie die Kreuzztg. meldet, hat der Kaiser an den Reichskanzler zu dessen Jubiläum ein huldvolles Schreiben gerichtet und dem Jubilar ein sinniges Geschenk übermitteln lassen. Der Kaiser empfing heute den General v. Pape, welcher sich von der Beendigung der Manöver des Gardekorps zurückmeldete. Hierauf hörte der Kaiser den Vortrag des Grafen Perponcher und nahm dann im Beisein des Kommandanten von Berlin per­sönliche Meldungen mehrerer hoher Offiziere entgegen. Mittags erteilte der Kaiser dem deutschen Botschafter in Petersburg General v. Schweinitz Audienz, und darauf hatte auch der Militärbevollmächtigte bei der deutschen Botschaft in Rom Major v. Engelbrecht die Ehre des Empfangs. Am Nachmittag hatte der Kaiser eine Besprechung mit dem Geh. Hofrat Bork, arbeitete alsdann noch längere Zeit allein und hatte später eine längere Be­ratung mit dem Minister v. Puttkamer. Das Essen nahm der Kaiser allein. Der Kaiser gedenkt am nächsten Sonntag 6'/? abends Berlin zu verlassen

Feuilleton. (Nachdruck urrbat'n.»

Um Rang «nd Ueichtnm.

Dem Englischen frei nacherzählt von Leo Sonntag.

(Fortsetzung.)

Er kaufte jetzt Fernholm, heiratete bald darauf eine schöne reiche Erbin, mit der er inehrere Jahre in glücklicher, mit zwei Kindern gesegneter Ehe lebte. Da raffte eine tückische Krankheit die geliebte Frau plötzlich hinweg, und als ob das Schicksal an dem einen Schlag nicht genug gehabt, starben bald darauf in kurzen Zwischenräumen seine beiden Kinder, zuerst das Mädchen, dann der Knabe, der einzige Erbe seines alten Namens und das vergötterte Kleinod seines alten Herzens.

Da fiel ihm die lange vergessene Schwester wieder ein und sofort begann er, Nachforschungen anzustellen. Er reiste selbst nach seinem Geburtsort, doch konnte er hier weiter nichts erfahren, als daß seine Mutter längst gestorben und Augusta ver­heiratet sei. Wo und mit wem, das konnte ihm Niemand sagen. Er ließ die Leichen seiner Eltern nach Fernholm bringen und dort in einem prächtigen Mausoleum bei­setzen, dann sah er sich nach einem geschickten Manne um, dem er die Forschung nach seiner Schwester oder deren Nachkommen anvertrauen konnte. Diesen Mann hatte er in Rodway gefunden.

Jahre waren seitdem verflossen, ohne daß ein nennenswerter Erfolg errungen worden wäre, immer noch lebte der alte Mann allein auf seiner großen Besitzung. Heute Morgen aber war ein Brief angekommen, der ihn in die größte Aufregung versetzt hatte. Er war nur kurz, aber die wenigen Zeilen um so inhaltsschwerer:

Geehrter Herr Marquis, endlich sehe ich meine Bemühungen niit Er­folg gekrönt. Ich habe bis jetzt noch nicht geschrieben, da ich immer noch eine Enttäuschung fürchtete. Doch jetzt ist alles sicher. Heute Abend bringe ich Ihre Nichte, Fräulein Laura Knowles, und mit ihr alle Beweise für ihre Identität.

Mit der vollkommensten Hochachtung

Ihr ganz ergebener Diener:

A. Rodway."

Der Brief mar viel zu kurz für den Marquis. Warum sagte ihm Rodway gar nichts über das Aussehen seiner Nichte, ob sie fein gebildet, ob sie überhaupt prüsentabel war. Seine Mutter war eine Bäuerin gewesen, konnten sich nicht die bäuerischen Züge auf die Frauen der Familie vererbt haben? Wenn nun heute Abend ein grobknochiges, eckiges, linkisches Mädchen ankam, mit hübschen, groben Bauernzügen, roten Händen und einem unverbesserten Dialekt, was sollte er dann thun? Er konnte sie nie als Fräulein de Bourdon in die Welt einführen, nein, lieber vermachte er sein immenses Vermögen an milde Stiftungen und ließ den alten Namen aussterben.

Hätte er seine Nichte erst anders wohin bringen lassen und sie dort in Augen­schein genommen, ehe sie hier erschien. Er war so erregt, daß er zitterte, als ein Wagen vorfuhr und der Diener ihm kurz darauf meldete, Herr Rodway sei mit einer Dame im Salon. Dann lachte er über sich selbst.

Habe ich nicht oft genug der Gefahr und dem Tode in's Gesicht geschaut", sagte er sich,und ich sollte mich vor einen: Mädchen fürchten?"

Und dennoch mußte er all' seinen Blut zusammennehmen, ehe er den Salon betrat. Nie in seinem Leben vergaß er das Gefühl der Erleichterung, das ihn über­kam, als er ein schlankes, graziöses Mädchen vor sich sah in der gewähltesten Toilette, mit feinen Manieren und schön wie ein Traum.

Ist dies meine Nichte?" fragte er mit bebender Stimme.

Das ist Fräulein Knowles", erwiderte Rodway.

Er reichte ihr beide Hände, dann zog er sie zu sich heran und küßte das liebliche Gesicht.

Ich habe Deine Mutter, meine einzige Schwester, nie gesehen, aber ich bin überzeugt, daß Du ihr ähnlich bist. Sei willkommen in meinem Hause und in meinem Herzen!"