Der KchlljWer.
Amts- und Anzeige-Matt für den Oberarnts-Bezirk Nagold.
73. Jahrgang.
Erscheint
Montag, Mittwoch, Donnerstag und Samstag.
Preis vierteljährl. hier mit Trägerlohn 90 im Bezirk 1 ^ außerhalb d. Bezirks 1 ^ 20 .
Monatsabonnements nach Verhältnis.
^ 58 .
Amtliches.
Die Schultheitzeoämter
wollen binnen 8 Tagen „als portopflichtige Dienstsache- — unfrankiert — anher berichten, ob in ihren Gemeinden Viehverficheruogsvereiue bestehen und wie viel Mitglieder die Vereine zur Zeit zählen.
Eventuell ist Fehlanzeige zu erstatten.
Nagold, den 31. März 1898.
K. Oberamt. Ritter.
Die Ortsbehörde«,
welche mit Erstattung des am S. v. Mts. „Gesellschafter Nr. 23" »erlangten Bericht über die Anlegung von Fischteiche« auf ihren Markungen noch im Rückstand sind, wollen diesen Bericht in Bälde „als portopflichtige Dienstsache" anher einsenden.
Nagold, den 31. März 1898.
K. Oberamt. Ritter.
Bekanntmachung.
Der auf 5. April ds. Mts. fällige Viehmarkt in Horb ist wegen größerer Verbreitung der Maul- und Klauenseuche im Marktorte und Bezirke heute verboten worden.
Horb, 31. März 1898.
K. Oberamt. Wendelstein.
Parlamentarische Ostern.
ch Der Reichstag ist nunmehr in seine Osterferien gegangen, um am 26. April nochmals voraussichtlich nur für ein paar Wochen zusammenzutreten. Das weitaus wichtigste und bemerkenswerteste Ergebnis des jetzt beendeten ersten Hauptabschnittes seiner letzten Session besteht in der Annahme der Flottenvorlage, welche in der Sitzung vom 28. März end- giltig verabschiedet wurde. Mit diesem bedeutsamen Reichsvotum ist die so lang« Monate spielende, an Wechselfällen und Aufregungen reiche Flottenfroge in einer für die Sicherung der Stellung Deutschlands zur See und für die Interessen des Gesamtvaterlandes ersprießlichen und befriedigenden Weise zum Abschluß gebracht worden, die deutsche Flotte wird künftig in einer achtunggebietenden Stärke aufzutreten vermögen. Die Genugthuung aller Vaterlandsfreunde über die definitive parlamentarische Sanktion des Flottenverstär- kungsgesetzes wird vor Allem auch an allerhöchster Stelle geteilt, man weiß ja, wie lebhaft sich der Kaiser für das Zustandekommen der Flottenvorlage interessierte. Seiner Befriedigung über die nun erfolgte Verabschiedung derselben hat der erlauchte Monarch denn auch durch die Ernennung des Marinestaatssekretärs Tirpitz zum preußischen Staatsminister, durch Ocdensauszeichnungen mehrerer Offiziere des Reichsmarineamtes und durch fein Telegramm an den Großherzog von Baden, in welchem er dem badischen Herrscher für seine unermüdliche Mitarbeit zu Gunsten des Flotten- gesrtzes dankt und ihn L In suite der Marine-Infanterie stellt, bezeichnenden Ausdruck gegeben.
Neben dem Flottengesetz, dem Hauptstück der laufenden ReichstagSsesfion sind in deren vorösterlichen Sesfionsab- schnitte noch eine Anzahl anderer Vorlagen durch deren definitive Annahme erledigt worden. Zunächst ist es dem Reichstage gelungen, den umfangreichen Reichshaushaltungsetat noch knapp vor dem 1. Aprit, dem verfassungsmäßig hierfür zulässigen äußersten Zeitpunkt, fertigstellen und hiermit eine weitere Hauptarbeit, wenigstens quantitativ genommen, zu beendigen. Dann wurde die Vorlage über die Entschädigung unschuldig Verurteilter genehmigt, deren Verabschiedung endlich eine alte und gerechte Forderung weiter Volkskreise erfüllt. Ebenfalls noch vor Ostern zu Stande gekommen ist die Novelle zum ReichSpostdampfergesetz, welche in ihrem Kernpunkte die Einführung 14tägiger ReichSpost- dampferfahrten nach Ostasien und die Erhöhung der dem Bremer Lloyd vom Reiche zu gewährenden jährlichen Subvention um l'/r Millionen Mark ausspricht. Schließlich sind in dem vorösterlichen Sesfionsabschnitte noch einige kleinere Gesetzentwürfe zur endgiltigen Genehmigung gelangt, wie die Novelle zum Branntweinsteuergesetz betreffs der veränderten Branntwein-Eontingentierung, der Handelsvertrag mit dem Oranje-Freistaat, die Vorlagen über die Regelung der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und über die Aufhebung der Amttkaution der Reichsbeamten, u. s. w.
Immerhin bleibt auch noch für den Rest der Session ein nicht unansehnliches gesetzgeberisches Material zu verabschieden. Den hervorragendsten Punkt unter letzterem bildet die Vorlage über die Reform der Militärstrafprozeßordnung, welche bis jetzt die zweite Lesung passiert hat. Ihr Zustandekommen ist jedoch trotz dieses so vorgerückten parlamentarischen Stadiums noch keineswegs ganz gesichert, da fnoch einige Differenzpunkte zwischen Regierung und Reichstag wegen der neuen Militärgerichtsordnung bestehen, indessen
Nagold, Samstag den 8. April
überwiegt in parlamentarischen Kreisen die Meinung, daß ^
sich die vorhandenen Differenzen durch Anbequemung des Reichstags an den Regierungsstondpunkt beseitigen lassen werden. Daneben sind zunächst in zweiter Plenarlesung noch die Novelle zum GerichtSverfaffungSgesetz, zur Civil- und Strafprozeßordnung «nd zur Coneursordnung, die Vorlage über die Abänderung des Postgesetzes und der vom Eentrum beantragte Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Un- fittlichkeit, sowie in dritter Lesung die Vorlage betreffs der Weiterführung der Reichsschuldentilgung zu erledigen; außerdem hat sich das HauS nach Ostern noch mit dem Nachtragsetat wegen Kiaotschaus zu befassen. Freilich wird aber nach dem Wiederbeginn der ReichStagssitzungen nach Ablauf der Osterferien nicht viel ruhige Beratungszeit mehr übrig sein, denn es gilt als feststehend, daß die Neuwahlen Mitte Juni stattfinden, und die Nähe des Wahlkampfes kann begreiflicher Weise auf die nachösterlichen Reichstags- Verhandlungen kaum günstig einwirken. Hoffentlich gelingt es, dieselben rasch und glatt zu Ende zu führen, damit daS alte Parlament nicht mehr versammelt ist, wenn die Wahlagitation in ihren letzten und geräuschvollsten Abschnitt eintritl.
MSrttember-ischer Kaudtag.
(192. Sitzung.)
Stuttgart, 30. März. Tagesordnung: Fortsetz, ung der Beratung des Verfaffungsgesrtz-s bei Art. 17. Die Verfaffungskommission hat zu diesem Art. folgenden Antrag gestellt: Art. 17 folgendermaßen zu fassen: § 153 der Verfaffungsmkunde wird dahin abgeändert: ß 153 eine neue Wahl ist anzuordnen, wenn der Gewählte die Wahl nicht angenommen hat. Dieser Artikel wird debattelos angenommen. Es folgt Art. 18, welcher in H 15« bestimmt, daß die Mitglieder beider Kammern ihr Stimmrecht in Person suszuüben haben und daß niemand eine doppelte Stimme haben darf, ferner regelt der Z die Stellvertretung der Standesherrn in der ersten Kammer. Abg. Kiene (Ctr.) hat zu diesem Artikel einen Antrag eingebracht, demzufolge die Stellvertretung nicht wie im Kommissionsantrag, nur durch den Sohn oder den sonstigen präsumtiven Nachfolger in der Standeshercschaft, sondern durch einen beliebigen Agenten ausgeübt werden kann. (Wortlaut des Entwurfs.) Der Antragsteller begründet diesen Antrag damit, daß viele standesherrliche Familien auch in andern Staaten Landstandschaftsrechte besitzen und daß es dem Familienoberhaupte nicht immer möglich sei, überall dieses Recht zu vertreten. Redner ersucht seinen Antrag anzu- nehmen. Justizminister v. Breitling empfiehlt den Antrag Kiene, welcher Aussicht habe, im andern Hause angenommen zu werden. Nach einer kurzen Debatte stellt Abg. Haußmann-Gerabronn (V.-P.) den Antrag, aus dem Art. diejenigen Absätze zu streichen, welche von der Stellvertretung der Standesherrn handeln. Abg. Kiene (Etr.) und Ministerpräsident ». Mittnacht weisen auf die Gefährlichkeit dieses Antrags hin, da das andere Haus den größten Wert auf diesen Punkt lege. Bei der Abstimmung werden die Anträge Haußmann und Kiene mit 44 gegen 38 bezw. 36 Stimmen abgelehnt, der Kommissionsantrag angenommen. Zu Abs. 3 dieses Art., welcher von der Stellvertretung deS Bischofs handelt, hat Domkapitular v. Linsenmann einen Antrag gestellt, welcher eine Vertretung bei Verhinderung durch Amtspflichten fortfallen lassen und nur eine Vertretung bei länger dauernder Verhinderung durch Krankheit oder Alter beibehalten will. Prälat v. Sandberger bittet den Antragsteller das Wort länger als einen relativen Begriff zu streichen. Haußmann-Gerabronn schließt sich dem an. Minister v. Sarwey erblickt in dem Antrag Linsenmann eine Verbesserung des Kommissionsantrags. Nach kurzer Debatte erklärt sich Domkapitular Linsenmann mit der Streichung deS Wortes „länger" einverstanden. Der Antrag Linsenmann wird angenommen, ebenso die übrigen Teile des Art. 18. Art. 19, welcher die Wahldauer eines Abg. auf 6 Jahre festsetzt. Art. 20, welcher redaktionelle Aendrrung des 8 158 verlangt und Art. 21, welcher von der Legitimation der Abg. handelt, werden angenommen. Es folgt Art. 21a, dessen erster Absatz lautet: Jede Kammer prüft die Gesetzmäßigkeit der Wahlen und entscheidet über die Legitimation ihrer Mitglieder. Dieser Absatz rief eine längere Debatte hervor. Abg. Kiene (Etr.), Gröber (Etr.), Haußmann-Gerabronn (V.-P.), der Ministerpräsident und Minister v. Pischek treten diesen drei Rednern entgegen. Bei der Abstimmung wird der Punkt 1 des Art. angenommen, ebenso die beiden folgenden, welche von der Ungiltigkeit Anfechtbar der Wahlen handeln. Des wei- teren wird ein Antrag Haußmann-Gerabronn angenommen, welcher folgenden Wortlaut hat: Eine Wahl kann nicht für ungiltig erklärt werden, wenn nachgewiesen ist, daß durch den Verstoß, auf den die Anfechtung gestützt wird, die Wahl materiell nicht beeinflußt werden konnte oder
Insertions-Gebühr f. d. einspaltige Zeile aus gewöhnt. Schrift oder deren Raum bei einmalig. Einrückung 2 bei mehrmalig, je 6-s.
Gratisbeilagen: DaS Plauderstübchen und
Schwäb. Landwirt.
1898 .
wenn im Fall der Verletzung wesentlicher Vorschriften für
daS Wahloerfahren eine nachträgliche Ergänzung möglich ist. Nächste Sitzung morgen 9 Uhr.
(193. Sitzung.)
Stutt 8 art, 31. März. Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung deS Bersaffungsgesetzes Art. 22. Dieser Art. lautet, ß 162, die Sitzordnung und die Reihenfolge bei namentlichen Abstimmungen werden in beiden Kammern durch die Geschäftsordnung bestimmt. Dieser sowie Art. 22 a, welcher von der Kommission eingefügt wurde, und bestimmt, daß die Kammer für eine bestimmte Zeitdauer einen zweiten Vicepräfidenten annehmen darf, werden de- battelos angenommen. Art. 23 handelt von der Befugnis der Minister zur Beteiligung an den KommisfionSfitzungen. Die Kommission hat dir Bestimmung eingefügt, daß die Beteiligung deu Ministern versagt sein soll, wenn die Kommission eine vertrauliche Sitzung beschließt. Berichterstatter Haußmann-Gerabronn empfiehlt den KommisstonSantrag. Ministerpräsident v. Mittnacht weist darauf hin, daß aus einem Zusammenarbeiten der Regierung und der Kommission beiden Teilen Vorteile erwuchsen und tritt dafür ein, daß die Minister an allen Kommissionsfitzungen teilnehmsn können. Frhr. v. Wöllwarth steht auf dem Standpunkt des Ministers, während M'tberichterstatter v Geß, Berichterstatter Haußmann-Gerabronn und die Abg. Kiene, Gröber und Sachs für den Kommissionsantrag rintreten, der nach etwa zweistündiger Debatte auch angenommen wird. Es folgt die Beratung der von Gröber Namens der Centrumsfraktion beantragten Art. 23 a und 23 d. Der Erster« bestimmt, daß Ausgabepoften nicht über den Betrag, der, von der Regierung vorgeschlagenen Summe erhöht werden können. Art. 23 d setzt fest, daß K. Angelegenheiten, wenn dies von der StaatSregierung verlangt wird, vor der Einzelberatung an eine Kommission zu verweisen sind. Abg. Gröber begründet seine» ersten Antrag. Ministerpräsident v. Mittnacht erklärt Namens der anwesenden Minister, daß di» Aufnahme deS beantragten Artikels in das vorliegende Gesetz unannehmbar sei. Die Berichterstatter Haußmann und v. Geß find prinzipiell nicht gegen den Antrag, lehnen ihn aber ab, weil er in der ersten Kammer eine Mehrheit nicht finden würde. Der erste Antrag Gröber wird abge- lehnt. Abg. Gräber begründet seinen zweiten Antrag. Ministerpräsident v. Mittnacht erklärt, daß die anwesenden Minister diesen Antrag nicht bekämpfen, aber auch eine direkte Erklärung nicht abgeben würden. Die Berichterstatter erklären sich mit dem Antrag einverstanden, welcher sodann angenommen wird. Der folgende Art. 24 handelt von der Erweiterung des Budgetrechter der ersten Kammer. Hierzu liegen drei Anträge vor. Der Kommissionsantrag, welcher auf Streichung des Artikels lautet, der Antrag v. Sandberger und Wöllwarth, welcher die Wiederherstellung des Regierungsentwurfes verlangt und Centrumkantrag, welcher von dem Regierungsentwurf dadurch abweicht, daß er bei der zweiten Beratung eines Etatgegenstandes in der zweiten Kammer die Beschlußfassung über denselben mit einfacher Stimmenmehrheit festsetzt, und weiter bestimmt, daß, wenn bei der Abstimmung über den ganzen Etat die erste Kammer zu einer Ablehnung des von der zweiten Kammer beschlossenen Hauptetats kommt, die bejahenden und verneinenden Stimmen der beiden Kammern zusommen- gezählt und nach der Mehrheit sämtlichen Stimmen alsdann der Ständebeschluß abgefaßt wird. Haußmann-Gerabronn erklärt, die Mehrheit der Kommission sei der Ansicht, daß das Budgetrecht der zweiten Kammer nicht angetastet werden dürfe. Die zweite Kammer habe der ersten Kammer gegenüber genügend Gegenleistungen gewährt, in Verstärkung ihrer Mitgliederzahl und in Erfüllung anderer Wünsche. Der Entwurf sei in diesem Punkte unannehmbar. Denjenigen, die noch mehr Gegenleistungen von der zweiten Kammer verlangen, möchte er zurufen, „allzu straff gespannt, sprengt den Bogen." Mitberichterstatter v. Geß betont, seine politischen Freunde würden mit aller Entschiedenheit einer Beschneidigung des Budgetrechtes der zweiten Kammer entgegentreten. Abg. Kiene (Ttr.) erklärt, für den RegierungSentwurf seien seine politischen Freunde nicht zu haben. Der Centrumsantrag bringe eine Beschränkung des Regierungsentwurfes und einen befriedigenden Ausgleich der sich gegenüberstehenden Meinungen. Er empfiehlt den CentrumSantrag zur Annahme. Nachdem Prälat v. Sandberger noch für den RegierungSentwurf gesprochen, wird die Sitzung abgebrochen "und auf Nach- mittags 4 Uhr vertagt. _
Deutscher Reichst«,.
Berlin, 28. März. Der Reichstag genehmigte am Montag zunächst in dritter Lesung, also endgültig, den Gesetzentwurf über die Entschäorgung unschuldig Verurteilter, sowie die Vorlage betr. anderweite Fortsetzung des Gesamt- contingentS der Brennereien und trat darauf in die dritte