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— Der Berliner Korrespondent des Frkf. I. bestätigt telegraphisch die Nachricht, daß Graf Kalnoky sich heute abend zum Reichskanzler nach Friedrichsruh begiebt. Das Blatt fährt fort: Die verschiedenen Kombinationen, welche aus der nicht erfolgten Zusammenkunft der leitenden Staatsmänner in Kissingen gefolgert wurden, erweisen sich somit als hinfällig. Wenn man in der Besprechung, die jetzt in Friedrichsruh erfolgt, auch nichts Anderes, als nur die erneute Bethätigung des fortgesetzten Einverständnisses der deutschen und österreichisch.ungarischen Politik erblicken kann, so verdient dieselbe doch in diesem Augenblicke eine um so höhere Beachtung als die neuesten« durch das Kanzlerorgan gegebenen Darlegungen der Aufgaben und Ziele der deutschen auswärtigen Politik erkennen lasten, daß man maßgebenden Ortes in Berlin, was unsere Beziehungen zu Rußland betrifft, kühl bis ans Herz hinan die Situation auffaßt. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die russischen Verstimmungen ihren Ausgangspunkt bei der österreischen Politik nahmen und sich nach und nach auf die deutsche erstreckten, d. h. gerade die Intimität zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn den pansla- vistischen Hetzern der ärgste Dorn im Auge ist, so wird man leicht ermessen, daß die Zusammenkunft zwischen Bismarck und Kalnoky gerade in einem Momente, in welchem die bulgarische und andere wichtigen Fragen zur Entscheidung drängen, eine erhöhte Bedeutung gewinnen muß.
Hcrges-WeuigkeiLen.
— Auf der Ausstellung der Bienenzüchter in Stuttgart sind aus Stadt und Bezirk mit der Auszeichnung, broncene Medaille, für ausgesttllte Produkte bedacht worden: Carl Costenbader von Calw und I. F. Graser in Unterreichenbach.
Vom Nagolder Bezirk, 14. Sept. Die Hopfenernte geht diese Woche zu Ende. Es ist noch kein Kanf abgeschloffen.
Stuttgart, 15. Sept. (H o p f e n m a r kt.) Die am Montag verspätet eingetroffene Ware wie die neue Zufuhr fanden sofort Nehmer zu Preisen von 87 bis 100 pr. Ztr. Einige Ballen 1886er gingen zu 40 ebenfalls vom Markt.
Stuttgart, 15. Sept. (Kartoffel-, Kraut- und Obstmark t.) 800 Ztr. Kartoffeln, 3 30 H bis 3 ^ 80 pr. Ztr.
4000 Stück Kraut, 18 bis 22 pr. 100 Stück. — W i l h e l m s platz': 100 Ztr. Württemberg. Mostobst, 7 bis 7 -/-L 20 H pr. Ztr.; Güt erbahn Hof: 200 Ztr. österreichisches, 7 pr. Ztr.
Tübingen, 14. Sept. Ein gut gekleideter Mensch aus Cannstatt machte unsere Stadt in den letzten Tagen in der Art unsicher, daß er frech die Wohnungen betrat, die Gesindekammern beging und sobald er betroffen wurde, nach irgend einem Knechte oder Gesellen fragte. Gestern entnahm er der Gesellenkammer eines Metzgers einen Anzug und 2 silberne Uhren. Er wurde beim Verlassen des Hauses aufs freundlichste gegrüßt, doch erregte das Päckchen unter seinem Arm den bald bestätigten Verdacht; der Dieb wurde in der Nähe des Bahnhofes festgenommen. Er war noch im Besitze der zwei Uhren; den Anzug will er einem Verbündeten übergeben haben.
Reutlingen, 12. Sept. Als Nachfeier des Geburtsfestes I. Maj. der Königin wurde uns von Musikdirektor Schönhardt am verg. Montag ein hoher musikalischer Kunstgenuß bereitet, indem derselbe unter Mitwirkung der HH. Kammersänger Hromada, Kammervirtuos Ferling und Kammermusikus Cabisius ein Konzert in der Hauptkirche von abends 8 Uhr an gab, das sich eines zahlreiches Besuchs erfreute und den Besuchern hohe Genüsse in Orgel- und Gesangsvorträgen in 3 Nummern von Hrn. Hromada, nicht weniger aber in Violincello und Oboe bereitete. Hr. Hromada sang prachtvoll den 63. Psalm von Tod, dann eine Kirchenarie von Volkmann und „Ich sende euch" in Begleitung der Orgel und des Violincello mit tief empfundenem künstlerischem Gefühl, das erhebend auf sämtliche Besucher wirkte. Die beiden Instrumente Oboe und Violincello gingen in der Hand so tüchtiger Künstler mit der Orgel eine so tief empfundene Verbindung ein, daß eine erhebende Wirkung erzielt wurde. Endlich bewährte sich abermals Herr Schönhardt auf der Orgel als eine technisch vollständig ausgebildete
Feuilleton. «Nachdruck verboten.»
Am Aarrg und Reichtum.
Dem Englischen frei nacherzählt von Leo Sonntag.
(Fortsetzung.)
Da kam ihr plötzlich ein Gedanke. Wenn sie nur Robert die Hälfte von dem Gelde schicken könnte, um Bücher zu kaufen. Sie wußte, daß er sich einige sehr wünschte, hatte ihn aber sagen hören, sie würden fünfzig Pfund kosten und die könne er nie dafür aufbringen. Und nun konnte sie ihm vielleicht helfen. Mit einem so glückseligen Lächeln sah sie zu Rodway auf, daß dieser ganz erstaunt fragte:
„Was macht Sie so glücklich?"
„Darf ich von den hundert Pfund fünfzig wegschicken?"
„Sie können sie nicht entbehren, Sie haben offenbar keine Ahnung, was Sie Alles brauchen. Aber wenn Sie fünfzig Pfund mehr wünschen, so stehen sie Ihnen gerne zu Diensten."
„Und wird man Sie nicht zur Rede zu stellen, wenn Sie mir so viel geben?" fragte sie. Sie konnte nicht begreifen, daß man so große Summen ungestraft ausgeben dürfe.
„Darüber kann ich Sie beruhigen", versetzte er lächelnd, „der Herr Marquis wird sich höchstens wundern, daß Sie nicht mehr gebraucht. Aber darf ich Sie bitten, mir zu sagen, wem Sie das Geld schicken wollen?"
„Einem Freunde, den ich zurückgelassen", erwiderte sie.
„Sie erinnern sich doch unserer Bedingungen ? Sie dürfen Niemand schreiben, auf keine Weise mit Ihrem früheren Leben irgend welche Verbindung unterhalten."
Sie schwieg betroffen.
„Natürlich, wenn Sie Jemand mit dem Gelde helfen wollen und es anonym thun können, so steht dem nichts im Wege."
Kraft, die mit vollendetem Kunstsinn die Orgel vollständig beherrscht und in Begleitung von Gesangsvorträgen und einzelner Instrumente würdig eintritt, ohne vorherrschend zu wirken.
Giengen a. B., 14. Sept. Im benachbarten Brenz hat vorgestern der älteste Mann der Gemeinde auf bedauerliche Weise sein Leben eingebüßt, der am 9. Febr. 1795 geborene Straßenwärter Joh. Hopfenzitz. Derselbe war allein zu Hause und auf dem ober» Boden seines Wohnhauses mit Futterschneiden beschäftigt. Als seine Schwestertochter, welche ihm die Haushaltung besorgte, abends nach halb 6 Uhr nach Hause kam, fand sie denselben im Hausöhrn liegend tot mit einer Verletzung am Vorderkopfe. Allem Vermuten nach ist der alte Mann die Treppe heruntergestürzt und hat hiebei einen Schädelbruch erlitten, der seinen Tod verursacht hat.
Wurzach. Am Montag, den 5. September, um halb 12 Uhr brach in dem bekannten Gasthof des Herrn Köhler, der auch noch einen bedeutenden Ellenwarenladen betreibt, Feuer aus. Bei den vielen Frucht- und Heuvorräten war an ein Löschen nicht zu denken und infolge des starken Westwinds sind 3 weitere Wohn- und Oekonomiegebäude, davon eines in einer Entfernung von wenigstens 70 Metern, durch Flugfeuer, abgebrannt. Das Stadtpfarrhaus und der mit großen Frucht- und Heuvorräten gefüllte Pfarrstadel war sehr in Gefahr.
Berlin, 14. Sept. General z. D. Graf Werder ist an seinem 79. Geburtstage zu Grüffow bei Belgrad in Pommern gestorben. (August Karl Friedr. Wilh. Leop. v. Werder, berühmt durch die Einnahme von Straßburg wie durch den heldenmütigen Widerstand, welchen er der französischen Ostarmee unter Bourbaki an der Lisaine leistete, wurde geboren am 12. September 1808 zu Schloß Berg in Ostpreußen, trat am 14. Juni 1825 in den Militärdienst und wurde 1826 Offizier im 1. Garderegiment zu Fuß. Er war später Lehrer beim Kadettenkorps in Berlin, dann eine Zeit lang zum topographischen Bureau kommandiert und nahm 1842/43 am russischen Feldzug im Kaukasus teil. 1846 kam er als Hauptmann in den Großen Generalstab; 1866 im Feldzug gegen Oesterreich nahm er als Generallieutenant an der Spitze der 3. Infanteriedivision hervorragenden Anteil an dem Gefecht bei Gitschin und der Schlacht bei Königgrätz. Im Kriege 1870/71 befehligte er bei Wörth das badisch-württem- bergische Armeekorps, sowie seit 15. August das Belagerungskorps vor Straßburg; am 27. September, dem Tage der Kapitulation dieser Festung, wurde er zum General der Infanterie befördert. An der Spitze des aus preußischen und badischen Truppen gebildeten 14. Armeekorps focht er dann von Oktober bis Dezember siegreich im Saone- und Vogesengebiet und hielt die französische Ostarmee unter Bourbaki, der mit 150,000 Mann zum Entsatz von Belfort anrückle, mit seinen nur 43,000 Mann zählenden Streitkräften, nachdem er zuerst am 9. Januar 1871 den feindlichen rechten Flügel durchbrochen, in der denkwürdigen Schlacht an der Lisaine vom 15. bis 17. Januar von ihrem Vorhaben ab. Der vor Belfort erkämpfte Sieg, der Süddeutschland vor einem französischen Einfall bewahrte, trug ihm eine Menge von Auszeichnungen, u. a. auch neben hohen Orden ein in den ehrenvsten Ausdrücken abgcfaßtes Handschreiben von Kaiser Wilhelm, ferner viele Ehrengeschenke u. s. w. ein. Ihm und seinen tapferen Truppen wurde in Freiburg i. Br. im Jahr 1876 ein Denkmal gesetzt, auch ein Fort bei Straßburg wurde nach seinem Namen benannt. Nach dem Krieg wurde er kommandierender General des neu formierten XIV. (badischen) Armeekorps uno Chef des 4. rheinischen Infanterieregiments Nr. 30, 1879 wurde er unter Erhebung in den Grafenstand zur Disposition gestellt und lebte seitdem auf seinen Gütern.)
Eingesendet.
Die Leser ds. Bl. werden hremit darauf aufmerksam gemacht, daß vom 1. Oktober an durch die Steuererhöhung des Branntweins dieser sowie Weingeist bedeutend teurer werden wird. Da 10 Ltr. Weingeist und 30 Ltr. Branntwein steuerfrei sind, so wird Jedermann gut daran thun, sich vor dem 1. Oktober noch mit dem nötigen Vorrat zu den billigeren Preisen zu versehen.
„Dann will ich es thun, es wird mir eine unaussprechliche Freude machen."
Rodway gab ihr hundert Pfund für ihren eigenen Gebrauch und eine Banknote von fünfzig, dann sah er auf seine Uhr.
„Wir werden besser thun, wenn wir noch heute Abend von hier abreisen. Es ist nicht sicher, wenn ich zusammen mit Ihnen hier bleibe. In ungefähr zwei Stunden geht ein Zug, der uns zwischen elf und zwölf Uhr Nachts nach Westborn, dem Orte, von dem ich zu Ihnen sprach, hinbringt."
Sie war damit zufrieden, sie wäre augenblicklich mit Allem zufrieden gewesen, wenn sie nur Robert das Geld schicken konnte.
Sie hatte ihn mit voller Ueberlegung verlassen, hatte ihm die tiefste Wunde seines Lebens geschlagen und doch war sie jetzt fast glücklich in dem Gedanken, ihm Geld schicken zu können.
Sie beschäftigte sich damit, ließ sich Papier, Tinte und Feder bringen und schrieb in großer, steifer, verstellter Handschrift:
„Ein großer Verehrer Robert Roden's, der an seine Begabung glaubt und eine große Zukunft kür ihn offen sieht, schickt ihm das beiliegende Geld, damit er sich die für sein Studium nötigen Bücher anschaffe. Derselbe Herr wird noch öfter senden und wünscht Robert Roden allen Erfolg, den er verdient."
Sie küßte die Banknote wieder und wieder, seine Finger mußten sie ja berühren, dann steckte sie dieselbe init dem Zettel in ein Couvert, das sie versiegelte und in derselben steifen Handschrift adressierte.
Sie wollte den Brief an einer der kleinen Stationen aufgeben, wo der Zug vorüberkam, dann konnte er keinen Verdacht schöpfen, woher die Sendung kam. Sie suchte sich Roberts Freude bei dem Empfang des Geldes vorzustellen und redete sich ein, es werde ihm helfen, sie zu vergessen. Sie ahnte nicht, daß die Banknote unbeachtet am Boden liegen werde, während der verlassene Mann seine pflichtvergessene Frau erfolglos suchte.
(Fortsetzung folgt.)
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