Mo. 109
62. Jahrgang
Amts- unä IntekkigenMatt für äen Aezir^.
Erscheint Kteurlag, Zisnnerstag L S«W«t«K.
Die EinrückungSgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
§am«tag, äen 17. Aeptember 1887.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst i»
ganz Württemberg 2 70 H.
Amtttche Wekarrntmachungen.
Diejenigen Ortsvorsteher -es Bezirks,
welchen demnächst Nachweisungen der aus ihren Gemeinden im Jahre 1887 zu Uebungen eingezogenen Reservisten und Landwehrleute zugehen, erhalten den Auftrag, etwa sich ergebende Berichtigungen vorzunehmen, sowie in Z. 3 der Nachweisung bei dem Beruf eines jeden einzelnen anzugeben, ob derselbe selbständiger Gewerbetreibender, selbständiger Handwerker, Bauer mit eigenem Grundbesitz ist oder nicht. Der Zusatz in Z. 3 hat daher mit „selbständig" oder „unselbständig" zu erfolgen.
Die hienach ergänzten Nachweisungen sind umgehend — und — für den Fall, daß sich weitere Anstände nicht ergeben, ohne besonderen Begleitbericht hieher wieder vorzulegen.
Calw, den 15. September 1887. K. Oberamt.
Supper.
Wochenschau.
L0. In den „tiefen Frieden", welcher nach Lord Salisbury's Prognose mindestens noch acht Wochen dauern soll, scheint der Graf von Paris ein großes Loch schießen zu wollen, indem er durch ein Manifest seine Getreuen zur „Rettung" Frankreichs mittels Einführung des Königtums ermutigt und dafür der französischen Politik orleanistische Allianzen im Auslands verspricht. Auch ohne diesem Zwischenfall sehr große Bedeutung bei- zumefsen, konnte man den Weltfrieden nicht als einen solchen bezeichnen, von dem die europäische Geschäftswelt den Beginn eines vertrauensvollen Aufschwunges ihres Unternehmungsgeistes datieren möchte. Wohl ist Kaiser Wilhelm mit der Kaiserin nach Stettin gereist, hat in erwünschtem Wohlsein die Truppenbesichtigungen vorgenommen und sich der Huldigungen des herbeigeströmten Volkes von Pommern erfreut, aber die vielbesprochene Zusammenkunft mit dem Czar, von welcher die Börsen eine entschiedene Wend- ung der Orientfrage erwarteten, ist nicht erfolgt., Man muß sich mit der Versicherung der „Nordd. Mg. Ztg." begnügen, daß sich Deutschland durch seine absolute „Bedürfnislosigkeit" in der auswärtigen, insbesondere orientalischen Politik von Rußland unabhängig wisse, daß es Dienste von ihm begehre noch leiste und lediglich auf dem Berliner Vertrag fuße. Fürst Bismarck hat jedoch das Bedürfnis empfunden, sich früher als projektiert war, mit Graf Kalnoky über hohe Politik zu besprechen, und so wird der österreichische Minister sich alsbald nach Friedrichsruhe begeben, wohin der Reichskanzler vor einigen Tagen zurückgekehrt ist.
Die Landtagssäle in Stuttgart und München haben sich fast gleichzeitig zu Verhandlungen geöffnet, welche den Anschluß der süddeutschen Königreiche an das norddeutsche Branntweinsteuergesetz zum Gegenstand haben und schon hat Württembergs Volksvertretung diesen Anschluß genehmigt. Die am 14. September vom Prinzregenten Luitpold verlesene bayerische Thronrede bringt die Branntweinsteuer- Erträgnisse mit einer beabsichtigten Erhöhung der Gehälter von Geistlichen und Lehrern, sowie mit größerer Fürsorge für Angestellte und Arbeiter der Staatsbahnen in Verbindung. InBaden, wo teilweise Neuwahlen zum Landtag bevorstehen, tritt die „katholische Volkspartei" schon jetzt mit jener Entschiedenheit, die sich auch auf den Katholiken-Versammlungen von Trier und Lüttich kundgab, für erweiterte Rechte der katholischen Kirche ein. In Württemberg wurde das Mandat eines nationalliberalen Reichstagsabgeordneten mit großer Majorität erneuert. Die württembergischen Landwirte in Oberschwaben agitieren für Erhöhung der Getre-idezölle, wogegen norddeutsche Stimmen aus verschiedenen Parteilagern sich verwahren. Der neue württembergische Minister des Innern, v. Schmied, soll in Berlin durch den Bundesratsbevollmächtigten Direktor R. v. Moser ersetzt werden. Als Militärbevollmächtigter tritt dort an der Stelle des Grafen Zeppelin der Oberst von Schott. — Prinz Ludwig von Bayern, welcher sich bei den Flottenmanövern viele Sympathie bei unserer Marine erwarb, ist nach glänzender Verabschiedung nach München zurückgekehrt. — An seinem 80. Geburtstage starb der ruhmreiche General von Werder, der in ganz Deutschland, besonders aber bei den süddeutschen Truppen, welche 1870/71 in Frankreich gekämpft haben, sich das ehrendste Andenken gesichert hat. — Ueber das Befinden des deutschen Kronprinzen in Toblach verlautet nur Günstiges. Die Kaiserin, die zum erstenmale Stettin besucht hatte, übersiedelt Ende der Woche nach Baden-Baden.
Ein Zeichen seiner Zufriedenheit mit der Stellung, welche der Botschafter Graf Schuwaloff zum deutschen Hofe einzunehmen verstand, hat der Czar durch Verleihung eines höheren Generalrangs demselben gegeben. Den „Patrioten"-führer Deroulöde, der nach seinem Schiffbruch Dänemark besuchte, und in Fredensborg eine Audienz haben wollte, hat Kaiser Alexander nicht empfangen. Fürst Hohenlohe, der Statthalter, ist mit seiner Gemahlin zur Uebernahme ererbter Besitzungen nach Rußland gereist. Man mißt dieser Reise auch eine politische Bedeutung bei.
Italien hofft aus englische Vermittlung in der abyssinischen Frage, ist aber nötigenfalls zu großen militärischen Anstrengungen entschlossen, um Revanche für Dogali zu nehmen. Im Vatikan soll die Cholera ausgebrochen sein und Schrecken verursacht haben. Französische Blätter warnen Italien vor der deutschen Bundesgenoffenschaft, finden jedoch wenig Gehör. Der Versuch mit der Mobilisierung hat den Franzosen ein gesteigertes Selbstgefühl eingeflößt, doch bemühen sich manche Blätter, zu verhindern, daß dasselbe nicht in aggressiven Chauvinismus ausarte. Die Schilderhebung der Orleanisten wird übrigens die inneren Fragen wieder zur Hauptsache machen. Rouvier hoffte ohne Anleihe das Gleichgewicht des Budgets zu Stande zu bringen. — Die französischen Offiziere, welche die griechische Flotte reorganisieren sollten, haben ihre Thätigkeit abgeschlossen. Kronprinz Konstantin von Griechenland soll ein Jahr lang in Leipzig studieren. — Die Schutzzöllner in Schweden haben Wahlsiege davon getragen. — Auf Samoa, wo sich der moralisch verkommene „König" Malietoa anmaßend gegen deutsche Reichsbürger benahm, wurde Seitens deutscher Seekräfte militärisch eingeschritten, ohne daß die, besagten „König" anerkennenden Mächte in den Konflikt mit herein gezogen worden wären. — England hat die Frage der „Neuen Hebriden" noch nicht mit Frankreich zu ordnen gewußt. — In Irland kamen zwei blutige Zusammenstöße mit „Mondscheinlern" und fanatisiertem Pöbel vor. — In Rotterdam trat das Volk gegen die Sozialisten auf. — Johann Most konnte das amerikanische Bürgerrecht, um das er nachgesucht, nicht erlangen. — Präsident Cleveland wohnte der hundertjährigen Jubelfeier der amerikanischen Verfassung bei.
In Afghanistan brachen neue Kämpfe zwischen den Truppen des Emirs und den Aufständischen aus. Der von Teheran entflohene Ejub Khan soll nach Persien zurückgekehrt sein.
Die bulgarische Frage ist, was Rußland betrifft, in ein Stadium des Zuwartens getreten. Die Türkei will, auf Rußlands Drängen die Frage der Besetzung Ostrumeliens durch türkische Truppen „studieren". Unliebsames Aufsehen macht in Europa die Volksdemonstration in Sofia, wobei dem gegen Fürst Ferdinand auftretenden Ex-Minister Karawelow das Haus demoliert, dem Fürsten aber eine Ovation dargebracht wurde. Fürst Fervinand beklagt sich in Privatbriefen bitter über die Diplomatie, wogegen die Nordd. Allg. ihn heftig angreift. Oesterreichs und Italiens Konsuls hat der Fürst in Privat-Audienz empfangen.
'Uottlrsche Wcrchrichten.
Deutsches Reich.
Stettin, 13. Sept. Bei dem herrlichsten Wetter rückten heute die Truppen zur Kaiserparade aus. Das Armeekorps von dem General von der Burg kommandiert, war in zwei Treffen formiert; das erste kommandierte Generallieutenant von Oppeln-Bronikowski, das zweite Generallieutenant von Lewinski. Der Kaiser fuhr die beiden Fronten mit einer zahlreichen Suite ab, gefolgt von der Kaiserin und der Prinzessin Wilhelm in einem sechsspännigen Wagen. Darauf defilierten die Truppen in Kompagnie, kolonne und der Kaiser nahm den ersten Vorbeimarsch im Wagen stehend ab. Prinz Wilhelm führte das Königsregiment, da er ä la suite desselben steht, Graf Moltke führte das Colberg'sche Grenadierregiment Nr. 9 und es erregte allgemeine Bewunderung, wie elegant der 87jährige Greis zu Pferde saß. Endlich fuhr der Kaiser die Front der 150 Kriegervereine Pommerns ab und nahm aus der Hand des Majors Kunow den Rapport über dieselben entgegen.
— Die Abreise der Kaiserin Augusta von Stettin, welche auf Donnerstag festgesetzt war, ist um einen Tag verschoben. Wie telegraphisch gemeldet wird, trifft die Kaiserin erst am Freitag mittag in Berlin ein und wird sich am Samstag über Frankfurt nach Baden-Baden begeben. Möglicherweise ist der für Donnerstag erwartete Besuch des Kaisers von Rußland die Ursache des längeren Verweilens der Kaiserin in Stettin. Wenigstens rechnet man dort immer noch mit Sicherheit auf die Ankunft des hohen Gastes.