mit so viel politischer Einsicht geleitetes Blatt, wie die Köln. Z., sich darüber täuschen kann, daß gerade ihr dringendes Bedürfnis nachrussischem Ent­gegenkommen" den Eindruck Hervorrufen muß, als ob Deutschland eines sol­chen bedürftig wäre. Wir wüßten unsererseits gar nicht, worin dieses von der Zeitung gewünschte russische Entgegenkommen bestehen könnte. Ein Höf­lichkeitsbesuch in Stettin, wenn er stattfände, wäre an sich keine Gegenleistung, für welche eine Macht wie Deutschland sich bewogen fühlen könnte, ihre Politik anders als in den Interessen der Nation einzurichten. Ein solcher Besuch würde auf die europäische Politik nicht maßgebend einwirken, wie der in Danzig oder Skiernewice oder Kremsier. Wäre es denn nach der Meinung der Köln. Z. möglich, daß die deutsche Regierung, daß der Kaiser die Zu­sammenkunft der beiden verwandten und benachbarten Monarchen als Gegen­gewicht dafür betrachten könnten, daß sie etwa in Bulgarien eineundeutsche" Politik betreiben? Die im Orient eingehaltene Politik ist aber keine undeutsche, sondern eine ausschließlich deutsche, und hört darum nicht auf, dies zu sein, wenn sie außer den Russen willkommen ist. Die russ. Politik tritt der unsrigen an keiner Stelle entgegen, wir knüpfen weder Befürchtungen noch Hoffnungen an dieselbe und erwarten von ihr weder Handlungen noch Unterlassungen, die wir durch irgendwelche Opfer an Interesse oder Würde zu erkaufen hätten. Auf dieses Verhältnis wirft die Auffassung der Kölner Z. ein falsches Licht, wenn sie den Glauben verbreitet, als erwarte Deutschland fürdeutsche Liebenswürdigkeiten" irgend welches russischeEntgegenkommen". Wir glauben nicht, daß die deutsche Politik einen derartigen Handel mit Rußland treibt und ein derartigesEingehen" erwartet oder ein solches zu bedürfen glaubt. Die Stärke der deutschen Politik besteht in ihrer Bedürfnislosigkeit. Dieser erfreuen wir uns auch Rußland gegenüber, und es fehlt unserer Politik jeder Grund, der genannten Macht Dienste zu erweisen, für welche wir Gegendienste erwarten könnten. Wir würden bedauern, wenn die Artikel eines so ange­sehenen Blattes, wie die Köln. Z., in Rußland die Meinung erweckten, als ob unsere, in der bulgarischen Frage auch für Rußland willkommene Haltung durch das Bestreben eingegeben wäre, dafür irgendwelche russische Gefälligkeit oder auch nur Höflichkeit zu erlangen. Es würde das nur die Neigung Her­vorrufen, auf dieses entgegenkommende Bestreben weitere Wechsel zu ziehen. Das wird sich Jeder sagen, der Menschen und Kabinette kennt, und die deutsche Presse sollte daher nicht dem Irrtum Vorschub leisten, als bedürften wir zu unserer Beruhigung eines russischen Zeugnisses über unser Wohl­verhalten. Wenn irgend etwas geeignet wäre, unsere Gegner unter den Russen uns gegenüber anspruchsvoll zu machen, so ist es der Notruf, wie ihn die Köln. Z. nach einer Kaiserzusammenkunft ausstößt. Die Linie, welche die deutsche Politik seit Jahren als die richtige erkannt hat, die Achtung vor den Verträgen und das Festhalten an der durch sie geschaffenen Verteilung von Macht und Einfluß, ist nach unserer Ansicht für Deutschland noch heute ebenso angezeigt, wie 1878, und diese damals und noch heute den deutschen Interessen entsprechende Linie zu verlassen, aus keinem anderen Grunde, als weil sie nicht antirussisch ist, wäre erne Politik, welche die Kabinette großer Mächte in diesem Jahrhundert nicht zu treiben pflegen, eine Politik der Stimmungen und Verstimmungen, wie sie Frankreich und Rußland zur Zeit des 7jährigen Krieges gemacht haben, wie man sie aber dem deutschen Reich seit seiner Herstellung bisher nicht nachsagen kann. Diese Politik kann durch die Presse Deutschlands sowohl wie Rußlands ohne Zweifel erschwert werden, aber aus dem Geleise wird sie sich nicht bringen lassen.

Hages-Weuigkeiien.

* Calw, 12. Sept.Frühmorgens zieh ich aus dem Thor, frisch auf! Bei Sängersleut' ist das der Brauch, frisch auf!" hieß es gestern morgen bei einem kleinen Häuflein vomCalwer Liedeikranz", als sie nach Hirsau pilgerten, um den angesagten Besuch, dieFreundschaft Pforzheim" abzuholen. Nach gegenseitiger herzlicher Begrüßung wurden die Klosterruinen

damit aussöhnen lassen werde, daß sie verheiratet sei, doch sie verwarf ihn bald wieder. Robert, so gut und edel er war, war nicht der Mann, der es je lernen würde, sich in vornehmen Kreisen zu bewegen. Er konnte keine leeren Komplimente machen, keine höflichen Unwahrheiten sagen, er lachte laut, wenn ihm etwas gefiel, tadelte rücksichtslos, was ihm mißfiel und hatte so altmodische Ideen von der Wahrhaftigkeit der Männer und der Reinheit der Frauen. Nein, es würde ein vergeblicher Versuch sein, ihn zu einem Mitglied der oberen Zehntausend umwandeln zu wollen. Und er würde sich auch nie dazu hergegeben haben. Auch er hatte Träume von künftiger Größe, aber durch eigene angestrengte Arbeit sollten sie verwirklicht werden, er schrieb ein botanisches Buch, von dem er sich einen ziemlichen Erfolg versprach. Doch selbst dann konnte das Aufsteigen nur ganz langsam vor sich gehen, um schließlich vielleicht in bescheidenem Wohlstände zu enden. Was war das im Vergleich zu der zauberhaft plötzlichen Versetzung in Reichtum und Ehre, die man der jungen Frau jetzt in den Schooß werfen wollte?!

Von diesem Tage an war ihr Schicksal besiegelt. Sie dachte nicht mehr, wie es hätte werden können sondem begann zu bedauern, daß sie die günstige Gelegenheit versäumt. Ein verhängnisvoller, gefährlicher Gedanke tauchte in ihr auf. Sie wollte gehen, doch nicht für immer, nein gewiß nicht, sie hatte ja gelobt, bei ihrem Manne auszuharren; sie wollte nur hingehen und die Herrlichkeit kosten, die man ihr bot, und nach kurzer Zeit zurückkehren. So beschönigte sie ihr Vorhaben bei sich selbst und doch wußte sie genau, daß wenn sie einmal an den funkelnden, goldstrahlenden Becher des Lebens genippt, sie sich nie wieder mit Alltagskost begnügen könne. Mit diesem Gedanken hatte sie den schlüpfrigen Pfad der Sünde betreten und immer rascher glitt ihr Fuß hinab.

Nur auf einige Wochen wollte sie gehen, Robert würde sie ja nicht so sehr vermissen, andere Frauen machten auch Besuche bei ihren Angehörigen, warum sollte sie es nicht? Die innere Stimme aber sagte ihr deutlich, daß, wenn sie Robert Rodens Haus auf heimliche Weise verlasse, sie cs nie wieder als seine Frau be­treten werde.

Den nächsten Dienstag wollte sie zu ihrer Abreise benutzen. An diesem Tage

besichtigt und der Weg nach Calw angetreten, wo imbadischen Hof" kurze Rast gemacht wurde. Von hier ging« durch den prächtigen Wald nach Zavel- stein und Teinach und dann wieder zurück nach Calw. Von 4 Uhr an ent­wickelte sich im Saale von Thudium ein schönes reges Gesangesleben. Den Reigen eröffnete der Calwer Liederkranz mit dem Sängerspruch (In Freud und Leid zum Lied bereit) und dem schwungvollen VaterlandsliedDem Land, wo meine Wiege stand, ist doch kein anderes gleich". worauf die Freundschaft Pforzheim" ihren schönen Wahlspruch (Grüß Gott rc.") und O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön" ertönen ließ. Der Vor­stand des Liederkranzes, Hr. Kollaborator Bäuchle, hieß die Gäste in einer packenden, sehr beifällig aufgenommenen Ansprache aufs wärmste willkommen und brachte auf dieselben ein kräftiges Hoch aus. Es folgten nun Soli, Einzel- und Gesamtchöre. Was die Leistungen derFreundschaft" betrifft, so herrschte darüber nur eine Stimme des Lobes und der Anerkennung. Dieser Verein verfügt über äußerst tüchtig geschulte Stimmen, besitzt vorzüg­liche Tenöre und Bässe und entzückt die Zuhörer durch die reinen, frisch her­vorquellenden Akkorde und durch den herrlichen, künstlerischen Vortrag. Mit Spannung lauschte jedermann den prächtigen Liedern und spendete den reichsten Beifall. Wir können uns nicht versagen, 3 Chöre besonders namhaft zu machen:Im Mai"; das Preislied der Freundschaft:O selt­same Rast auf dem Friedhof hier" und eine eigene Komposition des Dirigenten: Mädele, guck raus", welche einen großartigen Eindruck hervorbrachten. Die Gesamtchöre, von beiden Vereinen ausgeführt, gelangen vorzüglich. Zum Vortrag kamen das brausende VaterlandsliedHerz voll Mut", der stimmungs­volle ChorNacht, o Nacht", das lieblich anmutende FelsenkreuzVon Glorien­licht umflossen" und das innige LiedIch geh noch Abends spät vorbei". Daß auch derLiederkranz" mit seinen schönen und gelungenen Vorträgen sehr anerkannt wurde, dürfen wir nicht unerwähnt lassen;Hellauf Schwobe- land" wurde stürmisch äa ospo verlangt. Es folgten zwischen den Chören auch komische Vorträge und Gesangssoli, von welch letzteren ein Bassist der Freundschaft" durch die gewaltige Tiefe und Wohlklang des Tones all­gemeine Bewunderung erregte. Daß auch Toaste und launige Reden nicht fehlten, braucht kaum gesagt zu werden. Hr. Vizevorstand Knödler toastete auf das deutsche Lied; Hr. Vorstand Bäuchle auf Hrn. Direktor Eckert; der Vorstand der Freundschaft, Hr. Bertsch, dankte in warmen Worten für den herzlichen Empfang und brachte sein Hoch dem Calwer Lieder­kranz. Nur zu bald entführte der Zug die dem Liederkranz so lieb gewor­denen Gäste. Auf Wiedersehen in 14 Tagen rief man sich gegenseitig zu. Den anwesenden Mitgliedern des Liederkranzes wurde an diesem Tage ein hoher musikalischer Genuß zu teil und freuen wir uns, daß jedermann in befriedigendster Weise sich über den gelungenen Verlauf aussprach.

(Amtliches.) Seine Majestät der König haben durch Höchste Entschließung vom 9. September d. I. den Ministerialdirektor, Staatsrat von Schmid zum Staatsminister des Innern zu ernennen geruht.

Seine Königliche Majestät haben vermöge höchster Ent­schließung vom gleichen Tage dem Regierungsrat Doll bei der Ministerin!« abteilung für das Hochbauwesen den Titel und Rang eines Oberregierungs­rats in Gnaden verliehen.

Stuttgart. Bienenzüchterkongreß. Das Komite der XXXII. Versammlung deutscher und österreichischer Bienenzüchter hat be­schlossen, um die höchst lehrreiche bienenwirtschaftliche Ausstellung auch für Schulen zugänglich zu machen: es sollen Schüler unter Führung ihrer Lehrer am Mittwoch und Donnerstag (14. und 15. September) zwischen 9 und 12 Uhr vormittags (während der Dauer der Verhandlungen) zu 10 H Ein­tritt haben, jedoch nach vorheriger Anmeldung auf dem Bureau, damit nicht zeitweilige Uebersüllung eintritt. Für auswärtige Schulen soll an beiden Tagen eine Beschränkung nicht stattfinden. Der Ausstellungskatalog, welcher im Drucke erscheinen wird, ist heute fertiggestellt worden; derselbe weist 312

war Robert immer den ganzen Tag fort, es war Blumenmarkt in Rosendorf. Sie konnte dann gleich gehen, wenn er weg war und er würde es erst am Abend bei seiner Heimkehr merken. Sie war entschlossen und doch gab es ihr einen scharfen Stich in das Herz, wenn sie an Roberts Verzweiflung dachte, sobald es ihm klar geworden, daß seine Frau ihn verlassen. Doch er war stark, er mußte es überwinden, und es war nur für kurze Zeit. Sie verbannte den Gedanken, sie wollte sich nicht ausmalen, was der starke Mann leiden mußte, sie hätte ja sonst nicht gehen können.

Der Dienstag Morgen kam. Nie hatte die Sonne so hell geschienen wie heute; nie die Vögel so schön gesungen, die Blumen so schön geduftet, und die junge Frau sagte sich, daß sie nie wieder in diesem friedlichen Zimmer erwachen werde, wo die Rosen zum Fenster hereingrüßen, und daß der Friede Gottes für immer aus ihrem Herzen geflohen.

Das Schicksal behielt ihr noch glänzende Stunden vor, sie sollte eine der ge­feiertsten Frauen in ganz England werden; aber der Friede und d i e Liebe, die sie heute aufgab, waren unwiderruflich für ewig verloren.

Wie immer so auch heute, kniete sie an der Seite ihres Gemahls, während er sich es schmecken ließ, wie sie sich um ihn zu schaffen machte und ihm kleine Ge­fälligkeiten erwies, und wie sie dann plötzlich neben ihm niederkniete und ihn leiden­schaftlich umarmte.

Robert", bat sie,sage mir, daß Du mich lieb hast."

Sie, die im Begriffe stand, seine Liebe für Geld dahin zu geben, die entschlossen war, ihm den scharfen Dolch des Verrats ins Herz zu stoßen, sein Leben zu vergiften, sie sehnte sich danach, zu hören, daß er sie liebte.

Sage mir, daß Du mich lieb hast und daß ich Dir ein gutes Weib war", flüsterte sie.

Er lachte, lachte laut in der Fülle seines Glücks, in dem Sonnenschein der Liebe; während sie ihr Gesicht an seiner Brust verbarg und zitternd auf seine Ant­wort wartete.

(Fortsetzung folgt.)