418
Nun laßt die Glocken Von Turm zu Turm Durchs Land frohlocken Im Jubelsturm!
Des Flammenstoßes Geleucht facht an.
Der Herr hat Großes An uns gethan!
So sang Geibel vor nunmehr 17 Jahren, da dort bei Sedan nach hartem blutigem Ringen der große, unbegreiflich große Sieg errungen war. So klang und wogte damals ein endloser Jubel durch Deutschlands Gauen, von den Alpen bis zur Ostsee. Hoch vom Fels her bis weithin zum Meer.
Ein Wiederhall jenes Freudensturmes tönt auch heute wieder durch die deutschen Lande. Auch an unseres lieblichen Thales Wänden hat sich sein Schall gebrochen. Wir alle haben ihm heute gelauscht, wir haben's vernommen der Glocken feierlich-ernstes Klingen und der Jugend begeistert frohen Sang. Bunt flattern die Fahnen im Windeshauch und spiegeln ihre deutschen Farben im Lichte. Auf allen Gesichtern strahlt ein Glanz der Freude, wir alle verspüren heute des Geistes jener großen Tage einen gar mächtigen Hauch.
Und mit gutem Recht schlägt unsere Brust heute höher; mit gutem Recht haben wir uns emporgehoben aus des Alltags dumpfem Mühen und düstrem Sorgen zu Heller voller Freude. Denn der 2. Sept., der Sedantag ist und bleibt für uns alle heute und immer ein herrliches Freudenfest, an dem wir jeden Zank und Hader, jegliche Parteisucht und politischen Zwiespalt, unseres deutschen Volkes erstes Grundübel vergessend die Hände uns reichen sollen in einmütigem Frohlocken, daß wir solange schon im Hellen Sonnenschein des Friedens und gesegneter Ruhe die Errungenschaften genießen dürfen, die dort bei Sedan im tosenden Sturm des Kampfes erstritten wurden.
Verklärt aber und geheiligt soll diese unsere Freude sein durch tief von Herzen kommenden Dank. Durch einen Dank gegen all die vielen Getreuen, die einst uns zu gut Hof und Herd und Gut und Blut haben lasten müssen. Durch einen Dank aber auch dem großen Allmächtigen, der die Weltgeschichte lenkt und der dort bei Sedan einen so erschütternd ernsten Spruch des Weltgerichts gesprochen. Und nicht zum geringsten auch werden wir zu freudigem Danke getrieben, wenn wir am heutigen Tage, der in seiner steten Wiederkehr zum Markstein uns allmählig geworden ist, an dem wir die politischen Schicksale unseres Volkes überschauen und verzeichnen, wenn wir an dem Tage zurückblicken auf dvs letztverflostene Jahr, auf ein Jahr, reich an denkwürdigen Momenten: Das Septennat verwilligt — Frieden mit Rom geschaffen — Unsere Kolonien erweitert und ihre Verhältnisse geordnet — Durch Beginn des Nordostseekanals ein herrliches Werk nationaler Friedensarbeit begründet! Mit unfern deutschen Brüdern in Oesterreich den Schutz- und Trutzbund aufs neue gefestiget. Und gewichen ist in Frankreich jener Minister, der durch sein frivoles Spiel Deutschlands Ruhe gefährdete und verblichen in Rußland der um viel gefährlichere mächtige Politiker, der Erniedrigung und Demütigung uns geschworen hatte. Und zu all dem haben wir seit der letzten Sedanfeier einen Tag erlebt, so hoch und hehr, wie nie in der Geschichte der Völker einer gefeiert wurde, jenen 22. März, an dem ganz Deutschland seinem Kaiser zujubeln durfte, da er in Frische und Gesundheit, in Glanz und Macht sein neunzigstes Lebensjahr antrat.
Ja wahrlich, wir haben Grund genug heute zur Freude, Grund genug zum Dank!
Doch mit Feiern und Jubeln ist's allein nicht gethan. Ein Gedenktag an vergangene Heldenthaten, wie der heutige, darf nur dann erst mit ganzem Grund festlich begangen werden, wenn wir der Errungenschaften jener Thaten uns würdig beweisen, wenn wir imstande uns erhalten die erkämpften Güter gegen all und jeden Angriff mit Kraft und Erfolg zu verteidigen.
Würdig sollen wir uns erweisen unsres großen einigen deutschen Vaterlands dadurch, daß wir all unsre Kräfte ihm weihen, daß wir insgesamt unsren Beruf, er mag höher oder niedrer, enger oder weiter sein, mit ganzem Ernste erfüllen, dessen bewußt, daß jede pflichttreue und freudige Arbeit wie uns selbst, so gewiß auch unserem Vaterlande zu gute kommen muß. Und das Edelste, das dem deutschen Volke in Wort und Lied nachgerühmt wird, laßt uns alle nie vergessen, die deutsche Treue. Treue zum deutschen Vaterland, Treue zu Deutschlands erlauchten Fürsten, Treue zu unsrem vielgeliebten Heldenkaiser.
So wird ein Same in unsrem Volke erhalten bleiben, der Deutschlands Männer tüchtig macht, wenn wieder einmal über kurz oder lang die Kriegstrompete durch die Gauen schmettert, ihrem ernsten Rufe zu folgen, hinein in Kampf und Grauen, hinein in Not und Tod, aber hindurch zu Glück und Sieg.
Und so im Blick auf das Vaterland werden auch Deutschlands Frauen die Kraft sich schöpfen, mit getroster Zuversicht und in edler Ergebung die Ihrigen ziehen zu lassen als Schützer des heimischen Herdes und sie werden ihnen wieder folgen, wie einst, gleich Engeln des Friedens, die Trost und Erquickung spenden, wo der Tod seine Schrecken entfaltet.
Ja, wahre Treue dem Vaterland laßt uns alle geloben, dann können wir erst aus voller Brust singen: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein" und dann erst zollen wir auch unsrem greisen Kaiser, der wie keiner sich ganz in des Vaterlands Dienst gestellt hat, unsren rechten und wahren Dank.
Möge er noch lange uns gnädig erhalten bleiben, möge unser teures Vaterland noch manche Jahre des Friedens Glück genießen, und wenn's auch durch neue Gefahren geht, es blühe, wachse und gedeihe jetzt und allezeit — unser teures deutsches Vaterland und voran unser ruhmgekrönter Kaiser Wilhelm sie leben hoch!
Das von dem Redner ausgebrachte Hoch fand stürmischen Beifall.
Hieran Maßen sich einige Vorträge von Schülern. Leider wurden die nun folgenden von den HH. Lehrern arrangierten Spiele für die Jugend durch eintretenden Regen zeitweise unterbrochen, wodurch auch die allgemeine Stimmung nicht ganz unbeeinflußt blieb. Nicht wenige der Festteilnehmer begaben sich aus diesem Grunde in den Saal und die anstoßenden Lokalitäten des bad. Hofes.
Der Veteranenverein feierte wie alljährlich den für die Geschicke unseres Vaterlandes so bedeutungsvollen Tag durch ein Essen, diesmal im Hütel z. Waldhorn.
Um Vs7 Uhr abends sammelte man sich zur Rückkehr in geordnetem Zug zum Marktplatze, woselbst Hr. Kollaborator Bäuchle noch eine kurze Ansprache an die Versammelten hielt, die mit einem Hoch auf das deutsche Reich schloß.
Stuttgart, 2. Sept. In der vergangenen Nacht wurden in der Eberhards- und anderen Straßen mehrere Fahnen, die anläßlich des heutigen Nationalfestes ausgehängt waren, angezündet und sind zum Teil verbrannt.
Stuttgart, 2. Sept. Die Sedansfeier begann gestern abend mit der Totenfeier auf dem Fangelsbachfriedhof an dem Denkmal, welches den für das Vaterland Gefallenen dort errichtet ist. Unter dem Geläute sämtlicher Glocken der Stadt zog um 6 Uhr der Zug der Offiziere, Vertreter der Stadt und der Vereine seinen Weg zum Denkmal. Anwesend waren Generallieutenant v. Triebig, Generalstabsarzt Dr. v. Fichte, mehrere Stabs- und viele andere Offiziere des aktiven Dienstes, der Reserve und der Landwehr, ferner Deputationen der Feuerwehr, der Schützengilde, der Turnverein , die Stadtgarde. Die Krieger-, Militär- und Jnvalidenvereine erschienen mit ihren Fahnen. Die Feier wurde eröffnet durch den Gesang des Liederkranzes: „Heilig, heilig ist der Herr", worauf Diakonus Dr. Metzger eine weihevolle Rede hielt, in welchem der Dank gegen Gott, gegen Kaiser
Der Lakai gab Laura den Käsig; doch schien die Art und Weise, wie diese ihn entgegennahm, Lady Cardin nicht sehr zu gefallen.
„Sie versprechen mir natürlich", sprach sie in scharfem Ton, „daß Sie die Tierchen gut verpflegen werden. Wenn cs Ihnen gelingt, dieselben am Leben zu erhalten; so werde ich Ihnen eine hübsche Belohnung zukommen lassen."
„Ich verlange keine Belohnung", versetzte Laura kurz, „ich werde selbstverständlich meine Pflicht thun", Lady Cardin lachte, aber es war kein liebenswürdiges Lachen:
„Man trifft selten solche Uneigennützigkeit", meinte sie, „hoffentlich werden die Vogel nicht darunter leiden."
Damit war Laura entlassen, und als sie ihren Weg durch die prächtigen Gemächer wieder zurücknahm, erfüllte ohnmächtiger Zorn ihr Herz. Wie hochmütig und arrogant war Lady Cardin gegen sie gewesen, und wie sehnte sie sich, ihr dies zu vergelten. Warum war sie, eine de Bourdon, die bezahlte Dienerin dieser Frau?
Nie in ihrem früheren Leben war ihr die Idee gekommen, daß es eine Schande sei, bezahlte Dienste zu thun. Jetzt erfüllte sie der Gedanke mit brennendem, beschämenden Schmerz. Sie eilte nach Hause, brachte die Vögel an einen geeigneten Platz und machte sich dann daran, Feuer anzuzünden, um ihrem Manne den Thee zu bereiten.
Gestern noch war sie so fröhlich bei dieser Arbeit gewesen, hatte gesungen und alle die kleinen Leckereien bereitet, die Robert liebte, und dieser hatte sich über den hübsch arrangierten Tisch gefreut und scherzend gesagt, sie brauche ihm keinen Zucker in den Thee zu thun; wenn sie nur hineinschaue, sei er süß genug.
Wie weit, wie west schien ihr diese Zeit, und doch war es erst gestern gewesen, erst vor vierundzwanzig Stunden! Heute hatte sie keine Lust zum arbeiten; mit dem Holz auf dem Schooße, das sie zum Feueranmachen herbeigeholt hatte, setzte sie sich neben den Herd und träumte von der wunderbaren Zukunft die sich ihr so plötzlich eröffnet hatte.
Erst die Stimme ihres heimkehrenden Gatten störte sie aus ihrer Versunkenheit auf. Er kam zu seinem Thee, und seine Frau saß neben dem kalten Herde und träumte.
Nie in ihrem späteren Leben vergaß die junge Frau, wie freundlich Robert sich bei dieser Gelegenheit gegen sie gezeigt. Nicht ein Wort des Vorwurfs hatte er für sie, als er den leeren Tisch und den kalten Herd sah; er blickte sie nur mit tiefer Besorgnis an.
„Du bist krank mein Herz", flüsterte er zärtlich und zwang sie, sich im Vorzimmer auf das Sopha zu legen. Dann bereitete er selbst den Thee für sie, pflegte und liebkosete sie und wunderte sich, was wohl die Ursache des Unwohlseins sein könne, was für ein Schatten sich über die glänzende Schönheit seines geliebten Weibes gelegt.
Dann setzte er sich an ihre Seite und sprach mit ihr in seiner zärtlichen und doch männlichen Weise. Wie gut er doch war! Wer in der weiten, weiten Welt würde sie so lieben, wie er? Und plötzlich, von tiefer Reue überwältigt, schlang sie ihre Arme um seinen Hals:
„O Robert, Robert", rief sie, hilf mir, daß ich gut bleibe und das Rechte thue! Ich bin so schwach aber Du bist stark, o halte mich aufrecht!"
„Ich könnte ebenso gut einen Engel beschützen wollen, als Dich mein Kleinod", entgegnete er. „Was könntest Du Unrechtes thun?"
Sie aber legte das Köpfchen an seine Brust und gelobte sich heilig, sie werde eher sterben, als ihn verlassen.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne hell in das Zimmer, die Rosen grüßten zum Fenster herein und die Vögel sangen ihre alten fröhlichen Lieder.
Da sank die junge Frau neben ihrem Bett in die Knie und betete zu Gott, daß er den Versucher von ihr fern halten und ihr helfen möge, auszuhalten an dem Platze, wohin er sie gestellt.
Robert sagte sich an diesem Morgen, daß er sie noch nie so aufmerksam und liebevoll gesehen, wie heute, und doch war eine leise Veränderung mit ihr vorgegangen, die er sich nicht zu erklären vermochte. Er konnte sie jedoch nicht weiter beobachten, denn er mußte ftüh weg, um den ganzen Tag in Rosendorf zu verbringen.
(Fortsetzung folgt.)