Uro. 104

62. Jahrgang

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Intelligenz ökatt für äen Oezir^.

Erscheint Ak«l»t«s, Z»a««r»t»a L Samstag.

Dir Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Dienstag, äea 6. September 1887.

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ganz Württemberg 2 70 Ls.

'Nokitlfche Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 2. Sept. Der Kaiser fiel gestern während des Umgangs nach dem Paradediner auf die linke Hüfte und den linken Ellbogen und zog sich eine mäßige Quetschung der genannten Teile zu, setzte aber die Unter­haltung mit verschiedenen Gästen im Umhergehen noch längere Zeit fort. Der Schlaf in der letzten Nacht war im Ganzen befriedigend, das Allgemein­befinden ungestört. Der Kaiser ist heute früh kurz nach 9 Uhr aufgestanden.

Berlin, 29. Aug. Ueber der jüngst gemeldeten Unfall, welcher die deutsche Kronprinzessin betroffen hat, liegen folgende nähere Mit­teilungen vor: Die Kronprinzessin begab sich am Donnerstag, nachdem sie in Portsmouth das Marinespital besichtigt hatte, in Begleitung des Kapitäns Fullerton an Bord des Torpedobootes Nro. 79, um mit demselben die Rück­fahrt anzutreten. Der Führer des Torpedobootes beabsichtigte, den könig­lichen Herrschaften einige Manöver zu zeigen, und wollte zu diesem Zwecke mit voller Fahrt um das unweit Cowes stationiert liegende WachtschiffIn- vincible" herumgehen. Nachdem der Hinterteil des Schiffes passiert war, wurde das Ruder hart nach Steuerbord übergelegt, um an die andere Seite desJnvincible" zu gelangen. Dann wurde der Befehl gegeben, das Ruder mittschiffs zu legen, doch war es nicht möglich, das Ruder zu bewegen, und ehe noch irgend etwas gethan werden konnte, rannte das Torpedo rechts in die Seite des Wachtschiffes hinein. Der Zusammenstoß verursachte eine furcht­bare Erschütterung auf dem kleinen Fahrzeuge, dessen Steven fast in zwei Teile gespalten wurde; außerdem litt der Bug des Torpedobootes schweren Schaden. Die königlichen Herrschaften und die übrigen an Bord befindlichen Personen waren im ersten Augenblick sehr erschreckt, da man den Umfang des Schadens nicht kannte. Mit Blitzesschnelle wurde von der in Bereit­schaft liegenden DachtViktoria und Albert" eine Barkaffe zu Wasser ge­laffen, welche eiligst nach dem Torpedoboote abdampfte und die königlichen Herrschaften aufnahm, welche alsdann mit der Dacht nach Cowes zurückkehrten. Der Zusammenstoß, der sehr leicht schwere Folgen hätte haben können, ver­lief so günstig, wie irgend möglich, so daß die hohe Frau mit dem bloßen Schrecken davonkam. Das Torpedoboot kehrte unter Dampf langsam nach dem Hafen von Portsmouth zurück, wo es ausgebessert wird.

Wie derPol. Korr." aus Rom geschrieben wird, hat König Humbert gleich auf die ersten Nachrichten, daß der deutsche Kronprinz den Winter in Italien zuzubringen gedenke, demselben das Schloß

Caserta zum Aufenthalte angeboten. Es ist noch nicht bekannt, ob der deutsche Kronprinz das Anerbieten angenommen hat, jedenfalls glaubt man. daß derselbe Gelegenheit nehmen werde, dem Könige persönlich seinen Dank für diese Aufmerksamkeit auszusprechen.

Eine Meldung derPolit. Korr." aus Konstantinopel bestätigt, daß die Pforte beschlossen habe, wegen der Entsendung des russischen Generals Ernroth nach Sofia den Fürsten Bismarck um seine Vermittelung bei den Mächten anzugehen. Man hoffe, daß Fürst Bismarck sich der er­betenen Vermittelung unterziehen werde, wodurch die bulgarische Frage in eine neue diplomatische Phase treten würde, da die Entsendung Ernroths, weil formell angeregt, Gegenstand der Erwägung der Mächte zu bilden hätte; ob dabei praktisch etwas gewonnen werde, bleibe abzuwarten, bis der Mei­nungsaustausch ergeben habe, ob und in welcher Weise jener Vorschlag mit dem Programm der Lösung der bulgarischen Frage mit friedlichen Mitteln und Erhaltung derselben innerhalb der Schranken einer lokalen Angelegenheit vereinbar sei.

Berlin, 2. Sept. Fürst Bismarck wird nach der Begegnung mit dem Grafen Kalnoky der Kaiser-Entrevue in Stettin beiwohnen. Die Pforte hat sich entschlossen, in die Entsendung des Generals Ernrot zu willigen. Fürst Ferdinand wandte sich darauf hier­her um Rat.

Hamburg, 4. Sept. Eine Depesche desHamb. Corresp." aus Berlin bestätigt, trotz des Dementis derKöln. Ztg.", die Nachricht, daß vor der Abreise des Zaren nach Dänemark ein Attentat auf denselben statt­gefunden habe. Der Zar erhielt einen Prellschuß, der eine Quetschung des linken Armes verursachte. Trotzdem keine Blutung stattfand, ist die Ver­wundung doch schmerzvoll.

Gcrges-Weirigkerten.

Calw, 3. Sept. Das Nationalfest wurde gestern wieder würdig gefeiert und nahm, wie es bei der stets wachsenden Beteiligung nicht anders zu erwarten war, einen hübschen Verlauf. Der fast endlose Zug der ver­gnügten Jugend in festtäglichem Gewände, die verschiedenen Vereine mit ihren Fahnen unter Vorantritt der Calwer Stadtmusik, nach ihnen die städt. und bürgerl. Kollegien, bildete bei seinem Abmarsch von dem mit Flaggen reich geschmückten Marktplatz durch unsere Stadt ein allerliebstes Bild. Die Festrede hielt in diesem Jahre Hr. Reg.-Ref. Hepp von Hirsau, gewandt und in blühender Sprache. Es ist uns vergönnt, dieselbe im Wortlaut mitzuteilen:

Feuilleton. «Nachdruck «»boten.»

Um Rang und Reichtum.

Dem Englischen frei nacherzählt von Leo Sonntag.

(Fortsetzung.)

Sie müssen sehr früh geheiratet haben", bemerkte sie dann.

Ich war kaum siebzehn, gnädige Frau."

Und wie lange sind Sie verheiratet?"

Fast ein halbes Jahr."

So sind Sie also noch nicht achtzehn. Daß Ihr jungen Mädchen es immer so eilig habt, die Sorgen des Lebens auf Euch zu nehmen! Warum haben Sie so früh geheiratet?

Ich hatte weder Mutter, noch Freunde, weder Heimat noch Vermögen, ich war ganz verlassen."

So haben Sie also Roden um seiner Stellung willen geheiratet, nicht aus Liebe?"

Laura errötete, sie fühlte die Impertinenz der Frage, und durste dies doch der Gebieterin ihres Mannes nicht zeigen.

Ich frage nur", fuhr die Dame fort,iveil es mir leid um Roden wäre, denn er ist ein tüchtiger Mann, und wird sich emporschwingen, wenn eine liebende Frau ihn unterstützt. Doch jetzt kommen Sie zu meinen Vögeln!"

Durch eine Reihe prächtiger Gemächer führte Lady Cardin die junge Frau nach dem Wintergarten. Inmitten farbenglühender exotischer Gewächse sandten hier kristallhelle Fontainen ihre klaren Strahlen empor, die dann leise plätschernd in moosumwachsene Marmorbecken niederfielen. Es machte auf Laura einen fast zauber­haften Eindruck und die Scheu vor ihrer vornehmen Begleiterin vergessend, rief sie laut:

O, wie wunderbar schön! Ich wußte gar nicht, daß es solche Orte auf Erden giebt!"

Ein leises Lächeln umspielte die Lippen der stolzen Lady.

Natürlich nicht", versetzte sie.Wie sollten Sie auch."

Und wieder erwachte der Gedanke in Laura's Herzen, daß es sie nur ein Wort koste, um ein ebenso schönes Heim zu erlangen wie dieses.

Es kam Jemand, uin mit Lady Cardin zu sprechen, so daß Laura abermals warten mußte. Sie sah sich um. Wie beneidenswert war doch die Herrin eines solchen Hauses, auf deren leisesten Wink geschäftige Diener herbeieilten, um ihre Be­fehle ausführen. Schöne Zimmer, reiche Toiletten, Vergnügungen jeder Art, das Alles gehörte ihr. Und immer stärker wuchs der Neid in dem Herzen der jungen Frau, immer mächtiger wurde die Versuchung. Sie, die erst vor wenigen Stunden zu Gott gefleht, er möge sie behüten vor Versuchung, sie war jetzt nahe daran, der­selben zu erliegen, und Liebe, Ehre, Pflicht und Wahrheit zu vergessen, um Reichtum und eine glänzende Stellung zu erlangen. Zufällig fiel ihr Blick in einen großen Spiegel, der ihre ganze Figur zurückwarf, und zum ersten Male ward sie von ihrer eigenen Schönheit betroffen.

Ich bin schöner, als alle die vornehmen Damen die ich je gesehen", sprach sie zu sich selbst,und ich glaube, ich könnte mich in ihrer Gesellschaft beivegen. Wie gerne möchte ich es versuchen!"

Und lebhaft malte sie sich aus, wie sie thun würde, wäre sie die Eigentümerin eines so herrlichen Besitztums wie dieses! Wie wollte sie sich an der hochmütigen Dame rächen, die sie in ihrer jetzigen Stellung beleidigt; mußte sie doch als die Schönste und mit dem Reichtum ihres Großvaters ausgestattet, überall die Erste sein. Und welch glänzende Gesellschaften, Soireen, Bälle wollte sie geben!

Aus dieser entzückenden Träumerei wurde sie plötzlich durch eine Stimme ganz in ihrer Nähe aufgeschreckt.

Lady Cardin stand vor ihr, gefolgt von einem Diener, der einen vergoldeten Käfig in der Hand trug.

Hier sind die Vögel", sprach sie.Roden versteht sich auf ihre Behandlung. Er versprach mir, während meiner Abwesenheit würden Sie dafür Sorge tragen. Sie müssen sehr warm gehalten werden; den Samen zum Füttem wird Ihr Alaun Ihnen verschaffen."