Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts -Bezirk Nagold

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Amtliches.

An die Ortsbehörden.

Das Oberamt hat die Wahrnehmung gemacht, daß dem Ausstandswesen bei den Gemeindekassen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird und nimmt deshalb Veranlassung Nachstehendes zu verfügen:

Die aus 1. April 1897 vorhandenen Ausstäude sind von den Gemeinderechnern alsbald einzuzieheu und es haben die Ortsvorsteher bis 15. Dez. d. I. über den Stand des Einzugs der Ausstände anher zu berichten.

Um die vielen Ausstände je am Schluß eines Rechnungsjahrs zu vermeiden, ist es notwendig, schon im Laufe der Rcchnungsperiode namentlich den lausenden Steuereinzug streng zu überwachen. Zu diesem Zweck hat der Gemeinderat von dem ihm nach ß 15 letzter Abs. der K. Verordnung vom 21. Juni 1819 (Reg. Bl. S. 345) zustehenden Recht der vierteljährlichen Einsichtnahme des Steuer­buchs Gebrauch zu machen und event. dem Steuer­einbringer,fallsdies emVers äumniss ezurLastfallens ollten, die nötige Erinnerung zu geben. Der Rechner selbst hat sich den Steuereinzug alles Ernstes angelegen sein zu lassen und event. die Hilfe des Ortsvorstehers zur Beitreibung der Steuern in Anspruch zu nehmen.

Die am Schluffe des Rechnungsjahrs vorhandenen Ausstände an Steuern, Holz- und Pachtgelder u. s. w. sind von dem Rechner an diesem Zeitpunkt in ein Verzeichnis (Ausstands-Verurkundung) aufzunehmen, welches dem Gemeinderat zur weiteren Verfügung zu übergeben ist. In diesem Verzeichnis sind die Ausstände von den Schuldnern unterschriftlich an­zuerkennen und hat sich der Rechner in demselben bei jedem einzelnen Posten über seine Thätigkeit auszu­weisen.

Die Berurkundung der Ausstäude ist Obliegenheit des Ortsvorstehers, welcher die Schuldner zu diesem Zweck ans das Rathaus vorzuladen hat. (§ 18 cit. K. Verordnung.) Die Rechner selbst sind nicht befugt, verfallene Einnahmen irgend welcher Art anzuborgen, müssen vielmehr alle Forderungen spätestens 3 Monate nach der Verfallzeit einklagen durch Stellung von Anträgen bei dem Ortsvorsteher auf Erlassung von Zahlungsbefehlen wegen öffentl. rechtlicher Ansprüche.

Nagold, den 19. Nov. 1897.

K. Oberamt. Ritter.

Die K. Pfarrämter

werden beauftragt, bis zum 25. d. M. die Wehr­listen einzusenden, soweit sich seit 1. Juli d. I. Veränderungen ergeben haben. Verneinendenfalls wollen Fehlberichte eingeschickt werden.

Nagold, den 18. Novbr. 1897.

K. Bez.-Sch.-Jnsp. Dieterle.

Das Anwachsen der Oppositionsparteien im Reichstage.

P Der bedeutende Sieg der freisinnigen Volks­partei in der Reichstagsnachwahl im Wahlkreise Wrstpriegnitz, über welchen schon am 10. November Depeschen aus Perleburg die erstaunliche Thatsache meldeten, daß der freisinnige Wahlkandidat Schulz 7481 Stimmen, der conservative Wahlkandidat Land­rat v. Saldern dagegen nur 5999 Stimmen erhalten hat, führt der politischen Welt Deutschlands den deutlichen Beweis, daß die Oppositionsparteien im deutschen Reichstage in mächtigem Anwachsen be­griffen sind. Die symptomatische Bedeutung dieses Wahlausfälles im Wahlkreise West-Priegnitz tritt dabei um so mehr zu Tage, weil in den letzten drei Jahren die Conservativen und Freiconservativen in den Reichstagsnachwahlen neun Wahlkreise an die Oppositionsparteien verloren haben. Wenn nun aber, yne es geschehen ist, die meisten Blätter des Frei­sinns, dieFreisinnige Zeitung" und dieVossische Zeitung" in Berlin an der Spitze, den Sieg im Wahlkreise West-Priegnitz als einen Triumph der freisinnigen Sache und als einen allgemeinen Um­schwung in den politischen Anschauungen den Wähler feiern, so kann man solche Darstellungen zwar als Ausbrüche überschwenglicher Siegesfreude im frei-

ÄagoLL, Samstag den 20. November

sinnigen Lager verstehen, aber der freisinnige Sieg im Westpriegnitzer Wahlkreise und in mehreren an­deren Wahlen ist keineswegs nur dem Anwachsen der freisinnigen Partei, sondern vielmehr den anderen zäh kämpfenden Oppositionsparteien zu verdanken, welche, wenn sie keine Aussicht mehr haben, ihren eigenen Kandidaten in dem betreffenden Wahlkreise durchzubringen, meist Mann für Mann für den frei­sinnigen Oppositionskandidaten stimmen. Ganz sicher wird von den Sozialdemokraten diese consequente Oppositionstaktik ausgeübt, denn in der Wahl im Westpriegnitzer Kreise haben nicht weniger als 2000 Sozialdemokraten für den Freisinnigen gestimmt, denn im ersten Wahlgange, der zur Stichwahl führte, hatten die Freisinnigen nur 3148 Stimmen, die Sozialdemokraten 2015, die Antisemiten 1909 und die Conservativen 5043. Wenn nun in der Stichwahl die für den Freisinnigen Kandidaten ab­gegebenen Stimmen von 3148 auf 7481 anschwollen, so haben dazu nicht nur die Sozialdemokraten, son­dern auch die Antisemiten beigetragen. Ueberhaupt hatten die Antisemiten die Entscheidung vollständig in der Hand, ja, sie brauchten sich nur der Wahl zu enthalten und der freisinnige Kandidat wäre höchst wahrscheinlich nicht gewählt worden. Man steht daraus, daß der Freisinn nicht seiner eigenen Kraft den neuen Sieg verdankt, sondern daß das allgemeine Anwachsen der Oppositionslust der freisinnigen Partei zu Gute kommt. Welche Unversöhnlichkeit, welcher Aerger und welche Verstimmungen in unserem poli­tischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben müssen aber überdies noch viele Gemüter beherrschen, wenn drei Oppositionsparteien, wie die Freisinnigen, Sozial­demokraten und Antisemiten, welche unter sich die größten und unversöhnlichsten Gegner sind, sich in der Opposition gegen einen auf der Seite der Re­gierung stehenden Kandidaten verbinden!? Wie wird es unter diesen Umständen im nächsten Reichs­tage aussehen?!

Hages-Weuigkeilen.

VenLsches Reich.

Wildberg, 17. Nov. (Einges.) Heute ver- sammelte sich hier eine größere Anzahl Lehrer des vorderen Sprengels zum monatlichen Lehrergesang­verein, welcher zu Ehren des scheidenden Schullehrers Steiner nach Wildberg verlegt worden war. Nach der Gesangsprobe im Schulhaus wurde im Gasthaus zur Traube der Abschied des Hrn. Steiner gehalten. Herr Steiner war nahezu 10 Jahre in Wildberg und hat sich in dieser Zeit durch seine Tüchtigkeit im Amt, sowie durch eine charaktervolle Aufführung nicht nur die Liebe und Achtung seiner Gemeinde sondern auch die Liebe und Freundschaft vieler Kollegen erworben. Möge er mit seiner werten Familie in der schönen, unmittelbaren Nähe Eßlingens einen ihn befriedigenden Wirkungskreis finden.

Reutlingen, 16. Nov. Der Lichtensteingau des Schwäbischen Albvereins machte am Sonntag einen zahlreichen wohlgelungenen Ausflug aus Greifen­stein und Burgstein zur Einweihung des neuen Fuß­wegs nach Unterhausen.

Stuttgart, 16. Nov. Evangel. Landessynode. Zu den verschiedenen Anträgen, welche in der Synode bis jetzt zudem Reversaliengesetz gestellt wurden, ist am heutigen dritten Verhandlungstage über die Vorlage derjenige von Präsident v. Bockshammer getreten, wonach die Kirchenregierung u. A. aus zwei evang. Ministern oder Mitgliedern des Geh. Rats bestehen soll. In der Debatte kam heute zunächst wieder der Berichterstatter, Ober-Regierungsrai Huzel zum Wort, um auszuführen, daß der mitgeteilte Antrag Haag in seinen Konsequenzen zur Wahl der Pfarrer durch die Gemeinden führen würde. Nach ihm setzte der Kultminister Dr. v. Sarwey ein, um die von verschiedenen Seiten gegen ihn gerichteten Angriffe wegen seines Verhaltens im Abgeordneten­hause abzuwehren. Seinem Hauptgegner, Rektor Dr. Egelhaaf gegenüber bemerkte der Minister, daß dessen geschichtliche Darstellung der Wahrheit nicht entspreche. Da ferner Egelhaaf zu verstehen gegeben, der Minister sei durch andere, als in der Sache lie­gende Motive zu seinem Verhalten in der Kammer bestimmt worden, erklärt dieser, daß er diese Auf­fassung auf das Entschiedenste zurückweise. Er habe

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in der ganzen Frage das Wohl der Kirche und des Staates im Auge behalten. Der Konsistorialpräsident habe sich mit ihm stets in Uebereinstimmung befunden, ebenso die Oberkirchenbehörde. Betreffs der kirch­lichen Berufung der Minister meint Herr v. Sarwey. daß dieselbe durch die Interessen der Kirche geboten sei. Er giebt dann die Erklärung ab, daß, wenn die Synode die Anträge der Kommission annimmt, das Ministerium sich mit dem so gestalteten Gesetz einverstanden erklären wird. Andernfalls ist der Minister nicht in der Lage, über die Haltung der Regierung sich auszusprechen. Uebrigens ist er über­zeugt, daß kein evangel. Minister sich weigern wird, in die Kirchenregierung einzutreten (Beifall). Seine schließliche Hoffnung geht dahin, daß die Angelegen­heit einem baldigen Abschluß entgegengeführt werde. Dekan Herrlinger wendet sich gegen den Antrag Haag. Herr Egelhaaf will das Alter und die Verdienste des Kultministers bei seinen Angriffen nicht aus dem Auge gelassen haben. Auch habe er nicht den Ge­danken gehabt, daß der Minister sich habe von un­lauteren Motiven leiten lassen. Präsident von Bocks - Hammer begründet seinen eingangs mitgeteilten Antrag. Pfarrer a. D. Schmid spricht zum Antrag Haag und betont, daß an Mißtrauen gegen Rom, Zentrum und Ultramontanismus ihn (den Redner) niemand in diesem Hause übertreffen könne. Wenn ein katholischer König auf den Thron kommt, be­dürfen wir vor allem mutige Männer, welche für die Verletzung der Parität ein scharfes Auge haben. Hinter dem kath. Königwerde ein jesuitischer Beichtvater stehen. Prälat v. Schwarzkopf erinnert an die scharfsinnige Rede Konr. Haußmanns im Landtag, aus welcher viel Sympathie für die evangelische Kirche hervorleuchtete. Da alle weiteren Anträge ins Uferlose führen würden, tritt Redner für den Kommissionsantrag ein, man werde sich durch Annahme desselben um die evang. Kirche verdient machen. Nachdem noch Professor Hieber für den Antrag Haag (freie Wahl) gesprochen, sowie die Pfarrer Stotz, Stockmayer und Preuner, wird die Debatte, die heute den Höhepunkt in der Reversaliensache erreicht hat, abgebrochen. Morgen erfolgt wohl die Abstimmung.

Zum Ortsvorstehergesetz. Die Württ. Ge­meindezeitung erinnert daran, daß nach den Grund­sätzen eines württ. Staatsrechtslehrers und jetzigen Ministers (Sarwey) es sich von selbst verstehe, daß ein Gesetz an sich rückwirkende Kraft nicht haben kann, also die Rechte der lebenslänglich angestellter. Ortsvorsteher unantastbar sind. Unter solchen Um­ständen wird man in der am kommenden Sonntag stattfindenden Versammlung der Ortsvorsteher scharfe Reden zu hören bekommen. Bis heute haben sich schon 1100 Gemeindebeamte zur Teilnahme ange­meldet.

Gönningen, 17. Nov. Wie verlautet, beab­sichtigt die Gesellschaft Lenz u. Co. wegen Weige­rung der Gemeinde Gomaringen, an den Grunder- erwerbungskosten ihren Anteil zu zahlen, den Plan der Linie ReutlingenGönningen dahin abzuändern, daß man Gomaringen gar nicht berührt, sondern eine schöne Strecke östlich davon vorbeifährt. Da­durch würde der Weg von hier nach Reutlingen 22f's Icm kürzer und natürlich auch entsprechen! die Fahrzeit. Dies würde an Erbauungskosten etwa 120000 ^ weniger ausmachen. Die Herstellung eines tiefen Einschnittes, der dadurch nötig würde, käme auf 4050000 ^ zu stehen, so daß die Ge­sellschaft immer noch einen Ueberschuß von 7080000 Mark hätte.

Tuttlingen, 19. Nov. (Korresp.) Unter der hiesigen Kinderwrlt tritt die Diphtherie, die hier ni ganz erlischt, wieder in ganz verstärktem Maße auf Namentlich ist es die Stuttgarter Vorstadt, wo sic einen nahezu epidemischen Charakter angenommen hat

Ulm, 18. Nov. (Korresp.) Heute Vormittag kam mit dem Orientexpreßzug der Kommandierende General v. Lindequist mit seinem Adjutanten Prinzen Ernst v. Weimar hier an und wohnte einer Feld­dienstübung der hiesigen Garnison mit gemischten Waffen bei Allewind an. Die Rückkehr Se. Exz. nach Stuttgart erfolgt mit dem 4 Uhr Schnellzug heute Nachmittag. Heute traf auch der Kommandant der Mailänder Feuerwehr hier ein zur Besichtigung der hiesigen Löscheinrichtungen.