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Amts- und Intelligenz-Blatt pir den Obrramts-Bezirk Nagold
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. 1S8. Nagold, Donnerstag de» L8. Oktober >897.
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Seine Königliche Majestät haben am 25. Okt. d. I. allergnädigst geruht, dem Landjäger l. Klasse Düttling in Altensteig die silberne Verdienstmedaille zu verleihen.
Zu der zweiten höheren Dienfiprüfung im Departement des Innern ist u. a. für zulassungsfähig erkannt worden: Adolf Bohnenberger von Nagold.
Gestorben: 26. Okt.: Albert Denzel, Pfarrer a. D., Stuttgart. 26. Okt.: A. Vötsch, Mittelschull., Ludwigsburg.
Herrschen und Entsagen.
In einem Artikel der „Münch. Allg. Ztg." wird mit aller Schärfe auf den deutschen Kaiser, als auf die Stelle hingewiesen, an der gegenwärtig der hauptsächliche Widerstand gegen die Militärprozesi reform zu suchen ist. Damit wird nur ausgesprochen, was längst allgemein empfunden wird, denn an das holde Märchen, daß das Verlangen Bayerns, einen eigenen obersten Militärgerichtshof zu erhalten, den Grund zur Verzögerung der Reform bildet, haben wohl nur wenige geglaubt. Da die Frage der Prozeßreform eine das deutsche Volk tief bewegende ist, und da sie auf die Gestaltung unserer inneren Verhältnisse für die nächste Zeit von einschneidender Wichtigkeit sein wird, so geziemt es sich wohl, ein offenes Wort zu sprechen, auch wenn die Person des Herrschers davon berührt wird. Man nimmt an, daß der Kaiser einer zeitgemäßen Reform widerstrebe, einmal, weil er das Bestätigungsrecht aufgeben müßte, und zweitens, weil er die Gewährung der Oeffentlichkeit des Verfahrens für bedenklich hielt. Es handelt sich für ihn also darum, zweierlei Dingen zu entsagen: Einem positiven persönlichen Recht und einem Vorurteil, oder wenn man sich ganz objektiv ausdrücken will, einer Anschauung. Die Fähigkeit zu entsagen ist aber eine der wesentlichen Vorbedingungen für eine segensreiche Thätigkeit des Monarchen, und es sei als auf ein Beispiel in kurzem auf den Mann hingewiesen, den der gegenwärtige Kaiser und mit ihm sein ganzes Volk auf das Höchste verehren: Auf Kaiser Wilhelm I.
Der ganze Lebenslauf des ersten deutschen Kaisers
gleicht einer Kette von Entsagungen. Als zarter Knabe muß er der Heimat entsagen, um nicht in die Hände der Franzosen zu fallen. Wenige Jahre später muß er der Fürsorge der liebenden Mutter entbehren. Als blühender Mann muß er auf die Frau verzichten, die er über alles liebt. Jin reifen Mannesalter muß er, der die Dinge nüchterner aber besser überblickt, als sein phantasiereicher königlicher Bruder, vieles geschehen lassen, was er für ein Unglück hält, weil er gerade als Bruder des Königs in die praktische Politik weniger eingreifen darf, als mancher andere. Erst an der Schwelle des Greisen- alters gelangt er zur Herrschaft, und hier muß er, der sein Volk liebt und sich nach seiner Liebe sehnt, zuerst Jahre lang mit diesem Volk einen erbitterten Kampf durchführen. Es kommt dann die Zeit der großen Siege, aber mitten in diesen Siegen muß der lorbeerbekränzte Herrscher wiederum entsagen. Im Jahr 1866 will er das Königreich Sachsen an Preußen angliedern, aber sein Sohn und sein großer Kanzler zwingen ihn, darauf zu verzichten. Im Jahr 1870 will er die Kaiserkrone nicht annehmen, weil er ganz mit Recht empfindet, daß er an persönlichen Rechten mehr aufgiebt als empfängt; aber auch hier fügt er sich der Staatsnotwendigkeit. Und wie oft hat er noch in seiner späteren Herrscherzeit sich zu fügen und zu entsagen verstanden, es sei nur an die Zivilehe erinnert. Ja, selbst auf seinem eigensten Gebiet, auf dem Gebiet, auf dem er unbestritten ein hervorragender Fachmann war, auf dem militärischen, vermochte er es, den Auffassungen, in denen er groß geworden war. zu entsagen. Unter ihm erhielten die Aerzte im Heer ihre angesehene Stellung; unter ihm erlangte der Generalstab seine überwiegende Bedeutung und es wurde eine Ehre für die Offiziere, dem Generalstab anzugehören, während früher die Generalstäbler über die Schulter angesehen worden waren; unter ihm erlangten die ^ Artillerie und Genietruppen ihre Gleichberechtigung !mit der Infanterie und Kavallerie. Manche dieser Neuordnungen wurden dem hohen Herrn, der in den ! Anschauungen des vorigen Jahrhunderts ausgewachsen !war, recht schwer, aber was er einmal als eine Notwendigkeit erkannt hatte, das führte er durch unter Aufopferungen der eigenen Neigungen und Auffassungen.
Kaiser Wilhelm II. ist von dem Geschick glimpflicher angefaßt worden, als sein Großvater. Als er geboren wurde, begann gerade Preußens Stern wieder Heller aufzuleuchten, und so hatte er eine freudenreiche und glückliche Kindheit und Jugend. Ihm blieb es erspart, was die Kräfte eines Mannes aufreibt und was das Geschick seines Vaters zu einem besonders tragischen machte, als reifer Mann Jahrzehnte lang der Nächste zum Thron zu sein und doch nicht in die Geschicke des Reichs eingreifen zu dürfen. Er
Menschenfresserei.
Von Dr. Lautenbach.
Der Ausdruck Kannibale leitet sich vom spanischen Worte Canibalis ab, welches der Name für den Stamm der Kariben war, die von den ersten Entdeckern Amerikas auf den Antillen-Jnseln angetroffen wurden.
Nachklänge dieser uns unmenschlich erscheinenden Sitte der Menschenfresserei finden wir noch in unseren Volksmärchen. Wer nun auch diesen sagenhaften Erzählungen, de"»" j»^och immerhin eine freilich oft tief verschleierte Wahrheit zu Grunde liegt, gar kri»cu Glauben schenken sollte, wird wenigstens die Resultate der Forschung anerkennen müssen.
Die Untersuchungen der gefundenen markhaltigen Knochen von Menschen aus früheren Jahrtausenden zeigt sehr deutlich, daß dieselben künstlich geöffnet worden waren. Solche Funde sind an vielen Orten Europas gemacht worden, in verschiedenen Höhlen Frankreichs, Belgiens, Dänemarks, Englands, der pyrenäischen und der apenninischen Halbinsel. — Ebenso wie die Bibel berichtet uns auch die Odyssee von Menschenfressern. — Der griechische Geschichtsschreiber Herodot bezeichnet noch die Skythen als Menschenfresser. Hieronymus schildert als Augenzeuge die Attikoten, einen britannischen Völkerstamm, als Menschenfresser, und zwar im vierten nachchristlichen Jahrhundert. Selbst im Mittelalter hören
wir noch von diesem Brauch bei den Witzen und Mordwinen. Ja selbst am Ende des vorigen Jahrhunderts ist in Mitteldeutschland ein junges Mädchen und ein Handwerksbursche von einem Hirten geschlachtet und verspeist worden.
Für Asien und Afrika geben uns die Schriften griechischer Schriftsteller Zeugnis, so wird von den Indern, den Aethiopiern und den Maffageten erzählt, daß sie Menschenfleisch verzehrten.
In unserer Zeit finden wir in Asten, Afrika, Amerika und Australien noch immer Völkerschaften, welche das Fleisch ihrer Mitmenschen essen. Auf d:r J"s-1 Sumatra in Ostasien bei den Battas ist die Menschenfresserei gesetztrry geregelt. Tic ist vorgeschrieben, wenn ein Landesverräter, ein Spion oder ein Feind mit den Waffen in der Hand gefangen wird, und ferner, wenn ein gewöhnlicher Sterblicher die Frau eines Häuptlings oder Radscha verführt. Die Pfähle, an denen die unglücklichen Opfer geschlachtet werden, find sogar mit allegorischen Figuren verziert und bilden später, von den Priestern verarbeitet, in deren Hand Zaubergerätschaften.
Im Gegensatz zu diesen Kannibalen Asiens sind diejenigen Afrikas vollständige Egoisten. Ihrer Menschenfresserei liegt nicht wie bei jenen ein religiöses Motiv zu Grunde, sondern sie fressen das Fleisch von Menschen ebenso wie dasjenige von Tieren, ohne sich etwas dabei zu denken. Das Material zu diesen Leckerbissen liefern bei ihnen Ge
gelangte zur Herrschaft, als er eben das Mannesalter
erreicht hatte. Und in dieser Herrschaft ist bislang keine Entsagung von ihm verlangt worden. Seine Ahnen hatten auf die Machtfülle unumschränkter Herrschaft verzüchten müssen, er aber wurde gewissermaßen in den Rahmen hineingeboren, innerhalb dessen er herrschen kann, und so brauchte er nicht das Opfer der Selbstüberwindung zu bringen. Im Gegenteil: Mancher Wunsch wurde ihm erfüllt, der jenseits der ihm gesteckten Grenzen lag. Nun soll er einmal das thun, was sein erhabener Großvater tausendfach gethan hat: Entsagen. Mit Spannung schaut das ganze Volk darauf hin, ob er dessen, fähig sein wird, ob er es erkennen wird, daß über verbriefte Rechte doch Eines noch hinausgeht, nämlich die Entwickelung der Zeit und der Auffassung. Der Monarch hat letzthin von seiner furchtbaren Verantwortung gegenüberGottgesprochen. DieVerantwortung dem Höchsten gegenüber muß jeder Mensch, auch der Herrscher, mit und in sich selbst abmachen, und eS geht eigentlich niemand etwas an, welches Maß von Verantwortlichkeit er sich persönlich beimißt; nur an den Thaten des Menschen soll man erkennen dürfen, wie groß sein Verantwortlichkeitsgesühl ist. Die Verantwortlichkeit des Herrschers dem Volk gegenüber aber unterliegt dem Urteil des Volkes. Mag außer- verfaffungsmäßig der Begriff von der Unverantwortlichkeit des Königs existieren, so wird doch jeder, der nicht ein konstitutioneller Doktrinär ist, den Herrscher für das verantwortlich machen, was er unterläßt, während er es hätte thun können, und was er thut, während er es hätte unterlassen können. Und wenn der König es unterläßt, auf ein Recht zu verzichten, dessen Aufgeben die Entwickelung verlangt, so wird ihm vor dem Empfinden des Volkes, wie vor dem Urteil der Geschichte die Verantwortung dafür zugemessen werden, daß Deutschland in einem wichtigen Punkt hinter der Entwickelung zurückbleibt, daß die inneren Verhältnisse Deutschlands sich trüben, und daß die Liebe des Volkes zum Monarchen sich verringert. Denn darüber darf der Herrscher nicht im Unklaren gelassen werden, daß die Liebe des Volkes nicht ein völlig unveränderliches Gut ist. Die Liebe ist kein starres, erzenes Denkmal, das unzugänglich ist den Einflüssen der Witterung, sondern Liebe ist Leben. Und weil die Liebe etwas Lebendiges ist kann sie wachsen, kann sie aber auch verkümmern. Das Dichterwort: „Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb' es, um es zu besitzen", trifft ganz gewiß auch zu auf die Zuneigung, die daS Volk dem Herrscher entgegenbringt, der von seinen Vätern einen so reichen Schatz an Liebe des Volkes erbte. Nur der Besitz, der immer wieder neu erworben wird, kann unverkürzt erhalten bleiben. Am ehesten aber kann sich der Herrscher Verehrung und Liebe des Volkes erwerben, wenn er das thur, was dem Menschen am schwersten fällt: Entsagen.
fangene und Sklaven. Auch scheint die Menschenfresserei in Afrika noch ziemlich weit verbreitet zu sein, während sie in Asten eben nur auf Sumatra sicher nachgewiesen ist, von etlichen Stämmen Inner- Asien- aber auch behauptet wird. In Südafrika sollen die Basuto-Kaffern, in Aequatorial-Afrika die Monobuttu- und Niam-Niam-Stämme, in Westafrika die Pahnin und andere mit Vorliebe Menschensteisch vertilgen. Dies berichten glaubwürdige Afrikareisende, wie du Chaillu, Livingstone, Hutchinson und Schweinfurth.
In Amerika, hauptsächlich in Süd- und Mittelamerika, fanden die Entdecker auch bei hohen Kultur- vö^-'-n Anthropophagie. Die Sitte oder vielmehr Unsitte bestano ausaugs bei den erwähnten Kariben, und bei den schon hochgebildeten Azteken, den Ureinwohnern Mexikos, die bei besonders feierlichen Gelegenheiten Menschenopfer darbrachten und dann das Fleisch aßen. Ebenso waren die Jnkaperuaner und die tiefer stehenden Topi-Jndianer Südamerikas Kannibalen. Und noch heute kommt die Menschenfresserei vor, bei den Kaschibo, den Miranha und Mesauya im Gebiete des Amazonenstromes und in Nordamerika bei den Odschibwä, während andere Jndianerstämme, z. B. die Irokesen und Algonkin diesem „Sport" nicht mehr huldigen. Bei den amerikanischen Völkern scheint die Rache der Beweggrund zu dieser Handlungsweise gewesen zu sein bezw. noch zu sein. (Schluß folgt.)