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Amts- und Intelligenz-Blatt für den Obrrsmts-Bezirk Bagold

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168. UagolL, Mittwoch -e« 27. Oktober 1887.

Gestorben: In Amerika: Jakob Henne, Bäcker aus Neusten, ON. Herrenberg, 46 I. a.. in Fort Scott, Kans.

Barbara Kepplrr, geb. Walz, SS I. a., Oberschwandorf. 24. Okt.: Caroline Schnauffrr, geb. Naschold, Cal». 24. Oktbr.: Ereile von Faber du Faur, Stuttgart. LS. Oktbr.: Louis Hochstetter, Kaufmann, Stuttgart.

Italien und der Dreibund.

-s- Gegenüber der seit Jahren festen und friedlichen Politik des Dreibundes muß einmal festgestellt werden, daß eS in Italien Politiker und Parteien giebt, welche das italienische Königreich aus dem Dreibunde und dem Bündnisse von Deutschland loshaben wollen, weil dieses Bündnis für Italien angeblich keine Vorteile geboten habe. Es ist ja nun zweifellos, daß der König Humbert und seine verantwortlichen Minister in dieser Hinsicht ganz anders denken und die Vorteile des Dreibundes, der Italien Ruhe und Stetigkeit im Innern, Ansehen und Einfluß nach Außen gewährt, sehr wohl zu schätzen wissen, aber die auffällige und anmaßende Darstellung des Ver­hältnisses Italiens im Dreibunde durch die italienischen Franzosen« und Russenfreunde muß doch einmal ordentlich beleuchtet werden. Es giebt in Italien «ine Menge ehrgeiziger Politiker und Parteien, welche die Dreistigkeit haben, zu behaupten, der Dreibund bringe Italien nichts ein. Suchte Deutschland und Oesterreich den Zweck und Wert des Dreibundes einzig und allein in der Erhaltung des allgemeinen Friedens, so wollten umgekehrt diese Art Politiker Italiens von dem Bündnisse Vorteile, Länderzuwachs in Nordafrika, in Abessinien, vielleicht sogar in Wälschtirol und bei dem jüngsten griechischen Kriege sehen und mit Hilfe der Bundesgenossen zugleich Gelegenheit zur Rache an Frankreich für sein Ver­fahren in Tunis erhalten. Diese anmaßenden und eiteln Hoffnungen gewisser italienischen Hetz- und Größenwahnspolitiker sind natürlich nicht eingetroffen und konnten nicht eintreffen, weil sie erstens gar nicht auf dem Programme des Dreibundes standen und weil zweitens Italien weder die militärische, noch die finanzielle Kraft hat, solche Eroberungen überhaupt durchzusetzen. Kommen überhaupt die Herren Frassati, Robillant und Genossen, die eifrigsten Gegner des Dreibundes in Italien so, daß sie eifrig und agitatorisch das Austreten Italiens vom Dreibund verlangen und sich als Gegner Deutschlands aufspielen, so müssen wir auch einmal den Italienern unter die Nase reiben, daß Italien nicht durch die eigene Kraft, sondern durch die Siege Preußens 1866 und die Niederlagen Frankreichs 1870 seine Einheit und Großmachtsstellung erhalten hat, daß also die Richtung der deutschen Politik in aller und jeder Beziehung Italien unterstützt hat. Niemals würde ein wieder übermächtiges und über Deutschland etwa triumphierendes Frankreich Italiens Entwickelung als Großmacht begünstigt haben, denn es ist eine geschichtlich verbürgte Thatsache, daß Frankreich

Italien 1859 und 1866 gegen Oesterreich nur deshalb geholfen hat, um Italien zu einer Art Vasallenstaat von Frankreich zu machen. War doch bis in August 1870 italienisches Gebiet dicht vor Rom noch von 20,000 französischen Soldaten besetzt und Frankreich spielte zugleich den Protektor Roms und Italiens. Italien ist eben bis auf den durch Englands Ränkespiel und die italienische Eitelkeit und Ländergier verur­sachten Reinfall in Afrika, resp. in Abessinien vom Glücke und der Gunst der deutschen Politik in so beispielloser Weise begünstigt, daß es in den leichtfertig und oberflächlich urteilenden Kreisen seiner Bevölkerung so verwöhnt und anmaßend ist, darüber erstaunt zu sein, daß der Dreibund nicht dafür gesorgt hat, daß Italien nicht irgendwo eine Provinz oder eine hübsche Insel mit leichter Mühe gewonnen hat. Die blutige Lehre, welche Italien in Abessinien erhielt, und die grenzenlos thö richte Politik und verkehrten militärischen Maßnahmen, welche Italien in Afrika trieb, haben doch aller Welt gezeigt, wie schwer es den Italienern wird, aus eigener Kraft fremdes Gebiet zu erobern und zu erhalten, nur der ital. Chauvinismus hat davon nichts gelernt. Schreien doch noch jetzt nicht selten italienische Hetzblätter aus, daß Italien Triest von Oesterreich und Nizza von Frankreich sobald als möglich erhalten müßte, weil diese Gebiete früher einmal italienisch waren. Nun auf diese Weise könnte ja jeden Tag ein frischer, fröhlicher Krieg in Europa losgehen, nur ist es wahrscheinlich, daß bei einer solchen leichtfertigen Eroberungspolitik Italien große Nieder­lagen erleben und sich vergeblich nach einer rettenden Hand wie 1859 und 1866 Umsehen würde. Die maßgebenden und einsichtigen Staatsmänner und Politiker Italiens werden aber wohl auch noch den Dreibund zu schätzen wissen und keine Abenteuerpolitik aufkommen lassen.

HatzeL-MuigLeiten.

Deutsches Reich.

Nagold, 26. Okt. Vom 1. November d. I. an werden bei sämtlichen Postanstalten des Landes Kartenbriefe mit dem Postwertzeichenstempel von 10 Pfg. zum Preis von 10 Pfg. für das Stück zum Verkauf bereit gehalten. Auf die Kartenbriefe finden die Bestimmungen für Briefe Anwendung. Im Privatweg hergestellte Kartenbriefe sind wie bisher zulässig. Ebenso werden im Privatweg hergestellte Kartenbriefe wie bisher mit dem Postwertzeichen­stempel bei der Druckerei und Drucksachenverwaltung der Verkehrsanstalten versehen gegen eine Vergütung von 1 ^ 76 Pfg. für je 1000 Stück oder einen überschießenden Teil und unter den bei den Post­anstalten zu erfragenden weiteren Bedingungen.

(*) Wildberg, 25. Okt. Gestern Abend fand in der Wirtschaft zurKrone" hier zu Ehren des

scheidenden Fmstrats Hopfengärtner eine Ab­schiedsfeier seitens der Bürgerschaft statt. Herr Geometer Gär ln er brachte den ersten Toast auS und schilderte iu beredten Worten die vielen Verdienste, die sich der eidende als Beamter und als Privat­mann um die husige Gemeinde erworben hat; das Hoch auf den Set:eidenden fand begeisterten Widerhall. H. Forstrat Hepsenaärtner dankte hierauf in bewegten Worten, indem er bescheiden bemerkte, daß alles, was er als Beamter gethan habe, nur seine Pflicht ge­wesen sei; es sei aber notwendig, daß der Beamte sich auch als Mitbürger fühle und so sei es ihm möglich, durch Belehrung in einer Gemeinde viel Gutes zu stiften; es sei ihm eine Freude gewesen, dies zu bethätigen. Wildberg sei ihm in den 21 Jahren seines hiesigen Aufenthalts eine liebe Heimat geworden. Er und seine ganze Familie werden in dankbarer Erinnerung an Wildberg zurückdenken und gute Wildberger bleiben; er leere sein Glas auf das Blühen und Gedeihen Wildbergs. H. Stadtpfarrer Weber gab dem Scheidenden nicht nur das Zeugnis eines guten Beamten, sondern auch eines treuen guten Christen, was ihm zu besonderer Zierde gereiche und wozu ihm der Segen von oben nicht fehlen werde. Der hiesige Gesangverein verschönerte die Feier noch durch passende Vorträge und verlief so die Abschieds­feier aufs Schönste. Wir rufen dem scheidenden Herrn Forstrat und seiner Familie noch ein herzl. Lebewohl nach.

* Wildberg, 25. Okt. Am nächsten Donners­tag feiern hier Schneidermeister Gottl. Wünsch und seine Ehefrau Kath. geb. Holzinger das schöne Fest der goldenen Hochzeit. Beide sindnoch rüstig; möge den alten Leutchen, welche 2 Söhne mit 14 Enkeln um sich versammelt sehen, noch ein langer und freund­licher Lebensabend beschieden sein.

-j- Haiterbach, 22. Okt. Auf ergangene Einladung fand sich vorgestern Abend im Gasthaus zurLinde" eine sehr zahlreich besuchte Versammlung ein, um sich von dem in die Karlsvorstadt Heslach befördertenMittelsch ullehrerW agnerzu verabschieden. Nachdem Stadtschultheiß Krauß die Versammlung begrüßt hatte, ergriff Stadtpfarrer Schweitzer das Wort, um dem Scheidenden zu danken für die unermüdliche Treue, mit der er seinen Beruf in hiesiger Gemeinde seit 13'/- Jahren erfüllte und für die hervorragenden Leistungen, die er bei seinem reichen Wissen und Können als Lehrer der Mittel­schule und gewerblichen Fortbildungsschule, sowie als Dirigent des Damenchors und des wiedererstandenen Kirchenchors erzielte. Der Senior seiner hiesigen Kollegen betonte das schöne kollegiale Verhältnis, das unter den hiesigen Lehrern ungetrübt bestand während des ganzen hiesigen Aufenthalts des jetzt Scheidenden. Nachmals nahm Stadtpf. Schw. das Wort, um auch ein kurzes Streiflicht auf das schöne Familienleben des Herrn W. zu werfen, insonderheit

Rudolf Lindau über den Fürsten Bismarck.

Im neuesten (November-) Heft der Deutschen Revue, herausgegeben von Richard Fleischer, setzt H. v. Poschinger die Aufzeichnungen fort, welche Rudolf Lindau in den Jahren 1878 und 1884 über den Fürsten Bismark niedergeschrieben hat. Wir entnehmen daraus den Abschnitt über Bismarcks Ansicht über Beredsamkeit und den Parlamentaris­mus. Derselbe lautet: Bismarck höct eine schöne Rede gerade so an, wie er einen gewandt geschriebenen oder sensationellen Leitartikel liest; keines von beiden macht großen Eindruck auf ihn. Mit einem Wort, Beredsamkeit steht nicht in hoher Achtung bei ihm. Er ist der Ansicht, daß in dieser Zeit der parlamen­tarischen Regierung jeder Politiker im Stande sein müßte, einer Versammlung in klarer Weise die Gründe darzulegen, warum eine Maßregel angenom­men oder abgelehnt werden solle; aber er scheint zu denken, daß in einer solchen Rede keine Kunst ent­halten zu sein brauche: sie sollte ein nüchterner und klarer, an die Urteilskraft, nicht an die Gefühle der Zuhörer appellierender Bericht sein. Das Gefühl ist nach Bismarck in politischen Dingen etwas Ueber- flüssiges und Gefährliches. Kein Staatsmann sollte sich davon leiten lassen. Die Beredsamkeit wendet sich hauptsächlich an das Gefühl; ihr Zweck ist oft, die Leute zu etwas zu veranlassen, was sie bei kühlerer

und besserer Ueberlegung ablehnen würden, und sie! mitfortzureißenfast gegen ihren Willen". Einj Bericht müßte, um gut zu sein, klar, sorgfältig und! wahrhaftig sein. Nun kann ein Meisterstück der Beredsamkeit unsorgsältig und trügerisch sein kann tatsächlich eine Lüge sein. Der Anwalt, welcher einen Angeklagte« verteidigt, von dem er weiß, daß er schuldig, und welcher durch seine Fähigkeit die Jury zu einem freisprechenden Urteil überredet, kann ein sehr guter Redner sein, aber er ist nicht auf­richtig. Bismarck achtet eine« solchen Mann nicht, er betrachtet ihn als ein gcsäh.lich.7 E'"-

schöne Rede, lediglich als Rede beurteilt, kann eine schlechte Handlung sein. Bismark, dessen Lauterkeit als patriotischer Deutscher niemand anzweifeln kann und dessen beste und mächtigste Reden ganz nüchterne, sorgfältige und wahrhafte, allein an den Verstand und die Urteilskraft der Zuhörer sich wendende Be­richte find, mag wohl der Meinung sein, daß in einigen Fällen, wo seine politischen Gegner durch ihre Klugheit und Beredsamkeit Erfolg gehabt haben, dieselben so gewissenslos wie der Anwalt gehandelt haben.

In Bezug auf Bismarcks Ansichten über den Parlamentarismus ist noch ein besonderer Punkt zu erwähnen. Wenn man einige der volkstümlichsten parlamentarischen Führer ihrer Beredsamkeit oder vielmehr ihrer besonderen Befähigung, über jeden möglichen Gegenstand fließend zu sprechen, entkleidete.

so würde man häufig finden, daß sie als politische Charaktere ohne wirklichen Wert, daß sie tatsächlich lediglichDilettanten" sind. Nun ist Bismarck selbst ein berufsmäßiger Staatsmann, ein praktischer Geschäftsmann, und als solcher hat er eine starke Abneigung gegen den Dilettantismus. Er machte eine lange Lehrzeit durch, bevor er Meister wurde, und als Meister, der alle Geheimnisse seines Geschäftes gut kennt, hat er nur eine geringe Meinung von der Amateur-Arbeit und verwahrt sich streng dagegen, daß die Staatskunst als eine Art Himmelsgabe be- werde, wie es von den meisten Leuten ge­schieht. Es lft Nur, duß Mt"" -in Gelehrter erster Klaffe, ein gewandter Schriftsteller, ein ver­dienstlicher Banquier und ein beredter Sprecher und zugleich doch ein armseliger Politiker sein kann. Es ist sicher, daß das deutsche Parlament eine große Zahl politischer Dilettanten enthält, weche nichts­destoweniger beträchtlichen Einfluß auf die parlamen­tarischen Beschlüsse ausüben, und es ist nicht über­raschend, daß Fürst Bismarck, indem er auf seine eigenen Erfolge als Staatsmann und auf die zahl­reichen Versäumnisse seiner Gegner zurückblickt, sich in keiner Weise geneigt zeigt, die überlegene Weis­heit der Gegnerschaft anzuerkennen, daher die gegen ihn gerichtete offene und heftige Feindseligkeit ge­wisser politischer Führer.