Amts- und Intelligenz -Blatt fiir den Obersmts-Bezirk Nagold
Erscheint Montag, Mittwoch, Donnerstag und «amStag. - Preis oierteliährlich hier mit Trägerloh« SO in dem Bezirk l außerhalb de» Bezirks 1 ^41 30 I
Monats-Abonnements nach Verhältnis. — Insertions-Gebühr für dir Ispolttgr Zeile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 -f, bei mehrmaliger je 6 -s.
./U 165.
UagolL, Donnerstag den 21. Oktober
1887.
Von dem Bischof in Rottenburg ist die Pfarrei Göttel- singen, Dekanats Horb, dem Pfarrverweser Anton in Bachenau, Dekanats Neckarsulm, übertragen worden._
Gestorben: 18. Okt.: Friedrich Schnepf in Neuenbürg. 18. Okt.: Albert Bräuninger, Finanzrat b. d. K. Bergrat in Stuttgart, 64 I. a. 18. Okt.: Friedrich Breß- mer, K. Bezirksbauinspektor in Gmünd, 48 I. a. 20. Okt.: Ehr. Metzger, tb. eanä. in Böblingen.
Der wirtschaftliche Hoch- und Niedergang im deutschen Reiche.
-j- Die in den letzten Monaten immer stärker hervortretende Nachfrage nach Goldgeld in dendeutschen Bankinstituten und die daraus folgende Verminderung der Goldvorräte hat die Reichsbank veranlaßt, den Diskonto- wie den Lombardzinsfuß auf 5 Prozent zu erhöhen. Diese Maßregel hat in der öffentlichen Meinung über die Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland eine gewisse Unruhe und Besorgnis erweckt und da eine Anzahl sozialdemokratischer Blätter aus dem Umstande der Goldoer- teuerung in Deutschland sogar kühn auf eine zu erwartende Periode des wirtschaftlichen Niederganges in Deutschland schließen, so muß einer solchen Auffassung der Dinge scharf entgegengetreten werden, denn für alles wirtschaftliche Leben und Streben ist jede Schwarzseherei schädlich und thöricht. In einem finanziell so wohl geordneten Staatswesen, wie es das deutsche Reich ist, dessen Besitzstand und Vermögen mehrere hundert Millionen Mark beträgt und dessen jährliche Gütererzcugung in der Industrie und Landwirtschaft, Kunst und Gewerbe einen Wert von 45 bis 50 Milliarden Mark besitzt, darf man nicht gleich von einem wirtschaftlichen Niedergange reden, wenn infolge größerer Ansprüche an den Geldmarkt und der Gestaltung der internationalen Finanzlage der Disconto- und Lombardzinssuß um einen Prozent erhöht wird. Derartige Urteile zeugen nur von Unkenntnis in volkswirtschaftlichen Dingen oder von böswilligen Absichten, Unzufriedenheit zu säen. Der erfahrene Nationalökonom, wie auch jeder kundige Geschäftsmann weiß, daß, wenn größere Mengen baren Geldes von den Banken in Anspruch genommen werden, dieser Umstand ohne Zweifel auf einen Hochgang des wirtschaftlichen Lebens hindeutet, und dies ist in den letzten achtzehn Monaten auf dem Gebiete der deutschen Industrie auch der Fall gewesen. Keineswegs ist daher etwa das deutsche Gold massen- chaft in das Ausland geflossen, sondern es ist in Unternehmungen der deutschen Fabrikanten, Kaufleute Landwirte und Gewerbetreibenden gesteckt worden. Diese Thatsache deckt sich auch mit den Erklärungen des Präsidenten der Reichsbank Geheimrat Dr. Koch über die Ursachen der Erhöhungen des Disconto- und Lombardzinsfußes. „Im Anschluß an die vorgetragenen Zahlen des neuen Wochenausweises ", führte der Präsident Dr. Koch aus, „daß nach der weit über
das gewöhnliche Maß hinausgehenden Anspannung zu Ende des letzten Vierteljahres der Rückfluß an Gold zur Bank ein ungenügender gewesen sei. Noch immer sei die Anlage sehr hoch, viel höher als jemals um diese Zeit; der Metallvorrat und die fremden Gelder seien erheblich niedriger als in den letzten drei Jahren; der Notenumlauf überschreite die Steuergrenze noch um 171 Millionen, d. i. um 93*/? Millionen mehr als 1896, um 150 Millionen mehr als 1895. Dieser Zustand sei die Folge der gesteigerten Thätigkeit von Industrie und Handel wie des größeren Bedarfs der Landwirtschaft, aber auch zahlreicher Emissionen und einer größere Barmittel in Anspruch nehmenden Spekulation. Die zur Diskontierung eingereichten Wechsel ließen zum Teil auf eine gewisse Knappheit der vorhandenen Mittel schließen, welche durch die dem Bankdiscont gleichkommende Höhe des Börsen disconts bestätigt werde. In das Ausland sei zwar kein Gold abgeflossen; indessen habe doch die Goldbewegung von England nach Amerika wieder begonnen, und die Verhältnisse am Londoner Geldmarkt zeigten einige Versteifung. Angesichts der eigenen geschwächten Position und im Hinblick für die gegen Ende des Quartals zu erwartende weitere Inanspruchnahme dürfe die Reichsbank jetzt eine Erhöhung der Bankrate um ein volles Prozent nicht unterlassen." — Der Zrntralausschuß, um sein Gutachten über diese von der Reichsbankverwaltung beabsichtigte Maßregel befragt, stimmte derselben ohne Widerspruch zu. Bei der erwähnten Zinsfußerhöhung der Reichsbank, welcher natürlich auch die anderen Bankinstitute gefolgt sind, handelt es sich also in der Hauptsache um eine Maßregel finanzieller Vorsicht, wie solche nach den Verhältnissen geboten ist, und keineswegs um ein Zeichen des wirtschaftlichen Rückganges und des Verfalles. Wohl muß aber erwähnt werden, daß naturgesetzlich auf Perioden des wirtschaftlichen Hochganges auch solche des Rückganges folgen, und daß wir den Rückgang in einigen Industrien, zumal in der Textilindustrie, in Deutschland sehr bald fühlen werden. Dann wird aber keineswegs verzagt, sondern es gilt durch umsichtige, unermüdliche Arbeit wieder eine neue Blüte der betreffenden Zweige der Industrie und des wirtschaftlichen Lebens zu erlangen.
.
Hüges-UeuigkeiLen.
Deutsches Reich.
Nagold, 20. Okt. Gar mancher Schlaffer oder Schmied wird gewiß noch nicht wissen, daß er Hausschlüssel für Nicht-Hausbesitzer nicht ohne weiteres anfertigen darf. Der H 309 des Reichsstrafgesetzb. giebt hierüber Aufschluß. Hiernach ist es Schlossern und Schmieden bei Androhung einer Geldstrafe von 90 ^ oder bis zu vier Wochen Haft verboten, für
irgend jemand Hausschlüssel ohne Genehmigung des Hauswirts oder dessen Stellvertreters anzufertigen.
—t. Ettmannsweiler, 20. Okt. Bei dem am 15. d. M. hier ausgebrochenen Brande, über den im Montagsblatt des „Gesellschafter" berichtet wurde, ereigneten sich leider noch zwei schwere Unfälle. Der Abgebrannte, Schmied Bihler, der Spritzenmeister der hiesigen Feuerwehr ist, versuchte die am Giebel seines brennenden Hauses aufbewahrten Schläuche zu retten und zog sich dabei schwere Brandwunden am Kopf und an den Händen zu. Ein beim Ausräumen des Hauses beschäftigtes Mädchen verletzte sich an einer Fensterscheibe derart, daß die Sehnen der äußern Handfläche durchschnitten wurden und die Folge davon Steifheit der Hand sein wird.
Tübingen, 18. Okt. Das Reitinstitur der Universität wurde den beiden Söhnen des verstorbenen Stallmeisters Fritz übertragen, die in Gemeinschaft mit ihrem Vater das Institut zu hoher Blüte gebracht haben.
! Stuttgart, 19. Okt. (Korresp.) Die Eröffnung der zu einer außerordentlichen Tagung ein- berufenen V. evangel. Landessynode fand heute ^ statt. Vormittags 10 Uhr wurde in der Stiftskirche jein Gottesdienst abgehalten, wobei Stistsprediger ! Dr. v. Burk die Festpredigt hielt, welcher neben den ! Synodalmitgliedern, die Mitglieder des eoang. Const- jstonums, die Generalsuperintendenten, die Staats- j beamten, die städt. Behörden, die Geistlichen, die l Kirchengemeinderäte der Stadt Stuttgart und zahl- s reiche Gemeindemitglieder beiwohnten. Nach Been- j digung des Gottesdienstes begaben sich die Mitglieder ! der Synode in da- Sitzungslokal der Landessynode. Um */s12 Uhr erschien der mit der Eröffnung der Synode beauftragte kgl. Kommissär Staatsminister Dr. v. Sarwey in Begleitung der Mitglieder des Kirchenregimenls. Derselbe nahm zunächst die Verpflichtung der neu eingetretenen Mitglieder (Stadt- psarrer Bälz, Dekan Lic. Herrlinger, Kommerzienrat Hartmann, Pfarrer Dierlamm und Prof. Lechler II.) vor. Minister v. Sarwey hieß hierauf die Synode im Namen Sr. Majestät ^rzlich willkommen und ging sodann aus den Grund der Einberufung und die Aufgaben, welche die der jetzigen Tagung der Erledigung harren, kurz ein. Zuerst handelt es sich um eine wiederholte Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Ausübung der landesherrlichen Kirchenregimevtsrechte im Falle der Zugehörigkeit des Königs zu einer anderen als der evangel. Konfession, nachdem die Abgeordnetenkammer die staatsgesetzliche Verpflichtung der Minister zum Eintritt in das Kirchenregiment abgelehnt habe und deshalb dem Gesetz die landes- herrl. Sanktion nicht erteilt werden konnte. Ferner werden der Beratung der Synode folgende Gegenstände unterstellt werden: Herabsetzung des christen- lehrpflichtigen Alters, kirchl. Trauung bei bestimmten ^ Fällen gemischter Ehen und endlich die Besoldungs-
Die Hirschpredigt.
Humoreske von Carl Cassau.
(Schluß.) (Nachdr. verb.)
Die Predigt lautete:
„Liebs Andächtigen! Auf dem Wege hierher habe ich in einem großen Buche gelesen, dessen Seiten von seltsamen Schriftzeichen starren, während zu anderen Zeiten die Blätter ganz weiß sind. Die Schriftzeichen in dem Buche sind aber eigener Art, jedes Zeichen ist ein Meisterwerk und redet eine ganze Sprache für sich. Mit einem Worte: dieses Buch ist die liebe Gotteswelt und die Schriftzeichen sind die Blumen und Tiere; alle reden sie von dem Verfasser, welcher Gott der Herr ist! Aber jede Kornblume, jeder Klatschmohn, jede Kleepflanze hat ihre Bestimmung, wie viel mehr das Korn im Felde, welches Gott der Herr uns gab, daß das Brot des Menschen Herz stärke. Voll Verwunderung aber habe ich auf meinem Wege hierher bemerkt, daß des gnädigen Herrn von Polkwitz Hirsche dieses schöne Korn abweiden! Mögen sie im Winter, wenn Alles verschneit ist und die Blätter des Buches der Natur mit Schnee bedeckt sind, im Felde streifen, jetzt ist's nicht in der Ordnung, und Ihr selbst wie der gnädige Herr habt die Pflicht, den Hagen dicht zu machen!"
Der Jäger hatte lächelnd zugehört, jetzt winkte er mit der Hand.
„Hör Er auf! Er soll ja für den gnädigen Herrn predigen, nicht gegen ihn!"
Herr Aßmus blickte auf.
„Was mir Gottes Wort gebeut, Herr Jäger, das, glaub' er mir, werde ich predigen!"
„Na, so komme Er! Er ist ein närrischer Kauz, aber ich mag ihn leiden! Die Stelle soll Er haben, ich will's dem gnädigen Herrn sagen!"
„Ist's auch wahr? Macht Er sich auch keinen Jux mit mir?"
Der Grüne beruhigte ihn und führte den Petenten in's Schloß, wo er nnem Diener etwas in's Ohr flüsterte. Der winkte dem Kandidaten in ein Zimmer, trug ein reichliches Frühstück herbei und forderte ihn auf, zuzulangen. Als er gesättigt war, meinte der Diener:
„Und nun zum gnädigen Herrn, Herr Pastor Hochwürden!"
Herr Aßmus lächelte.
„Soweit sind wir noch nicht, mein Freund! Aber vorwärts denn!"
Der Diener führte ihn durch einen langen Korridor in ein Zimmer und flüsterte:
„Der gnädige Herr von Polkwitz ist drinnen!"
Der Bittsteller trat ein und machte eine tiefe Verbeugung; als er aber das Auge erhob, stand vor ihm — der angebliche Förster und streckte ihm lächelnd die Hand entgegen.
Herr Aßmus wich scheu zurück.
„Gnädigster Herr — Sie Selbst? Und ich — Oh!"
„Geben Sie sich zufrieden, Herr Kandidat, Sie sollen mein Pastor werden! Sie haben mir die Wahrheit gesagt. Sie werden sie auch Anderen sagen! Von den Hirschen brauchen Sie aber nicht mehr zu predigen, ich will das Nötige in dieser Angelegenheit veranlassen! Zu Michaelistag können Sie Ihre Pfarre beziehen!"
Der neue Pastor wollte seinen Ohren kaum trauen. Er ergriff des Barons Hand ehe er das E^ps-Hsnnasschreiben des Barons von Pahlen hineinlegte.
Herr von Polkwitz lächelte.
„Ich brauche keine Empfehlung mehr, Ihre Hirschpredigt ist Ihre beste Empfehlung!"
Der Kandidat ist wirklich Pastor zu Groß- und Klein-Polkwitz geworden und hat im selbigen Jahre seine Jungfer Braut heimgeführt. Zur Hochzeit hat der Herr von Polkwitz aber dem jungen Paare hundert blanke Hirschgulden verehrt und auf das Wappenbild zeigend gesagt:
„Die haben's gemacht!" (Schw. Kal.)
— Unverfroren. Hausfrau (Sonntag Morgen einem Bettler öffnend): „Während der Kirchzeit betteln Sie?" — Bettler: „Ja, wir armen Bettler sind schlimm daran, denn wir müssen auch während der Sonntagsruhe arbeiten."