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Amts- und Intelligenz-Blatt flir dm Obrramks-Bezirk Nagold
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IK1. Nagold. Mittwoch den 8<>. Oktober 1897.
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Gestorben: 16. Okt.: Hermann Geese, Kaufmann in Stuttgart. 16. Okt.: Adolf Ramsperger, Stadt- pfarrer a. D. in Grunbach im Remsthal. 17. Okt.: E. Adler, Rechtsanwalt in Stuttgart. In Amerika: Adolf Failmezger, Kaufmann aus Stuttgart, Brooklyn.
Die Militiirstrafprozeßresorm und die innere Lage.
-j- Die schon so lange schwebende Angelegenheit der Schaffung einer für das ganze Reich geltenden einheitlichen Militärstrafprozeßordnung hat sich unstreitig zu der gegenwärtig bedeutsamsten Frage der inneren deutschen Politik entwickelt. Ihr ist dieser hervorragende politische Charakter namentlich durch den Umstand ausgeprägt worden, daß mit ihr die Entscheidung über das Gehen oder Bleiben des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe eng verknüpft erscheint. Fürst Hohenlohe hat, wie erinnerlich, dem Reichstag in der Sitzung vom 18. Juni 1897 die in bündigster Form gehaltene Zusage erteilt, daß dem Parlamente bald eine Vorlage über die von allen Seiten gewünschte zeitgemäße Reform der Strafrechtspflege zugehen werde, sollte nun der Kanzler sein feierlichst gegebenes Wort nicht demnächst einlösen können, so würde sein Scheiden aus dem Amte nicht mehr zu vermeiden sein. Bis jetzt war leider der Stand der beabsichtigten Militärstrasprozeßreform ein durchaus ungewisser und daraus erklärte es sich auch, wenn selbst in jüngster Zeit wiederum allerlei einander widersprechende Gerüchte hierüber auftauchten. Inzwischen soll allerdings in den Kronrate, der alsbald nach der Rückkehr des Kaisers von seinen letzten größeren Reisen im Neuen Palais, der kaiserlichen Sommerresidenz abgehalten wurde, die schwebende Reform der Militärstrasprozeßordnung des Längeren erörtert und sogar endlich zu einer vorläufigen Entscheidung gebracht worden sein. Angeblich wurde vereinbart, daß auf Grund der gefaßten Beschlüsse die preußischen Stimmen für den Bundesrat nach vorheriger Bestätigung durch das preußische Staatsministerium festzulegen seien; freilich will man auf anderer Seite wissen, es habe sich in dem stattgefundenen Kronrat nur um die Erledigung der laufenden Geschäfte gehandelt.
Selbst wenn nun aber bei den stattgehabten, vom Kaiser persönlich geleiteten Ministerberatungen im
Neuen Palais wirklich vorläufige Entschließungen in der Frage der Militärstrafprozeßreform in dem Sinne einer festen Jnstruierung der preußischen Bundesratsstimmungen gefaßt worden sein sollten, so wäre hiermit für die Beruhigung der öffentlichen Meinung im Reiche noch nichts Sonderliches erzielt. Es bleibt nach wie vor die Ungewißheit bestehen, ob nunmehr ein Ausgleich in den einander widerstrebenden Anschauungen auf preußischer und auf bayerischer Seite hinsichtlich der geplanten Reform endlich zu erwarten steht oder nicht; die offiziellen Erklärungen jedoch, welche kürzlich der Kriegsminister v. Asch im Finanzausschuss« der bayerischen Abgeordnetenkammer über den Stand der Militärstraf- prozeßrefocm abgegeben hat, lassen ungeachtet ihrer reservierten Forin freilich schon erkennen, daß eine Verständigung freilich jetzt noch zweifelhaft erscheint. Wo nun eigentlich die letzterer entgegenstehenden Schwierigkeiten liegen, das kann aus dem fortdauernden Chaos in den betreffenden Zeitungsmeldungen durchaus nicht mit einiger Sicherheit beurteilt werden. Neuerdings ist da allerdings die Frage der bayerischen Reservatrechte mehr in den Vordergrund geschoben wordenes heißt, Bayern versteife sich darauf, sein bisheriger? eigener oberster Militärgerichtshof stelle ein solches Reservatrecht dar, auf dasselbe könne es nicht ohne zwingendste Gründe verzichten. Daß indessen dieser Punkt wirklich die Ursache sein sollte, um derenwillen es mit der Militärstrafprozeßreform nicht vorwärts gehen will, dies ist trotz alledem nicht recht glaublich, man gewinnt vielmehr aus dem gesamten bisherigen Verlaufe dieser Frage den Eindruck, als ob die genannte bayerische Forderung von einflußreichen Kreisen am Berliner Hofe nur zum Vorwand genommen werde, das Festhalten an den eigenen althergebrachten Anschauungen in der Ausübung der Militärgerichtsbarkeit zu verschleiern.
Schon dieses hartnäckige Festhalten an altpreußischen Ueberlieferungen, welche mit den Forderungen nach einer zeitgemäßen Umgestaltung der Militärrechtspflege auf Grundlage des längst bewährten bayerischen Verfahrens in schroffem Widerspruch stehen, hat auch auf die öffentliche Meinung m Deutschland eine» wachsenden ungünstigen Eindruck gemacht. Derselbe müßte aber noch eine Vertiefung erfahren, wenn eS wahr sein sollte, waS das Gerücht behauptet, daß eine Majorisierung Bayerns im Bundesrate in Sachen der Militärjustizreform geplant sei, ein solches Vorgehen würde einen nicht wieder gutzumachenden politischen Fehler bedeuten. Endlich wäre auch noch zu bedenken, daß ein Kanzlerwechsel, der infolge der Differenzen wegen der Militärstrafprozeßreform entstünde, von hochbedenklichen Einwirkungen auf die gesamte Weiterentwicklung der politischen Lage in Deutschland sein würde, eine Weiterentwickelung, die alle warmen Anhänger des Reichsgedankens nur mit Besorgnis und zugleich Betrübnis erfüllen könnte.
Hages-AemgLeilen.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 16. Okt. Dem König ist laut „St.-Anz." von den „alten Tübinger Schwaben in Norddeutschland" als Erträgnis einer unter denselben veranstalteten Sammlung für die durch Hagelschlag und Ueberschwemmung Beschädigten in Württemberg die Summe von 1361 ^ 71 ^ übersendet und höchstem Befehle gemäß der Zentralleitung deS Wohlthätigkeitsoereins überwiesen worden.
Stuttgart, 16. Okt. Der Staatssekretär deS Reichsmarineamts, Kontreadmiral Tirpitz, hat im Laufe des gestrigen Tages bei dem Ministerpräsidenten Freiherrn Dr. v. Mittnacht, dem Kriegsminister Freiherrn Schott v. Schottenstein, dem kommandierenden General v. Lindequist und dem Gouverneur General v. Schott seine Karte abgegeben. — Abends 6 Uhr 10 Minuten begaben sich der deutsche Botschafter und seitherige preußische Gesandte Dr. v. Holleben und Herr v. Tirpitz, sowie der ihn begleitende Korvettenkapitän Pohl mit der Bahn nach Ludwigsburg, wo Hofwagen bereit standen, um die Herren nach Marienwahl zu bringen. Hier wurden sie von dem Könige in Audienz empfangen und hernach zur königlichen Tafel gezogen. Herr v. Tirpitz ist eine stattliche Erscheinung mit großem dunklem Vollbart; er macht einen echt seemännischen Eindruck. Heute ist er mit Kapitän Pohl zunächst nach Karlsruhe und von da zur Meldung beim Großherzog von Baden nach Baden-Baden abgereist.
Rottweil, 18. Okt. Gestern fanden Verhandlungen zwischen dem Ausschuß zur Erstellung eines Lembergturms und der Gemeinde Gosheim, O.-A. Spaichingen, statt, wegen Ueberlaffung und Auswahl des Platzes, auf dem der Turm aufgebaut werden soll. Mit anerkennenswerter Bereitwilligkeit kamen die bürgerl. Kollegien den Wünschen des Schwäb. Alboereins entgegen, auch bezüglich der Abgabe des nötigen Holzes, das zum Teil auf dem Platze selbst gefällt werden kann. Bei Bestimmung der Baustelle haben sich alle Anwesenden von dem glücklichen Gedanken überzeugt, auf diesem höchsten Punkt der Alb mit seiner einzig großartigen Fernand Rundsicht einen Aussichtsturm zu errichten. Mögen die Zeichnungen in die ausgegebenen Sammelbüchlein so reichlich erfolgen, daß die erforderlichen Mittel in kurzer Zeit zusammenkommen.
Balingen, 18. Okt. Nach der gestrigen Vormittagspredigt machte Hr. Stadtpfarrer Schütz der Gemeinde von der Ernennung des Hrn. StadtpfarrerS Widersheim in Crailsheim auf die erledigte eoang. Dekanats- und 1. Stadtpfarrstelle dahier Mitteilung. — Nach dem Ausschreiben des kath. Kirchenstiftungsrats wird nunmehr mit dem Bau der kath. Kirche hier begonnen und sind die Fundamentierungsarbeiten
Die Hirschpredigl.
Humoreske von Carl Cassau.
(Nachdruck verboten.)
Die Herren von Polkwitz haben seit uralten Zeiten 2 springende Hirsche im Wappen und sind durch alle Generationen eifrige Jäger gewesen, die das Edelwild hegten und pflegten. Hieran knüpft sich eine ebenso ergötzliche als lehrreiche Geschichte, die ich nach den Papieren des Familien-Archivs schmucklos erzähle.
An eine« heißen Spätsommertage des Jahres 1784 sah man auf dem Wege nach Groß-Polkwitz eine lange, hagere Gestalt im langen, schwarzen Gehrock, ebensolcher langer Weste, schwarzen Manchester- Kniehosen, schwarzseidenen Strümpfen, Schnallenschuhen und auf der Zopfperrücke einen schwarzen Dreispitz, gleich einem langen, schwarzen Storch dahinstelzen, indem der Mann, dessen kluges Gesicht ein großes, lichtblaues Augenpaar belebte, entzückte Blicke auf die schöne Natur rings um sich und auf die der Ernte entgegenreifenden Saaten warf. Aber was war das? Mitten im Korn Ls'te ein Rudel Hirsche, die bei der Annäherung des Wanderers eiligst flüchteten. Einen eben vorbeischreitenden Landmann fragte der Schwarze darauf verwundert:
„Duldet Ihr denn mitten in euren Feldern das Wild? Warum schießt Ihr eS nicht weg?"
Der Bauer sah den Frager groß an und ent- gegnete dann: „Er ist hier wohl fremd?"
„Allerdings!"
„Na, dann wundert mich Seine Frage eben nicht! Das Wild gehört dem gnädigen Herrn von Polkwitz, das dürfen wir bei schwerer Strafe nicht schädigen! Wir sind ja zum Gute gehörig!"
„So, so! Und das Vieh darf hier so wirtschaften?"
Der Bauer nickte.
„Ist das Groß-Polkwitz?" fragte der Fremde jetzt und zeigte auf das Dorf.
„Das ist es; Sucht Er da Jemanden?"
„Eben den gnädigen Herrn von Polkwitz!"
Der wohnt auf dem Gutshof in Klein- Polkwitz, eine kleine Viertelstunde von hier. Wenn Er übrigens dort durch den Hagen geht, ist Er in wenigen Minuten da."
„Durch das umzäumte Gehölz hier?"
„Ja! Er muß den Wildzaun übersteigen; nehme Er sich aber vor den Hirschen in Acht, sie fangen um diese Jahreszeit oft schon an bösartig zu werden!"
„Danke! Werd' mich schon hüten!"
Der Schwarze schritt schnell vorwärts und den Zaun übersteigend, befand er sich bereits nach einigen Schritten einem großen, stattlichen Vierzehnrnder gegenüber, der den Wanderer neugierig anstarrte, dann den Kopf senkte und auf ihn zusprang. Der
Angegriffene hatte noch eben so viel Zeit, sich hinter eine Eiche zu flüchten, in welche das erboste Tier tief sein scharfes Gehörn bohrte. Als nun von deren Seite noch eine Bestie herbeitrottete, kletterte der Wanderer voll Entsetzen an der Eiche hinauf bis zum ersten Geäst, wo er hoch aufatmend sitzen blieb, während die wütenden Tiere erboste Blickes nach oben warfen. Plötzlich indessen spitzten sie die Ohren und verschwanden blitzschnell im Innern des Gehölzes. Gleich darauf kam ein Mann in Jagdkleidung und Begleitung von bellenden Hunden des Weges. Als er den Astreiter erblickte, lachte er laut auf und rief ihn an:
„Heda, was macht er denn da oben?"
„Ich bin vor den gehörnten Bestien hinaufgeklettert!"
„Dann komme Er nur herunter, die Luft ist rein!"
Auf diese Versicherung stieg der Schwarze eiligst herab und stand dem Grünen nun gegenüber.
„Wer ist Er?" fragte Dieser.
Der Schwarze gab statt einer Antwort eine Frage zurück:
„Er ist wohl der Förster?"
„Der Förster? Ja, ja, der bin ich!"
„Nun, ich will zum gnädigen Herrn v. Polkwitz. Kennt Er ihn?"
„Wie mich selbst und gelte viel bei ihm!"