Besigheim, 14. Okt. Nach längerem Leiden starb in der vergangenen Nacht der auch in weiteren Kreisen bekannte Pfarrer Lörcher von Neckarwestheim im Alter von 24 Jahren. Derselbe war früher in den Gemeinden Meßstetten, Winzerhausen und Pflug­felden und seit nahezu 6 Jahren in Neckarwestheim. Aus einer weitverzweigten Familie Münfingens stammend (ein Bruder des Verstorbenen ist Professor in Cannstatt, ein anderer Bruder und ein Schwieger­sohn Missionar) wird sein Hinscheiden bei seinen zahlreichen Freunden und Bekannten wie insbesondere in der Gemeinde Neckarwestheim allgemeine Teilnahme erregen.

Laich in gen, 14. Okt. (Korresp.) Die Typhus­gefahr in unserem Orte ist noch nicht beseitigt; neuerdings erst kamen wieder Erkrankungen vor. Das K. Oberamt und das K. Oberamts-Physikat, die zur Untersuchung hier waren, dringen auf Ein­haltung der gesundheitspolizeilichen Vorschriften. Nunmehr haben die hiesigen bürgerlichen Kollegien auf eine Vorlage vom Ministerium des Innern hin in gemeinschaftlicher Sitzung den lobenswerten Ent­schluß gefaßt, eine große Hülbe inmitten des Orts, die Sommers über durch Ausdünstung übelriechender Miasmen sehr lästig war, im Laufe der 6 nächsten Jahre einfüllen zu lassen. Ein Seuchenherd dürste damit getroffen fein.

Ulm, 14. Okt. Kaufmann Martin Bilger, Inhaber des großen Buttergeschäfts hier, war vor einigen Monaten vom Schöffengericht wegen Be­leidigung einiger hiesigen Postbeamten und der Kgl. Generaldirektion der Posten durch mehrere sehr ungebührliche Eingaben zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Er sowohl wie die Staatsanwalt­schaft legten gegen das Urteil Berufung ein und heute fand die Verhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts statt. Das Ergebnis fiel jedoch sehr zu Ungunsten des Angeklagten aus. Während der Verteidiger auf eine Geldstrafe plaidierte, bean­tragte der Staatsanwalt 4 Wochen Gefängnis und in letzterem Sinne lautete denn auch das Urteil.

Mergentheim, 16. Okt. Gestern abend trafen die für vas hiesige Bataillon bestimmten ca. 260 Rekruten hier ein. Die Vereidigung derselben findet am 18. ds. Mts. vormittags in der evangelischen sowie katholischen Kirche statt.

Sigmaringen, 16. Okt. Heute Vormittag fand die feierliche Enthüllung des von dem Fürsten von Hohenzollern errichteten Denkmals für Kaiser Wilhelm den Großen statt.

Baden-Baden, 14. Okt. Das große Anwesen des Palais Hamilton ist feil geworden und soll nächstens veräußert werden und zwar würden Private für dasselbe 2,500,000 die Stadt oder der Staat 2,000,000 ^ dafür zu zahlen haben. Eine Erwerbung seitens Privater würde von den schlimmsten Folgen begleitet sein, da man ein derartiges Grundstück jedenfalls auf Kosten der hiesigen Geschäftsleute und Hoteliers ausbeuten würde. Die Stadt könne aber das Anwesen wegen allzu großer Kosten nicht er­werben ; auch der Staat werde es nicht kaufen und es sei nicht anzunehmen, daß die Hoteliers zusammen für einen Kauf sich entschließen könnten. Die Erwerbung ließe sich aber in der Weise vollziehen, daß der Staat das ganze Anwesen ankauft, die Gemeinde und ebenso die Hoteliers einen namhaften Zuschuß zur Verfügung stellen und der Staat alsdann das Grundstück dem Badfond überweist. Käme dieses Projekt zustande, dann könnte die Stadt schon einen Zuschuß zum Ankauf und etwaigen Ausbau geben, und man hätte dann stets einen Platz zur Verfügung, wenn später eine Vergrößerung der Badanstalten und sonstigen Einrichtungen not­wendig sein sollte. In einer öffentlichen Versammlung äußerten sich sämtliche Redner in diesem Sinne. Man spricht auch davon, daß der Großherzog persönlich sich für die Angelegenheit interessiert.

AusBaden, 16. Okt. Die freisinnige Partei, deren Zusammengehen mit den Nationalliberalen bei den bevorstehenden Landtagswahlen vielfach an­genommen wurde, hat nun ebenfalls einen selbstän­digen Wahlaufruf ergehen lassen, während die konser­vative Parteileitung jetzt mit schwerem Herzen ihre Gesinnungsgenossen zur Unterstützung der national- liberalen Kandidaturen auffordert. Von den Konser­vativen hatte man allgemein selbständiges Vorgehen und von den Freisinnigen wie erwähnt, Anschluß an die Nationalliberalen erwartet.

ff Die dreitägige lebhafte Debatte der bayer. Abgeordnetenkammer über die Beschränkung, resp. das Verbot der Einfuhr ausländischen Schlachtviehs endete am Donnerstag mit Annahme der Anträge Steininger und Ratzinger. Ihnen zufolge soll die bayerische Regierung im Bundesrate dahin wirken, daß ausländisches Schlachtvieh einer mindestens zehn­tägigen Beobachtung an der Grenze und dann einer nochmaligen tierärztlichen Kontrolle am Bestimmungs­orte zu unterziehen sei und daß ferner die Einfuhr bereits geschlachteten Viehs verboten werden solle.

Berlin, 14. Okt. DerNat.-Ztg." wird bestätigt, daß dem Bundesrat vom Reichsjustizamt d e Vorlage bezüglich der Entschädigung unschuldig Verurteilter zugegangen sei. Im Ganzen hält sich der neue Entwurf, wie dieNat.-Ztg." weiter meldet,

im Namen der in der vorigen Reichstagssession mit Strafprozeßreform-Vorlage gemachten Vorschläge. Besonders bleibt es dabei, daß nur im Wiederauf­nahme-Verfahren wirklich unschuldig Befundene ent­schädigt werden sollen. Dieses Verfahren soll jedoch nicht der Beschränkung unterliegen, welche der vorige Entwurf vorsah. Die Bürgschaft, welche diese Be­schränkung des Wiederaufnahme-Verfahrens nach dem vorigen Entwurf für die Unschuld des vorher Ver­urteilten leisten sollte, hat nach der neuen Vorlage allein der Gang des Wiederaufnahme-Verfahrens zu erbringen.

Berlin, 16. Okt. Heute Vormittag 11 Uhr fand in der Ruhmeshalle des Zeughauses die Nagelung der neuen Fahne in Gegenwart des Kaiserpaares, seiner 4 ältesten Söhne und der hier anwesenden Prinzen des königlichen und anderer regierender deutscher Häuser, des Reichskanzlers, des Kriegs­ministers, des Generalstabschess, der kommandirenden Generäle u. s. w. statt. Von dem Lichthofe begaben sich die Herrschaften in die Ruhmeshalle, wo die Fahnen auf gedeckten Tischen bereit lagen. Der Kaiser schlug als erster die ersten Nägel ein, dann folgte die Kaiserin, die Prinzen und Prinzessinnen, der Reichskanzler und die übrigen dazu Befohlenen. Um 4 Uhr war die Feier beendet.

ff Die BerlinerGenossen" haben zuerst zu den Ergebnissen des sozialdemokratischen Parteitages in Hamburg Stellung genommen. Es geschah dies durch eine größere sozialdemokratische Versammlung, die nach der Schloßbrauerei im Vorort Schöneberg einberufen worden war. Von denGenossen" Mei­ling und Klein wurde an den Beschlüssen des Partei­tages eine zum Teil ziemlich absprechende Kritik ausgeübt, namentlich erfuhr die beschlossene Betei­ligung an den preußischen Landtagswahlen Tadel. Auch diemilitärfromme" Haltung, die der Reichs­tagsabgeordnete Schippel in Hamburg bekundete, fand in der Schöneberger Versammlung ernstliche Rüge.

Naumburg, 15.Okt. Ein Militärzug mit Rekruten für das Gardekorps lief gestern Abend auf einen im hiesigen Bahnhof haltenden Güterzug auf. Der Militärzug ist unbeschädigt. Sieben der letzten leeren Wagen des Güterzuges wurden beschädigt; drei davon sind entgleist. Die Schuld trifft den Lokomotivführer des Militärzuges, der das Haltesignal nicht beachtet hatte.

Bromberg, 14. Okt. DaS Schwurgericht verurteilte gestern den Arbeiter Monka aus Lisch- kowo zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe. Der An­geklagte hatte am 30. Juli Nachts ein Einwohner­haus in Lischkowo vorsätzlich angezündet. Das Haus brannte völlig nieder und 8 Personen kamen in den Flammen um.

Elbing, 16. Okt. Bei dem Brande eines Arbeiterhauses in Groß-Tillendorf, Kreis Stuhm, sind 2 Kinder und 10 Erwachsene verletzt worden, darunter 3 sehr schwer.

ff Die Vorarbeiten für die herannahende Reichstagssession nehmen ihren Fortgang. Im Bundesrat ist jetzt die angekündigte Vorlage über die Entschädigung unschuldig Verurteilter eingegangen. Dem Vernehmen nach entspricht sie im Wesentlichen den Bestimmungen, welche die gescheiterte Justiznovelle hinsichtlich der Entschädigung Verur­teilter enthielt, im Speziellen soll die Vorlage wiederum die Bestimmung aufweisen, daß nur die im Wieder­aufnahmeverfahren als wirklich unschuldig Befundenen das Recht auf staatliche Entschädigung haben soll. Hoffentlich kommt jetzt wenigstens diese eine dringende Reform der deutschen Justizpflege zu Stande.

.A, u S l a « ü.

Ein großartiger Steuerbetrug ist in St. Gallen ans Licht gekommen. Ein gewisser St. versteuerte nur 80000 Fr; nach seinem Tode stellte es sich heraus, daß er über 3 Millionen besessen.

Paris, 15. Okt. Gestern abend fand das von den Spitzen der Pariser Handelswelt zu Ehren des Präsidenten Faure anläßlich seiner Rückreise aus Rußland gegebene Festmahl statt. 750 Personen waren anwesend. Der Präsident des Handelsgerichts Goy brachte einen Trinkspruch auf Faure aus, indem er an die patriotische Freude erinnerte, welche die Hauptstadt bekundete, als der Präsident von seiner russischen Reise zurückkam. Faure erwiderte mit einer Ansprache, in der er der Freude Ausdruck gab, sich inmitten der Männer der Arbeit zu befinden. Er erinnerte sich an die Bewegung, die er bei seiner Rückkehr von der russischen Reise empfunden habe, als ganz Paris unter einmütiger Begrüßung die patriotische Genugthuung bekundete, welche die ganze Nation infolge der zwischen dem Zaren und ihm gewechselten Worte empfangen habe.

Ich habe schon gesagt," fuhr der Präsident fort,und es ist meine Pflicht es zu wiederholen, um dem Lande seine Verantwortlichkeit vor Augen zu führen; dem großen Bei­fall de? Landes und seinem politischen Geiste verdankt es i unsere Demokratie, daß sie sich der erlangten Ergebnisse erfreuen kann. Sie wußte es zu begründen, daß die repub­likanischen Einrichtungen, denen sie unerschütterlich anhängt, den inneren Frieden verbürgen und nach außen die Kon­tinuität der Anschauungen und Ziele sichern, ohne welche nichts Festes und Dauerhaftes gegründet werden kann." Sodann beglückwünscht der Präsident den französischen

Handel dazu, daß er den neuen wirtschaftlichen Notwendig­keiten durch koloniale Ausdehnung und die Eroberung neuer Märkte Rechnung zu tragen wußte. Man müsse die Ausdehnung des Kapitals unterstützen und die Privatunter­nehmungen nach kaum bekannten Gegenden begünstigen. Alle Völker seien in einem bewußten Wettlauf begriffen. Frankreich rechne auf seine Kaufmannschaft, um seinen Ueberlieferungen gemäß daran teilzunehmen.Bei der bevorstehenden Ausstellung im Jahre 1900," schloß der Präsident,wird die Einigkeit uns unbesiegbar machen durch die Initiativ« und die Arbeit für den Ruhm und die Größe des Vaterlandes."

Die Gesamtauslagen Frankreichs für Madagaskar im Jahr 1897 waren auf 9 Millionen veranschlagt. Diese Summe ist schon längst über­schritten worden, denn, wie man vernimmt, soll in einer der ersten Sitzungen der Kammer ein Nach­tragskredit von 19 Millionen verlangt werden, was also 28 statt 9 Millionen ausmacht. In Zukunft soll das Budget von Madagaskar grundsätzlich ver­doppelt, d. h. von 9 auf 18 Millionen erhöht werden. Bei dieser Nachricht geht den Gegnern der Annexion von Madagaskar ein Licht auf: Darum also lauteten die letzten Meldungen aus Madagaskar so günstig und wurde so viel Aufhebens von den Erfolgen des Generals Galliern gemacht, weil das ansehnliche Defizit gedeckt werden mußte.

In ganz Italien dauert die Bewegung gegen die Überschätzungen der Einkommensteuer an und es soll angeblich nicht nur die Demonstration in Rom wiederholt, sondern auch auf andere Städte übertragen werden und man spricht sogar schon von Steueroer­weigerungen. Die ohnehin schon kritische Lage des Kabinetts Rudini wird durch diese Vorgänge natür­lich nur noch verschärft; schon ist von einer beschleu­nigten Einberufung der Kammer die Rede, aber eS ist die Frage, ob das Kabinett auch nur bis zu diesem Zeitpunkt sich unverändert halten kann und nicht schon vorher eine teilweise Ministerkrise zum Aus­bruch gelangt.

Rom, 16. Okt. Der Finanzminister erteilte in einem Rundschreiben von gestern den Steuerbeamten Anweisungen, wodurch ein gutes Einvernehmen mit den Steuerzahlern bei der Erhebung der Einkommen­steuer erleichtert werden soll.

Kandia, 16. Okt. Wie dieKöln. Ztg." von hier meldet, wird die Lage immer verwickelter. Die herrschende Erregung wird immer größer. Angesichts des wachsenden Elends sandte Stambul die doppelte Quantität Getreide an die notleidenden Muhammedaner, die mit großer Sorge dem Winter entgegensehen. Auch die Aufständischen im Innern der Insel haben große Sorge; sie bereiten eine Denkschrift an die Großmächte vor, worin sie erklären, jeden Beschluß anzunehmen. Gerüchtweise verlautet von der Abtretung Kretas an eine der Großmächte, die aber Schwierigkeiten begegnen solle.

ff Die direkten Friedensverhandlungen zwischen der Türkei und Griechenland werden nun wohl endlich in Fluß kommen, da die für diese Verhandlungen ernannten Bevollmächtigten der griechischen Regierung am Donnerstag mit dem DampferJonia" von Athen nach Konstantinopel abgereist sind. In Athen scheint man das Bedürfnis zu empfinden, seine schmutzige KriegSwäsche zu waschen. Es ist unter dem Vorsitze des Generals Makro- michalis eine Kommission eingesetzt worden, welche eine Untersuchung über die Vorgänge im letzten Kriege anstellen soll. Die griechische Regierung würde aber nun klug thun, wenn sie auf diese Untersuchung verzichtete, ihre Ergebnisse könnten doch unmöglich rühmliche für das durchaus nicht ehrenvoll unter­legene Griechenland fein.

ff Der Stand der orientalischen Dinge nimmt sich ungeachtet der Zurüstungen für den Ab­schluß des definitiven Friedens zwischen der Türkei und Griechenland noch immer einigermaßen kritisch aus. Z. B. ist es gerade kein ganz unbedenklicher Zwischenfall, wenn die Türken in einseitiger Aus­legung der Friedenspräliminarien die im Golf von Arta befindliche griechische Flotille am Auslaufen hindern. Uebrigens ungemütlich präsentiert sich auch die Lage auf Kreta, trotz der Anwesenheit der inter­nationalen Flotte und der Truppen der Großmächte herrschen dort beinahe anarchistische Zustände.

Der Bürgerkrieg in Guatemala wird von beiden Seiten mit großer Erbitterung geführt und es ist nicht abzusehen, welcher Partei schließlich der Sieg zufallen wird. Brieflichen Nachrichten aus Guatemala vom 18. September entnimmt die «Voss. Ztg.", daß Quezaltenango nach zweitägigem Kampf von den Aufständischen genommen worden ist, wobei allerdings die Ausländer in jeder Beziehung geschont, die Einheimischen aber brutal behandelt wurden. Die treu gebliebenen Regierungsbeamten, die bis zum letzten Augenblick auf ihrem Posten verharrten und sich weigerten, die Staatsgelder auszuliefern, wurden vor ein Kriegsgericht gestellt und kurzer Hand erschossen. Dieses Los ereilte unter anderen den Telegraphendirektor Galicia und den Haupt­rendanten Valdez, beide sehr geachtete und ehren­werte Männer. Die Regierung brachte in zwei Tagen über 20000 Mann auf die Beine, die den Aufständischen entgegengesandt wurden. In den letzten Tagen soll es denn auch den Rrgierungs- truppen gelungen sein, Quezaltenango wieder zu erobern.