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reiche Versammlung sich eingefunden hatte, um mit dem Scheidenden noch einige Stunden in traulicher Weise beisammen zu sein. Höchst ungern sieht man diesen Mann von hier ziehen, da jedermann die großen Verdienste des­selben in den verschiedenen Zweigen seiner Berufsthätigkeit zu schätzen und zu würdigen wußte. Die Reihe der Toaste eröffnet« Hr. Oberamtmann Supper, der in trefflichen Worten im Namen der Bezirksangehörigen die liebenswürdigen und vortrefflichen Eigenschaften, die der Gefeierte in seiner Stellung als Mensch, als Schul- und Kirchendiener, als Beamter und Vor­gesetzter an den Tag letzte, schilderte und seine Gefühle darin zusammenfaßte: Behüt Dich Gott, es war zu schön gewesen, behüt Dich Gott, es hat nicht sollen sein. Hr. Helfer Braun stellte mit sinnigen Worten der Parole Scheiden" die LosungWiedersehen" gegenüber und brachte sein Hoch der Frau Dekanin und dem schönen Familienleben im Dekanatshause. Als weiterer Redner trat Hr. Stadtschultheiß Haffner auf. Derselbe sprach im Namen der Stadt und der bürgerlichen Kollegien den Dank aus für die große För­derung der religiösen Zustände in der Stadt, für die bereitwillige Fürsorge an den Armen und Kranken und für die aufopfernde Thätigkeit in Sachen des neuen Gotteshauses, die der scheidende Freund und Seelsorger jederzeit gezeigt habe. In seiner Erwiderung führte Hr. Dekan Berg aus, daß es ihm und seiner Familie hier überaus gut gefallen habe und er gerne noch länger geblieben wäre; da aber der Ruf einmal an ihn ergangen sei, so habe er diesen als eine Vorsehung Gottes angenommen, obgleich es ihm schwer ange­kommen sei, von einer lieben Gemeinde zu scheiden, in der die religiösen Zu­stände so befriedigende seien und wo kein Kastengeist die Bewohner unter sich abschließe; er danke den lieben Gemeindegenoffen für all das Gute und das Wohlwollen, das er und seine Familie stets in so reichem Maße erfahren durste; er werde sich freuen, wenn er wieder einmal den schönen Schwarz­wald besuchen könne und mit bewegten Worten brachte er in einem Hoch der guten Stadt und dem Bezirk Calw die herzlichsten Segenswünsche. Nach ihm sprachen noch die HH. Schullehrer Dengler und Oberamtsarzt vr. Müller. Von den bürgerl. Kollegien wurde dem Scheidenden die Photographie sämtl. Gemeinderäte zum Andenken übergeben. Zur Verschönerung des Abends trug auch die Stadtmusik durch ihre gediegenen Leistungen sehr viel bei. Wir schließen mit dem Wunsche, es möge dem hochverehrt. Hrn. Dekan und seiner Familie in Heilbronn die gleiche Anerkennung und Liebe zuteil werden, die ihnen hier gezollt wurde. Gott begleite dieselben auf ihrem ferneren Lebensweg! Der Kirchengesangverein brachte seinem scheidenden Vorstand, Hrn. Dekan Berg, gestern abend ein Ständchen, ebenso sangen heute morgen die Schüler der Mittel- und obern Volksschule dem­selben als Zeichen der Anhänglichkeit und Dankbarkeit ein Abschiedslied.

-st Möttlingen, 15. August. Heute früh brach in dem der Frau Wurst gehörigen und von zwei Familien bewohnten Hause Feuer aus, welches so schnell um sich griff, daß die Bewohner teilweise unangekleidet aus den Betten sich flüchten mußten und das ganze Haus nebst Scheuer total abbrannte. Gerettet konnte nichts werden und ist auch eine Kuh mitverbrannt. Die sehr bedrohten Nachbargebäude blieben durch die Umsicht der Feuer­wehr erhalten.

Nagold, 15. August. Am Samstag, abends 10 Uhr, wurde Ge­meindepfleger Sch. von U n t e r t h a l h eim auf dem Heimwege von Haiterbach plötzlich zu Boden geschlagen. Da er sich sogleich wieder erheben konnte, entfloh der Thäter. Da Sch. mit der Handwerkerbank Haiterbach zu thun hatte, war jedenfalls ein Raub beabsichigt. Sch. ist am Kopfe, aber nicht lebensgefährlich verletzt.

München, 15. August. Der Prinzregent gießt sich zur Zeit mit großer Passion dem edlen Waidwerk hin. Das erlegte Wild wird größtenteils im königlichen Zerwirkgewölbe in München zum öffentlichen Ver - kauf gebracht. Die an ihrem bayerischen Fürstenhaus mit Leib und Seele hängende Gebirgsbevölkerung begrüßt den Regenten allerorten mit sympathi­schen Ovationen.

Rüdesheim, 13. Aug. Ueber einen Unfall, welcher gestern nachmittag am Nationaldenkmal auf dem Niederwald einer Dame zustieß, schreibt das Fr. I.: Frau van Pütten ist die Witwe eines höheren in Rotterdam angestellt gewesenen Telegraphenbeamten. Dieselbe kommt seit einer Reihe von Jahren nach St. Goar zum Sommeraufenthalt. Gestern nachmittag fuhr sie nach Rüdesheim und dem Niederwald. Vor dem Denk­mal, auf einer Bank sitzend, fingen die Kleider der Frau Feuer. Auf welche Weise dieses geschah, vermag sie selbst nicht mit Sicherheit anzugeben. Einige Herren, sowie der Wächter Jordan wurden erst aufmerksam, als die Dame schon lichterloh brannte. Das arme Töchterchen von 9>/r Jahren, selbst in Gefahr, Feuer zu fangen, erhob fürchterliches Wehklagen. Die Dame hat starke Brandwunden und liegt in Lebensgefahr im hiesigen Schwesternhaus.

Homburg, 16. Aug. Eine Nacht großen Schreckens liegt hinter uns. Nachdem nämlich gestern abend gegen 9 Uhr Feuerlärm gemacht worden war, weil es im Hause des Schuhmachers Dinges (Louisenstraße) brenne, welches an das GasthausZum europäischen Hof" anstößt, ging der noch im Spritzenhaus befindlichen Mannschaft der freiwilligen Feuerwehr die weitere Meldung zu, daß gleichzeitig auch in dem in der Schulgaffe gelegenen Wohnhause des Bürstenmachers Peter May Feuer ausgebrochen sei, so daß die Mannschaft zum ersten Male in der Lage war sich zu teilen. Es gelang ihr indessen, in der Dinges'schen Hofreite dem im Dachstuhl entstandenen Brand bald Einhalt zu thun; dagegen gewann im Hause des Peters May das Feuer durch die auf dem Dach aufbewahrten Waren und Materialien an Bürsten, Holzwerk, Pech rc. solche Nahrung, daß dasselbe auch das Nach­barhaus (die vormalige WirtschaftZum Pfau") ergriff und dessen Dach entzündete, und es ist wohl nur dem Umstand, daß vollständige Windstille herrschte, beizumeffen, daß es gelang, eine weitere Ausdehnung des Brandes auf die enggebaute Wallstraße zu verhüten. Die Flammen schlugen so hoch zum Himmel, daß jenes ganze Stadtviertel hell erleuchtet war. Gegen 4 Uhr morgens war übrigens jede Gefahr beseitigt.

Elberfeld, 11. Aug. Vor kurzem fiel hier ein Wirt einem raffi­nierten Betrug zum Opfer. In dem Hotel hatte sich am Montag ein Handlungsreisender Kugelmann für den nächsten Tag angemeldet. Am Dienstag erhielt der Fremde eine Geldsendung von 850 ^ aus Vohwinkel und mehrere Briefe aus anderen Orten. Gestern begann Kugelmann einen Geldbrief mit 1450 nach Erfurt zurecht zu machen; zu diesem Gelds fehlten ihm jedoch 650 ^ Er bat deshalb den Hotelier, ihm für Silber­geld, das in einem großen Wertpakete auf dem Sopha lag, das fehlende Papiergeld zu beschaffen. Der eingegangene Geldbrief und das Geldpaket ließen bei dem Hotelier nicht den geringsten Argwohn aufkommen, er brachte 650 ^ in Papier. Der Fremde verschloß den Brief und schickte ihn zur Post. Hierauf sollte der Hotelier das Silbergeld erhalten. Das Geldpaket war jedoch sehr fest zugenäht, so daß zum Auftrennen ein Messer herbei­geschafft werden mußte. Der Reisende ging selbst nach dem Messer, überließ das Geldpaket und sein Gepäck dem im Zimmer wartenden Wirte und verschwand aus dem Hotel. Der Hotelier begann nach einigem Warten besorgt zu werden und die Polizei wurde herbeigerufen. Der Fremde blieb

Gesicht in den zitternden Händen barg. Als der letzte Accord leise verklungen war, trat Amandus auf den Mann zu, in dem Glauben einen Unglücklichen vor sich zu haben, dem er einige Worte des Trostes zuflüstern wollte. Wie schmerzlich war er aber überrascht, als er in die erblindeten Augen seines Freundes Konrad Schott blickte.

Konrad, lieber Freund", flüsterte er bewegt,was ist es, das Dich so unaus­sprechlich tief ergreifen konnte?"

Du bist es Amandus", entgegnete der Angeredete, indem ein seliges Lächeln seine thränenbenetzten Züge verklärte,Du bist es, ich erkenne Deine Stimme, die ich so lange nicht gehört habe Du fragst, was meinen Augen Thränen entlocken konnte? Ahnst Du nicht, daß diese Orgel, deren Töne heute zum ersten Male das Haus des Herrn erfüllen, mein Werk ist? O, Amandus, es ist das Glück und die Dankbarkeit gegen Gott, die mich weinen machten, denn hat nicht Gott ein Wunder an mir gethan? Er schloß mir die Augen, mit denen ich die Eitelkeit der Welt be­obachten konnte, und hat dafür die Augen meiner Seele geöffnet, sodaß ich tastend dieses Instrument zu vollenden im Stande war, das jetzt und noch in spätem Zeiten die Herzen meiner gläubigen Brüder der Andacht öffnen soll. Laß mich ausrufen mit dem königlichen Sänger:O daß ich bleiben könnte im Hause des Herrn, ihm zu dienen mein Lebenlang! *)

Nach dem Gottesdienste ergriff Amandus die Hand seines wiedergefundenen Freundes und führte ihn gemeinsam mit Eva in sein trautes Heim. Dorthin kam Konrad nun täglich, um sich an dem zunehmenden Glücke seiner Freunds zu erfreuen. Auf seinen Knien schaukelte er deren Kinder, die im Laufe der Jahre dem Paar ent- sproßten und mit Onkel Konrad, der immer willig auf ihre Spiele einging, vertrauter waren, als mit ihrem eigenen, vielbeschäftigten Vater. Blieb der Blinde einmal länger aus als gewöhnlich, so schauten ihm Eva und die Kinder sehnsuchtsvoll ent­gegen, bis sie ihn endlich, geleitet von seinem treuen Hunde, der ihm Führer und Weg­weiser war, über den Platz kommen sahen.

Friedrichsstadt blühte kräftig empor, so daß der Nachfolger der Gründer der Stadt, Johann Friedrich, derselben ob ihres fröhlichen Gedeihens den Namen Freuden­stadt gab. Freilich blieben ihr auch schwere Prüfungen nicht erspart. Im Jahre 1610 raffte die Pest mehr als die Hälfte der Einwohner hinweg; 1632 legte ein furcht­barer Brand 130 Gebäude in Asche und noch im gleichen Jahre wurde die Stadt auch noch von Kriegsnöten heimgesucht und nur 211 ihrer Einwohner entgingen dem

grauenhaften Blutbade, welches die feindlichen bairischen und östreichischen Truppen anrichteten.

Über Amandus und den Seinigen wachte während all dieser Drangsale gnädig die Vorsehung und in allen Gefahren blieb ihnen Konrad Schott ein treuer Freund bis zu seinem Tode, den er als sehr alter Manu eines Tages unerwartet fand. Ge­führt von seinem treuen Hunde, ging er an einem Neubau des Marktplatzes vorüber, um nach alter Gewohnheit seine Freunde aufzusuchen. Ein schwerer Baustein traf ihn so unglücklich, daß er zwei Tage darauf seinen Verletzungen erlag.

Die Ölmühle in Teinach ist jährlich einmal Zeuge der treuen Anhänglichkeit Eva's an ihre Jugendheimat gewesen. Selbst als der Vater zur ewigen Ruhe ein­gegangen war, kam die Tochter noch mit Mann und Kindern in das traute Thal, sich an dem Glücke Henrik's und Vroni's zu erfreuen. So oft Eva zu Besuch kam, fand sie an ihrem ehemaligen Kammerfensterlein einen frischen Nelkenstrauß und indem sie den Duft einsog, erneuerte sich in ihrer Erinnerung das unendliche Glücksgefühl, welches sie als Mädchen empfunden, da ihr Blick auf den steinernen Arabesken ge­weilt, die Amandus, als junger Baugehilfe hier eingemeißelt. Dann empfand sie mit frommer Dankbarkeit die Güte Gottes, daß er sie auf so wunderbare Weise den Mann finden ließ, der ihr in jeder Lage des Lebens Stütze und Beistand gewesen, und dessen hoher, reiner Sinn sie empor gehalten über alle Trübsal des Lebens.

Bis jetzt hat die Ölmühle in Teinach dem Verfalle getrotzt. Wenn auch die Zeit an ihrer Gestalt viel verändert hat, so sind doch die Ornamente an der Haus- thüre und an Eva's ehemaligem Kammerfenster noch wohl erhalten geblieben und auch der fromme Reimspruch, den Amandus vor beinahe drei Jahrhunderten über dem Eingänge eingemeißelt hat, ist heute noch deutlich zu lesen.

Wie sehr Freudenstadt nach manigfachen freudigen und traurigen Schicksalen im Laufe der Jahrhunderte sich vergrößert und verschönert hat, ist jedem Leser be­kannt, der einmal das Schwarzwald-Städtchen auf der von reiner Waldesluft um­wehten Hochebene besuchte.

Und gewiß hat er dann auch nicht versäumt, die Kirche in Augenschein zu nehmen, welche durch die Eigentümlichkeit ihrer Bauart und die reiche Ausstattung ihres Innern die Bewunderung des Beschauers hervorruft. Aber erst wenn man die Thürme bestiegen und die herrliche Fernsicht in unabsehbare Weiten genossen hat, begreift man, daß die Salzburger Emigranten die religiöse Unduldsamkeit, welche sie aus ihrer angeborenen Heimat vertrieben hatte, vergessen konnten, und sich auf dieser freien, sonnigen Höhe glücklich und zufrieden fühlten.

-) Sagt» Württemberg«: Ikonrad Schott, der blind« Orgelbauer.