Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts -Bezirk Nagold

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Nagold, Samstag den 17. Juli

1897.

Amtliches.

Horb.

Bekanntmachung.

Gemäß ß 9 der Minist.-Verf. vom 21. Februar 1896 (Reg.-Bl. S. 35) ist im Bezirke Horb das Umhertreiben von Rindvieh und Schweinen im Hausier­handel bis auf Weiteres verboten worden, nachdem die Maul- und Klauenseuche eine größere Verbreitung angenommen hat.

Den 13. Juli 1897.

K. Oberamt. Wendelstein.

Die Bezirksschulversammlung

findet Heuer am 21. Juli in Nagold statt. Beginn: 9 Uhr in der Kirche.

Nagold, den 12. Juli 1897.

K. Bezirksschulinsp.: Dieterle.

Infolge der vom 6. bis 10. Juli d. I. abgrhaltenen zweiten Dienstprüfung für Schullehrer ist u. a. zur An­sehung von Schuldiensten für befähigt erklärt worden: Ade, Friedrich, Seminarunterlehrer in Nagold.

Ein neue Art Brot mit dem Zwecke einer größeren Ausnützung des Nährwertes des Roggens und Weizens.

-j- Die in früheren Jahrzehnten gegenüber der großen Vermehrung der Menschen oft laut gewor­denen Befürchtungen, daß es bald dem Menschen­geschlechts auf dieser Erde an genügender Ernährung fehlen werde, sind zwar im letzten Jahrzehnt ver­stummt, denn die hauptsächlichsten Brotfrüchte Weizen und Roggen find billiger als je geworden und zwar infolge riesiger Ernten auf weiter ausgedehnten und gründlicher bearbeiteten Saatflächen, aber immerhin wird die Frage der besten und billigsten Ernährung der Menschen eine Hauptrolle spielen, so lange Menschen auf der Erde leben und ihr Geschlecht sich vermehrt. Deshalb haben schon vielfach Chemiker und Aerzte und andere Gesundheitsforscher sich mit der Beschaffenheit unseres aus Getreidemehl gebak- kenen Brotes beschäftigt und diese Forscher sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das heute allgemein verbrauchte Brot aus Getreidemehl den Nährwert d;s Getreides nur sehr unvollkommen enthalte. Es wurde daher die Herstellung unseres täglichen Brotes direkt aus dem Getreide, ohne daß das letztere ge­mahlen zu werden brauchte, eine beliebte Aufgabe für Chemiker und Nahrungsmittel-Techniker. Be­kanntlich büßt unser Brot durch den Mahlprozeß und das damit verbundene Aufsieben der Hülsen den weitaus größten Teil seines Nährwertes ein, weil mit der sogenannten Kleie auch der nahrhafte Kleber, der vorzugsweise an der Innenseite der feinen Getreidehülsen haftet, für die menschliche Nahrung verloren geht. Bei einigen Brotsorten, wie dem zur Ernährung der Soldaten bestimmten Commiß- brote, ferner bei den westfälischen Pumpernickel und dem durch die Naturheilkunde so berühmt gewordenen Graham'schen Weizenschrotbrot, hat man diesen Fehler mit mehr oder weniger Erfolg zu umgeben versucht, ohne daß eine dieser Brotarten so nahrhaft wie sie alle miteinander sind Gemeingut geworden wäre. Neuerdings sind nun nach einer Mitteilung der Techn. Ztgs.-Corr. zwei ausländische Erfinder, die Herren Auguste Desgofe in Paris und Octave Avendyk in Brüssel mit einer von ihnen konstruirten gesetzlich geschützten Maschine zur Teigbereitung an die Oeffentlichkeit getreten, mit der falls sie sich praktisch bewähren sollte die Bäcker in Zukunft das Brot direkt aus den Getreidekörnern Herstellen können. Die neue Maschine besteht aus einer An­zahl in einander greifender schraubenförmiger Voll- bezw. Hohlkörper, welche teils mahlend, teils knetend wirken. Das Endergebnis ist der backfertige Teig, der sofort geformt und in den Ofen gebracht werden kann. Mit dieser Brotmaschine ist die raffinierte Cultur unserer Zeit zurückgekehrt zu dem einfachen Mittel frühester Tage, in denen das Brot direkt aus den zermalmten Getreidekörnern gebacken wurde. Mit dieser neuen Erfindung, bei welcher wir den höheren Nährwert des auf diese Art gewonnenen Getreidebrotes zugeben wollen, entstehen aber zwei andere Fragen, nämlich wie steht es erstens mit der Schmackhaftigkeit und zweitens mit der Verdaulich­keit der neuen Brotart. Finden in Bezug auf guten

Geschmack und Verdaulichkeit die Menschen keinen Gefallen an der neuen Brotart, so wird dieselbe trotz des größeren Nährwertes auch keinen großen Beifall finden. Nur wenn das direkt gewonnene Getreidebrot sich vielleicht 10 bis 20 Prozent billiger als das Mehlbrot stellen sollte, dürfte es in den Kreisen der ärmeren Bevölkerung auf größeren Ab­satz rechnen können.

Jages-Meuigkeiten.

Deutsches Reich.

* Nagold, 16. Juli. Heute stellten sich zwei italienische Radfahrer in der Zaiser'schen Buchhand­lung ein, die auf einer großen Rundreise begriffen und von hier nach Paris weitergefahren sind; sie fuhren auf einem 2sitzigen Rade.

.'. Tübingen, 16. Juli. Das stattgehabte Kinderfest ist aufs schönste verlaufen, vom herrlichsten Wetterbegünstigt unterdenschattigen Kastanienbäumen. Allgemein hörte man nun Verwunderung, was für ein Grund vorliegen könne, daß eine von den Bürgern gewählte Vertreterschaft solch einen schönen Platz, an dem nichts verdorben wird, zu Festlichkeiten fernerhin verweigern soll. Eine derartige kleine Erhöhung des Stadtschadens zahlt die Bürgerschaft gerne.

.-. Lichtenstein, 15. Juli. Die hiesige Kinder- rettungs-und Armenschullehrerbildungs-Anstalt feierte heute ihr 61. Jahresfest. Dasselbe war aus Nah und Fern zahlreich, doch nicht ganz so überaus zahlreich, wie in den früheren Jahren besucht. Es dürfte dies eine Folge des in den benachbarten Bezirken angerichteten Gewitterschadens sein. Die gediegenen Vorträge der Herren Redner und die mit Gefühl vorgetragenen Weisen des Anstaltschors verfehlten nicht, tiefen Eindruck auf die Zuhörer zu machen, und es steht zu hoffen, daß die hiesige Anstalt am heutigen Tage manchen vom Gewitter schwer Betroffenen, aber auch den andern Festbesuchern einen reichen Segenstrost in die Heimat gegeben hat.

Stuttgart, 14. Juli. Das unter der Firma I. H. W. Dietz bisher betriebene Buchdruckerei- und Verlagsunternehmen, in dem u. A. auch die sozial­demokratischeTagwacht" erscheint, ist vorgestern laut Eintrag in das Handelsregister an eine Gesell­schaft mit beschränkter Haftung unter der Firma I. H. W. Dietz Nachfolger übergegangen. Die Teil­haber sind zu gleichen Teilen: Verlagsbuchhändler Dietz, Schriftsteller August Bebel-Berlin und Privatier Paul Singer. Geschäftsführer ist Herr Dietz.

.'. Stuttgart, 15. Juli. Zollrevision auf den Bodenseedampfbooten. Zur Bequemlichkeit der Rei­senden findet vom 15. Juli bis 15. Sept. die zoll­amtliche Abfertigung des Reisegepäcks bei den an die Nachmittags-Schnellzüge in Friedrichshofen an­schließenden Schiffskursen: ab Rorschach 12^, in Friedrichshafen 1?°; ab Romanshorn 12^°, in Fried­richshafen sowie ab Friedichshafen 2"; in Romanshorn 2 ^, während der Ueberfahrt auf dem Dampfboot statt.

.'. Bietigheim a. E., 15. Juli. Bei der Neu­anlage unserer elektrischen Beleuchtung, glaubten viele ängstliche Gemüter eine Erhöhung der Blitzgefahr befürchten zu müssen. Es hat sich aber gezeigt, daß trotz der schweren Gewitternächte, die wir durchzu­machen hatten, fast gar keine Störung vorgekommen ist. Zur größeren Sicherheit jedoch hat die Firma Reiser, Stuttgart in ganz jüngster Zeit noch durch ihren Monteur an verschiedenen Stellen der Stadt sogenannte Erdableitungsdrähte anbringen lassen.

.'. Mühlacker, 15. Juli. Ein großes Kalkwerk soll hier errichtet werden, zu welchem Zwecke sich Geldleute aus Pforzheim und Karlsruhe zusammen gethan haben. Die konstituierende Versammlung hat dieser Tage bereits in Pforzheim stattgefunden. Das Werk ist in großem Maßstab geplant und sind für Erbauung eines Ofens allein 30,000 ^ in Aussicht genommen. Eine Drahtseilbahn soll ebenfalls einen Bestandteil des Betriebs bilden.

Vom Echatzthal, 15. Juli. Der Kaufmann E. Lederer in Reutlingen, der auch in Ebingen eine Filiale unterhält und in Reutlingen hauptsächlich bekannt ist durch die riesigen Reklametafeln, die er an allen Zugängen der Stadt auf zwei Doppelpfosten

aufgestellt hat, wurde von der Zivilkammer des Kgl. Landgerichts Tübingen wegen unlauteren Wettbewerbs zur Unterlassung einer lügnerischen Bekanntmachung verurteilt. Lederer hat sich nämlich auch als Inhaber einer Münchener Kleiderfabrik bezeichnet und so durch wissentlich unwahres Vorgeben bei seinen Abnehmern die Meinung erweckt, sie kaufen aus erster Hand ihre fertigen Kleider. Nun besitzt aber Lederer über­haupt keine Kleiderfabrik, sondern kaust seine fertigen Kleider bei auswärtigen Konfektionsgeschäften wie seine Konkurrenten auch. Auf die Klage von solchen geschädigten Konkurrenten wurde dem Lederer bei Vermeidung der in H 775 der Zivilprozeßordnung angedrohten Strafen (Geldstrafe bis zu 1500 ^ und Haft bis zu 6 Monaten) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung untersagt, künftig in öffentl. Bekanntmachungen und in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, sein Geschäft als Münchener Kleiderfabrik zu bezeichnen.

.'. Waldbach, 15. Juli. Am letzten Freitag war der Inspektor der Magdeburger Hagelversiche­rungsgesellschaft hier, um den bei dieser Gesellschaft Versicherten ihren durch das Hagelwetter zugefügten Schaden zu schätzen. Die Betroffenen erhalten für den Körnerertrag bis zu 100 Prozent und für den Strohertrag bis zu 90 Prozent Vergütung. Auf diese Weise kommen bis zu 40005000 ^ in unfern Ort. Die Betroffenen waren sehr erfreut über diese Entschädigung.

Münsingen, 14. Juli. Heute Mittag kurz nach 12 Uhr kam der König mit Sonderzug hieher. Er wurde auf dem Bahnhof von den kgl. und städt. Beamten, sowie von den bürgerl. Kollegien begrüßt, worauf er unter Böllerschüssen und Glockengeläuts mit einem Gespann vom Landesgestüt Marbach nach dem Barackenlager fuhr, um dort die anwesenden Truppen zu besichtigen und die Baracken, sowie deren Einrichtung und das Offizierskasino in Augen­schein zu nehmen. Um 4 Uhr fuhr der König mit dem Sonderzug wieder zurück nach Bebenhausen.

Heilbronn, 12. Juli. Ein Hegelmaier-Prozeß steht bevor. Aus der Jnterimszeit des Oberbürger­meisters Hegelmaier sind noch Sportelgelder von

8152,93 deponiert, die von den damaligen Mitgliedern des Gemeinderats, die die verantwort­ungsvollen Geschäfte des Stadtvorstands besorgten, eingenommen wurden. Diese Sportelgelder beansprucht jetzt der Stadtvorstand, während die Gemeinderäte sie schon lange für Armenunterstützung benützt wissen wollten. Das Unglück, das Wirbelsturm und Hagel­schlag über unsere Gegend gebracht haben, veranlaßte die alten Mitglieder des Gemeinderats (vom Jahr 1892), dem Stadtvorstand den Vorschlag zu machen, er solle seinen Widerspruch fallen lassen und die Zustimmung geben, die genannte Summe zu Gunsten der Hagelbeschädigten zu verwenden. Oberbürger­meister Hegelmaier hat lautFrkf. Ztg." schriftlich abgelehnt, auf diesen Vorschlag einzugehen und mit einer nächste Woche beim Landgericht einzureichenden Klage gedroht.

.-. Heilbronn, 15. Juli. War schon vorgestern eine große Anzahl von Teilnehmern an dem Gustav- Adolf-Fest hier, so steigerte sich dieselbe gestern noch ganz bedeutend, wovon der außerordentlich große Festzug Zeugnis ablegte. Um '/r9 Uhr sammelten sich die Teilnehmer auf der Allee und bald darauf setzte sich der Zug, voraus eine stattliche Zahl von Schulmädchen, nach der St. Kilianskirche in Bewegung. Die gottesdienstlichen Handlungen dauerten bis nach 12 Uhr.

.'. Grantschen, 15. Juli. Letzten Freitag und Samstag bekamen wir Setzwaren, Salat, Gurken und Bohnen von Reutlingen, Ofterdingen und Fichten­berg. Den Herren Schultheiß Schließmann in Fichten­berg und Schullehrer Sayler in Ofterdingen für ihre Bemühungen und den Einwohnern dieser beiden Orte für ihre Gaben sei unser herzlichster Dank auch an dieser Stelle dargebracht. An Setzwaren mangelt es nicht mehr; doch wäre ein ausgiebiger Regen erwünscht, damit die Setzwaren besser anwachsen und die Sämereien aufgehen könnten. Unsere Ernte ist vorüber, ohne daß wir eine Garbe gesehen haben. Mit blutendem Herzen und thränenden Augen wurden unsere vor 14 Tagen noch so üppigen Getreidefelder abgemäht. Die bange Sorge um das tägliche Brot läßtmanchenFamilienvaterschonjetztnichtmehrschlafen.