Amts- und Intelligenz-Blatt für den Obrramls-Bezirk Nagold.
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Amtliches.
Dringende Bitte
um Beiträge zur Unterstützung der bedürftigen Gewitterbeschädigten des Bandes.
In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli ds. Js. und teilweise auch in den darauffolgenden Nächten haben Hagel, Sturm und Wasser nie dagewesenen Jammer über Tausende unserer Mitbürger gebracht und an Straßen und Gebäuden, an Feldfrüchten und Gartengewächsen, an Obstbäumen, Weinbergen und Waldungen unberechenbaren Schaden angerichtet. In einer Reihe von Gemeinden der Bezirke Brackenheim, Heilbronn, Neckarsulm, Weinsberg, Oehringen, Künzelsau, Hall, Gerabronn ist der Ertrag der Felder und Gärten, der Bäume und Weinberge vollständig vernichtet, in einzelnen Gegenden sind nur wenige Obstbäume noch lebensfähig, alle andern liegen geknickt oder entwurzelt am Boden oder ragen völlig entblättert und zerfetzt in die Lüfte. Die Weinberge stehen öde und kahl, kein Laub ist mehr zu sehen, die Reben sind in den Boden geschlagen, selbst die Rebpfähle sind vielfach zersplittert. Die Fruchtfelder sehen aus, als wären Reitermassen darüber hingejagt und hätten alles bis aufs kleinste Hälmlein in den Boden gestampft. Die Gebäude zeigen auf der Wetterseite kaum mehr eine Fensterscheibe, der Verputz ist von den Wänden weggeschlagen, die Dächer sind großenteils abgedeckt. Wer die entsetzlichen Verwüstungen nicht selbst gesehen hat, kann sich von dem Umfang des Schadens, der über jene Gegenden he^eingebrochen ist, überhaupt keine Vorstellung machen. Auch Menschenleben sind verloren gegangen, doch zum Glück nur in geringer Zahl. Es wird nicht zu hoch gegriffen sein, wenn der in den obengenannten Bezirken verursachte Schaden, soweit er sich bis jetzt übersehen und einigermaßen schätzen läßt, zu 18 Millionen Mark angenommen wird. Dazu kommen aber noch weitere Gewitterschäden in anderen Landesteilen, z. B. in den Bezirken Balingen, Reutlingen, Oberndorf, Sulz, die das Unglück, das unser Land betroffen hat, noch vermehren.
Der Jammer der Beschädigten ist groß, in einzelnen Gemeinden erfordert der Notstand augenblickliche Hilfe; es fehlt nicht nur an Ziegeln und Glas, um die Häuser gegen die Unbilden der Witterung zu schützen, sondern auch an Sämereien. Setzwaren, Streumitteln, an einzelnen Orten sogar an Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Bettzeug; die größere und schwerste Not aber wird im kommenden Winter und Frühjahr sich einstellen.
Eine große, aber auch dankbare Aufgabe ist der oftbewährten Privatwohlthätigkeit unseres Landes gestellt. An sie wenden wir uns mit der ebenso herzlichen als dringenden Bitte:
zur Linderung der Not der Gewitterbeschiidigten beizutragen, was in menschlichen Kräften steht.
Der eingeschriebene Brief.
Erzählung von Gustav Höcker.
8) (Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)
„So haben beide eingeschriebene Briefe, der meinige und der Ihres Vaters, das gleiche Schicksal geteilt," bemerkte Spangenberg, „beide befanden sich jedenfalls in demselben Postwagen und fielen mit der übrigen Briefpost —"
„In die Hände des Räubers," ergänzte Oswald. „Ha, der Elende, ich kenne ihn nun! Der Bube, der sich mit blutbefleckter Hand in den Besitz eines Geheimnisses setzte, welches er nun meuchlerisch gegen mich auszubeuten sucht, der Mörder, dessen That man auf mein Haupt wälzt, er soll mir nicht entgehen!"
Wie ein Rasender stürzte er fort und eilte geradewegs nach dem Gasthause zur Eisenbahn.
Lorenz, der Wirt, empfing ihn mit der Miene eines Mannes, welcher unerwartet seinen Todfeind vor sich sieht."
„Lasten wir jetzt alles bei Seite, was ein falsches Gerücht von mir behauptet," redete Oswald ihn hastig an. „Ich schwöre Ihnen, Sie thun mir Unrecht. Stehen Sie mir bei und noch heute werden Sie sich davon überzeugen. — Bei Ihnen wohnt ein Fremder, den ich sogleich sprechen muß," fügte er dann hinzu und beschrieb das Aeußere seines
llagold, Mittwoch den 14. Juli
Jede Gabe an Geld oder Naturalien ist willkommen. Im Einverständnis mit dem K. Ministerium des Innern und mit den Vertretern der beschädigten Bezirke hat die Zentralleitung des Wohlthätigkeits- vereins die einheitliche Organisation der Hilfeleistung in die Hand genommen, damit jede Zersplitterung vermieden und eine gleichmäßige und gerechte Verteilung der Unterstützungsbeiträge ermöglicht werde. Es werden deshalb keine Einzelaufrufe ergehen und alle, die an der Sammlung von Gaben sich beteiligen, dringend gebeten, was bei ihnen eingeht, der Zentralleitung des Wohlthäiigkeitsvereins zur Verfügung zu stellen, wobei ausdrücklich bemerkt wird, daß besondere Bestimmung einzelner Gaben für einzelne Bezirke oder Gemeinden unter allen Umständen berücksichtigt werden wird. Haupt sammelstelle ist das Kassenamt der Zenrralleiwng des Wohlthätig- keitsvereins in Stuttgart, Königsstraße 74; in den einzelnen Oberamtsbezirken werden Bezirks- und Ortssammel stellen errichtet.
Stuttgart, 5. Juli 1897. !
Zugleich im Namen der Kgl. gemeinschaftlichen Oberämter und der Bezirkswohlthätigkeitsvereine Brackenheim, Heilbronn, Neckarsulm, Weinsberg, Oehringen, Künzelsau, Hall, Gerabronn und der übrigen beschädigten Bezirke -ie Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins:
Staatsrat von Moser.
Die gemeiirschaftt. Armier
wollen vorstehenden Aufruf wiederholt in ihren Gemeinden unter Bezeichnung der örtlichen Sammelstellen bekannt geben. Die ersammelten Gelder wollen von den K. Pfarrämtern mit amtlichen Marken (Staatsmarken) frankiert an die Amtspflege hier eingesendet werden.
Als Bezirkssammelstelle ist die Amtspflege Nagold bestimmt, an welche sämtliche auch von etwaigen privaten Sammelstellen eingehende Geldbeiträge abgeliefert werden wollen.
Die Art und Größe der eingegangenen Naturalgaben wolle der Bezirkssammel stelle angezeigt werden, worauf von der Zentralleitung des Wohlthätigkeits-Vereins Verfügung hierüber getroffen werden wird.
Nagold, den 6. Juli 1897.
K. gem. Oberamt.
Ritter. Römer.
Bezüglich der Stadtgemeinde Nagold erlauben sich die Unterzeichneten die dringende Bitte um Gaben zur Linderung der Not in den so schwer heimgesuchten Gemeinden.
Oberamtmann Ritter, Dekan Römer, Oberamtsrichter Sigel, Rektor Brügel, Stadtsch.
Brodbeck, Kaufmann G. Schmid, Stadtrat Schaible, G. W. Zaiser'sche Buchdruckerei.
Besuches. „Führen Sie mich zu ihm und bleiben Sie gegenwärtig."
Kopfschüttelnd humpelte Lorenz, gefolgt von dem Zahnarzte, die ausgetretene Treppe hinauf, und Beide traten in das von dem Gast bewohnte Zimmer, dessen einziges Fenster nach dem Hofe hinausging.
„Ich komme, um mir den Brief meines Vaters von Ihnen zu holen," begann Oswald ohne weitere Einleitung.
„In Gegenwart dieses Herrn?" fragte der Fremde, aber mit einem erstaunten Lächeln auf den Wirt deutend.
„Warum nicht?" entgegnete Oswald. „ Es dürfte ja wohl ein alter Bekannter von Ihnen sein."
„Nicht, daß ich wüßte!" versetzte der Angeredete, indem er seinen Wirt mit unbefangenem Blicke musterte.
„Freilich — elf Jahre bringen im Aeußeren des Menschen manche Veränderung hervor," fuhr Oswald fort, „auch war es ja nur eine sehr flüchtige Reisebekanntschaft — auf der Eisenbahn — in dem Postwagen."
Der Fremde stutzte.
„Doch haben Sie Ihrem damaligen Reisegefährten ein bleibendes Andenken hinterlassen," setzte Oswald hinzu, „sein steifes Bein nämlich."
Aeußerst betroffen starrte der Fremde auf seinen lahmen Wirt, dem plötzlich ein Licht aufzugehen schien,
1897.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, bctr. die Abhaltung von Unterrichtskurse« im Hufbeschlag.
Um Schmieden die Vorbereitung zu der durch das Gesetz vom 28. April 1885, betreffend das Husbeschlaggewerbe, vorgeschriebenen Prüfung behufs des Nachweises ihrer Befähigung zum Betrieb dieses Gewerbes zu ermöglichen, finden an den Lehrwerkstätten für Hufschmiede in u) Hall, b) Heilbronn, e) Reutlingen, <1) Ravensburg, und 6) Ulm dreimonatliche Unterrichtskurse im Hufbeschlag statt, welche am
Dienstag, den 7. September 1897, ihren Anfang nehmen.
Die Anmeldungen zur Aufnahme in einen dieser Kurse sind bis 10. August ds. Js. bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, vorschriftsmäßig einzureichen.
Dem Zulaffungsgesuch sind in Form urkundlicher Belege anzuschließen:
1) ein Geburlszeugnis,
2) der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedehandwerk und einer zweijährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen sein muß; die Zeugnisse hierüber müssen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt und von der Orlsbehörde beglaubigt sein;
3) wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwilljgungserklärung des Vaters oder Vormunds ;
4) ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung seines Unterhalts während des Unterrichtskurses zu Gebot stehen werden;
5) eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vormund Unterzeichnete Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wird, die der Staatskasse erwachsenen Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtskurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (8 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 11. Juni 1885).
Stuttgart, den 2. Juli 1897.
v. Ow.
Gestorben: C. C. Häußler, Quezaltenango, Guatemala, Mittelamerika, 64 Jahre alt, von Nagold.
denn rasch nahm er den außen steckenden Schlüffe! herein, schloß damit inwendig die Thür und schob ihn in die Tasche.
„Du bist der Mörder," donnerte Oswald jetzt den Fremden an, „der Brief, den Du in Deinem Besitze hast, ist Dir zum Verräter geworden. Nicht von meiner Tante erhieltest Du ihn, er befand sich vielmehr unter der Beute, die in Deine Hand fiel, als Du den Postwagen beraubtest."
Der Angeschuldigte brach in ein höhnisches Gelächter aus. „Soll das ein Schreckschuß sein?" rief er, „oder sind Sie wahnsinnig geworden?"
„Das können wir ja leicht ermitteln," ließ sich jetzt Lorenz vernehmen. „Ich habe mit diesen meinen Zähnen jenem Posträuber einen Denkzettel gegeben, und ich will mich hängen lassen, wenn er nicht noch einen schön ausgeprägten Abdruck meines Bisses an sich trägt. Sie brauchen also nur Ihren linken Oberarm zu entblößen," wandte er sich an den Fremden, und ist dort alles in Ordnung, so hat der Herr Brandt Sie verleumdet."
Das Antlitz des Fremden hatte sich bei diesen Worten mit Totenblässe bedeckt. „Es scheint. Sie haben sich beide zu diesem Possenspiele verabredet," gab er mit mühsam erzwungener Fassung zur Antwort; „aber um mich auf solche erbärmliche Waffen einzulassen, dazu bin ich mir zu gut."
(Schluß folgt.)