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entfiel und sich auf dem Boden ein Schuß entlud, welcher den Lebensmüden am Fuße verwundete. Er wurde schwer verletzt ins Kath.-Hosp. verbracht.
Stuttgart, 10. Auq. Wegen schwerer, gemeinschaftlich begangener Diebstähle standen gestern 3 Angekl. vor dem Landgericht: Anton Evel, led. Bäcker und Konditor von Obertheuringen, OA> Tettnang, 24 Jahre alt; Max Kober st ein. lediger Kellner von Oehringen, 37 Jahre alt und Alphons Bächle, lediger Goldarbeiter von Weilheim in Baoen, 27 I ihre alt. Der Letzgenannte hat schon viele schwere, der Erste 24 leichtere, Koberstein dagegen nur wenige unbedeutende Vorstrafen. Die drei machten sich im April d. I. zusammen von Stuttgart nach der Schweiz auf, mit der Absicht, daselbst Diebstähle auszuführen. In Schaffhausen machte Koberstein auf einen Hausknecht im Gasthof zum Löwen aufmerksam, der schon lange daselbst diente und Geld erspart haben muffe. Bächle führte die That durch Einsteigen in das Schlafzimmer und Erbrechen des Koffers aus, während der Hausknecht abwesend war und die beiden anderen aufpaßten. Es wurden 50 Fr. gefunden und geteilt, woraus die Diebe nach Konstanz reisten, um auf der dortigen Messe zu „arbeiten". Am 28. April waren sie aber schon wieder in St. Gallen, wo ein großes Kinderfest benützt werden sollte, zu stehlen, indes spürte Edel schon früher eine gute Gelegenheit, so daß das Kinderfest nicht erst abgewartet wurde. Sie logierten im Gasthof zum weißen Schäfli, dessen Wirtin viel Geld haben sollte. Koberstem und Ewl paßten auf und hielten dieselbe zurück, während Bächle wieder den Diebstahl aussührte. Er erbrach den Sekretär, stahl 340 Fr. und 180 nebst einer goldenen Kette im Wert von 70 und alle drei entkamen ungefährdet nach Stuttgart, wo der Raub geteilt wurde. Bächle hat später in Bayern noch zwei Diebstähle ausgeführt, für die er bereits in Nürnberg zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Er wurde darauf hieher geliefert uno das Gericht erkannte gegen ihn, nach Aufhebung dieses Urteils, für alle Diebstähle zusammen auf 5 Jahre Zuchthaus, 10 Jahr Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Eoel und Koberstein, die hier festgenommen worden waren, sind zu je 2 Jahren 4 Mon. Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust ver- urteilt worden.
Stuttgart, 10. Aug. Wegen Diebstahls hatten sich gestern zu verantworten: Jakob Bauer, 24 Jahre alt, verheir. Frachtbote von Löwenstein, und Ernst Friedrich Ringer, 27 Jahre alt, verheir. Schuhmacher ebendaher, Schwager des Elfteren. Bauer hatte bei Baron v. Königshofen mehrere Jahre im Dienst gestanden und, obgleich er für den ehrlichsten Menschen galt, doch nach und nach alle Requisiten zum Kutschereigeschäit, das er nach seinem Dienstaustritt in Löwenstein errichtete, aus dem Stalle seines Dienstherrn entwendet. Auch Futtermehl, Haber, sowie ein Wagenspritzleder hatte er mitgehen lassen, Alles zusammen im Wert von 100 Aus oem Spritzleder hatte sich sein Schwager ein Paar Stiefel gemacht, obwohl derselbe ahnte, daß es gestohlen sei. Als es herauskam, wollten beide nach Amerika durchgehen, wurden aber in Bremen verhaftet und zurückgeliefert. Das Geld dazu hatte Bauer durch raschen Verkauf seiner Habe an einen israelitischen Händler, für 500 erhalten. Zuerst leugnete Bauer den Diebstahl und Ringer die Hehlerei, endlich gestanden sie ein und es wurde Bauer zu 4>/2 Monaten, Ringer zu 14 Tagen Gef. verurteilt.
Tübingen, 10. Aug. Heute fand die Enthüllung des Denkmals für Ottilie Wildermuth statt. Die Feier begann vormittags 9 Uhr auf dem Kirchhof am Grabe der Dichterin. Dekan Sandberger hielt hier die Rede, in welcher er die Gefeierte als eine Zierde der christlichen deutschen Frauen schilderte. Dann sprach Dekan Rooschütz, der Bruder von Ottilie Wildermuth, in bewegten Worten und schilderte das schöne Familienleben und die echt weiblichen Tugenden, an deren Bethätigung der Schriftstellerberuf die musterhafte Gattin und Mutter niemals gehindert hat. Dann wurden verschiedene prächtige Kränze am Grabe niedergelegt. Der Choral: „Mein Glaub' ist meines Lebens Ruh" beschloß die Feier am Grabe
und man begab sich nun zu dem Denkmal auf dem Wöhrd zum „Seufzer- Wäldchen", wo sich unterdessen eine große Menge eingefunden hatte. Die akademische Liedertafel eröffnete die Enthüllungsfeier mit Gesang, dann hielt Rektor Dc. Ramsler die Festrede, in welcher er ein schönes Lebens- und Charakterbild von Ottilie Wildermuth entwarf. Nun fiel die Hülle von dem schlichten, aber harmonisch schönen und würdigen Denkmal, das sich trefflich in die reizende Umgebung einpaßt. Stadtschultheiß Gös übernahm das Denkmal namens der Stadt unter dem Ausdruck des Dankes an die Stifter und legte einen Lorbeerkranz am Fuße desselben nieder. Dann folgte abermals Gesang der Liedertafel. Am Nachmittag von 3 Uhr an fand im Garten des Muteums eine gesellige Feier zu Ehren der Dichterin statt. Der Sockel des Denkmals trägt die einfachen Worte: „Ottilie Wildermuth. Gewidmet von deutschen Frauen 1887", in demselben ist das Medaillonbild aus Bronzeguß eingelassen. Modelliert ist dasselbe von Bildhauer Rösch.
Beilstein, 8. August. Gestern Mittag ereignete sich ein sehr bedauerlicher Unglücks fall. Ein hiesiger Wsingärtner, I. Mannes, hatte letzten Winter in seinem Keller einen Brunnen von 85 Fuß Tiefe graben lassen. Heute Mittag wollte dessen Tochter, die Frau des Gerbers Schneider, welche im gleichen Hause wohnt, aus diesem Brunnenschacht Wasser ziehen. Mährens die Frau den Waffereimer Heraufziehen wollte, bekam sie das Uebergewicht und stürzte kopfüber in den tiefen Brunnenschacht. Der Verunglückten kleines Töchterchen sah das schaudervolle Ereignis mit an, da es mit der Mutter in den Keller gegangen war. Ein Nachbar kam zufällig in den Keller, wo ihm dann das Kind das Unglück berichtete. Mit Hilfe etlicher herbeigerufener Leute wurde die Unglückliche tot heraufgezogen. Der jungen Frau trauern ein Gatte und 4 unmündige Kinder nach.
Waldsee, 10. Aug. In Schussenried wurde heute früh auf Verfügung des Untersuchungsrichters in Ravensburg der Besitzer der Ochsenwirtschaft, dessen Anwesen im Januar d. I. abbrannte, sowie dessen Magd wegen des schon längst bestehenden Verdachts der Brandstiftung verhaftet. Der Vater der Magd befindet sich schon länger in Haft.
Ravensburg, 8. Aug. Heute abend ereignete sich auf dem hiesigen Bahnhof ein schweres Unglück. Der verheiratete Taglöhner Vincenz A b t war mit mehreren Kollegen mit Stangenladen beschäftigt; als die Ladung mit Ketten befestigt werden sollte, kamen die oberen Schichten ins Rollen, fielen herab und trafen den unten stehenden Vincenz Abt so unglücklich, daß der Tod augenblicklich eintrat. A. hinterläßt eine Witwe und 4 Waisen. _
Brüssel, 10. Aug. Der Hertogenwald zwischen Vsrviers und Herbestal steht nach einer Meldung der „Jndep. Beige" seit 4 Tagen in Hellen Flammen. Das Feuermeer begreift bereits viele Kilometer in sich; alle Löschversuche waren bisher vergebens. Mehrere Ortschaften sind mit Einäscherung bedroht. Der Schaden ist ungeheuer; man fürchtet zugleich Gefahr für die in der Nähe befindlichen Torflager.
Kgl. Standesamt ßakm.
Vom b. bis 13. August 1887.
Geborene:
6. August. Klara Elisabethe Melanie, Tochter ves Julius Fischer, Amtsrichter hier.
Gestorbene:
6. August. Jakob Friedrich Reichert, gew, Tuchmacher, 75 Jahre alt.
9. „ Paul Julius Linkenheil, 6 Wochen alt, Sohn des Christian Gottlicb
Linken heil, Cigarrenmachers in Stuttgart.
Gottesdienste am Sonntag, den 14. August 1887.
Vom Turme: Nro. 363. Vormittags 9 Uhr: Abschiedsprcdigt des Hr. Dekan Berg. Christenlehre in der Kirche mit den Töchtern. Nachmittagspredigt um S Uhr in der Kirche: Hr. Helfer Braun. __ '_
Gottesäieaste in cker Metkockisteakapekke am Sonntag, den 14. August 1887. Morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.
geblieben, ja er hat sich noch mehr befestigt, denn Gott hat uns Überlebende gnädig geführt und uns edle Menschen und eine neue Heimat finden lassen."
Während Amandus Erzählung hatten die Mädchen manche Thräne vergossen und mit bewegtem Tone sagte jetzt Eva: „Ach wie vieles habt ihr Armen gelitten und wie viel Gutes muß geschehen, um auch all das Leid vergessen zu können."
„O, das Leid ist bald vergessen", erwiderte Amandus, „eine Stunde des Glückes wiegt Jahre der Sorge und des Kummers auf."
„Wenn uns aber die Wucht der Sorgen zu Boden drüat, können wir an Glück nicht glauben", meinte Eva unter einem tiefen Seufzer und Thränen benetzten auf's neue ihre Wangen.
Forschend schaute Amandus in ihr bekümmertes Antlitz und auf seine drängende Fragen vertraute sie dem scheidenden Freunde und Vroni das bittere Leid, welches sie bedrückte und jammerte, wie sie keinen Ausweg zu finden wisse, wenn Jörge seine Drohung wahr machen und ihrem Vater solch schweren Kummer bereiten würde.
Amandus erschrack über die Eröffnungen der Geliebten. Aus tiefster Seele beklagte er sein eigenes Unvermögen, der Jungfrau helfend beizustehen und die Gefahr von ihrem geliebten Vater abzuwenden.
Vroni hatte zu Eva's Mitteilung ungläubig den Kopf geschüttelt, „Henrik konnte wohl leichtsinnig sein", sagte sie, „aber einer schlechten Handlung war er nicht fähig, dafür will ich meine Hand ins Feuer —", sie unterbrach sich, denn in dem Buschwerk, welches die Eiche unter der die drei saßen, umgab, machte sich eben eine lebhafte Bewegung bemerkbar. Aus den heftig zur Seite geschobenen Zweigen schaute ein sonnegebräuntes Gesicht hervor, das von einem breitkrämpigen, verwitterten Hute bedeckt war.
Ueberrascht starrten Alle nach der unerwarteten Erscheinung. Plötzlich sprang Vroni empor und mit dem Freudenrufe: „Henrik, mein Henrik!" flog sie dem fremden Mann an dm Hals.
Sie hatte mit den Augen der Liebe den Wiedergekehrten erkannt, ehe Eva sich noch von ihrem Erstaunen erholt hatte.
Mit Entzücken umarmte nun auch sie den Bruder. Henrik schaute mit einem Blicke voll namenloser Wonne auf die beiden Mädchen, sie immer wieder an sich
ziehend und mit Küssen bedeckend. „Da bin ich wieder", rief er, um Euch nie mehr zu verlassen — ich glaubte jede Tanne umarmen zu müssen, als ich meinen geliebten Schwarzwald wieder betrat, und als ich euch hier unter der Eiche fand, mußte ich mir großen Zwang anthun, nicht sofort hinauszujubeln in die Lüfte: ich bin da! ich bin da! Aber die Erzählung des jungen Mannes hier fesselte mich so sehr, daß ich ineine Freuds zügelte, und somit habe ich auch belauscht, was Du erzähltest, Eva, und hörte gleich zum Willkomm, welch niederträchtiger Handlungsweise sich Jörge gegen Dich schuldig gemacht und wie ich gerade noch zur rechten Zeit zurückgekehrt bin, um das Schlimmste zu verhüten."
Er reichte nun auch Amandus die Hand, der abseits gestanden war und dieser Scene des Wiedersehens mit feuchten Augen zugeschaut hatte.
„Verzeiht", sagte Henrick, wenn ich Euch die Mädchen entführe, aber mich verlangte, den Vater zu sehen."
Amandus nahm herzlichen Abschied und zog erleichtert seine Straße, denn er wußte Eva ja nun im sichern Schutze ihres Bruders.
Im Vaterhause Henriks folgte eine selige Stunde des Wiedersehens. Es war gleichsam als ob der Himmel all seinen Segen auf die Bewohner der Oelmühle ausgeschüttet habe, so unaussprechlich glücklich fühlten sich die Wiedervereinten.
Henrik bekannte mit bebender Stimme das Unrecht, das er an seinem Vater begangen, und gerne ward ihm Verzeihung von demselben gewährt. All seine Erlebnisse erzählte er den aufmerksam Lauschenden, wie er vom Heimweh geplagt worden sei und hauptsächlich in den letzten Monaten keine ruhige Stunde mehr gehabt habe. Zuletzt berichtete er von dem Landsmanne, mit dem ihn ein glücklicher Zufall in Venedig zusammenführte und durch dessen Vermittlung ihm seine Rückkehr in die Heimat ermöglicht worden war. „Der vornehme Herr, in dessen Diensten mein wackerer Landsmann seit langen Jahren stand", fügte er hinzu, „war ein vertrauter Freund meines Kriegsherrn und legte bei demselben ein gutes Wort für mich ein, wodurch meine Befreiung erwirkt wurde. So führte jenes zufällige Zusammentreffen die Erfüllung meines heißesten Wunsches herbei."
(Fortsetzung folgt.)