DieSaarbr. Zlg." meldet, in der vergangenen Nacht ist auf der Eisenbahn zwischen Hillesheim und Gerolstein ein Militärzug von 81 Achsen mit 8 Offizieren und 1124 Reservisten der Regimenter Nr. 98, 131, 143 und 138 entgleist. Zehn Wagen wurden vollständig zertrümmert; 9 Reservisten und 1 Bremser sind tot, 33 Reservisten und 1 Bahnbeamter wurden verletzt. Der Unfall ist durch Zerreißen des Zugs und Auslaufens des hintern Teils aus den vorder» herbeigeführt worden infolge starken Gefälles der Bahn auf der betreffenden Strecke. Der Militärzug fuhr von Barmen über Köln nach Trier. Derselbe war nach Metz bestimmt. Bei Gerolstein erfolgte eine Trennung des Zuges. Der zweite Teil fuhr auf den ersten auf. DaS Unglück hat sich zugetragen, als der Zug in der Höhe des Gerolsteiner Echloßbrunnens auf Pelm zu passierte. Bei dem Anprall wurden 7 Wagen teils ganz, teils nur an einzelnen Abteilungen zertrümmert, so daß die Wagen und ihre Teile quer über die Geleise standen. Ein Arzt aus Jünkerat, wo das Unglück zuerst bekannt wurde, fuhr mit einer Maschine zur Unglücksstelle. Bald trafen auch Aerzte aus Gerolstein und den benachbarten Orten ein, welche nach Kräften Hilfe leisteten. Beim Anprall wurde I Bremser und 2 Reservisten aus einem Wagen in einen Wassertümpel geschleudert, in welchem sie, schwer verletzt, ertranken. Die am schwersten Verletzten wurden nach Gerolstein in das Krankenhaus verbracht. Aus dem Chaos der zertrümmerten Wagen ertönten fürchterliche Schmerzens-

rufe. Die Nnversehrtgebliebenen sprangen nach dem Un­glücke, besten Schwere sie noch nicht ahnten, auS den Abteilen, um ihren verunglückten Kameraden beizustehen. In den ersten Minuten war bei der Dunkelheit nichts zu machen, und eS dauerte auch dann noch geraume Zeit, bis aus Gerolstein die durch die Hilferufe aus dem Schlafe ge­schreckten Bewohner zur Unglücksstätte eilten. Die meisten der Toren scheinen erst längere Zeit nach dem Unfall gestorben zu sein. Das Zugpersonal war gezwungen, um wenigstens so schnell wie möglich Licht zu schaffen, die Trümmer eines Wages, aus dem man die Toten und Ver­wundeten herausgeholt hatte, anzuzünden. Bei dieser traurigen Beleuchtung erst konnte man nach den Toten und Verwundeten suchen. Den ganzen Morgen über umstanden Hunderte die grausige Unglücksstättr.

^«sla»d.

Aus Christiania wird gemeldet: Man befürchtet, daß der vor 7 Wochen nach Island abgefahrene WalfischdampferJarlel" mit 30 Mann Besatzung untergegangen ist.

Paris, 16. Mai. Daß die Beileidsdepesche des Zaren so sehr hinter der des deutschen Kaisers nachhinkte, hat viele Freunde des russischen Bünd­nisses sehr verdrossen. Heute erfahren wir die Ur­sache. Am 5. Mai ward in Zarskoje Selo das Fest der Zarin gefeiert; Unglücksnachrichten bringen, dem

ruff. Aberglauben zufolge, Unheil dem, der sie empfängt; also hielt die hiesige ruff. Botschaft mit der Depesche an den Grafen Murawiew bis zum Abend zurück; auf diese Weise ward das Zarenpaar erst 2 Tage nach dem Brande davon in Kenntnis gesetzt.

Paris, 18. Mai. Seit einigen Tagen ist der Berliner Polizeipräsident v. Windheim in Begleitung des Regierungsrats Sieber und des Kriminalinspek­tors v. Meerscheidt in Paris, um auch die Einrich­tungen der französischen Polizei kennen zu lernen. Der Eclair hat den Berliner Gast auSfragen lassen und erfahren, daß Herr v. Windheim sich besonders für die seit kurzer Zeit in Frankreich eingerichtete polizeiliche Anthropometrie interessiert, mit deren Hilfe man namentlich den internationalen Gaunern das Handwerk zu legen gedenkt. Ueber das Brandun glück in der Rue Jean Goujon äußerte sich v. Windheim sehr vorsichtig, um seinem Kollegen Lspine, dem Chef der Pariser Polizei, nicht zu nahe zu treten; doch antwortete er dem Besucher auf die Frage, ob ein Bau, wie derjenige des Wohlthätigkeitsbazars, in Berlin unter der Aufsicht der Polizei errichtet worden wäre:Ja, selbstverständlich."

Konstantinopel, 20. Mai. Nach einer Meldung des BlattesSabah" erschienen die Türken gestern Abend 8 Uhr vor Domoko und rückten unter den Klängen des Hamidje-Marsches in die Stadt ein. Der Widerstand der Griechen war heftig und ihre Verluste groß. Der Rückzug des geschlagenen Feindes glich einer Panik. In den besetzten Gebieten herrscht völlige Ruhe. Die telegra­phische Verbindung mit Trikkala und Karditza ist hergestellt. Die türkischen Blätter feiern begeistert die Einnahme von Domoko und Almyro und heben hervor, daß die Eroberung dieses Ortes gerade an dem Tage erfolgt ist, wo vor 20 Jahren der Sultan den Namen Ghazi angenommen hat. Der Minister des Aeußern, Tewfik Pascha, der gestern dem Doyen deS diplomatischen Korps die Eroberung mitteilte und die Edhem Pascha erteilten Anweisungen wegen des Waffenstillstandes »ur Kenntnis brachte, fügte dieser Meldung hinzu, die Pforte habe durch letztere An­ordnungen dem Wunsche der Mächte entsprochen.

Kleinere Mitteilungen.

Rotlweil, 19. Mai. Der 8 Jahre alte Knabe deS RosenwirtS von Neukirch, welch letzterer Holländerstämme zum hiesigen Bahnhofe führte, war mit seinem Vater im Löwen hier eingekehrt, von wo auS eine starke Steigung zur Stadt herauf beginnt. Als sein Vater mit seinem Fuhrwerk bereits angefahren war, sprang der Knabe schnell zur Wirtschaft hinaus und geriet unter ein hinteres Rad, daS ihm den Arm an der Achselhöhle abdrückte und völlig zerquetschte. Es war daher sofortige Amputation nötig, die auch vollzogen wurde. Den Vater trifft lediglich keine Schuld.

*, Schwenningen, 18. Mai. Gestern Nacht wurde ein hier wohnhafter Fabrikarbeiter mit seiner Frau auf der Straß« von einem ledigen Arbeiter aus dem Oberamt Reutlingen, welcher bei ihm in Kost und Logis war, an­gehalten und nachdem die beiden ohne jeglichen Grund mit beleidigenden Aeußerungen überhäuft worden sind, stieß er dem Manne ein Messer derart in die Brust, daß eine überaus lebensgefährliche Verletzung entstanden ist. Der Thäter wurde gleich darauf von der hiesigen Schutzmann­schaft verhaftet und an das Kgl. Amtsgericht Rottweil eingeliefrrt.

Stuttgart, 17. Mai. Die Diebstahlsaffaire in der Bankanstalt von Pflaum u. Cie., wo dem stellvertretenden Direktor 5000 ^ aus einer Kasse von seiner, wie die Untersuchung ergab, eigenen Frau gestohlen wurden, hat damit ihre Erledigung gefunden, daß die Bankanstalt erklärte, die betreffende Kasse sei eine Privatkasse (?) gewesen und daß Guggenheimer selbst keinen Strafantrag stellte.

", Marbach, 20. Mai. Gestern Nachmittag 6 Uhr zog ein Gewitter von Osten her über die Stadt. Während desselben schlug der Blitz in einen Baum an der Straße nach Affalterbach. Zwei in der Nähe befindliche Pferde wurden niedergeworfen, haben aber keinen Schaden erlitten.

", Heilbronn, 19. Mai. In der hiesigen Ausstellung erlaubte sich jemand den groben Spaß, an eine andere Ausstellung ein Täfelchen mit der Ueberschrift:Bitte eine Probe mitzunehmen," anzubringen. Bon diesem An­erbieten machte die liebe Jugend reichlichen Gebrauch, zumal der dadurch angebotene Artikel ein wohlschmeckender Ist. Dem beschädigten Aussteller ist dadurch ein materieller Schaden von etwa 30 entstanden. Dem Thäter ist man auf der Spur.

", Mergentheim, 20. Mai. Wie erinnerlich, wurde Ende Oktober v. Js. im benachbarten badischen Orte Distelhausen ein bedauerlicher Unglücksfall dadurch herbei- eführt, daß ein Herr seinen Stock, wie dies leider nur zu äufig vorkommt, in wagrechter Weise unter dem Arm trug und bei einer plötzlichen Wendung den Zwicker des Lehrers Böhm von dort so unglücklich traf, daß die Glas­scherben in das eine Auge eindrangen. Auf eine neuerdings gestellte Anfrage erhalten wir von dort ergänzend mitgeteilt, daß das beschädigte Auge des Lehrers Böhm sich in erfreulicher Weise gebessert hat und sich nun wieder in normalem Zustande befindet, nur die Sehkraft ist noch geschwächt. Was den Kostenpunkt anbelangt, wird uns mitgeteilt: Lehrer Böhm steht mit dem unglücklichen Stock­träger auf freundschaftlichem Fuße und hat deshalb keine besonderen Ansprüche gemacht; doch hat dieser freiwillig den größeren Teil der Kurkosten, welche in der Klinik in Würzburg entstanden sind, übernommen.

", Hall, 20. Mai. Der von mehreren «ürttemb. Gerichten steckbrieflich verfolgte gefährliche Einbrecher Joh. Georg Rögelein von Onolzheim, OA. Crailsheim, ist nun in Kirchhardt, Baden, ergriffen und gestern an das kgl. Amtsgericht Neuenbürg eingelirsert worden. Rögelein trieb sich längere Zeit unter einem falschen Namen im Schwarzwald herum und gab sich stets als Sohn eines reichen Oekonomrn aus. So wollte er auch in Kirchhardt eine Wirtschaft kaufen und als die dortige Behörde in dem von ihm angegebenen Heimatsort Crailsheim sich nach seinen Vermögensverhältnissen erkundigte, kam man ihm aus die Spur und so erfolgte seine Festnahme.

Ulm, 18. Mai. Gestern Nachmittag ist Stadtrat K. Wollinsky im Alter von 87 Jahren gestorben. Wollinsky war lange Jahre Vorsitzender des Bezirksvereins Württem­berg des deutschen Fleischerverbandes und war nach Niederlegung dieses Amtes auf dem kürzlich in Eßlingen stattgehabten württ. Fleischertag zum Ehrenvorsitzenden des Vereins gewählt worden.

", Laupheim, 19. Mai. In Unterbalzheim wurde der Bauer Tottlieb Weinmann, welcher der Pferdemusterung in Dietenheim angewohnt hatte und gegen 8 Uhr nach Hause zurückgekehrt war, von seinen Angehörigen laut Oberschw. Anz." vermißt und kurze Zeit daraus von seinem Sohn in der Scheuer erhängt aufgefunden. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche waren erfolglos; der Verlebte war in letzter Zelt schwermütig.

Aus Waldeck, 17. Mai. Einer der jungen Leute die sich bei dem großen Brandunglück in Paris im Hotel du Palais so tapfer benahmen und etwa 180 Personen das Leben retteten, ist ein geborener Waldecker, der aus Sachsen­hausen (Waldeck) stammende Karl Wagner. Seine Eltern find einfache Landleute. Wagner ist 28 Jahre alt und hat im Hotel du Palais gegenwärtig den Posten eines Haus­meisters inne. Einem Briese WagnerS an seine Eltern ist zu entnehmen, daß er mit drei andern jungen Leuten das Rettungswerk durch das oft genannte Gitterfenster in der Hintrrwand des Hotels besorgte. Wagner wurde mit den andern Lebensrettern dem Präsidenten Faure vorgestellt, der, wie seine Umgebung, W- lebhaft beglückwünschte, als man bei Feststellung seiner Personalien erfuhr, daß er ein Deutscher sei. Wagner hat die silberne Rettungsmedaille erster Klaffe erhalten.

Kappelrodeck (A. Achern), 18. Mai. Ein selten gesehener Lrichenzug bewegtesich gesiern auf unfern Friedhof. Bor einigen Tagen starb im Spital zu Achern ein italienischer Arbeiter, der in den hiesigen Granitsteinbrüchen beschäftigt war. Auf eigene Kosten ließen ihn seine Kameraden hieher überführen, «eil hier einig« italienische FamUien ansässig

sind, welche die Grabstätten ihrer Landsleute in Pflege nehmen können. Gegen 200 Italiener aus Nah und Fern gaben unter Borantritt der hiesigen dazu bestellten Musik ihrem in der Kraft der Jugend dahingrschiedenen Genossen das letzte Geleite, und nach der Sitte ihres Heimatlandes hielt ein einfacher Arbeiter eine längere schwungvolle Trauerrede am Grabe, bei der kein Auge der harten Gestalten thränenleer blieb. Es war rührend, das erhebende Beispiel von Kameradschaft und Zusammengehörigkeit im fremden Lande zu sehen und den trauernden Eltern im fernen Süden mag es zum Trost gereichen, daß ihr Sohn, oer sie erst vor wenigen Wochen verlassen, auchaus fremder ferner Aue" so schön geehrt bestattet ist.

Berlin, 18. Mai. Das große Los der preußischen Klassenlotterie im Betrage von 800,000 ^ siel in der heutigen Vormittagziehung auf Nr. 208,461 und zwar in eine Kollekte nach Neisse. Beteiligt sind daran viele kleine Leute.

Landwirtschaft, Handel und Verkehr.

j- Der Getreide-Markt. (Berichtwoche vom 14. bis 21. Mai). Das fruchtbare Wetter und die im allgemeinen für sehr günstig geltenden Ernteausstchten haben zeitweise dem Getreidemarkte einen flauen Charakter gegeben. Der geringen Kauflust stand aber auch ein sehr geriuges An­gebot gegenüber, sodaß die Preise so ziemlich den Stand der vorigen Woche behaupteten. In Berlin und Leipzig wurde gekauft: Weizen die Tonne (20 Ztr.) je nach Güte für 166 bis 188 Roggen 120 bis 128 Gerste 103 bis 170 Hafer 123 bis 160 Mais 84 bis 92 ^ Die Umsätze waren auf allen Gebieten nur klein.

Saaz, 17. Mai. Die Witterung ist kühl und naß, ganz entsprechend der alten Bauernregel und kommt weder dem Bierabsatze noch der Vegetation der Feldfrüchte zu gute. Daß unter den obwaltenden Umständen die Ent­wicklung der Hopfenpflanze nicht Fortschritte macht, ist leicht erklärlich; die jungen Blätter derselben werden gelb und zeigen, daß das richtige Leben der Pflanze fehlt. Dieses giebt aber vorläufig keinen Anlaß zu irgend welchen Besorgnissen, da ein günstiger Witterungswechsel sehr leicht wieder alles gut machen kann. In der neuen Hopfen- stgnierhalle wurden bis 14. Mai 1897 8810 Ballen Bezirk- und 14,690 Ballen Kreishopfen halliert.

Der industrielle Aufschwung im oberen Nagoldthal.

(Einges. v. Ebhausen.) Ein halbes Jahrzehnt ist ver­strichen, seitdem das Dampfroß zum ersten Male die große Ruhe im Nagoldthal gestört hat. Die Vorteile, die damit gekommen sind, wird Niemand mehr missen wollen, auch diejenigen nicht, die seinerzeit glaubten, für den Bahnbaunichts thun" zu können. Man­cher kleine Meister kann noch davon sagen, wie schwer es ihm früher geworden ist, die Möbelwaren bei schlimmen Witterungsverhältniffen nach dem Bahn­hof Nagold zu bringen; dem ist jetzt gründlich ab­geholfen. Die Bau- und Möbelschreinerei kommt nun hier mehr und mehr hoch. Neben der Bau- und Möbelschreinerei scheint ein ganz neuer Geschäfts­zweig, welcher bis jetzt im Nagoldthal vermißt wurde, emporzublühen. Es ist das Mühlenbau-Geschäft. Seit einigen Jahren betreibt Fr.Hauser in Ebhausen ein solches. Daß sich dasselbe einer guten Kundschaft erfreut und nach jeder Hinsicht leistungsfähig ist, läßt sich zur Genüge daraus ersehen, daß Fr. Hauser erst kürzlich eine vollständige Kunstmühle-Einrichtung, welche aus den neuesten Müllerei-Maschinen bestand, nach Döffingen, Stat. Schafhausen, verladen hat. Es ist dies gewiß ein erfreulicher Fortschritt für die heimatliche Industrie und dürfen wir wohl hoffen, daß so wie daSweithinbekannteEbhauser,Provisorium" einem schönen Bahnhof mit geräumiger Güterhalle weichen mußte, auch neues Leben unter die Ge­schäftswelt kommen möge. Dies wünschen wir nament- lich auch dem Tuch- und Zeugmacher-Gewerbe, welches in den letzten 10 Jahren, wohl infolge des Groß­betriebs, lahm gelegt wurde. Da kann die Eisenbahn und der dadurch geschaffte leichtere Verkehr mit außen nicht allein helfen, sondern da muß zusammen­getreten werden zu einer Genossenschaft, denn der einzelne ist dem Kapital gegenüber machtlos. Die Genossenschaft dagegen kann fabrikmäßig produzieren und konkurrieren. An Aufträgen dürfte es nicht fehlen, da ja gerade in dieser Branche ein großer Aufschwung in Deutschland zu verzeichnen ist. Einen Beweis dafür liefert die hiesige mechanische Gurt- und Bandweberei, die ihren Betrieb stetig vergrößert und mehr Arbeiter einstellt, was für Ebhausen von zroßer Bedeutung ist, indem die Arbeiter so an der heimatlichen Scholle festhalten können. Ein weiteres Mittel, den Geschäftsgang zu heben, ist dem Kleinhand­werker billige Maschinenbetriebskraft zu schaffen, und da ist mit der Uebertragung einer elektrischen Kraft von Nagold nach Altensteig ein großer Schritt vor­wärts gemacht worden.

Hiezu das Unterhaltungsblatt Nro. 21. ^

Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaisersscheu.

Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.