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Frankreich.
Paris, 4. Aug. Der K ri e g s m in i st e r hat bereits alle auf die Durchführung des Mobilmachungsversuchs bezüglichen Befehle vorbereiten lassen. Man hat sogar schon die Abfassung der Maueranschläge fertig, welche in der bezeichneten Gegend angeheftet werden sollen, es fehlt darin nur die Nummer dieser Gegend und das Datum des „ersten Tages" der Mobilmachung, welche im letzten Augenblick, wenn die Regierung hierüber einen Beschluß gefaßt hat, mit der Hand hineingeschrieben werden. Nach diesen Maueranschlägen ordnet der Minister die Mobilmachung aller Generalstäbe, Dienstzweige und Truppenkörper der bezeichneten Gegend an. Es sind einberufen und haben auf die Maueranschläge allein hin sich nach dem in ihren Pässen angezeigten Posten zu begeben: 1) alle dem mobilisierten Korps angehörenden Offiziere; 2) alle zur Disposition gestellten oder der Reserve des aktiven Heeres angehörenden Mannschaften, welche ihren Wohnsitz in der bezeichneten Gegend haben. Die Leute, welche für 1887 einen Dispens oder Aufschub bewilligt erhielten oder im Laufe des Jahres schon einberufen waren, sind von diesem Appell nicht ausgenommen. Die zur Disposition der Militärbehörde gestellten, die den Hilfsdiensten, der Landwehr und deren Reserve angehörenden Mannschaften, welche besonderen Dienstzweigen zugeteilt sind, werden durch individuelle Einberufungsschreiben verständigt werden. Die dauernd im Auslands, in Algerien und den Kolonien wohnenden Mannschaften sind davon befreit, dem Einberufungsbefehle Nachkommen zu müssen. Die Maximaldauer der Einberufung beträgt 30 Tage für die Offiziere und 23 Tage für die Truppen. Dis für die Spezialdienste bezeichneten Offiziere und Soldaten werden jedoch bis ans Ende ihrer Mission zurückbehalten. Wahrscheinlich wird übrigens die Dauer der Einziehung für die meisten Mannschaften 21 Tage nicht übersteigen.
Gages-Wsirrgkeiten.
(Egsdt.) Calw hat sich neuerdings als Luftkurort aufgethan; und in der That, es giebt nicht viele Orte, welche — auf der Bahn von allen Seiten so leicht erreichbar — eine solch reiche Auswahl von Spaziergängen jeder Art, alle aber in der herrlichsten Tannen- und Waldlust, darbieten. Wer nur wenige Minuten weit gehen kann, findet bequeme Bänke zum Aus- ruhen und sieht bald ins liebliche Thal auf das malerische Hirsau hinaus; unvergleichlich mehr aber sind der Spaziergänge, welche auf trefflich gehaltenen Waldwegen den Touristen entzücken und ihm in 2—4 Stunden die mannigfaltigsten Bilder aus dem schönen Schwarzwaldleben vorsühren. Wenn auch an hübschen, wohlriechenden Wohnungen noch kein Ueberfluß ist, so ist für die Verpflegung im Essen und Trinken um so besser und zu sehr billigen Preisen gesorgt. Doch eines ist erstaunlich: in Calw haben erwachsene Leute offenbar keine Zeit zu baden; das Schwimmen, das jetzt allerorten immer stärker von Herren und Damen betrieben wird, scheint in Calw, das an seiner Nagold ein so herrliches, erfrischendes Wasser hat, außer Mode gekommen zu sein, denn — in ganz Calw befindet sich nicht ein einziges für Schwimmer eingerichtetes und reserviertes Badehaus l! Und das in einem Sommer, der jetzt ununterbrochen 60 Tage lang währt! Dem Einsender dieses, der hier in der Sommerfrische ist, wurde nach langem Fragen auf einem Zimmerplatz ein sogen. Badehaus für Schwimmer gezeigt, es fand sich aber, daß einige nichtschwimmende Kinder das Häuschen stundenlang besetzt hielten. Ist es zuviel von einem Luftkurort verlangt, daß er auch Badgelegenheit für Schwimmer darbiete?
Ein alter Calwer.
(Dem Hrn. Einsender ist wohl nicht bekannt, daß wir seit Jahren und zwar noch im vergangenen eine vorzüglich eingerichtete, auf Aktien gegründete Badanstalt mit Schwimmbad hatten. Dieselbe hätte jedoch in diesem Jahre neu hergerichtet werden müssen. Das Rentement war ein schlechtes, denn in die 10 Jahre ihres Bestehens sielen mehrere weniger warme Sommer, in denen nur einige Wochen so
recht gebadet werden konnte. Ohne Zweifel wird der Einsender im nächsten Jahre wieder eine zweckentsprechende Einrichtung dieser Art hier antreffen, sei es, daß ein Privatmann sich zur Herstellung einer solchen entschließt, oder aber das Komitö des Aktienbads, wiederholt von der hies. Einwohnerschaft durch Aktienzeichnung unterstützt, dieser Kalamität, die in gegenwärtiger Brathitze allgemein empfunden wird, Abhilfe schafft. Die Red.)
Ludwigsburg, 4. August. Am gestrigen Nachmittag zwischen 1 und 2 Uhr ereignete sich laut „L. Ztg." in der mechanischen Buntweberei von Elsas u. Söhne einer jener Unglttcksfälle, die, immer wiederkehrend, zu größter Vorsicht mahnen in Arbeitslokalen, in welchen Dampfbetriebe notwendig sind. Der 30 Jahre alte verheiratete Webermeister Hecht machte sich durch Aufhängen von Tropfschalen an der Transmission zu schaffen, ohne, wie vorgeschrieben und trotz ausdrücklicher Warnung, das Getriebe abzustellen, wurde hierbei vom Riemenwerk erfaßt und ihm außer einigen leichten Verletzungen der Arm beinahe vom Leibe gerissen. Aerztliche Hilfe war alsbald zur Stelle; ins Privatkrankenhaus verbracht, mußte dem Verunglückten der Arm amputiert werden. — Der Betrieb des ganzen Geschäfts wurde für den gestrigen Nachmittag sofort eingestellt.
Cannstatt, 5. Aug. Die „C. Ztg." berichtet: Wiederholt wurde auf den hiesigen Badeplätzen Uhren und Stiefel von den am Ufer liegen gelassenen Kleidern der Badenden gestohlen; es ist deshalb Vorsicht zu empfehlen. — Auf der Staig im Gewand „Kleines Feldle" kam gestern nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr der Fall vor, daß die bereits geschnittene Gerste auf einem Acker in Brand geriet. Etwa ein Quantum von 4 Garben verbrannte, worauf es den von allen Seiten rasch herbeigeeilten Schnittern und Schnitterinnen gelang, des Feuers Herr zu werden. Die Gefahr war außerordentlich groß, da rings um den in Brand geratenen Acker lauter Fruchtäcker sich befinden und ein ziemlich starker Wind ging. Man vermutet, daß das Feuer durch Kinder entstanden ist, welche sich auf auf dem Acker aufhielten, aber nach Ausbruch des Brandes die Flucht ergriffen und unbekannt geblieben sind.
Untertürkheim, 4. Aug. Die Bienenzüchter haben Heuer trotz des kalten Mais ein günstiges Jahr. Die Schwärme wurden so zahlreich, daß sich die Stöcke um das Doppelte vermehrten. Auch an Honigreichtum zeichnet sich dieser Jahrgang aus. Von 12 Stöcken und 14 Schwärmen erhielt ein hiesiger Imker gegen 2'/- Zentner Honig. Auf diese Weise wird Württemberg die rühmliche Stellung, welche es sich auf dem Gebiet der Bienenzucht erworben hat, auf der im nächsten Monat stattfindenden Versammlung des deutsch-österreichisch-ungarischen Bienenzüchtervereins behaupten.
Backnang, 4. August. Die Stadt war heute festlich beflaggt zu Ehren der Plenarversammlung des Württ. Volksschullehrervereins, die in unseren Mauern tagte. Durch einen beim Bahnhof errichteten Ehrenbogen strömten die zahlreichen Festteilnehmer dem Versammlungslokal, Cafe Härlin, zu, das von fetten der Stadtgemeinde aufs schönste geschmückt war. Im Saale weisen zwei Inschriften auf die vorliegenden Verhandlungsgegenstände hin, nämlich:
„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie I Doch grün des Lebens goldner Baum."
und:
„Wo das Spröde mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da giebt es einen guten Klang."
Die Versammlung, durch einen Choralgesang eingeleitet, wurde um 9 Uhr durch den Vorsitzenden, Herrn Oberlehrer L a i st n e r - Stuttgart, eröffnet und von Herrn Stadtschultheiß Gock seitens der Stadt begrüßt. Nachdem Herr Bezirksschulinspektor Oeffinger von Großaspach die Sehenswürdigkeiten aus Bezirk und Stadt geschildert und in humoristischer Weise einige geschichtliche Erinnerungen hervorgehoben hatte, trat man in die Verhandlungen selbst ein, wobei folgende Sätze besprochen wurden: 1) Den unteren Volksklaffen thut eine mehr aufs Praktische als aufs Theoretische gerichtete
Feuilleton. «Nachdruck o-rbotrn.,
Die Emigranten
von L. ^.vuri.
(Fortsetzung.)
„Also möchtest Du nicht Jörge's Frau werden?" fragte der Vater halb verwundert und halb erfreut.
„Niemals, Vater", entgegnete Eva, „dieser Mensch ist mir in der Seele zuwider, freiwillig könnte ich nie seine Frau werden."
„Wer sollte Dich denn zwingen wollen, Kind? Ich bin ja glücklich, wenn Du noch bei mir bleibst."
„Immer, Vater, immer werde ich bei Euch bleiben!" rief Eva in Thränen ausbrechend, und ihr Gesicht an der Brust ihres Vaters bergend.
„Nun, nun, Kind, immer wirst Du nicht bei mir bleiben", erwiderte er in weichem Tone, und ihre Arme von seinem Halse lösend, schaute er gerührt in das thränenüberströmte Gesicht seiner Tochter. „Auch Deine Stunde wird kommen und dann werde ich mich in die Trennung zu finden wissen — mußte ja auch den Henrik ziehen lassen —Er wollte noch etwas hinzufügen, aber die Rührung überwältigte den von langer Krankheit geschwächten Alten, das Haupt seines Lieblings streichelnd, legte er seine Wange auf ihren Scheitel und zerdrückte eine Thräne in seinen Augen.
Aber Vater, haben wir denn jetzt Ursache uns trüben Empfindungen hinzugeben? "rief Eva, sich zuerst aufraffend, „freuen wir uns, lieber Eurer Genesung. Auch habt Ihr mir noch nicht gesagt, wie Euch die neue Mühle gefällt."
„Ja, Du hast recht, Kind", sagte der Vater, „ich segnete beinahe meine Krankheit, als ich heute so freudig überrascht vor deni stattlichen Hause stand. Hätte ich es aufwachsen sehen, wäre meine Freude nicht so groß gewesen. Und Stuben haben wir, schön und weit, in zwei Stockwerken, so daß Raums genug da wäre, wmn Du
mir einen Eidam bringen würdest — nun, nun, beschwichtigte er, als Eva ihn unterbrechen wollte, „man kann nicht wissen. Und unsere Hausthüre, Kind, die ist so prächtig, wie an einem Schloß, mit Ornamenten und Reimspruch verziert, wir werden uns daran ergötzen, so oft wir ein und aus gehen. Dann ist ein Kämmerlein da, im Erdgeschoß, das soll für meine Eva sein, haben mir die Handwerksleute gesagt, damit sie nicht mehr in Feuersgefahr komme, so habe es der fremde Bauherr, der uns Beide aus den Flammen rettete, angeordnet. An diesem Kämmerlein ist die Einfassung des einzigen Fensters von Stein und ebenfalls mit schönen Ornamenten geschmückt. Diese soll der junge Mann selbst eingemeißelt haben, wie auch die Ver-, zierung an der Hausthüre. Ich kann es kaum erwarten, bis ich dem wackern Jüngling für alles danken kann — hast Du es denn schon gethan, Kind?"
Eva errötete. Sie konnte dem alten Mann nicht sagen, daß sie sich manchmal für Augenblicke von seinem Krankenlager fortgestohlen hatte, um die Züge demjenigen zu sehen, der nach feiner rettenden That drüben im Hirsch in wilden Phantasien eines heftigen Wundfiebers lag. Mit klopfendem Herzen kniete sie an des Jünglings Lager und hörte ihren Namen von seinen brennenden Lippen ertönen. Dann fühlte sie sich stets von unaussprechlichem Wonnegefühl durchschauert, aber bei dem Gedanken an des Kranken möglichen Tod erfaßte sie wilder Schmerz und in heißem Gebete erflehte sie seine Genesung. Ihr Gebet wurde erhört. Konnte sie auch den Gesundenden nicht mehr besuchen, so erbarmte sich der Hirschwirt ihrer Sehnsucht und teilte ihr ungefragt alles mit, was Amandus betraf, bis sie ihn selbst eines Tages frisch und munter über die Straße gehen sah. Sie hoffte von Tag zu Tag, er würde sie einmal besuchen, doch diese Hoffnung verwirklichte sich nicht. Daß er im Begriffe gewesen, ihr einen Besuch zu machen, von Jörge aber in der Hausflur abgepaßt und ein- für allemal abgewiesen worden war, konnte sie freilich nicht wissen. Trotz dieser scheinbaren Gleichgütigkeit des Jünglings, ließ sich Eva an ihrem Retter nicht irre machen und gab, ungeachtet der heutigen Drohung Jörges, die Hoffnung nicht auf, daß einmal die Stunde erscheinen werde, wo sie hinausjubeln dürfe in alle Wett, wie unsagbar tief sie ihn liebe.