Wro. 91.
62. Jahrgang.
Amts- unä Intekkigenzbkatt für äenKezirk.
Erscheint Z»ien«t«g, Aonnerst«- L Kam«t«g.
Die Einrückungsgebühr beträgt S ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
8am8tag, äea 6. August 1887.
Abonnementspreis halbjährlich 1 -6 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 90 H, sonst in
Amtliche Wekanntmcrchungen.
Amtliche Bekanntmachung^
betv. Las Auftreten öer Lungenfeuche.
In der Gemeinde Oberreichenbach ist die Luvgeuseuche ausgebrochen. Dies wird hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht.
Den 4. August 1887. Kgl. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
G. SL..V.
Wochenschau.
L.O. Die Stille der Sommerfrischen-Saison ist auch während der ab« gelaufenen Woche in Deutschland durch kein bedeutendes Ereignis politscher Natur unterbrochen worden; während aber Kaiser Wilhelm in Gastein mit erfreulichstem Erfolg seiner Kur obliegt und den Aufenthalt in schöner Gebirgslandschaft mit immer noch bewundernswerter Rüstigkeit genießt, herrscht in der hohen Diplomatie eine gewisse, nach Berlin gravitierende Bewegung, welche auf wichtige, sich vorbereitende Dinge schließen läßt. Bald sind es russische, bald österreichische, italienische und andere Diplomaten, die nach der Reichshauptstadt fahren und auch den Fürsten Bismarck zu sprechen suchen oder mit ihm wirklich in aller Stille konferieren. Bereitet sich doch Gastein zu der Zusammenkunft des deutschen mit dem österreichischen Kaiser vor, welcher Entrevue die Besprechung des Grafen Kalnoky mit dem Reichskanzler parallel gehen soll. Angesichts der Haltung Rußlands und der Slaven in Oesterreich kann diese * Doppelzusammenkunft nur wichtige Entschließungen bringen. Welche Haltung Kaiser Wilhelm nun und immerdar zum verbündeten Nachbarreich Oesterreich- Ungarn einzunehmen gedenkt, hat er durch die Verleihung des Großkreuzes seines Hohenzollernschen Hausordens an Kronprinz Rudolf neuerdings angedeutet. Kaiser Franz Joseph aber erscheint in Gastein mit dem peinlichen Gefühl, daß gerade diejenigen seiner slavischen Unterthanen, welche die weitestgehenden Konzessionen auf Kosten des Deutschtums gemacht wurden, die Czechen, in fast hochverräterischer Weise die Ruffenverherrlichung betreiben, die slawische Solidarität predigen und so für ein Vasallen- verhältnis des Hauses Habsburg zum Haus Romanoff plaidieren. Auch in Kroatien erheben sich ähnliche Stimmen, welche auf russische Wühlereien bei
ganz
den Südslaven hindeuten, von der ungarischen Presse aber scharf zurückgewiesen werden. Es steht nun die russische Kaiserreise nach Polen unmittelbar bevor und man darf sicher sein, daß sie der panslavistischen Presse neue Hetz- und Brandartikel über die Solidarität der slavischen Völker eingeben wird. Wohl ist Katkow gestorben, nachdem er seine frühere deutschfreundliche Politik verleugnet hat und nun von der französischen Presse als ein Gleichgesinnter im Deutschenhaß gefeiert wird: aber die fanatischen Anhänger der Lehre vom notwendigen Zusammenstoß deutscher und slavischer Jnteressenpolitik sind noch in großer Zahl vorhanden. Es fragt sich nur, wer den leer gewordenen Platz als publizistischer Vertrauensmann des Kaisers Alexander einnehmen wird. Ehe der letztere Polen bereist, werden dort mit großer Hast die Deutschen ausgetrieben sein, welche als Fabrikdirektoren oder sonstige technische Privatbeamte Jahre lang thätig gewesen sind und der russischen Jndustrieentwickelung die besten Dienste geleistet haben. Es ist also eine wirtschaftliche Selbstschädigung, die mit der Deutschenverfolgung begangen wird.
An sonstigen Nachrichten, welche die Woche brachte, ist der Besuch Kaiser Franz Josefs in München und die Reise des Prinzen Wilhelm nach Tyrol hervorzuheben.
Der Name Battenberg trat während der Woche nur dadurch in der Presse hervor, daß Prinz Ludwig, welcher bisher als Kapitän der englischen Marine die königl. Dacht Osborne führte, zum ersten Offizier eines großen Kriegsschiffs beiördert wurde. Zu Ehren des Prinzen Alexander haben die Erbacher Verwandten des Siegers von Slivnitza demselben an einem schönen Punkte im Odenwald einen Denkstein gesetzt. Jedenfalls schläft der frühere Bulgarenfürst ruhiger als der Herzog Ferdinand von Ko bürg, der schwankende Prätendent auf die bulgarische Krone, welcher nach längerem Zögern schon im Begriff war, sich nach Bulgarien und zunächst nach Tirnowa zu begeben, als ihm die Türkei, durch eigene diplomatische Sendlings von einer Abenteuerpolitik, welche den Mächten nicht angenehm sein könnte, abriet.
Gemischte Gefühle sind es, mit welchen in der ganzen Welt die Streitig, keiten zwischen den Abg. Laur und Cassagnac einerseits, sowie die zu keinem Blutvergießen gediehene Duell-Affaire Boulanger und Ferry erregten. Auch gaben wüste Schlägereien der Pariser Radikalen und Anarchisten, die, aus Anlaß der Stadtbahn ein Meeting hielten, wieder eine Probe der Zivilisation im heutigen Frankreich, welche durch die schönen Reden aus Anlaß der Enthüllung der Denkmäler für den Publizisten Armand Car- rel (im Duell mit Girardin erschossen) und den Geschichtsschreiber Henri
Feuilleton. «Nachdruck v-rbot-n.,
Are GnngrnnLen
von D. ^.vari.
(Fortsetzung.)
5. Kapitel.
Seit dem Jakobifest in Teinach, welches für die Bewohner der Oelmühle so verhängnisvoll endigen sollte, war beinahe ein Jahr verflossen.
Die träge Ruhe eines heißen Sommernachmittags lag über dem schweigenden Dorfe; nur vereinzelt sah man die Kinder sich im Schatten der Häuser bewegen, aber auch in ihrem Spielen drückte sich die erschlaffende Hitze aus, die kleinsten wühlten schweigend im Sande, während die größeren zur Sette kauerten und dem Treiben müssig zuschauten.
Nur in der Mühle hinter der Herberge zum Hirsch herrschte Leben und Bewegung. Dort klapperte das Rad, mit wildem Gebraust stüHte das hochaufspritzende Wasser über das Wehr und lange dauerte es, bis es bemhigt seiner Wege floß.
Aus der bestaubten Thüre der Mühle trat ein Mann, der durch Krankheit oder Kummer frühzeitig gealtert schien, denn er bediente sich eines dicken Stcckes als Stütze, indem er einige Schritte gegen die Dorfstraße machte.
„Vater!" rief eine Stimme aus einem der Giebelfenster der Mühle, „glaubt Ihr aber auch gewiß, daß Ihr schon allein gehen könnt?"
„Ja, ja, Kind", tönte es zurück, „bleibe nur unbesorgt bei deiner Arbeit, ich gehe langsam und werde schon mein Ziel erreichen." Noch einmal winkte der Mann, welcher offenbar erst von schwerer Krankheit erstanden war, freundlich zum Fenster empor und schleppte sich dann mühsam dahin. Das junge Mädchen am Fenster schaute ihm nach und wischte sich eine Thräne ab, als es ihn so unsicher» Trittes über die Straßen schwanken sah.
„Armer Vater", murmelte sie, „und doch kann ich dem lieben Gott nicht genug danken, daß er Dich wieder gesund werden ließ, was hätte ich allein beginnen sollen?"
Ein plötzlicher starker Luftzug, welcher sich am offenen Fenster bemerkbar machte, belehrte die Jungfrau, daß sich die Thüre geöffnet habe. Verwundert, wer sie zu dieser Tageszeit, wo alle Welt auf dem Felde beschäftigt war, heimsuchen möge, wandte sie sich um und prallte erschrocken zurück — Jörge stand vor ihr.
„Was willst Du Jörge?" frug sie mit einem Tone, dem sie vergeblich Festigkett zu geben sich bestrebte, „warum kommst Du jetzt, wo Du wissen mußt, daß mein Vater nicht bei mir ist?"
„Eben deshalb bin ich hier, Eva", erwiderte Jörge dreist, „ich muß einmal allein mit Dir sprechen; so lange Dein Vater krank war, bist Du mir niemals Rede gestanden und — daß ich es mit wenigen Worten sage — ich will nun nicht mehr länger warten. Du sollst bestimmen, wann unser Hochzeitstag sein soll."
„Unser Hochzeitstag?!" wiederholte Eva in zornigem Erstaunen, „glaubst Du denn eigentlich wirklich, ich würde jemals mit Dir Hochzeit machen?"
„Ja, das glaube ich ganz gewiß", entgegnete Jörge überzeugt, „es wird Dir keine andere Wahl bleiben — meinst Du vielleicht es nehme Dich noch Einer, nachdem Du schier ein ganzes Jahr in meinem Haust gelebt hast?"
„Unverschämter!" rief Eva mit zornbebender Stimme, „Jedermann weiß, daß ich mit meinem Vater hier gelebt und daß Du unsem Schrecken und Jammer ausnützend, uns gegen unsem Willen in Dein Haus ausgenommen hast — wenn mich aber auch, nach Deiner Ueberzeugung, kein Mann zur Frau begehren wird, so ist damit noch nicht gesagt, daß ich Dich nehmen muß. Kann ich nicht bei meinem Vater bleiben?
„Das kannst Du allerdings. Aber hast Du auch schon bedacht, wovon Ihr leben wollt?"
„Von unserer Arbeit, wie bisher auch", versetzte Eva stolz.
„Glaubst Du, Dein Vater wird von dieser Arbeit seine Schulden bezahlen können?"
„Mein Vater hat keine Schulden! rief Eva empört, „höre nun auf, mich zu peinigen. Diese Stuben hast Du uns aufgezwungen in der Not, Du hast meinen halbtoten Vater hierher bringen lassen und seine schwere Krankheit nötigte uns, hier