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Calw, 1. August. Das am gestrigen Sonntage stattgefundene Konzert des Calwer Liederkranzes hatte sich eines sehr zahlreichen Besuches zu erfreuen. Das reich- und werthaltige Programm bot in frischer Abwechselung Chöre, Doppelquartette, Soli, Klavier-, Flöten- und Violinstücke. Auf die Einübung der Chöre war, wie man schon aus der ersten Nummer „Das Kirchlein" ersah, viel Fleiß und große Sorgfalt verwendet worden. Der Vortrag war packend und fließend, frei von jeder gesuchten Ziererei. Unter den Chören waren besonders hervorragend die Waldandacht : „Frühmorgens, wenn die Hähne krähn" von Abt und „Ich geh noch abends spät vorbei" von Kreutzer. Elftere Komposition, ein äußerst anmutiges und liebliches Lied, bringt durch das in ihr vortönende Tenorsolo eine ausgezeichnete Wirkung hervor. Großen Anklang fand auch das den richtigen Volkston treffende Lied „H.ll auf Schwabenland" von Braun. Von den 2 Doppelquartetten, die beide hohen musikalischen Wert haben, ist das „Blümchen am Hag" wegen seines einfachen, schönen Textes und der reizenden Komposition namentlich hervorzuheben. Von den Soli wurden 2, „Suleika" von Mendelssohn und „Lob der Thränen" von Schubert, von Hrn. G. Stauden- meyer mit bekannter wohlklingender, schmelzvoller Stimme und innigem Verständnis gesungen. Ein Duett aus Stradella: „An dem linken Strand der Tiber", vorgetragen durch die HH. Rau und Schwämmle, erfreute sich großen Beifalls. Unser Flötenvirtuos Hr. Graf spielte ein Solo aus dem Freischütz: „Wie nahte mir der Schlummer" in vorzüglichster Weise und erntete dafür stürmischen Applaus. Hr. Speidel hatte mit den 3 Geschwistern Stark 2 Nummern: „Ländler" für 2 Violinen und Klavier und »Oe souvenir", Violinsolo mit Klavierbegleitung übernommen und aufs schönste durchgeführt. Endlich erübrigt uns noch die Ouvertüre zur Oper „Tancred" für Klavier, 4händig gespielt von den Hrn. Vinqon und Müller, rühmend zu erwähnen. Daß das Konzert in allen Teilen sehr gelungen war, darüber herrschte nur Eine Stimme und es freut uns den Sängern mit ihrem umsichtigen und tüchtigen Direktor die vollste Anerkennung zollen zu können. Der Liederkranz hat auch mit dieser Aufführung gezeigt, daß frisches Leben und eifriges Vorwäctsstreben nach immer größerer Vervollkommnung im Gesang in ihm weht und er seiner Aufgabe und seinem Zweck vollständig gerecht wird.
—er.
i Oberkollbach. Am Samstag nachmittag brannte hier ein Wohnhaus bis auf den Grund nieder. Obwohl es an Wasser mangelte, gelang es doch den vereinten Anstrengungen der zu Hilfe geeilten Jgelslocher und Maisenbacher Löschmannschaften, die einerseits dicht anstoßenden Häuser zu retten. Der Besitzer war vor einigen Wochen noch versichert. Ent- stehungsursache unbekannt.
Nagold, 28. Juli. Heute vormittag halb 11 Uhr brach in dem Hause des Schreiners Raus er in Jselshausen Feuer aus. Da die Bewohner auf dem Felde waren, wurde der Brand zu spät entdeckt, so daß fast nichts gerettet werden konnte. Zwei kleine Kinder wurden nur mit. Mühe dem Feuertode entrissen. — Der seit einiger Zeit vermißte Oekonom Widmann von Altnuifra ist nun von seinem Bruder in Maria-Einsiedel gefunden und bereits in die Heimat zurückgeleitet worden.
* Stuttgart, 30. Juli. Der Verein für evangel. Mission in Kamerun, welchem in letzter Zeit durch die Gnade Ihrer Majestäten des Königs und der Königin namentliche Unter- stützungen zugefloffen sind, hat neuerdings ein Schreiben des Auswärtigen Amts in Berlin erhalten, laut welchem Seine Majestät der Kaiser mit Interesse von dem anerkennenswerten Zwecke des Vereins Kenntnis genommen und zur Unterstützung der Bestrebungen desselben zu bestimmen geruht haben, daß dem Verein behufs Förderung des Missionswerks in Kamerun ein einmaliger Beitrag von 3000 gewährt werde. Möge die Anerkennung und Förderung, welche das von dem Vereine vertretene Missionswerk hiernach auch an Höchsten Stellen findet, demselben zahlreiche Mitglieder und Freunde zuführen, welche dazu beitragen, daß die selbst solchen
reichen Gaben gegenüber immer noch sehr beträchtlichen Kosten der Kamerunmission im voraussichtlichen Jahresbetrag von etwa 40000 aufgebracht werden. Durch den Vorgang des deutschen Kaisers sind namentlich diejenigen zur thatkräftiger Unterstützung aufgefordert, welche für die neuen großen Aufgaben unseres deutschen Reiches, besonders im Kolonialwesen, Sinn und Verständnis haben. — Zur Entgegenahme von Beitrittserklärungen und Gaben ist bereit der Rechner des Vereins: Staatskassenbuchhalter Oehler in Stuttgart, Olgastr. 57, 3 Tr.
— In Eßlingen hat sich eine größere Anzahl Bürger — worunter Beamte, Fabrikanten und Kaufleute — zu einer Eingabe an die K. Oberstudienbehörden vereinigt, welche die Regelung der Ferien an allen höheren Lehranstalten Württembergs bezweckt. Die Adresse ist mit 237 Unterschriften bedeckt, bereits abgesandt worden und nicht wenige dürften es im ganzen Lande sein, welche ein Entgegenkommen in dieser Richtung mit Freuden begrüßen würden. Der Inhalt der Petition ist im wesentlichen folgender: „Schon seit vielen Jahren tauchen von Zeit zu Zeit, namentlich während der Ferien, unter den beteiligten Familien und in den Blättern hiesiger Stadt Klagen und Wünsche auf, auch Vorschläge, wie die Ferien in passendere Zeiten verlegt werden könnten. Heuer werden dieselben besonders allgemein und laut geäußert. Denn in der That die heurige Fcühjahrsvakanz vom 7. Mai bis 6. Juni war eine fast ununterbrochene Reihe von regnerischen und kühlen, teilweise sehr kalten Tagen und — wie mit einem Schlage, gleich mit dem Wiederbeginn der Schule trat anhaltendes, wunderbar schönes Wetter ein. Es ist das nicht bloßer Zufall, wenn auch gerade der heurige Jahrgang bis vor wenigen Wochen wetterwendisch genannt werden mußte. Aber es ist eine in den letzten Jahren konstante Beobachtung, daß der Mai regnerisch und kühl ist. — Die zweite Hauptvakanz der hiesigen höheren Lehranstalten beginnt gewöhnlich am 12. September und dauert bis Mitte Oktober. Auch diese Jahreszeit, weil eine schon zu sehr vorgerückte, ist für Ferien die wenigst geeignete. Es hat sich deshalb eine große Anzahl von Vätern hiesiger Stadt vereinigt, um an eine Königliche Oberstudienbehörde die ehrerbietige Bitte zu richten, es möchte eine Veränderung der Vakanzen an den hiesigen höheren Lehranstalten eingeführt, beziehungsweise genehmigt werden. Es däucht uns dies nicht allzuschwer. Wir beklagen nicht nur in dieser Frage, daß Ostern ein zeitlich so sehr schwankender Termin ist. Immerhin aber fällt es durchschnittlich in die erste Hälfte des April. Und dieser Monat wäre nach den langen Wintermonaten nach unseren Erfahrungen für eine 2—3wöchentliche Frühjahrsvakanz sehr paffend. Das Sommersemester könnte man spätestens am 1. Mai beginnen lassen; es würde so der ganze Mai, Juni, Juli und noch die erste Hälfte des August in ununterbrochener Reihe — nicht wie seither durch die dazwischen fallende Maivakanz zerstückelt — dem Unterricht gehören und die zweite, eigentliche Hauptvakanz sollte am 15., spätestens 20. August beginnen», und schließen mit dem am 1. Oktober anfangenden Wintersemester. Um die eine oder höchstens zwei Wochen, um welche dadurch das Sommersemester gegen seither verkürzt würde, würde das Wintersemester verlängert und dasselbe so ein wirkliches, nur durch eine dann 14tägige Pause von Weihnachten bis Erscheinungsfest ununterbrochenes Arbeitssemester. Es ist uns freilich gegen unsere hiemit Königlicher Oberstudienbehörde ehrerbietig vorgetragene Bitte eingewendet worden, es sei nicht möglich, nur an einer Anstalt zu reformieren. Würde dieses Bedenken unserer Bitte, die Ferien hier in oben vorgeschlagener Weise zu ändern, absolut hindernd im Wege stehen, so möchten wir, da gewiß auch in anderen Städten ähnliche Mißstände empfunden werden, wie hier, uns die weitere Bitte erlauben, es möchten die Ferien im ganzen Lande in oben vorgeschlagener Weise geregelt werden. Es ist ja ein schon lange Zeit beklagter, auch von pädagogischer Seite vielfach anerkannter Mißstand, daß die Ferien an unseren verschiedenen Landesanstalten zu so verschiedenen und meistens ungeeigneten Zeiten stattfinden. Es erwächst daraus z. B. für alle diejenigen Familien, deren Kinder verschiedene Schulen,
„Aus der Seele?" fragte der Andere, „kennt Ihr den Schwarzwald?"
„Ob ich ihn kenne!" seufzte der Krieger, „bin ich doch mitten drinnen geboren- Habt Ihr vielleicht schon von jenem kleinen, weltentlegenen Thale gehört, durch welches sich die Teinach an hohen, tannenbewachsenen Bergen vorüberschlängelt und in die Nagold ergießt; dort ist meine Heimat."
„Freilich kenne ich das Thal, bin mit meinem Herrn schon auf dem Jagdschlösse des Herzogs von Württemberg in Hirsau gewesen. Dort verlebt man flöhe Tage, Freund. Aber sagt mir, wie kommt Ihr in den bunten Rock der glorreichen Republik Venezia?"
„Wie ich da hinein gekommen bin? Da müßte ich Euch eine lange Geschichte erzählen. Lieber wäre es mir, wenn ich wüßte, wie ich wieder herauskommen soll."
„Ah bah", machte der Andere, mit komischem Augenzwinkern das klägliche Gesicht seines Landmanns musternd, „man muß sich immer zu helfen wissen. Ihr wißt es nicht", fuhr er auf das zweifelhafte Kopfschütteln des Soldaten sott, „bestimmt «inen Ort, wo wir uns diesen Abend treffen können, da mögt Ihr mir Eure lange Geschichte erzählen, vielleicht weiß ich Rat für Euch."
Der Krieger bezeichnet« seinem Landsmann ein Lokal, in dem meistens Deutsche verkehrten, worauf beide sich mit kräftigem Handschlage trennten.
Über den Ponte Rialto schleuderte einige Stunden später der biedere Schwabe aus der Pilgerschar. Die verschiedenen Läden und Gewölbe der Gold- und Silberschmiede, an denen er vorüderkam und deren reiche, blickende Schätze in der Beleuchtung strahlender Windlichter die begehrlichen Blicke der Vorübergehenden auf sich zogen, kümmerten ihn eben so wenig als die magische Pracht, die der klare Vollmond rings umher verbreitete. Unbeirrten Schrittes ging er seines Wegs und den Fontego dei Tedeschi betretend, gewahrte er die niedere, verrauchte Schenke, welche sein Landsmann der so unfreiwillig das Soldatenkleid der Republik irrig, ihm bezeichnet hatte. Zwischen dem weichen, gesangreichen Italienisch tönte ihm die rauhere deutsche Sprache in allen möglichen Dialekten entgegen. Bald fand er seinen Mann, der in der Nähe der Thür klopfenden Herzens ihn erwartete.
„Ah!" machte er, wohlgefällig mit der Zunge schnalzend, nachdem er den vom
Soldaten gefüllten Becher purpurroten Dalmatiners bis zur Nagelprobe geleert hatte, „ah! die hier, diesseits der Alpen, haben einen guten Tropfen; wahrhaftig, Landsmann, das ist das Vernünftigste was ich bei ihnen gefunden."
„Der ist auch mir zum Tröster und Sorgenbrecher geworden", versetzte der Andere, „weiß nicht, was ohne den aus mir geworden wäre."
„Ha, ha", lachte der Schwabe, „habt Euch einen wackern Sorgenbrecher gewählt, der ist besser als 10 Rosenkränze beten, meint Ihr nicht?" Der Soldat sah ihn von der Seite an, als wollte er die Gesinnung seines Genossen auf dessen Zügen lesen, dann erwiderte er: „ich bete überhaupt keinen Rosenkranz, ich bin, unter uns", setzte er im Flüstertöne hinzu, „ich bin Lutheraner."
Neugierig, welche Wirkung seine Worte auf den Landsmann machen werden, lehnte er sich in seinem Stuhle zurück.
„Ei, das trifft sich ja herrlich", versetzte der Andere, „kommt Freund, laßt uns auf die Lutheraner anstoßen, denn ich bin auch einer!"
Sich einen verständnisvollen Blick zuwerfend, leerten die beiden ihre Becher auf einen Zug.
„Nun Freund", forderte der Schwabe seinen jüngeren Landsmann auf, „nun laßt mich hören, was Euch das Herz bedrückt. Das Mitleid ist sonst zwar meine stärkste Seite nicht, insonders wenn ich Einen mit gesunden Gliedern vor mir habe, der sich selbst helfen könnte, wie Ihr, dennoch will ich mit Euch eine Ausnahme machen, da wir nicht nur Landsleute, sondern auch Glaubensgenossen sind."
„Es wird sich ja hauptsächlich um einen guten Rat handeln, den Ihr, ob mitleidig oder nicht, mir gewiß nicht versagen werdet", bemerkte der Soldat.
„Wenn ich ihn geben kann, sicher nicht", versicherte der Andere, „nun aber laßt mich endlich hören, was ihr für eine Dummheit begangen habt, denn auf eine solche scheint es ja doch hinauszulaufcn.
„Ihr habts getroffen", gestand der Soldat beschämt, doch müßt Ihr bedenken, daß —
„Nicht entschuldigen", unterbrach der Andere, „sondern erzählen!"
(Fortsetzung folgt.)